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Dreißigstes Kapitel

Ueberschrift: »Sigurd wird verrathen«. Von hier ab sind die benutzten Lieder wieder erhalten.

Darauf | ging Brynhild hinaus und setzte sich an die Wand ihrer Kammer und erhub große Wehklage: sie klagte, daß ihr alles verleidet sei, Land und Herrschaft, da sie Sigurd nicht hätte. Und abermals kam Gunnar zu ihr. | Brynhild sagte: »Du sollst Herrschaft und Gut verlieren, dein Leben und mich, und will ich heimfahren zu meinen Blutsfreunden und dort in Trauer sitzen, wenn du nicht Sigurd erschlägst Und so (nachdem Sigurd beseitigt) der meinem Gelübde entsprechende Vortrefflichste wirst ( Sig. sk. 11, 9 f.). und seinen Sohn: zieh nicht den jungen Wolf Auch sonst, namentlich aber in ähnlichen Wendungen, wird Wolf in der Bedeutung von Feind gebraucht. auf.« Da ward Gunnar im Herzen bekümmert und fühlte sich rathlos, was ihm am ziemlichsten wäre, da er durch Eide mit Sigurd verbunden war, und hin und her schwankte sein Sinn Wörtlich: »bald dies bald das regte sich ihm im Sinne«.; jedoch schien ihm das die größte Schmach, wenn seine Frau von ihm ginge. Gunnar sprach: »Brynhild ist mir lieber denn alles, und aller Frauen trefflichste ist sie und eher will ich das Leben lassen, als ihre Liebe verlieren.« Und rief zu sich Hogne, seinen Bruder, und sprach: »In arge Bedrängniß (Rathlosigkeit) bin ich gerathen;« er sagte ihm, daß er Sigurd tödten wolle, und erklärte, daß derselbe ihn im Vertrauen hintergangen habe; »so verfügen wir über das Gold und die ganze Herrschaft.« Hogne sprach: »Nicht ziemt es uns, den Schwur zu brechen mit Gewaltthat; auch haben wir eine große Stütze an ihm: keine Könige sind uns gleich, wenn dieser hunische Aus Sig. sk. entlehnt, wo Sigurd mehrfach so heißt; mit Bezug auf S. 6 und 11, wo Hunenland als Reich Volsung's und Sigmund's genannt ist? Vgl. aber H. Zschr. 23, 165 f. Vielleicht steht hunisch hier in allgemeinerer Bedeutung = »südländisch, deutsch«. König lebt, und ||156) einen solchen Schwager bekommen wir nimmermehr; erwäge auch, wie gut es für uns wäre, solch' einen Schwager und Schwestersöhne zu haben (?). Auch sehe ich wohl, wie dies zusammenhängt: Brynhild hat es angestiftet, und ihr Rath bringt uns in große Schande und Schaden.« Gunnar erwiderte: »Dies soll geschehen, und ich sehe Rath: wir wollen Gutthorm, unsern Bruder, aufreizen, er ist jung und unerfahren und steht außerhalb aller Eide.« Wahrscheinlich war Gutthorm ein Sohn Grimhild's, aber nicht Gjuke's; gerade wie Hogne (Hagen) in der Thidr. s., von dessen Wesen im Norden die finstere Seite in Gutthorm's Person sich abgezweigt zu haben scheint. Hogne sprach: »Der Rath scheint mir übel geplant, und wenn er auch zur Ausführung kommt, so werden wir Vergeltung dafür empfangen, einen solchen Mann zu verrathen.« Gunnar sprach: »Sigurd soll sterben, oder aber ich will sterben.« Und er hieß nun Brynhild aufstehen und fröhlich sein. Sie stand auf, erklärte jedoch, daß Gunnar nicht eher mit ihr in dasselbe Bette kommen solle, als bis dieses vollbracht wäre.

Nun besprachen sich die Brüder mit einander. Gunnar sagte, das wäre ein gerechter Grund ihn zu tödten, daß er Brynhild das Magdthum genommen habe: »und reizen wir Gutthorm auf, diese That zu vollbringen.« Und sie riefen ihn zu sich und boten ihm Gold und große Herrschaft, daß er dies auf sich nehmen sollte. | Sie nahmen eine Schlange und Wolfsfleisch und ließen es sieden, und gaben es ihm zu essen, wie der Dichter skald; die folgende Strophe ist aber keine eigentliche Skaldenstrophe, sondern eine (vielfach verderbte) Variante zu Brot, Str. 4. singt:

Eine Schlange Wörtlich Waldfisch. nahmen die einen,
Das Schlangenfleisch Das ist wohl gemeint, nicht »Wolfsfleisch«, das gleich nachher noch erwähnt ist. schnitten andre,
Etliche gaben Gutthorm
Wolfsfleisch [zu essen].
Mit dem Tranke ||157)
Auch mancherlei andere
Zaubermittel (?)
......... Die zweite Hälfte der Strophe ist ganz verderbt überliefert. Die entsprechenden Verse Brot 4, 5-8 lauten: »Eh' sie vermochten, die Mordbegierigen, an den klugen Helden Hand zu legen«.

Durch diese Nahrung und alles zusammen und durch Grimhild's Grimhild ist also hier wiederum bei Bereitung eines Zaubermittels zugegen. Vorstellungen | ward er so wild und kampflustig, daß er verhieß, diese That zu vollbringen. Sie verhießen ihm große Ehre dafür.

Sigurd hatte keine Ahnung von diesem Verrath; auch konnte er nicht dem Geschicke entgehn Wörtlich »ankämpfen gegen«; vgl. 159**, noch dem ihm bestimmten Lebensziele. | Sigurd meinte auch nicht Arglist von ihnen verdient zu haben.

Gutthorm ging hernach am Morgen hinein zu Sigurd, da er in seinem Bette ruhte; da er (Sigurd) aber ihn anblickte, wagte Gutthorm nicht ihn anzufallen, und ging wieder hinaus. Eben so erging es zum andernmal. | Die Augen Sigurd's waren [nämlich] so durchdringend, daß keiner wagte hineinzublicken. Und zum dritten Mal ging er hinein, da war Sigurd eingeschlafen. | Gutthorm zückte das Schwert und durchbohrte Sigurd, so daß die Spitze in dem Polster unter ihm stak. Sigurd erwachte bei der Verwundung, ||158) Gutthorm aber ging hinaus, der Thür zu: | da ergriff Sigurd das Schwert . Gram und warf es ihm nach, und es traf ihn im Rücken und schlug ihn in der Mitte durch: auf die eine Seite fiel das Fußstück Der untere Theil des Körpers., nach der andern Seite aber [fiel] das Haupt und die Arme zurück ins Gemach.

Gudrun war in Sigurd's Armen entschlafen, aber sie erwachte mit unaussprechlichem Harm, da sie in seinem Blute schwamm, und so jammerte sie mit Weinen und Wehklagen, daß Sigurd sich in den Kissen aufrichtete und sprach: »Weine nicht (sagte er), deine Brüder leben dir zur Freude. Aber mein Sohn ist zu jung, als daß er sich wahren könnte Wörtlich: »einen in sofern zu jungen Sohn habe ich, als er sich nicht (oder – ohne thess – »einen zu j. S. habe ich, der sich nicht) wahren kann«. vor seinen Feinden. Doch übel haben sie ihren Vortheil wahrgenommen: nimmer erhalten sie, mit ihnen zu Felde zu ziehn, solch einen Schwager | noch Schwestersohn, wenn Gemeint ist: »der auch mit zu Felde zöge, wenn ...« ihm heranzuwachsen beschieden wäre. Nun ist das eingetroffen, was lange schon geweissagt war Vgl. oben S. 150***., ich aber bezweifelte; doch niemand vermag dem Geschicke zu entgehn. Vgl. oben S. 157** und unten S. 1864. 191†. | Dies aber hat Brynhild angestiftet, die mich liebt vor jeglichem Manne. Und das kann ich schwören, daß ich an Gunnar nimmer mich verging: ich hielt unsere Eide und war nicht ein allzu vertrauter Freund »Habe keine unerlaubte Vertraulichkeit mit ihr gehabt.« seiner Frau. Und wenn ich dies vorher gewußt hätte, und ich stände auf meinen Füßen mit meinen Waffen, so sollten viele ihr Leben verlieren, ehe denn ich fiele, und die Gebrüder alle erschlagen werden; und noch schwerer sollte es ihnen werden mich zu erschlagen, als den größten Wisend Büffel. Das Wort ist, wie die ganze Stelle, aus Thidr. s. Kap. 323 (S. 313 f.) entlehnt. oder Wildeber.« Da ließ der König sein Leben, Gudrun aber erseufzte tief.

Das hörte Brynhild und lachte, als sie ihr Seufzen vernahm. Da sprach Gunnar: »Nicht lachst du darum, daß ||159) du im Herzensgrunde froh gestimmt wärest: warum wirst du so bleich? Wörtlich: »Warum verlierst du deine Farbe?« Eine große Unheilstifterin foradh, eigentlich: »Verderben«. bist du, und es ist wohl zu glauben, daß du todgeweiht bist. Und hättest du vor allen Vgl. Bugge, S. 197. verdient, König Atle vor deinen Augen erschlagen zu sehen, und müßtest dabei stehn: nun müssen wir sitzen über unserm Schwager und Brudermörder.« | Sie antwortete: »Niemand läugnet, daß des Mordes genug sei Wörtlich: »Niemand spricht [dir] ab, daß genug [von dir] erschlagen sei« [vgl. Atlam. 50, 5], d. h. laß es dir an dem Einen Morde (Sigurd's) genügen (niemand verlangt mehr von dir) und drohe nicht Atle tödten zu wollen: Atle kümmert sich nicht u. s. w.: König Atle kümmert sich nicht um euer Drohen und Zürnen, und er wird länger leben als ihr und größere Macht haben.« Hogne sprach: »Nun ist das erfüllt, was Brynhild weissagte S. oben S. 122; vgl. oben S. 150***., und diese Uebelthat können wir nimmer wieder gut machen.« | Gudrun sprach: »Meine Blutsfreunde haben meinen Mann erschlagen: nun werdet ihr im Heere zuvorderst reiten, und so ihr zum Treffen kommt, da werdet ihr befinden, daß Sigurd nicht mehr euch an der (einen) Seite ist, und werdet ihr da sehen, daß Sigurd euer Heil und Stärke war; und | wenn er ihm gleiche Söhne hätte, so hättet ihr unterstützt werden können durch seine Nachkommen und Blutsverwandten.«


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