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Achtunddreißigstes Kapitel

Ueberschrift: »Atle's Unterredung mit Gudrun«.

König Atle meinte nun großen Sieg gewonnen zu haben und sagte zu Gudrun wie mit einigem Hohn, oder als ob er [damit] prahlte: »Verloren hast du nun deine Brüder, und du selber bist daran Schuld.« Sie antwortete: »Wohl bist du jetzt zufrieden, da du diesen Mord mir kund thust ||179); aber es kann geschehn, daß du es [noch] bereust, wenn du erfährst, was darnach kömmt; und das Erbtheil Vgl. Egilsson, S. 139b. Wörtlich: » Das Erbtheil wird (genauer: derartig wird das Erbtheil) am längsten nachleben, den Grimm nicht zu verlieren«. Die langwährendste Hinterlassenschaft meiner Brüder wird – nicht das Gold, dessen du dich freust, sondern – mein unvertilgbarer Grimm sein. – Anders Bugge, S. 198 f. wird [mir] am längsten verbleiben, des Grimmes nicht zu vergessen: es wird dir nicht wohl gehn, dieweil ich lebe.« Er antwortete: »Wir wollen uns nun versöhnen, und will ich dir deine Brüder büßen mit Gold und theuern Kleinoden nach deinem Willen.« Sie erwiderte: »[Schon] lange ist nicht gut mit mir verkehren gewesen; doch fand ich [meine Lage] erträglich, dieweil Hogne lebte. Du wirst mir auch niemals meine Brüder so büßen, daß ich zufrieden bin. Doch oft werden wir Frauen von eurer Gewalt unterdrückt: jetzt sind meine Blutsfreunde alle todt, und du allein hast nun mir gegenüber zu entscheiden. So will ich mich in diese Lage fügen: laß uns denn ein großes Gastmahl anstellen: ich will nun für meine Brüder die Todtenfeier Eigentlich »Erbmahl«, s. oben S. 51*. halten, und desgleichen [du?] Das vermuthet auch Bugge, vgl. Am. 72, 3 f. und unten Z. 8 f. für deine Blutsfreunde.« Sie stellte sich nun freundlich in Worten, jedoch war in Wirklichkeit dahinter ihre frühere Gesinnung Wörtlich »dasselbe«. verborgen. Er (Atle) war leichtgläubig und traute ihren Worten, da sie sich in ihren Reden unbekümmert stellte.

| Gudrun bereitete nun die Todtenfeier für ihre Brüder, und eben so König Atle für seine Mannen; und ging es bei diesem Feste lärmend zu. Da gedachte Gudrun an ihren Harm, und brütete darüber, dem Könige eine große Schmach anzuthun. Und am Abend ergriff sie ihre und König Atle's Söhne, da sie auf der Diele Vgl. oben S. 183**. Oder ist vidh stokki anders zu verstehn? Mißverständniß von Am. 74, 2? – Zur Sache vgl. oben S. 34, Z. 12 ff. spielten. Die Knaben wurden ängstlich und fragten, was sie sollten. Sie antwortete: »Fragt nicht darnach. Ich habe vor, euch beide zu tödten.« Sie erwiderten: »Schalten magst du mit deinen Kindern, wie du willst, das mag niemand dir wehren: aber es ist dir eine Schmach, solches zu thun.« ||180) Darauf schnitt sie ihnen den Hals durch. Zu vergleichen ist, wie Signy ihre und Siggeir's Kinder tödten läßt (oben S. 34*); ähnlich wie dort wird der Mord der Söhne in Dr. Nifl. motivirt »da befahl Gudrun ihren Söhnen, für das Leben der Gjukunge zu bitten, aber sie wollten nicht«. Ein ähnlicher Zug findet sich auch in der deutschen Sage: Thidr. s. 2, S. 370 u. s. w.

Der König forschte nach, wo seine Söhne wären. Gudrun antwortete: »Ich werde es dir sagen, und dein Herz [nicht?] erfreuen: du brachtest über mich großen Harm, da du meine Brüder erschlugst: nun sollst du hören, was ich dir zu sagen habe. Genauer »meine Rede«. Du hast deine Söhne verloren, und werden ihre Schädel hier beide als Tischbecher benutzt, und du selber trankst ihr Blut mit Wein vermischt. Sodann nahm ich ihre Herzen und briet sie am Spieße, du aber aßest sie.« König Atle antwortete: »Grausam bist du, da du deine Söhne mordetest und mir ihr Fleisch zu essen gabst; und schnell läßt du [mir] Uebel auf Uebel folgen.« Gudrun sprach: »Es wäre bei mir der Wille vorhanden, dir [noch ferner] große Schmach anzuthun, und es wird nicht übel genug verfahren mit solch einem König.« Der König sprach: »Uebler hast du gethan, als daß die Menschen etwas Aehnliches zu berichten wüßten Vgl. oben S. 124*, wo dieselbe Wendung des Originals etwas anders wiedergegeben ist.; und ist große Unklugheit bei solcher Hartherzigkeit: du hättest verdient, auf einem Holzstoße verbrannt, und zuvor mit Steinen zu Tode geworfen zu werden; so hättest du das, wohin du es treibst.« ferr (von ferja? oder fær?) á leidh, s. Bugge S. 199. Sie entgegnete: »Du weissagst das dir selbst, mir aber wird ein anderer Tod zu Theil werden.« [So] sagten sie sich manche Scheltworte.

Hogne hatte einen Sohn nachgelassen, der | Niflung hieß Nicht der 187* erwähnte. Seine Erzeugung durch den todwunden Hogne erzählt die Thidr. s. (2, S. 394), die ihn Aldrian nennt. Er gehört der nordischen Sagengestalt eigentlich nicht an, sondern ist aus der niederdeutschen Sage aufgenommen, s. Germ. 23, 412.: der hatte großen Haß auf König Atle, und sagte zu Gudrun, daß er seinen Vater rächen wolle. Die nahm das wohl auf, und sie hielten Rath; | sie sagte, daß es ein großes Glück wäre, wenn dies vollbracht würde.

Am Abend, als der König getrunken hatte, ging er schlafen: und | als er eingeschlafen war, kam Gudrun dahin und der Sohn Hogne's. Gudrun nahm ein Schwert und stieß es König Atle vorn in die Brust; beide waren sie dabei thätig, sie und Hogne's Sohn. König Atle erwachte von der Wunde und sprach: »Nicht wird es hier [mehr] ||181) eines Verbandes bedürfen oder sonstiger Pflege. Wer aber hat mir diese Verwundung beigebracht?« Gudrun sagte: »Ich that es zum Theil, und zum Theil der Sohn Hogne's.« König Atle sprach: »Nicht ziemte dir dies zu thun, obschon einige Ursach dazu war: | du warst mir vermählt mit deiner Blutsfreunde Rath, und als Brautschatz gab ich dir dreißig edle Ritter und angesehene Maide und viele andere Männer: | und doch erklärtest du dich nicht zufriedengestellt, wenn du nicht über die Lande herrschtest, welche König Budle besessen hatte; und deine Schwiegermutter ließest du oft in Thränen sitzen.« Es wird hier auf einen Bruderkrieg zwischen Budle's Söhnen um die Erbschaft angespielt, an dem die Schuld hier, wie es scheint, Gudruns Herrschsucht zugeschrieben wird; vgl. übrigens die Quelle ( Am. 93). Gudrun sprach: »Viel Unwahres hast du gesprochen, und nicht achte ich dessen; oft war ich unfreundlich in meinem Sinne, aber du machtest es noch viel schlimmer. Hier ist oft großer Streit gewesen in deinem Hofe, und | schlugen sich oft Verwandte und Freunde, und war eins dem andern Feind. Besser war da mein Leben, | als ich bei Sigurd war: wir erschlugen Könige und verfügten über ihr Eigenthum; wir gaben Frieden denen, die es wollten; und Häuptlinge unterwarfen sich Diese Bedeutung muß hier ganga á hendr haben, wie unzweifelhaft ganga á hond in der Quelle ( Am. 96, 3 f.)., und wir machten den mächtig, der es wollte. Darnach verlor ich ihn; und das war [noch] ein Kleines, Wittwennamen zu tragen; das aber härmt mich zumeist, daß ich zu dir kam, nachdem ich Wörtlich »aber zuvor«. den vortrefflichsten König gehabt hatte. Und nimmer kamst du so aus der Schlacht, daß du nicht den Kürzern gezogen hättest.« König Atle antwortete: »Unwahr ist das; doch mit solchen Vorstellungen wird keinem von uns beiden geholfen, denn wir haben den Schaden. Genauer: »das Loos gebessert, denn unser Loos ist beschädigt«. Handle nun an mir ziemlich und laß meine Leiche ehrenvoll bestatten.« Sie sagte: »Das will ich thun und dir ein ehrenvolles ||182) Begräbniß bereiten lassen und | eine stattliche Steinkiste und dich in schöne Tücher winden und dir für alles sorgen, dessen es bedarf.« Darauf starb er: sie aber that, wie sie verheißen hatte.

Sodann Das Anzünden der Halle, aus Akv. entnommen, gehört einer älteren Sagengestalt an, und folgte, wie dort, natürlich unmittelbar auf den Mord Atle's. Der Verf. hat in seiner Darstellung die abweichenden Züge beider Paralleldarstellungen wieder als nacheinander aufgefaßt; vgl. oben S. 1928. 1944. 197†. ließ sie Feuer an den Saal legen, und als das Hofvolk mit Schrecken erwachte, wollten die Männer nicht den Feuertod erdulden Genauer »das Feuer aushalten«., sondern erschlugen sich selber und fanden so den Tod. Da endete das Leben König Atle's und seines ganzen Hofes. | Gudrun wollte nun nicht [länger] leben nach dieser That; aber ihr Todestag war noch nicht gekommen.

Die Volsunge und Gjukunge sind nach der Sage der Leute die verwegensten und mächtigsten Helden gewesen, und ebenso findet es sich in allen alten Liedern.

Nach diesen Ereignissen fand nun der Kampf auf solche Weise ein Ende.


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