Felix Dahn
Stilicho
Felix Dahn

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VIII.

In der Stunde dieses kleinen Gefechts vor Mailand standen in dem Prätorium des halbverbrannten Castrums von Speier Markomer, ein Gaukönig der Uferfranken und Ruthwalt, ein Gaukönig der Alamannen: unfroh blickten sie beide: denn die Hände waren jedem auf dem Rücken zusammengebunden. Lange schwiegen sie, einander abgewandt, jeder zu einem andern Fenster des Cönaculums hinausschauend. Endlich wandte sich der riesige Alamanne dem kleineren Franken zu und sprach: »Nun, Markomer, Markofrieds Sohn, übler Nachbar, wollen wir nicht Frieden schließen in der letzten Stunde unseres Lebens? Bei Ziu! Nach dem Tode können wir doch nicht mehr, wie diese letzten zehn Jahre, darüber kämpfen, ob dieses götterverfluchte Römernest fränkisch wird oder alamannisch.«

»Hast Recht! Aus ist's. Römisch wird's wieder. Oder doch – stilichonisch. Denn, liegt der tot, – welcher Unhold hat ihn plötzlich hergeblasen? – unsere Söhne mögen wieder darum kämpfen, wem es zufällt: denn dann fällt es doch wieder.«

»Wohl: – und mit der Stadt gewinnen sie dann die Gräber ihrer Väter. Denn mir ist, ich sehe die Sonne nicht mehr zu Golde gehn. Unheimlich sind mir die Mienen seiner Schreiber.«

»Ja! Als ich dem einen, der so drohend redete, sagte: ›ich bin mitten im Kampf gefangen: schwertgefangnen Mann tötet man nicht‹, da lachte mir der Tabellio ins Gesicht: ›aber Schwurbrüchige!‹ Ja, der Eid! Das ist das Übel! Wohl hatte ich Stilicho geschworen, Ruhe zu halten . . .« – »Ich auch!«

»Aber nur ihm, von Held zu Held!« – »Als es nun hieß, er sei gefallen . . .« – »Im Ostreich, durch den Balten . . .« – »Da war ich wieder frei von meinem Schwur, bei Wodan, und schlug los.« – »Auch ich: gegen dich wie gegen die Kohorten.«

»Aber die Römer – auch er! – verstehn das anders als wir: ›Rom stirbt nicht!‹ erwiderte er, als ich nach der Gefangennahme mein Wiederlosschlagen entschuldigte.« – »Ja! Er kann uns köpfen: – nach seinem Römerrecht. Und er sieht danach aus, als hab' er's ernstlich vor.« – »Köpfen!« meinte der Franke. »Wenn's das nur ist! Aber einen meiner Ahnen hat ihr frömmster Imperator – Constantinus hieß er und im Eisstrom Hels schwimme seine Seele! – den wilden Tieren vorgeworfen in dem runden Haus zu Trier. Das . . .« – »Das tut der nicht. – Da kommt er.«

Stilicho trat ein, in vollen Waffen, sehr ernsten Angesichts. Ein Centurio folgte ihm und blieb auf der Schwelle stehn.

»Was seh' ich?« rief der Feldherr unwillig. »Gefesselt! Könige! Götterentstammte! Wie sie selbst glauben gleich ihren Völkern. Ein Wahn meinst du, Sempronius? Gewiß, aber man soll ehren, was andern heilig. Warum diese Stricke?« Und er schritt hinzu und durchschnitt sie mit dem Dolche.

»Magister militum, du wolltest sie allein sprechen: sie haben vier sehr starke Arme . . .«

»Glaubst du, ich fürchte sie? Geh, laß uns allein.«

Markomer reckte die gelösten Arme: »Dank! Das Seil schmerzte.« – »Mehr noch die Schmach. Dank!« sprach Ruthwalt. – »Nicht ich, euer Treubruch hat sie euch bereitet. Wohlan, ihr sollt's gut machen. Ich komme, euch dazu zu helfen: denn ich vertraue euch: Ich glaub' euch, daß ihr vermeintet, mir nur für meine Lebtage Ruhe geschworen zu haben und daß ihr glaubtet, ich liege tot vor Byzanz. Jenen Wahn gebt auf: ihr schwört jetzt der ewigen Roma. Hört ihr? Versteht ihr? Oder – besser noch! – jetzt nicht nur schwören: wir wollen – nach eurer Sitte! – Blutsbrüderschaft schließen: das bindet euch am stärksten. Geht: ihr seid frei!« – »Stilicho!« – »Feldherr! – »Wie sollen wir dir danken?« – »Wodurch?«

»Durch Treue. – Wißt ihr, weshalb ich euch starke Recken so leicht – in zwei kurzen Treffen! – bezwingen, fangen konnte? Weil die himmlischen Gewalten euren Eidbruch strafen wollten, weil sie – unsichtbar! – für Rom kämpften. Seid treu – und ihr werdet wieder – wie so oft früher – siegen: aber nicht gegen Rom, für Rom sollt ihr kämpfen. Hört, was ich nur euch vertraue: ich muß heute noch mit allen germanischen Söldnern, die ich hier in Gallien, dann in Rätien, Vindelicien, Noricum aufgerafft, eilig aufbrechen nach Italien, das mein bedarf. Entblößt von Wächtern – schutzlos! – laß ich den Rhein und die Donau zurück . . .: doch nun – nicht schutzlos. Denn ich vertraue sie – eurer Treue! Ihr, meine Blutsbrüder, sollt mir die Grenzen schirmen gegen schlimme Nachbarn, – so schlimme wie ihr selbst gewesen seid. Dir, Uferfranke, vertraue ich den Mittel- und den Nieder-Rhein, die Maas und die Mosel: hüte sie gegen die landgierigen Salier, die Merowinger. Du, Alamanne, schütze mir den Oberrhein bis Straßburg, bis Basel gegen deine Stammesvettern, die wilden Sueven. Macht eure Sache gut: an reichem Goldlohn für euch, an Getreide für eure Gauleute soll's nicht fehlen. Holt eure Helme, draußen hängen sie: geht damit zu meinem Quästor Manlius: er hat Befehl, sie randvoll zu füllen mit den neugeprägten Goldsolidi, den Honorianici: 's ist nur einstweilen ein Abschlag. Mehr folgt, führ' ich – in Bälde! – die Kohorten hierher zurück und erfand euch treu. Sprecht offen, ihr Könige, darf ich euch trauen?«

Da eilten die harten Männer auf ihn zu und drückten seine Hände: »Treu bis zum Tod, bei Wodans Speer!« rief Markomer.

»Bei Ziu, ein Neiding wäre, wer dich täuschte!« fiel der Alamanne ein.

»Ich glaub' euch!« – Er trat mit ihnen hinaus in die Vorhalle, wo zahlreiche Heerführer versammelt standen: »Auf!« befahl er, »auf, meine Tribunen, laßt die Tuba schmettern durch eure Reihn: zum Aufbruch. Eilt! Italien und den Kaiser gilt's zu retten!«

 


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