Felix Dahn
Stilicho
Felix Dahn

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II.

Als die Nachricht von des Arcadius Tod Stilicho in Ravenna erreichte, – nicht der Kaiser hatte sie ihm gesandt, Eucherius sie überbracht – eilte er Tag und Nacht nach Mailand an den Hof. Unterwegs schilderte ihm der Sohn die gar nicht mehr heimlich betriebenen Ränke der Feinde. Der Vater blieb ruhig dabei: er fragte nur den neben ihm Reitenden: »Hältst du's für möglich, daß er wirklich die germanischen Söldner entläßt?«

Eucherius nickte: »Das ist mir das wahrscheinlichste, was er tun wird, von allem, was sie verlangen.« – »Nein! Noch wahrscheinlicher tut er nicht was die andern verlangen, wonach ihn selbst verlangt. Er aber will nach Byzanz. Schon lange plante er einen Besuch dort. Ich hielt ihn nur ab, indem ich ihn warnte, sein lieber Bruder werde ihn gar nie mehr fortlassen, in den Meerturm sperren und selbst das Westreich beherrschen. Auch Eudoxia wollte er schon lange durchaus kennen lernen: – er lud sie ein. Sie sollte ihm eine zweite Placidia werden. Jetzt vollends ist sie Witwe und . . . ich kenne sie! Aber nein!« rief er mit aufflammendem Zorn, »der Bube soll nicht meine zweite Tochter schmachvoll verstoßen, wie er die erste wehevoll verblühen ließ. Nein. Jetzt kämpf' ich nicht nur mehr für dieses Reich der Römer, – für mein Haus und meines Hauses Ehre wie die meine.« – Nach einer Weile fuhr er ernst, fast traurig fort: – »Kämpfen? Dazu braucht's zwei. Aber nur er hat Kampfmittel. Die Legionen! Die Söldner? Auch sie haben ihm geschworen, nicht mir. Schickt er sie fort, lohnt er sie ab, – die Kirche bot ihm, ich weiß, das Gold dazu, sind's doch Heiden und Ketzer! gehen sie, müssen gehn. Und ich? Wen hab' ich, der unbedingt, der ohne Wank zu mir steht? Einen Sohn, Adalger, einen Poeten. Oh beneidenswerter Alarich! Hinter dir steht, bis zum Tode getreu, wie du ihm gegen eine Welt, dein Volk! Ich habe kein Volk. Mein Reich ist Rom: – aber wo ist mein Volk?«

»Höre, Vater, ein Gedanke. Du müßtest Söldner haben, die nur dir, nicht ihm geschworen haben, die er dir sowenig nehmen kann, wie dem Balten seine Goten. Die ihm geschworen, bindet dieser erste Schwur, auch wenn du sie dir schwören ließest. Nun aber sagte mir Adalger jüngst unterwegs in Bologna, neuntausend Söldner, von Byzanz entlassen, Germanen, – weiß nicht, welches Stammes – stehen hart an unsrer Grenze. Zwei Führer fragten bei ihm an . . .« – »Vortrefflich, mein lieber Sohn! Ich schicke von der nächsten Positio der Reichspost Eilboten an Adalger, er soll mir jene Germanen sofort anwerben: nötigenfalls dich zu ihnen schicken. Denn er selbst soll flugs nach Ravenna, wo meine treuesten Söldner stehn, diese Feste mir zu sichern. Und schleunig soll er mir Botschaft senden von dem Vertragsschluß.« – »Aber das Geld? Du weißt, gar oft getäuscht von beiden Reichen, verlangen sie jetzt stets Barzahlung.« – Stilicho sann nach; seine Stirn umwölkte sich, dann sprach er finster: »Das Geld? das Geld muß der Staat geben.« – Eucherius erschrak: »Der Staat? Das ist der Imperator. Sein Geld – gegen ihn? Vater, das hättest du früher nicht getan!« – »Wohl,« erwiderte Stilicho mit drohender Stimme. »Aber jetzt bin ich der Staat der Römer. Erhalt' ich mich, halt' ich das Reich. Selbstsucht? Bah, jetzt ward sie Pflicht. Nun, Knabe Honorius, Alarich und Rhadagais hab ich bezwungen und viele andre mehr –, laß sehn, ob du mich bezwingst oder ich dich.«

 


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