Felix Dahn
Stilicho
Felix Dahn

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IX.

Wenige Tage darauf stand zu Aulon in dem Garten der Villa vor Alarich, Ataulf und Placidia ein schwer wunder Mann, gestützt auf einen zerspellten Speer, eine blutige Binde um das helmlose Haupt geschlungen: er lehnte vorgebeugt mit der andern Hand auf den Marmortisch: es war Adalger.

Erschüttert schwiegen die drei, als er seinen Bericht beendet. Endlich fragte der König: »Aber du selbst? Durch welches Wunder entkamst du?« – »Sie hielten mich – nach diesen Wunden! – für tot und warfen mich im Finstern in den nächsten Kanal. Aber das Wasser belebte, weckte mich: ich schwamm geräuschlos: wo Wachen standen, tauchte ich. So gelangte ich unter vielen Brücken durch vor die Stadt hinaus. Alte Krieger ›des Mannes‹, die er hier angesiedelt hatte, erkannten mich, verbargen mich, verhalfen mir zur Flucht ans Meer.«

»Und Serena?« fragte Placidia. – »Starb seiner würdig. Sie boten ihr das Leben, wenn sie seine Briefe ausliefere und zumal ein Kodizill des Theodosius: sie lehnte ab und starb. Thermantia floh zu den Religiosae in Rom. – Aber noch ein andrer starb, dem Manne getreu: Claudian, der Poet. All' seine früheren Loblieder auf Honorius sollten ihm jetzt nichts helfen: übrigens waren sie verstummt, seit er zwischen Honorius und Stilicho zu wählen hatte! Dies Verstummen hatte längst empört: er war als glühender Verherrlicher des Feldherrn allbekannt, als sein treuer Anhänger gehaßt: der Kaiser verurteilte ihn zum Tode, verhieß aber Begnadigung, wenn er in einem Widerrufsgedicht das Andenken des Verräters brandmarken, dessen Ermordung rechtfertigen wolle. Der Wackre ließ sich lieber köpfen.« – »Ich hab' ihn lieb gehabt, diesen zweiten Vergil,« sprach Placidia, eine Träne zerdrückend. »Ich fühl' es erst jetzt.« – »Aber,« fuhr der Markomanne grimmig fort, sich hoch aufbäumend, trotz seiner Wunden, »ihr wißt ja noch längst nicht alles, nicht das Blutigste! Auch ich erfuhr es erst nach und nach während meiner Flucht von Ravenna bis Otranto quer durchs Land. Hört, Tausende, ja Zehntausende von Germanen, Alarich, hast du zu rächen: von deinen Westgoten sehr viele, dann Ostgoten, andre Goten in Menge, aber auch von den Stämmen in Gallien, an Rhein und Donau. Und nicht nur Männer, Söldner: nein, Weiber, Kinder, Greise. An einem Tage – dem vierten nach dem Mord – wurden von Heraclian und Carinus nicht nur die vielen, vielen Tausende der verstreuten Söldner überfallen und erschlagen, – nein, auch ihre um Pavia, Bologna und sonst angesiedelten Frauen und Kinder. Bürger und Kohorten wüteten um die Wette unter den Wehrlosen. Viele Frauen und Mädchen sprangen in den Ticinus um . . .« – »Ah, halt ein!« rief der König. »Ich kann's nicht – tatlos – hören! Beim Schwerte Gottes und bei meinem Schwert: ich will sie furchtbar rächen! Alle! Dich, edler, heißgeliebter Feind, dich vor allen. Aber auch den Geringsten unter den Hingeschlachteten unserer Völker. Wieder ruft in mir jene Stimme: ›nach Rom, Alarich, nach Rom!‹ Wohlan, ich folge ihr. Und diesmal steht kein Stilicho zwischen mir und dem Kapitol. Auf, Ataulf, laß das Heerhorn wieder schmettern. Zur Rache auf – nach Rom!«

 


 


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