Felix Dahn
Stilicho
Felix Dahn

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V.

In dem »Palast der Cäsaren« trat, von Stilicho eilig berufen, am Mittag dieses Tages der Senat zusammen, dem der »Barbar« wenigstens äußerlich und in den Formen mehr Ehren erwies und – scheinbar – mehr Einfluß einräumte, als diese tief gesunkene Körperschaft unter Soldatenkaisern seit Jahrhunderten gewöhnt war: gerade um den Haß gegen den »Vandalen« abzuschwächen geschah das: – wenig sollte es nützen! Vielmehr wurden die Senatoren, plötzlich auf solche Höhe gehoben, schwindlig und versuchten eine Macht wirklich auszuüben, deren Schein ihnen doch nur aus Klugheit oder Höflichkeit eingeräumt war: freilich regte sich dabei in den Tüchtigsten unter ihnen auch noch ein Wiedererwachen altrömischen Geistes. So in dem greisen Lampadius, dem »Princeps senatus«, der seinen Stammbaum – durch Adoption – bis auf die Scipionen zurückleitete: er war der Vater Heraclians, aber sein Haß gegen den Germanen nicht wie bei dem Sohn auf Neid und Eifersucht, auf gut-altrömischen Stolz und Barbarenhaß gegründet. Er zuerst fand den Mut des Wortes, des Widerstandes, als Stilicho seinen Vortrag und Antrag geendet, und, unter Berufung auf des Kaisers Genehmigung, die Zustimmung der »hochehrwürdigen Väter der Stadt und des Reiches« zu dem mit dem Gotenkönig zu schließenden Bündnis, zumal zu den zu zahlenden Hilfsgeldern gefordert hatte.

Die flammende Röte des Zorns stieg in das bleiche Antlitz des Greises, als er, rasch aufspringend, rief: »So ist er denn erreicht, der Gipfel der Schmach, entehrt der Senat und entweiht das Haus der Cäsaren. Seit lange freilich tragen wir es schon, daß die Barbaren herrschen in dem Reich des Augustus und Trajan. Bepelzte Skythen füllen die Kurien der Städte, tragen in Rom, in Mailand, in Ravenna die höchsten Würden in Heer, Hof und Reich. Die Germanen sind die Männer, wir Römer die Weiber in diesem Staat. Und sie helfen zusammen, diese Barbaren: in diesem Reich, – das sind wir gewöhnt! Aber jetzt reichen bereits die im Reich die Hände über die Grenzen hinaus – ihren Stammgenossen draußen und sie ziehen sie bei den Armen herein, ihre Macht zu mehren. Einen Bündnisvertrag nennst du das, Vandale, und Hilfsgelder? Ein Vertrag der Knechtschaft ist es und der Tribut der Unterworfenen. Ich sage Nein, und nein mit mir sagt jeder echte Römer.« Er setzte sich: ein brausender Beifallsruf durchflog die Reihen der Senatoren.

Nun erhob sich, bevor Stilicho erwidern konnte, des Lampadius Nachbar, der wenig jüngere Stadtpräfekt Symmachus, ein gefeierter Redner und Schriftsteller: »Wahr hast du gesprochen, Princeps senatus, aber nicht die ganze Wahrheit hast du aufgedeckt! Woher denn rührt das Elend dieses Reiches? Warum denn und seit wann sind wir so tief gesunken, daß es von Barbaren im Innern beherrscht, von Barbaren von außen bedroht wird und nur durch Tribut an andre Barbaren deren Schutz erkaufen kann? Seit wann? Seit uns die Götter zürnen, die großen Götter unsrer großen Ahnen, von denen wir abgefallen. Abwärts geht es seit den Tagen des Constantius, der die Tempel schloß und die Opfer verbot. Noch einmal ging uns die Sonne des Sieges auf, noch einmal schlugen wir Alamannen und Perser, als jener Liebling des unbesiegten Sonnengotts, als Julianus die Götter versöhnte durch Rückkehr zu deren heiligem Dienst. Aber gleich sein Nachfolger fiel wieder von ihnen ab und grollend sandten sie Niederlagen, Hunger, Seuchen. Wie kann der Römer auf Sieg hoffen, wenn er den Altar der Siegesgöttin in diesem Saal umstürzt, ihre Bildsäule aus dieser alten Wohnung der Cäsaren hinausschleppt? Schaut hin auf die häßliche Lücke dort mitten in der Reihe der Säulen: leer ist der Ort, verwaist die geweihte Stätte: entfernt hat der Imperator auf Drängen seiner Priester die Siegesgöttin aus seinem Hause, damit den Sieg verscheucht von den Legionen. Und dieser Barbar hier – unser Meister! – verbietet die den Göttern geweihten Spiele und verbrennt unsere ältesten Heiligtümer. Ich kann nicht mehr weilen in diesem entgötterten Saal, nicht dem Feind der Götter regieren helfen, nicht seine barbarischen Helfer bereichern.« Damit verließ er hastigen Schrittes die Versammlung.

Sofort begann nun Stilicho: »Lampadius, ich wünsche dir Glück zu deiner Rede: aber du hättest sie vor vierhundert Jahren halten müssen. Du bist ein echter Römer, aber ein Römer Cäsars, nicht des Honorius. Deinem Freund Symmachus aber sage, ich habe gestern dem Imperator in Gegenwart des Bischofs dieser Stadt den Rat erteilt, Altar und Standbild der Viktoria hier wieder aufzustellen. Da erklärte der heilige Vater, dann Kaiser und Senat und mich aus der Kirche mit Verfluchung auszustoßen. Wollt ihr das, versammelte Väter?« – »Nein! Um Gottes Willen nein! Nur das nicht!« ging es laut durch die Bänke der Senatoren: die weniger zahlreichen Anhänger der alten Götter wagten kaum Einsprache.

»Und um euch, ihr verspäteten Diener der Olympier, meine Unparteilichkeit zu zeigen,« fuhr er mit dem leisen Lächeln der Überlegenheit fort, »will ich euch mitteilen, daß ich – die Not zwingt mich, leer sind unsre Kassen! – auch gegen meine eigne Kirche, die katholische, die Forderungen des Staates durchsetzen muß: ich habe heute die Steuerfreiheit aller rechtgläubigen Kirchen aufgehoben: sie müssen aus den unermeßlichen Reichtümern, die sie aus der Freigebigkeit der frommen Kaiser geschöpft haben, ein klein Scherflein ablassen zur Rettung des Reichs!« – »Diese Unparteilichkeit! Hohn ist sie!« riefen die katholischen Senatoren. – »Den Vertrag mit dem Gotenkönig aber,« fuhr er schärfer, strenger fort, »den – wisset es nun! – hat der Imperator bereits abgeschlossen: seht her, hier steht sein Name. Ich wollte euch ehren, schonen, indem ich euch erst zu befragen schien. Nun ihr aber trotzen wollt, lernt, daß ihr nein zu sagen weder Recht noch Macht habt. Wer unter euch wagt es, dem Imperator zu widersprechen? Das wäre crimen laesae majestatis. Schaut hinaus zu jenem Bogenfenster: da rücken sie an, meine germanischen Söldner, gegen dieses Haus. Wessen Namen soll ich hinausrufen als eines Hochverräters?«

Keiner nannte sich: nur Lampadius rief: »Das ist Gewalt, Barbar! Hüte dich! Gewalt geht durch Gewalt zu Scherben.«

 


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