Felix Dahn
Stilicho
Felix Dahn

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VII.

Ataulf, der ihm auf dem Fuße gefolgt war, hielt ihn draußen am Mantel fest: »warte noch!« flüsterte er. »Nicht Stilicho doch ist Imperator: der heißt Honorius. Und seine Schwester, die Vielschöne, die heißt Placidia! Und sie, die Herrliche, beschied mich geheim in ihr Gemach sobald die Versammlung zu Ende sei. Dort – hinter der Säule, siehst du! – wartet ihre Sklavin. Ich folge ihr. Mir eilt's. Sie ist zauberschön und . . .«

»Ein Rätsel! Weiß Gott, was die eigentlich will. Vielleicht weiß sie's selbst nicht. Hüte dich, Vetter! Und komm bald. Ich rüste zum Heimritt.«


Die Kaiserschwester bewohnte mit ihrem zahlreichen Hofstaat von Hausbeamten, Freigelassenen und unfreien Dienern und Dienerinnen den ganzen Ostflügel des Palastes, dessen drei Bauseiten gegen Osten, Westen und Norden Türen und Fenster öffneten, aber nicht – der Hitze wegen – gegen Süden, wo sich breite Hofräume anschlossen und darüber hinaus schattige Gärten. Pracht und Prunk herrschten überall: aber am üppigsten in einem kleinen Gemach des Frauen-Baus, das zwischen dem großen Empfangsaal und dem Schlafzimmer lag. Es hatte außer der breiten Doppeltür jener Saal zwei geheime schmale Pforten, eingelassen in die Wände aus dem kostbaren numidischen Marmor, dessen tief dunkles Rot, zusammenwirkend mit dem undurchsichtigen Marienglas des einzigen schmalen Rundbogenfensters zwischen dicken byzantinischen Säulen, gar wenig Licht aufkommen ließ in dem niedrig gewölbten Gelaß, in dem die hoch auf dem Mosaik-Estrich gehäuften syrischen Teppiche jeden Schall dämpften, jedes Wort wie geflüstert vernehmen ließen. Vor dem über Leibeshöhe ragenden schmalen Spiegel aus geglättetem spanischem Silber glimmte Tag wie Nacht Licht in einer goldbraunen Bernstein-Ampel, die im Verbrennen des Dochtes Duft, allzustarken Duft, ausströmte: die Herrin war's gewöhnt: aber ihre Besucher überkam dabei traumhafte, süße, berauschende Betäubung. Das ansehnlichste Gerät in dem ziemlich leeren Gemach war ein nur wenig vom Boden erhöhtes Ruhebett: schwer golden das Gestell mit seinen Löwenpranken nachgebildeten vier Füßen: Seide, kostbarste, serische, gelbe die Kissen, gefüllt mit dem weichen Brustflaum der Wildgans aus Germanien, dunkelpurpurn die goldgefranste Decke; über dem Kopfende ragte ein Elfenbeingestell mit wallenden Flamingo-Federn vom Nil, deren unablässiges Neigen und Nicken die Arbeit der Fächersklavin ersparte.

In dieses Gemach trat nun aus dem Schlafzimmer, wo sie die Gartengewandung mit dem Abendkleid vertauscht hatte, durch die enge Geheimtür Placidia, und ließ den herrlichen Leib langsam auf die Kline gleiten: sie wandte das Antlitz dem Spiegel zu und stützte das Haupt auf die Hand. Sie seufzte schwer. »Ah, unerträglich! Dies Leben ist lebender Tod. Drei Stunden Honorius, Honorius! Seine Leerheit und – noch ärger! – seine ekle Zärtlichkeit. Stilicho hat recht: schon merken's die Leute. Neulich meinte mein Beichtvater, der heilige Vater könne – für viele Gebete und noch mehr Solidi – auch Bruder und Schwester entbinden von . . .! Und Ehe sei ja gar nicht nötig, wenn nur die Schwester gehorsam die Zärtlichkeit des kaiserlichen Bruders dulde. Der Niederträchtige! Nie kommt er wieder in meine Nähe! Nein, Priester! Wehe dem Weibe, das sich gibt, wenn es nicht muß – aus Hunger des Herzens.« –

Sie hielt inne und seufzte. Dann fuhr sie fort: »Kann es kommen, daß es muß? Was mir die ›Freundinnen‹ – aber ich habe nicht eine, einsam bin ich, wie auf öder Insel verbannt! – was mir die beneidenswerten Törinnen erzählen von Venus, die rasen mache, so daß sie – wie die Nachtmotten ins Licht – sich ins Verderben stürzen müssen – in Schmach, Elend, Tod, – ah, es mag herrlich sein, so zu erglühen. Aber ach ich Arme! Ich werde es nie erleben. – – Schönheit, Mannesschönheit? Je nun, der Schönste, den ich jemals sah, ist jener goldblonde Gote. Oft muß ich sein gedenken, . . . recht oft. Aber ist das Liebe? Mein Bruder sagt: ›deine Leidenschaft heißt Herrschen, nicht Lieben. Nicht nach dem Brautschleier, nach einer Krone verlangt dein Haupt.‹ Wenig weiß der Schwächling, wie wahr er spricht. Seit jene alte ägyptische Sibylle – eine Zauberin wohl! – in meiner Hand gelesen: ›Kaisertochter, Kaiserschwester, dir wird nur wohl als Kaiserin‹, – seitdem hat dieses Wort wie ein Zauberspruch all' mein Gehirn erfüllt: – ach, ich fürchte, mit Gift erfüllt – und wohl auch den Ort wo andern Mädchen das Herz schlägt. – Kaiserin! Aber die eigenen Brüder versperren mir – beide! – den Thron von Rom und den von Byzanz. Hm! Müssen denn gerade meine Brüder Kaiser sein hüben und drüben? Ohnmächtige Knaben sind sie beide! Wie viele Imperatoren sind durch Gegen-Imperatoren, durch meuternde Feldherren ersetzt worden! Sollten,« lachte sie vor sich hin »Arcadius und Honorius wirklich unersetzlich sein für das Wohl des Cäsarischen Reiches? Diesem läßt man seine Hühner, jenem seine noch dümmeren Goldfische und sie sind zufrieden. Sollte denn unter diesen ränkereichen Römern, unter diesen kühnen Germanen nicht ein Mann Mut und Lust haben, einen dieser Papyros-Throne umzublasen mit einem Hauch und – außer dem Kaiserdiadem – zu gewinnen das schönste Weib der Erde –? Wie sie alle sagen. Ja,« lächelte sie in den Spiegel, sich ein wenig aufrichtend, »du bist wirklich schön, Placidia.« Und sie strich das üppige Haar unter die Stirnbinde zurück, die weißen Schläfe, das zierliche kleine Ohr frei machend. »Aber ach, für wen bin ich schön? Nur für den toten Spiegel. Nicht für einen geliebten Mann. Wenn er dann auch nicht Kaiser oder König wäre! Pfui, Placidia, auf welchen Gedanken ertappe ich dich? Liebe statt Herrschaft? Nein, nein, nein.« –

Über ein kleines fuhr sie fort: »Da rühmen sie so laut meine neu vermählte Schwägerin, des Herrn Bruders in Byzanz Gemahlin, eine Barbarin, ein fränkisch Weib aus Gallien, sagt man, mit roten Haaren! Pfui! welch Unglück, rothaarig zu sein! Aber doch! Wie ich sie beneide! Schön und – Kaiserin! Eine Barbarin! Und ich, des großen Theodosius Tochter, darf Hühner füttern. Freilich: nur des Arcadius Kaiserin: lieber tot! – Nein, da lob' ich mir doch vor allen Männern – ihn! (Schon wieder: er!) Er soll mir sagen, wer schöner ist: ich oder jene? Aber mir ist nicht bang darum: er liebt mich tief. Aber auch er denkt nicht daran, sich selbst den Purpur umzuwerfen. Muß ich wählen zwischen dem Diadem und ihm? – Oder Eucherius, der Verträumte? Auch er liebt mich. Könnte nicht Stilicho den Sohn auf den Thron in Byzanz erheben? Und dann Placidia in der goldenen Stadt herrschen, viel herrlicher als in dem verfallenden Rom, dem sumpfigen Ravenna, diesem flachen Mailand. Und die rothaarige Barbarin? Bah, die schickt man zurück in die Wälder des Rheins. Also Krieg zwischen Arcadius und Eucherius? Und wenn der Pflichtengel Stilicho nicht will? Ei, dann bleibt mir mein schöner Gote. Der lärmt wohl ohnehin bald mit seinen Waffen vor den Toren des Arcadius! Ei ja, welch ein stattlicher Imperator des Orients! Er wäre mir der aller-allerliebste Herrscher und – Gemahl. Mit den andern Namen spielen nur meine Gedanken, sie segeln irr umher, um stets bei ihm zu landen: an ihn allein denk' ich im geheimen. Und wag' ich doch dies Haupt bei so kühnem Spiel um das Diadem, dann will ich ihn dabei gewinnen . . . O du Törin! Hüte dich, ihm in die Arme zu springen – auch ohne Diadem. ›Königin der Schönheit‹ hat er mich genannt: ›stets gehst du deshalb unter Krone!‹ Das war hübsch! Ist er doch auch an Geist und Seele schön. Oh, ich denke schon wieder an ihn. Horch, leise knirscht es in der Marmorwand: ich erschrecke: und ich weiß doch: er ist es!«

 


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