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XVIII.
An den Bruder Michail, den 27. August 1849

[Aus der Festung.]

Es freut mich, daß ich dir antworten darf, lieber Bruder, und mich bei dir für die Büchersendung bedanken kann. Es freut mich auch, daß du gesund bist, und daß die Haft keinerlei schlimme Folgen für deine Gesundheit gehabt hat. Ganz besonders bin ich dir für die »Vaterländischen Annalen« dankbar. Du schreibst mir aber viel zu wenig, und meine Briefe sind viel ausführlicher als die deinigen. Dies nur nebenbei, du wirst dich schon ein anderes Mal bessern.

Von mir kann ich dir nichts Bestimmtes sagen. Über unsern Prozeß weiß ich noch immer gar nichts. Mein persönliches Leben ist noch ebenso eintönig, wie bisher; man hat mir aber erlaubt, im Garten spazieren zu gehen, wo es fast siebzehn Bäume gibt. Dies ist für mich ein großes Glück. Außerdem bekomme ich in den Abendstunden eine Kerze: dies ist mein zweites Glück. Das dritte Glück werde ich erleben, wenn du mir möglichst bald antwortest und das nächste Heft der »Vaterländischen Annalen« schickst; ich bin ja in der Lage eines auswärtigen Abonnenten und warte auf jedes Heft wie auf ein großes Ereignis, wie ein vor Langeweile vergehender Gutsbesitzer in der Provinz. Willst du mir einige geschichtliche Werke schicken? Das wäre ausgezeichnet. Am besten wäre es aber, wenn du mir die Bibel (beide Testamente) schicken wolltest. Ich brauche sie. Sollte es unmöglich sein, so schicke sie mir in französischer Übersetzung. Wenn du aber auch noch eine slawische Ausgabe hinzufügen könntest, so wäre es der Gipfel der Vollkommenheit.

Von meiner Gesundheit kann ich dir nichts Gutes berichten. Seit einem ganzen Monat lebe ich fast ausschließlich von Rizinusöl. Meine Hämorrhoiden quälen mich ganz außergewöhnlich; außerdem spüre ich einen Schmerz in der Brust, den ich noch nie gehabt habe. Meine nervöse Empfindlichkeit hat sich bedeutend verschärft, besonders in den Abendstunden; nachts habe ich lange häßliche Träume, und in der letzten Zeit habe ich oft das Gefühl, als ob der Fußboden unter mir schwankte, und ich säße in meinem Zimmer wie in einer Dampferkajüte. Aus all diesem schließe ich, daß meine Nerven immer mehr zerrüttet werden. So oft ich früher solche nervöse Störungen hatte, nützte ich sie aus, um zu schreiben: in solchem Zustande schreibe ich viel mehr und viel besser als gewöhnlich; jetzt enthalte ich mich aber des Schreibens, um mich nicht gänzlich zugrunde zu richten. Ich hatte eine Pause von drei Wochen, wo ich überhaupt nicht schrieb; jetzt habe ich wieder angefangen. Übrigens macht das alles nichts; ich kann es noch immerhin aushalten. Vielleicht werde ich mich noch einmal erholen.

Du hast mich ins höchste Erstaunen versetzt, als du mir schriebst, daß man in Moskau, wie du glaubst, nichts von unserm Abenteuer weiß. Ich habe darüber nachgedacht und bin zum Schluß gekommen, daß dies ganz unmöglich ist. Sie werden es ganz bestimmt wissen, und ihr Schweigen führe ich auf eine ganz andere Ursache zurück. Das war auch übrigens zu erwarten. Die Sache ist ja klar ...

[Weiter ist in diesem Briefe die Rede von der Familie des Bruders; auch macht D. einige unbedeutende Bemerkungen zu den Aufsätzen in den »Vaterländischen Annalen«.]


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