Felix Dahn
Stilicho
Felix Dahn

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III.

Und abermals waren viele Jahre verflossen. Stilicho hatte, seinem Worte getreu, nur für das Römerreich gelebt in Krieg und Frieden, zunächst für das ihm besonders anvertraute Westreich. Siegreich hatte er in Italien, in Gallien, in Rätien, in Noricum, am Po, am Rhein, an der Donau. Einfälle der Germanen von gar manchen Stämmen abgewehrt. Sein und der Kaisernichte Serena Sohn, Eucherius, war zum stattlichen Jüngling herangewachsen. Den Imperator Honorius hatte er, ihn noch fester an sich zu fesseln als durch die Dankbarkeit – sie ist oft gar schwach bei kleinen Menschen auf Kaiserthronen – mit seiner Tochter Maria, dann, nach deren frühem, kinderlosem Tod, mit der zweiten, Thermantia, vermählt. Allein dies war der erste Plan, der dem erfolgreichen Staatsmann fehlschlug: der Hof wußte, – oder flüsterte doch – daß die beiden Bräute von dem fast noch knabenhaften Bräutigam unberührt geblieben waren, und die Eunuchen des Palastes flüsterten noch leiser, der Grund sei, daß dem Imperator seine üppig schöne und geistig allen Frauen – und sehr vielen Männern! – des Hofes, ja des Reiches überlegene Halbschwester, Galla Placidia, viel besser gefalle als seine beiden Frauen und alle Frauen, die er kannte.

Mit Gram sah der Vater wie die erste so die zweite Tochter, seinen Liebling, in allem Pomp der Kaiserschaft, vom Gatten vernachlässigt, dahin welken. Er entschloß sich kühn und offen, wie er war, Abhilfe zu suchen da, wo ihm die Wurzel des Übels zu liegen schien: bei Placidia selbst.

Vorsichtig, schonend begann er in dem Sprechsaal des Palastes zu Mailand ein Zwiegespräch mit der Warnung vor dem – »freilich ja verleumderischen!« – Gerede der zahlreichen Priester am Hofe, die an der Zärtlichkeit der Geschwister Anstoß nahmen, ja sogar mit leisen Andeutungen schon in ihren Predigten . . . Aber übel kam er an! Das von Gesundheit und Kraft strotzende, von Schönheit strahlende Geschöpf schüttelte das prachtvolle blauschwarze Gelock, das von der goldnen Stirnbinde kaum gebändigt werden konnte und lachte dem Mächtigen übermütig, aber so anmutig ins Gesicht, daß er ihr nicht zürnen konnte: »Ei, lieber Held und Barbarenbesieger, wer sagt dir, daß sie verleumden?« – »Placidia!« – »Nun, nun, nur nicht gleich das Ärgste denken von der armen Kaisertochter, tugendsamer Germane! Was kann ich dafür, daß ich schöner bin als alle Mädchen und Frauen, die ich je gesehn? Und daß ich das so gut weiß? Nun, es ist kein Wunder: haben es mir doch alle Männer gesagt, die ich je gesehn: – ausgenommen du, gestreng ernster Magister militum! Und das soll mich nicht freuen? Dann wär' ich kein Weib! Ich bin aber eins, ach, so sehr.« Sie lachte vor sich hin: »Denke nur, gestern hätten sich Ataulf, der Gesandte der Westgoten – ein bildschönes Stück von einem Barbaren, ja ein germanischer Apoll!« – sie errötete leicht – »und der Präfekt Carinus – schon als flaumbärtige Buben haben sie sich um mich gerauft! – schier mit den Schwertern um mich beworben, wild mir nahend: aber ich lief davon und setzte mich an des Imperators Seite. Großer Staatslenker und Schlachtensieger, ich hoffe, ich bring' es noch zu höherer Macht im Reich mit meiner Schönheit als du mit all' deiner Weisheit und Heldenschaft. Und hab' ich Mäuslein – treulich hielt ich stets zu dir! – nicht schon manches Netz zernagt, das seine Feinde über des Löwen Haupt geworfen? Ich bin deine beste Verbündete: also freue dich, hält der Kaiser was auf Placidia. Aber vergib: ich enteile. Er hat mich zu sich befohlen: und ›dem Herrscher gehorchen ist höchstes Gesetz‹ – oder doch höchste Schlauheit.« Und wieder lachte sie und schwebte anmutvoll hinaus.

Er sah ihr sinnend, kopfschüttelnd nach: »Ich werde nicht klug aus dem herrlichen Mädchen! Was ist stärker in ihr? Die Lust zu herrschen wie eine Kaiserin – eben als des Theodosius Tochter – oder des Weibes Drang, gepriesen zu werden? Sollte nicht bald in ihr auch ein andrer Drang erwachen: der, geliebt zu werden? Heißer noch, der Drang zu lieben? Mir ist, sie wirft sich in die Herrschsucht, jenem holden Sehnen zu entrinnen: sie will nicht Weib, – Herrscherin will sie sein. Wie lang noch wird ihr das genügen? Und was dann, wann das andre kommt? Dann, fürcht' ich, werden Westreich und Ostreich zusammen nicht ausreichen, dieses Weib abzuhalten von seinem ›Glück‹ – oder von seinem Verderben!«

 


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