Felix Dahn
Stilicho
Felix Dahn

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II.

Stilicho saß allein in seinem Zelt, bei dem flackernden Licht einer Pechfackel über die Straßenkarte von Thessalien gebeugt, wohin die Goten zurückgewichen waren. In Nachsinnen und Berechnungen vertieft, achtete er kaum darauf daß vor seinem Zelt mehrere ihm fremde Stimmen vernehmbar wurden, aber auch die seiner – germanischen – Zeltwächter. Plötzlich ward der Zeltvorhang aufgeschlagen und vor ihn trat ein wunderschönes, ja unheimlich schönes Weib: im Schein der Fackel schien ihr rotes Haar wie Feuer zu flammen. Hoch aufgerichtet, schweigend stand sie vor ihm. Er sprang auf und neigte sich tief: »Imperatrix Eudoxia! Nie noch hab' ich, Basilissa, dein Antlitz geschaut: aber du bist es.«

»Richtig geraten, Held Stilicho,« lächelte sie und ließ sich auf einen Feldstuhl gleiten, den dunkeln Mantel abwerfend: das weißseidene Untergewand umflutete nun in langen Falten die schlanke Gestalt. »Der Imperator, mein hoher Herr und Gemahl, ist – wie gewöhnlich – krank. Oder doch – wie immer! – schwach. So hab' ich es an seiner Statt übernommen, dir zu danken: nimm den Dank Eudoxias dazu, Retter und Befreier.« Und sie reichte ihm über den Tisch hinüber die Hand, die grauen Augen tief in die seinen senkend.

»Ich tat nur meine Pflicht.« – »Aber du hattest die Kraft, sie zu tun. Du hast überhaupt Kraft – nein,« verbesserte sie langsam, ihn genau musternd, – »du bist Kraft. Mein hoher Gemahl und Herr, – er sollte doch seine Heere führen, – heißt er doch vom ›Imperium‹ – er sollte ihnen vorfechten im Speerkampf: du weißt, ich bin eine Germanin: das königliche Blut der Merowingen stürmt in diesen Adern. Wohlan: bei uns ist der kein Herrscher, der kein Held. Mein hoher Herr und Gemahl aber ist immer – müd'. Nicht er hat, du hast mich vor Schmach gerettet. Dank, Held Stilicho.« Und ihr Auge nahm durstig sein männlich schönes, ernstes Bild in sich auf.

»Wie kamst du . . .? Ich hörte nur wenig – und fast Unglaubliches von dir, Basilissa.«

»Wie ich, die Barbarin, auf den Thron der Cäsaren kam?« fragte sie lachend, »Ja, 's ist seltsam. Hei, um dieser roten Haare willen. Das Königskind war früh als Geisel in die goldne Stadt gebracht: ach, ihm war sie nicht golden. Finstre Weiber, in grau und schwarz gewandet, in einem weihrauchdufterfüllten finstern Gewölbe rissen mir Frikk und Berahta aus der Seele: das konnten sie: aber ihre blutigen Märtyrer konnten sie mir nicht einpflanzen. So glaubte und glaub' ich an – nichts! So wuchs ich heran. Rufinus – du kennst ihn?« Stilicho nickte stumm. »Rufinus, der bisher meinen hohen Gemahl und Herrn beherrscht hatte, wollte ihm seine Tochter vermählen: Arcadius tat alles, was der wollte: er hätte auch das getan! Aber des Rufinus Nebenbuhler, der Obereunuch . . .« – »Eutropius.« – »Entdeckte mich in meinem Klosterkerker, verpflanzte mich in sein Haus, nächst dem Palast und, kam Arcadius vorüber, mußte ich mich in der offenen Säulenhalle zeigen: mein Feuerhaar gefiel ihm. Und als Rufinus den kaiserlichen Hochzeitzug aus dem Palast anführte, die Tochter aus dem Vaterhaus – an der Ecke der Straße – abzuholen, siehe, da machte der Imperator drei Türen vor diesem Eckhause – vor meiner Säulenhalle – Halt, stieg aus der Sänfte, trat ein und führte mich als Braut in seinen Palast.«

»Das ist wie eine Dichtung Ovids! Oder Claudians!«

»Ach, ich mußte gleich beim Eintritt in das Kaiserhaus meinen schönen Namen ›Hildgundis‹ mit dem fremden Eudoxia vertauschen. Das war das erste Bittere. Und seither nichts als Bitteres. Nächte, Tage, Monde, Jahre – nichts als Bitteres, als Ekel. Ekel an . . . anderen. Und zuletzt – an mir selbst.«

Das schöne Weib legte beide Arme auf den Tisch und drückte das Antlitz auf die verschlungenen Hände. Mitleidvoll betrachtete er sie eine Zeitlang: dann sprach er: »Imperatrix! Bedenke, wieviel Gutes kannst du tun.«

»Ich hab's versucht,« fuhr sie, sich aufrichtend, fort: »scheffelweise habe ich das Gold den Armen gespendet: – die Verwalter haben's unterschlagen! – Auch den Kirchen – denen ich nicht glaube –: die Bischöfe haben's vergeudet. Ah, es hilft alles nicht. Hier, in diesem heißen Herzen ist's leer. Oder übersiedend voll? Ich weiß es nicht! Aber es tut sehr weh.« – »Arme, schöne Frau.« – Sie sprang auf: »Schön? Du nennst mich schön? Du ein Mann, ein Held! Oh, das tat wohl! Das ist mehr als alle Schmeichelei der Höflinge, mehr als ganz Byzanz und seine Krone. Wahrlich du bist ein Mann. Du bist . . . Laß mich jetzt scheiden! Es ist wohl besser. Sie haben mein Prunkzelt mitgeschleppt: darin werd' ich liegen. Liegen –, nicht schlafen. Nur vielleicht träumen? Auf morgen Stilicho!«

 


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