Felix Dahn
Stilicho
Felix Dahn

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V.

Nun traten drei hohe Kriegergestalten ein, unverkennbar – nach Leibesgestalt, Tracht und Gewaffen – Germanen. Sie neigten sich vor Stilicho und der Älteste, in silberweißem Haar und Bart begann seine Ansprache in einer schön lautenden germanischen Mundart.

»Verzeiht,« unterbrach sofort der Feldherr auf Latein, »das ist, mein' ich, vandalisch? Nicht? Ich verstehe es nicht. Bitte, sprecht die Sprache Roms.« – »Ein übles Vorzeichen!« raunte der Alte, zu den beiden andern gewandt noch in seiner Sprache. Dann fuhr er auf Lateinisch fort: »Weither kommen wir, dich zu finden, o Stilicho, Stiliberts Sohn. Bis von der Marosch schilfigen Ufern. Wir suchten dich in Itala-Land. Dort erfuhren wir, daß du hier zu Felde liegst. Wir eilten zu dir über die brüllende See: denn wir brauchen dich dringend: dein Volk bedarf dein. Und ein Großes bringen wir: das Größte, was ein Volk zu bieten hat: schau her!« Er wandte sich zu dem zweiten Gesandten, der unter seinem Mantel hervor einen weißen Stab mit goldner Kugel langte: »den Königstab der Vandalen.«

»Mir?« rief Stilicho und trat bestürzt einen Schritt zurück.

Aber Alarich schritt mit erhobener Hand freudig auf den Sprecher zu.

»Ja, dir, Stilicho, vor allen Sterblichen dir. Bist du doch entstammt dem uralten Königshaus unseres Volkes, der ruhmvollen Sippe der Asdingen. Und zu dem Ruhm der Ahnen hast du den eignen gefügt, der alle Lande, alle Völker durchdringt. An den Ufern der Marosch liegt, in blutiger Schlacht von den Greuthungen erschlagen, unser König Wisumer, der große Held: sein einziger Sohn, Godigisel, ist ein waffenunreif Knäblein: wir aber, rings von Feinden umdroht, wir bedürfen, uns zu führen im Harst der grauen Geere eines streitbaren Helden. So hat unser ganzes Heer – nicht eine Hand hob sich dagegen! – dich zum König gekoren. Komm, komm rasch zu deinem Volk, das dein Vater nie hätte verlassen sollen um fremden Dienst. Nimm diesen Königsstab, deiner großen Ahnen großes Erbe. Komm, führe, schütze, rette dein Volk, Herr König der Vandalen!« Und alle drei Männer traten, lebhaft bewegt, mit bittenden Gebärden, näher an ihn heran.

Alarich aber rief lebhaft: »Bei Gottes Schwert! Das ist ein Wunder des Himmels! Jetzt gerade – in dieser Stunde! – dringt an dein Ohr der Ruf, der uns allen – allen! – das Heil verkündet: deinem Volk, meinem Volk und wahrlich auch dir. Wirf diesen gleißenden römischen Flitter von dir, verlaß diese ganze falsche und – du selber erkennest es! – faulende Welt, in der du doch dein Leben lang ein Fremdling bleibst, ja ein verachteter Barbar. Jetzt, da sie dich brauchen, schmeicheln sie dir, aber – gib acht, denk' an dies mein warnend Wort und an diese Stunde! – sobald sie meinen, dein entraten zu können, werden sie dir lohnen mit schwarzem Undank: denn Undank ist der Dank der Kaiser: merk' dir dies Wort, – – Rette dein Volk, das schwer bedrängte: ihm gilt deine nächste, deine höchste Pflicht, – nicht Rom und nicht Byzanz. Kämpfe, siege, steige zu Heldenruhm empor für dich und die Deinen, nicht für . . .«

»Laß ab!« sprach Stilicho und schob mit rauher Handbewegung den ihm hingereichten Stab zurück. »Du, Alarich, solltest mich besser kennen. Diese Fremden da . . .«

»Wie? Fremde? Wir sind deines Volkes!« sprachen zürnend die drei Männer wie aus einem Munde.

»Ihnen muß ich mein Nein begründen, erklären. Ich danke euch und eurer Heerversammlung: ihr wolltet hoch mich ehren. Allein ihr habt geirrt in eurer Wahl. Ihr wolltet doch zum Könige der Vandalen einen Vandalen, nicht? Wohlan: ich aber bin ein Römer, ein Römer durch und durch. Und nichts als das.«

»Wie? Was? Abgefallen?« riefen die Gesandten durcheinander. Aber ruhig fuhr jener fort: »Abgefallen! Das träfe meinen Vater, nicht mich, der ich in Mailand geboren bin als Sohn eines römischen Bürgers und Legaten. Mein Vater aber . . .? Ist der Mann abgefallen zu nennen, der da aus den Sümpfen des Urwalds glänzend aufsteigt zu den Zinnen Roms? Ihr habt's gehört: nicht einmal eure Sprache versteh' ich: barbarisch schlägt sie an mein Ohr! Geht und meldet den Vandalen: ›Wir haben einen Römer gefunden‹.«

Sprachlos vor Entrüstung, vor Zorn, vor Beschämung standen die drei Männer. Alarich aber rief: »O Stilicho, dies Wort wird dein Verderben! Du ein Römer! Wähnst du denn, irgend ein Mensch in diesem Reich – außer dir selbst! – nimmt dich für einen Römer? Freund, Freund, in dieser Stunde hast du deinem guten Geist den Rücken gewandt auf immerdar.«

Erst jetzt fand der Sprecher der Gesandtschaft Worte: »Ja, Speergenossen, gehen wir. Wir sind zu schwach, jetzt, hier, diese Schmach zu rächen: aber ist unser Königsknabe schwertreif gewachsen – dann wehe Rom, das uns diesen Mann gestohlen! – Allein jetzt schon, wehe dir und Fluch über dich, du Elender, der du dein Volk in seiner Not verlässest. So soll dich verlassen und verraten diese Römerwelt, um derentwillen du die Deinen von dir stöß'st.« – »Wehe dir, Fluch dir und Verderben!« wiederholten die beiden andern und stürmisch eilten alle drei hinaus.

 


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