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Aus den Erinnerungen von D. W. Grigorowitsch.
1837-1846

Es ist mir auch heute noch ein Rätsel, wie ich, der ich von Natur aus ein außerordentlich nervöser und scheuer Knabe war, das erste Jahr in dieser Anstalt, wo die Kameraden noch viel erbarmungsloser und grausamer als die Erzieher waren, überlebt habe.

Unter den jungen Leuten, die in die Ingenieurschule eintraten, als ich bereits das erste Jahr hinter mir hatte, befand sich ein etwa siebzehnjähriger Jüngling von mittlerem Wuchs, voller Figur, blondem Haar und kränklichem, blassem Gesicht. Dieser Jüngling war Fjodor Michailowitsch Dostojewskij. Er war aus Moskau mit seinem älteren Bruder Michail nach Petersburg gekommen. Der letztere kam nicht an die Ingenieurschule, sondern trat in die Sappeur-Kompagnie ein und wurde später als Offizier nach Reval versetzt. Nach mehreren Jahren nahm Michail Dostojewskij den Abschied und kehrte nach Petersburg zurück. Hier gründete er eine Zigarettenfabrik, beschäftigte sich aber zugleich mit Literatur, übersetzte Goethe, verfaßte auch ein Lustspiel und wurde nach der Rückkehr Fjodors aus der Verbannung Redakteur der Zeitschrift »Epoche«.

Ich befreundete mich mit Fjodor Dostojewskij gleich am ersten Tage nach seinem Eintritt in die Schule. Es ist schon ein halbes Jahrhundert darüber vergangen, ich kann mich aber noch gut besinnen, daß ich keinen von meinen Jugendfreunden so schnell liebgewonnen hatte wie ihn. Trotz seines verschlossenen Charakters und des gänzlichen Mangels an Aufrichtigkeit und jugendlicher Mitteilsamkeit schien er meine Liebe zu erwidern. Dostojewskij hielt sich schon damals abseits von allen, nahm nie an den Spielen seiner Mitschüler teil und saß meistens mit einem Buch in einem entlegenen Winkel; sein Lieblingsplätzchen war ein Winkel im Schulzimmer IV am Fenster, welches auf die Fontanka hinausging. In der schulfreien Zeit saß er fast immer mit einem Buche an diesem Fenster. Ich hatte als Jüngling einen weichen Charakter und war leicht zu beeinflussen; mein Verhältnis zu Dostojewskij äußerte sich daher nicht nur in Anhänglichkeit, sondern in einer völligen Unterwerfung. Sein Einfluß war für mich außerordentlich wohltuend. Dostojewskij war auf allen Gebieten des Wissens viel vorgeschrittener als ich, und seine Belesenheit setzte mich in Erstaunen. Alles, was er mir über die Werke von Dichtern mitteilte, deren Name selbst mir unbekannt war, erschien mir wie eine Offenbarung. Vorher hatte ich, wie die Mehrzahl meiner Kollegen, nichts als Lehrbücher und Vorlesungskonzepte gelesen; nicht nur, weil alle anderen Bücher in der Schule verboten waren, sondern aus Mangel an Interesse für die Literatur.

Die ersten russischen Bücher, die ich kennen lernte, erhielt ich von Dostojewskij; es war eine Übersetzung von Hoffmanns »Kater Murr« und »Die Beichte eines Opium essenden Engländers« von Maturin; das letztere Buch wurde von Dostojewskij ganz besonders geschätzt. Der literarische Einfluß Dostojewskijs beschränkte sich nicht auf mich allein; noch drei meiner Kollegen schwärmten ebenso für Dostojewskij: Beketow, Witkowskij und Bereschetzkij; auf diese Weise bildete sich ein kleiner Kreis, der sich in jeder freien Stunde um Dostojewskij versammelte.

Die Lektüre und der von ihr angeregte Gedankenaustausch nahm mir jede Lust zum Lernen. Auch Dostojewskij gehörte nicht zu den besten Schülern. Vor den Prüfungen machte er immer die größten Anstrengungen, um versetzt zu werden. Das gelang ihm nicht immer: bei einer Prüfung fiel er einmal durch und blieb sitzen. Dieser Mißerfolg erschütterte ihn so sehr, daß er erkrankte und einige Zeit im Lazarett liegen mußte.

Im Jahre 1844 oder 1845 traf ich ihn einmal ganz zufällig auf der Straße; er hatte bereits die Schule absolviert und die Militäruniform mit Zivilkleidern vertauscht. Ich schloß ihn unter freudigen Ausrufen in meine Arme. Auch Dostojewskij schien erfreut, verhielt sich aber etwas zurückhaltend. Er war übrigens nie zu lauten Gefühlsausbrüchen geneigt. Meine Freude über diese unerwartete Begegnung war so groß und aufrichtig, daß es mir gar nicht einfiel, mich wegen seines kühlen Verhaltens beleidigt zu fühlen. Ich erzählte ihm von allen meinen Bekanntschaften in Literatenkreisen und von meinen eigenen literarischen Versuchen und lud ihn sofort zu mir ein, um ihm mein neuestes Werk vorzulesen. Er folgte gern meiner Einladung.

Als ich ihm meine Erzählung vorgelesen, schien er mit ihr zufrieden, äußerte aber kein allzu großes Lob; eine Wendung beanstandete er. Die Stelle lautete bei mir so: »Als der Leierkasten verstummte, warf ein Beamter aus seinem Fenster eine Kupfermünze hinab, die dem Leierkastenmann vor die Füße fiel.« »Nein, das ist nicht das richtige,« sagte Dostojewskij, »es ist viel zu trocken: die Kupfermünze fiel dem Leierkastenmann vor die Füße ... Du solltest sagen: die Kupfermünze fiel dem Mann klirrend und hüpfend vor die Füße ...« Diese Bemerkung erschien mir wie eine Offenbarung.

In der folgenden Zeit kam ich immer öfter mit Dostojewskij zusammen. Zuletzt beschlossen wir, eine gemeinsame Wohnung zu beziehen. Meine Mutter schickte mir monatlich fünfzig Rubel, Dostojewskij bekam von seinen Verwandten in Moskau fast ebensoviel. Nach den damaligen Verhältnissen war die Summe von hundert Rubeln für zwei junge Leute vollkommen ausreichend; wir verstanden aber nicht zu wirtschaften, und das Geld reichte uns gewöhnlich nur für die ersten vierzehn Tage; den Rest des Monats lebten wir von Semmeln und Malzkaffee. Das Haus, in dem wir wohnten, befand sich an der Ecke der Wladimir- und der Grafengasse; die Wohnung bestand aus Küche und zwei Zimmern, deren drei Fenster auf die Grafengasse gingen. Bedienung hatten wir nicht; wir bereiteten uns selbst den Tee und besorgten auch selbst alle Einkäufe.

Als wir die Wohnung bezogen, arbeitete Dostojewskij an der Übersetzung des Romanes »Eugénie Grandet« von Balzac. Balzac war unser liebster Dichter; wir beide hielten ihn für den weitaus bedeutendsten französischen Schriftsteller. Dostojewskij gelang es, ich weiß nicht mehr wie, seine Übersetzung in der »Bibliothek für Lektüre« unterzubringen; ich kann mich noch besinnen, wie sehr sich Dostojewskij ärgerte, als ihm das betreffende Heft der Zeitschrift in die Hände fiel: die Redaktion hatte den Roman auf ein Drittel gekürzt. So pflegte aber Ssenkowskij, der Redakteur der »Bibliothek«, mit den Arbeiten seiner Mitarbeiter immer zu verfahren, und die Autoren waren so glücklich, ihre Arbeiten gedruckt zu sehen, daß sie niemals protestierten.

Meine Begeisterung für Balzac war der Grund dafür, daß Bjelinskij, mit dem mich Nekrassow bekannt machte, auf mich einen ganz anderen Eindruck machte, als ich erwartet hatte. Von Nekrassow entsprechend vorbereitet, betrachtete ich den bevorstehenden Besuch bei Bjelinskij als ein großes Glück; ich legte mir schon vorher die Worte zurecht, in denen ich ihm meine Begeisterung für Balzac schildern würde. Kaum hatte ich aber erwähnt, daß mein Hausgenosse Dostojewskij (dessen Namen Bjelinskij noch unbekannt war) die »Eugénie Grandet« übersetzt hätte, als Bjelinskij auf unseren Abgott fürchterlich zu schimpfen begann; er nannte ihn einen Dichter für den Bourgeois und sagte, daß er auf jeder Seite von »Eugénie Grandet« eine Abgeschmacktheit finden könnte. Ich war dadurch so verdutzt, daß ich die von mir so schön zurechtgelegte Rede gänzlich vergaß. Wahrscheinlich kam ich ihm wie ein dummer Junge vor, der keine zwei Worte zur Verteidigung seiner Ansicht vorbringen kann.

Dostojewskij verbrachte indessen ganze Tage und zuweilen auch Nächte an seinem Schreibtisch. Er sagte nie ein Wort davon, woran er arbeitete; meine Fragen beantwortete er ungern und lakonisch, und ich hörte bald ganz auf, ihn zu fragen. Ich sah nur zahllose, von Dostojewskij mit seiner eigentümlichen Handschrift beschriebene Blätter; jeder Buchstabe war wie gezeichnet. Eine ähnliche Handschrift sah ich nur noch bei Dumas dem Vater. Wenn Dostojewskij nicht gerade schrieb, saß er über ein Buch gebeugt. Eine Zeitlang schwärmte er für die Romane von Soulié Frédéric Soulié, französischer Romanschriftsteller, 1800-1847., besonders für die »Memoiren des Dämons«. Infolge der angestrengten Arbeit und des ständigen Zuhausesitzens verschlimmerte sich sein Gesundheitszustand; das Leiden, das sich schon einige Male in seiner Jugend gezeigt hatte, trat immer häufiger auf. Er bekam einigemal seine Anfälle auch bei unseren sehr seltenen gemeinsamen Spaziergängen. Einmal stießen wir auf einen Leichenzug. Dostojewskij wollte sofort umkehren; kaum hatte er aber einige Schritte gemacht, als er einen so heftigen Anfall bekam, daß ich ihn mit Hilfe einiger Passanten in den nächsten Laden tragen mußte; mit großer Mühe brachten wir ihn zum Bewußtsein.

Auf solche Anfälle folgte gewöhnlich ein gedrückter Gemütszustand, welcher zwei oder drei Tage anhielt.

Eines Morgens rief mich Dostojewskij zu sich ins Zimmer; er saß auf dem Diwan, der ihm zugleich als Bett diente, und vor ihm auf dem kleinen Schreibtisch lag ein ziemlich starkes Heft von großem Format mit umgebrochenen Rändern.

»Setz dich mal her, Grigorowitsch; gestern habe ich es erst ins Reine geschrieben und nun will ich es dir vorlesen; unterbrich mich aber nicht,« sagte er ungewöhnlich lebhaft.

Das Werk, welches er mir nun auf einen Zug und ganz ohne Pausen vorlas, erschien bald darauf im Druck unter dem Titel »Arme Leute«.

Ich war immer sehr hoher Meinung von Dostojewskij; seine Belesenheit, seine Kenntnisse in der Literatur, seine Ansichten und der große Ernst seines Charakters imponierten mir außerordentlich; ich fragte mich oft, wie es kam, daß, während ich schon manches geschrieben und veröffentlicht hatte, mich also zu den Literaten zählen durfte, Dostojewskij dieser Ehre noch nicht teilhaftig war. Doch gleich nach den ersten Seiten der »Armen Leute« mußte ich einsehen, daß dieses Werk unvergleichlich bedeutender war als alles, was ich bisher geschrieben hatte; diese Überzeugung wurde in mir immer stärker, je weiter er las. Ich war ganz entzückt und wollte ihm einigemal um den Hals fallen; nur seine mir bekannte Abneigung gegen laute Gefühlsausbrüche hielt mich davon zurück; ich konnte aber unmöglich ruhig sitzen und unterbrach ihn jeden Augenblick mit begeisterten Ausrufen.

Die Folgen dieser Vorlesung sind bekannt. Dostojewskij hat ja in seinem »Tagebuch« selbst erzählt, wie ich ihm das Manuskript mit Gewalt entriß und es sofort zu Nekrassow trug. Er hat wohl aus Bescheidenheit verschwiegen, wie das Werk bei Nekrassow vorgelesen wurde. Ich las es selbst vor. Bei der letzten Szene, wo der alte Djewuschkin von Warenjka Abschied nimmt, konnte ich mich nicht länger beherrschen und begann zu schluchzen. Ich sah, daß auch Nekrassow weinte. Ich überredete ihn nun, daß man ein gutes Werk nie aufschieben dürfe und daß man sich sofort trotz der späten Stunde (es war gegen vier Uhr morgens!) zu Dostojewskij begeben müsse, um ihm von seinem Erfolge zu berichten und mit ihm die Einzelheiten des Erscheinens des Romans in der Zeitschrift zu besprechen.

Nekrassow war ebenfalls sehr erregt; er willigte ein und wir begaben uns wirklich zu Dostojewskij.

Ich muß gestehen, daß ich unüberlegt gehandelt hatte. Ich kannte ja den Charakter meines Hausgenossen, seine krankhafte Empfindlichkeit und Verschlossenheit und seine Menschenscheu und hätte ihm alles am nächsten Morgen ruhig berichten sollen, statt ihn nachts zu wecken und noch einen ganz fremden Menschen zu ihm zu bringen.

Auf unser Klopfen öffnete Dostojewskij selbst; als er neben mir einen fremden Menschen sah, wurde er furchtbar verlegen, erbleichte und konnte lange Zeit auf Nekrassows Lobsprüche nichts erwidern. Als der Gast fort war, erwartete ich, daß Dostojewskij mich mit Vorwürfen überschütten würde. Dies geschah aber nicht; er schloß sich nur in sein Zimmer ein, und ich hörte ihn noch lange erregt auf und ab gehen.

Nachdem Dostojewskij auf diese Weise Nekrassow und durch diesen auch Bjelinskij, welcher die »Armen Leute« gleichfalls im Manuskript zu lesen bekam, kennen gelernt hatte, war er plötzlich wie verändert. Während der Drucklegung des Romans befand er sich immer in äußerster nervöser Erregung. Seine Verschlossenheit ging so weit, daß er mir kein Wort davon erzählte, was sich zwischen ihm und Nekrassow weiter abspielte. Wie ich auf Umwegen hörte, verlangte er von Nekrassow, daß der Roman in einer ganz besonderen Schrift gesetzt werden und daß jede Seite eine Einrahmung bekommen sollte. Ich wohnte den Unterhandlungen nicht bei und kann daher nicht beurteilen, ob die Gerüchte auf Wahrheit beruhten.

Eines kann ich nur mit Bestimmtheit sagen: der Erfolg der »Armen Leute« und wohl mehr noch die übertriebenen Lobsprüche Bjelinskijs hatten einen schädlichen Einfluß auf Dostojewskij, der bis dahin ganz in sich verschlossen gelebt und nur mit solchen Leuten verkehrt hatte, die gar kein Interesse für Literatur hatten. Wie hätte auch ein Mensch wie er bei normaler Gemütsverfassung bleiben können, wenn gleich bei seinem ersten Schritt auf literarischer Laufbahn eine solche Autorität wie Bjelinskij sich vor ihm verneigte und laut erklärte, daß in der russischen Literatur eine neue Sonne aufgegangen sei? Bald nach den »Armen Leuten« schrieb Dostojewskij die Novelle »Herr Prochartschin«, die gleichfalls bei Nekrassow vorgelesen wurde; ich war zu der Vorlesung eingeladen. Bjelinskij saß dem Autor gegenüber, lauschte gierig jedem Wort und äußerte ab und zu laut sein Entzücken; er wiederholte immer wieder, daß niemand außer Dostojewskij imstande sei, solche psychologische Feinheiten aufzufinden.

Die Begeisterung Bjelinskijs hatte auf ihn vielleicht keinen so großen Einfluß wie der spätere plötzliche Umschwung in der Meinung Bjelinskijs und dessen Kreises.

Um jene Zeit äußerte Bjelinskij in einem Briefe an Annenkow: »Dostojewskijs ›Wirtin‹ ist ein entsetzlicher Unsinn! Er wollte wohl eine Verbindung von Marlinskij Alexander Bestuschew (Pseudonym: Marlinskij), 1795-1837, ein um jene Zeit sehr beliebter Dichter und Novellist. und Hoffmann mit einem Schuß Gogol herstellen. Er hat noch einige andere Novellen geschrieben, doch jedes neue Werk von ihm ist ein neuer Sturz. In der Provinz kann man ihn nicht ausstehen, und in Petersburg schimpft man sogar auf die ›Armen Leute‹; ich zittere bei dem Gedanken, daß ich diesen Roman noch einmal lesen muß. Mit diesem ›genialen‹ Dostojewskij sind wir doch schön hereingefallen!« So schrieb Bjelinskij, der ehrlichste Mensch in der Welt, und er meinte es durchaus aufrichtig und überzeugt. Bjelinskij scheute sich nicht, seine Ansicht über Dostojewskij laut auszusprechen, und alle Mitglieder seines Kreises sprachen sie nach.

Der unerwartete Übergang von der Vergötterung des Autors der »Armen Leute« zur völligen Verneinung seiner literarischen Begabung hätte auch einen weniger empfindlichen und ehrgeizigen Schriftsteller als Dostojewskij zermalmen können. Von nun an ging er allen Personen, die dem Kreise Bjelinskijs nahestanden, aus dem Wege und wurde noch verschlossener und reizbarer als je. Bei einer Begegnung mit Turgenjew, welcher gleichfalls dem Bjelinskijschen Kreise nahestand, konnte sich Dostojewskij leider nicht beherrschen, und der ganze Zorn, der sich in ihm angesammelt hatte, kam zum Ausbruch; er sagte, daß er niemand von den Leuten fürchte und daß er sie alle mit der Zeit in den Schmutz treten werde. Ich weiß nicht mehr, was der unmittelbare Anlaß zu diesem Auftritt war; ich glaube, sie sprachen u. a. über Gogol.

Jedenfalls bin ich davon überzeugt, daß Dostojewskij der schuldige Teil war. Turgenjew war nie zu Händeln geneigt; man könnte ihm eher eine übertriebene Nachgiebigkeit und Weichheit des Charakters vorwerfen.

Nach dem Auftritt mit Turgenjew kam es zu einem vollständigen Bruche zwischen Dostojewskij und dem Kreise Bjelinskijs. Nun überschüttete man ihn mit Spott und beißenden Epigrammen, man beschuldigte ihn einer ungeheuerlichen Einbildung; man sagte auch, daß er auf Gogol neidisch wäre, den er doch eigentlich anbeten sollte, weil auf jeder Seite der vielgerühmten »Armen Leute« der Einfluß Gogols unverkennbar sei.

Dieser letztere Vorwurf, wenn es für einen Anfänger überhaupt ein Vorwurf ist, war nicht ganz unberechtigt. Der alte Djewuschkin in den »Armen Leuten« erinnert tatsächlich an den Beamten Poprischtschin in den »Memoiren eines Verrückten« von Gogol; bei der Szene, wo Djewuschkin in der Gegenwart seines Vorgesetzten einen Knopf verliert und ihn dann in größter Verlegenheit aufheben will, muß man an die Szene Gogols denken, wo Poprischtschin das Taschentuch, welches die Tochter seines Vorgesetzten fallen gelassen hat, aufheben will und auf dem Parkett ausrutscht. Nicht nur die häufige Anwendung von Wiederholungen des gleichen Wortes, sondern auch der ganze Satzbau zeugt von dem Einflusse Gogols.

Einmal kam es zwischen uns, ich weiß nicht mehr, aus welchem Grunde, zu einem Streit. Die Folge davon war, daß wir den gemeinsamen Haushalt aufzugeben beschlossen. Wir schieden aber in Frieden. Später traf ich ihn noch öfters bei Bekannten, und wir verhielten uns gegeneinander wie alte Freunde.


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