Felix Dahn
Stilicho
Felix Dahn

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VI.

In derselben Stunde stand Eucherius vor der Kaiserschwester in deren Empfangsaal: seine Wangen glühten, seine Augen leuchteten. »Placidia,« schloß er seine warmen Worte, »Zauberin, nicht weiß ich, welche magischen Worte du ihm zugeflüstert – sind doch magisch alle deine Worte! –: aber das weiß ich, du hast die Schwester, mich, hast des Vaters Machtstellung gerettet. Wie soll ich dir danken?«

»Gar nicht,« lächelte sie, sich auf der Kline ein wenig aufrichtend. »Denn erstens hab' ich es nicht für euch getan, sondern für mich. Sollte gar kein Schirmwall mehr stehen zwischen mir und dem wilden Werben dieses Carinus?«

»Ich hasse ihn,« knirschte der Jüngling. – »Er dich noch mehr, verlaß dich drauf! – Und zweitens: der einzige Dank, den ich annehmen würde – gern annehmen! – wäre das Kaiserdiadem, mir dargereicht von Imperator – Eucherius.« – »Placidia! Welcher Frevel! Treubruch!« – »Siehst du, wie du erschrickst beim bloßen Gedanken? Und dieser Zaghafte gibt vor, – bildet sich wirklich ein, – Placidia zu lieben! Der schöne Gote hätte heute nicht gezögert, hätte er sechstausend Germanen vor dem Palast des Honorius geschart gehabt. Geh', tugendsamer Jüngling! Heute konntest du mit einem Griff diese Hand greifen, und den Purpur. Du hast die Stunde versäumt: nie kehrt sie wieder. Geh!«

Während er gesenkten Hauptes hinausschritt, sprang sie ungestüm auf, reckte sich hoch, hob beide Arme empor und sprach: »Nun eile dich, goldlockiger Ataulf! Byzanz war zu fest, Stilicho zu nah: Mailand aber ist nicht so fest und Stilicho ist weit. Ich harre dein: – mit oder ohne Purpur, komm!«

 


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