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Siebenundzwanzigstes Kapitel

Ueberschrift: »Sigurd durchreitet die Waberlohe Brynhild's, der Tochter Budle's«.

Nun rüsteten sie sich weislich zur Reise und | ritten sodann über Berg und Thal zu König Budle und brachten ihre Werbung vor. Er nahm dieselbe wohl auf, falls sie nicht nein sagen würde, sagte aber, sie wäre so stolz, daß sie nur den Mann nehmen würde, den sie wollte.

Da ritten sie hin nach Hlymdal. Dort wohnt Heimi. Die nordische Form ist Hlymdalir, Plural, d. h. die Klang- oder Lärm-Thäler. Heimi begrüßte sie freundlich. Da sagte Gunnar ihr Anliegen. Heimi erklärte, sie habe die Wahl, wen sie nehmen wollte; er sagte, ihr Saal wäre nahebei, und äußerte die Meinung, daß | sie den allein würde zum Manne nehmen wollen, der durch das lohende Feuer reite, das um ihren Saal brenne. Genauer: »entzündet sei«. Hier zeigt sich deutlich die Vermischung mit Sigrdrifa, die auf flammenumlodertem Berge schläft, während Brynhild bei Heimi lebt.

Sie fanden den Saal und das Feuer und sahen da eine von Gold strotzende Eigentlich: »goldborstig«, d. h. von goldenen (Dach-)Spitzen (gleichsam Borsten) starrend. Burg und außen umher brannte ein Feuer. Gunnar ritt den Gote, und Hogne den Holkve. Gunnar spornte das Roß gegen das Feuer, aber es wich rückwärts. Sigurd sprach: »Was stutzest du, Gunnar?« Der antwortete: | »Das Roß will nicht durch dies Feuer springen,« und bat Sigurd, ihm Grane zu leihen. »Gerne Wörtlich: »Das steht zur Verfügung«.,« sprach Sigurd. | Gunnar ritt nun [abermals] zum Feuer, aber Grane wollte nicht von der Stelle. Weil er nur geht, wenn Sigurd auf ihm sitzt, s. oben S. 94*. Gunnar konnte also dies Feuer nicht durchreiten. Da vertauschten sie die Gestalten, wie Grimhild Sigurd und Gunnar gelehrt hatte. Vgl. oben S. 26***. | Darnach ritt Sigurd und hatte [sein Schwert] Gram in der Hand, und band goldene Sporen an seine Füße. Grane sprang nun hinein ins Feuer, als er die Sporen fühlte. Da ward ein großes Getöse, als das Feuer erbrauste, die Erde erbebte und die Flamme zum Himmel emporschlug. Das wagte keiner zuvor zu thun, und war es, als ob er im Finstern ritte. Wohl wegen des schwarzen Qualms. So heißt auch die Waberlohe selbst die düstere in Skirn. 8 und 9, wo auch Str. 14 f. die Situation ähnlich ist. Da legte sich das Feuer, er aber stieg vom Rosse [und ging] hinein in den Saal. So heißt es im Liede Das hier benutzte Lied ist bis auf die beiden folgenden Strophen verloren; doch scheinen noch oft in der Prosa die Stabreime der benutzten Strophen durch.: ||145)

Das Feuer erbrauste,
Die Erde erbebte,
Hoch flammte lodernd
Die Lohe zum Himmel.
| Wenige wagten da
Von des Fürsten Helden
Durchs Feuer zu reiten,
Noch drüber zu springen.

Mit dem Schwerte spornte
Sigurd den Grane,
Das Feuer verlosch
Vor dem Fürsten,
Die Lohe all legte sich
Vor dem Ruhmbegierigen,
Es blinkte das Reitzeug,
Das [einst] Regin besaß. Welches Sigurd von Regin erhalten oder genommen hatte, und welches nun Grane trug.

Und als Sigurd durch die Lohe hinein kam, fand er da ein schönes Gemach, und darin saß Brynhild. Sie fragte, was für ein Mann er wäre; | er aber nannte sich Gunnar, Gjuke's Sohn: »und du bist mir bestimmt zur Frau mit dem Jaworte deines Vaters, falls ich durch deine Waberlohe Wabernde, wallende Lohe, Zauberfeuer, mit dem Odin die in Schlaf versenkte Sigrdrifa (an deren Stelle hier Brynhild getreten ist) umgab. Da ihr Schlaf ursprünglich der Todesschlaf ist (s. oben S. 96**), so hängt die Vorstellung von der Waberlohe ursprünglich mit der Lohe des Scheiterhaufens zusammen, der ursprünglich aus Dorn geschichtet ward (J. Grimm, Kleinere Schr. 2, 241 ff.), weshalb auch bei Dornröschen (= Brynhild) eine Dornhecke die Waberlohe vertritt. ritte, und auch deines Pflegevaters nebst deiner eigenen Bestimmung.« [Sie sagte:] »Nicht weiß ich recht, wie ich hierauf antworten soll.« Sigurd stand aufrecht auf dem Estrich und stützte sich auf den Schwertknauf, und sprach zu Brynhild: »Dir will ich zum Entgelte großen Brautschatz S. oben S. 63**. zahlen in Gold und kostbaren Kleinoden.« Sie antwortete mit Kummer von ihrem Sitze, wie ein Schwan von der Woge Bezieht sich auf den Schwanengesang, den man als – meist todkündende – Weissagung auffaßte (Kassel, der Schwan2, 55). Man denke an die Schwanenhemden der den Nornen verwandten Walkyrjen und die Schwäne auf dem Nornenbrunnen ( Sn. E. 24, 8 ff.; vgl. Kassel, A. 255)., und hatte das Schwert in der Hand und den Helm auf dem Haupte und war in der Brünne: »Gunnar (sagte sie), rede nicht solches zu mir, wenn du nicht vortrefflicher bist als jeder andere; und ||146) du sollst diejenigen erschlagen, die [zuvor] um mich geworben haben, wenn du dir das zutraust. Ich war im Kampfe mit dem Garda-König Das Garda-ríki (= Reich) ist das skandinavische Reich im heutigen Rußland, das eigentliche Rußland, wo der herrschende Stamm ein skandinavischer (schwedischer) war., und meine Waffen waren gefärbt in Männerblut: und darnach verlangt mich noch.« Er antwortete: »Manche Heldenthat habt ihr vollbracht: doch gedenket nun an | euer Gelübde, falls dies Feuer durchritten würde, daß ihr dem Manne folgen wolltet, der das vollbrächte.« Sie fand nun, daß er vollkommen Recht habe Wörtlich: »Sie fand hier richtige Antwort und die Kennzeichen (Bestätigung) dieser Rede«, d. h. sie fand das, was er sagte, richtig und bestätigt., stand auf und begrüßte ihn freundlich. | Dort weilte er drei Nächte und beide theilten Ein Lager: er nahm das Schwert Gram und legte es entblößt zwischen sich und sie. Sie fragte, was das zu bedeuten hätte. Er sprach, es wäre ihm beschieden, daß er also die Vermählung mit seiner Frau beginge, sonst wäre es sein Tod. Vgl. Ragnarssaga, Kap. 5 (Schluß). Das dazwischengelegte Schwert findet sich ebenfalls in der vielgestaltigen sogenannten »Freundschaftssage« (Amicus und Amelius), wo ein Bruder dem andern auf diese Weise die Treue hält. Vgl. das vielverbreitete Märchen von den beiden Brüdern (Grimm Nr. 60, Bd. III, S. 102 ff.), und über andere Beispiele Rechtsalt. 168 ff. | Da nahm er den Ring Andvaranaut S. oben S. 72*. Ueber den Ringwechsel bei der Verlobung (bezw. Vermählung) s. Rechtsalt. S. 177. Nach Snorra Edda giebt er ihr den Andvaranaut und empfängt von ihr einen andern Ring; so auch unten S. 141**. Das ist das richtige (s. Beitr. 3, 280 f.). von ihr, und gab ihr einen andern Ring aus Fafni's Erbe.

Darauf ritt er hinweg durch dasselbe Feuer zu seinen Gesellen: und sie vertauschten wieder die Gestalt und ritten sodann nach Hlymdal, und sagten, wie es ergangen wäre.

An demselben Tage kam Brynhild zu ihrem Pflegevater und sagte ihm im Vertrauen, daß zu ihr ein König gekommen sei, »und er ritt durch meine Waberlohe und sagte, daß er komme, sich mit mir zu vermählen, und nannte sich Gunnar: ich aber sagte Das war oben nicht erwähnt., daß Sigurd allein das thun würde, dem ich Eide schwur auf dem Berge Vgl. oben S. 106*.: und er ist mein erster Gatte.« Das hier angenommene intime Verhältniß Sigurd's zu Brynhild (Sigrdrifa), dessen Frucht Aslaug sein soll, ist, wie diese Aslaug überhaupt, Erfindung des Sagaschreibers (s. die Einl.). Die echte Sage (in den Eddaliedern) faßt das Verhältniß durchaus als ein keusches auf. Heimi sagte, daß es dabei nun sein Bewenden haben müsse. Brynhild sprach: »Meine und Sigurd's Tochter Aslaug soll hier bei dir aufgezogen werden.«

| Die Könige fuhren nun heim, Brynhild aber zu ihrem Vater. Grimhild empfing sie freundlich und dankte Sigurd für seine Begleitung.

Nun ward die Hochzeit zugerüstet, und kam dazu eine große ||147) Menge Volkes; (auch) kam dazu König Budle mit seiner Tochter, und Atle sein Sohn. Und diese Hochzeit hat viele Tage gewährt. | Und als sie zu Ende war, da [erst] gedachte Sigurd aller Eide, die er Brynhild geschworen, ließ aber nichts davon verlauten. Brynhild und Gunnar saßen in Kurzweil und tranken guten Wein.


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