Felix Dahn
Stilicho
Felix Dahn

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Drittes Buch.

I.

Wenige Tage nach der Rückkehr Stilichos mit Flotte und Heer nach Italien, hatte sein Sohn Eucherius in einem kleinen Gemach des Palatiums zu Mailand zwei Freunde gleicher Jugend zu einem jener einfachen »Symposia« geladen, deren beste Gerichte vierhundert Jahre alt, scherzte einer der Genossen, ein schöner Jüngling mit echtem, scharf geschnittenem Römerkopf und römischer – kurzer und runder – Schur des krausen, tief schwarzen Haares.

»Nun ja,« meinte der jugendliche Wirt, den kaum berührten Becher zurückschiebend, »ganz so goldschweren Inhalts, von so altrömischem Pomp wie die Verse Vergils sind die deinen nicht, – noch nicht! – mein Claudian: aber die Lyra des großen Mantuaners hat nie seither solchen Widerhall geweckt wie in deiner wohllautreichen Seele.«

»So sagt Rom, der Hof, ganz Italien,« bekräftigte kopfnickend der andre etwas ältere Gast, ein blonder Markomanne. »Ihr denkt jetzt, was versteht der Barbar von unsern Versen? Ich rede auch nur vom Inhalt: vom Heldentum Stilichos, das sie verherrlichen. Und darauf versteh' ich mich ein wenig, mein' ich.« Und er trank einen herzhaften Trunk.

»Das eben ist mein Unglück,« sprach Claudian: »der Mann ist zu hoch für meine kurz gewachsene Muse. Nun, was meiner Kunst gebricht – die Liebe, die Treue, die Begeisterung für den Helden muß es ersetzen.« – »Und sie kann es wahrlich,« rief der Sohn, ihm auf die Schulter klopfend. – »Aber mein Dank,« fiel der Germane ein, »kann's kaum, ob ich zehnmal für ihn mein Leben ließe!« – »Du hast's erprobt, Held Adalger,« rief Claudian, »in mehr als sieben Schlachten.« – »Ja,« sprach Eucherius, »diese Narbe da über die ganze Wange hin . . .« – »Bah, nur ein Hunnenpfeil, der ihm galt, und den ich in der Geschwindigkeit – Schwert und Schild hatten mit andren zu tun! – mit dem Gesicht auffing. Das war ein kleiner Dank für eine große Tat. In Gallien war's, am jungen Rhein: ich hatte schweifende Hunnenhorden nach Kräften abgewehrt, ihnen viele der kleinen zottigen Gäule reiterlos gemacht: sie haßten mich wie nur Hunnen hassen: durch Verrat der hunnischen Söldner auf unsrer Seite griffen sie mich im Schlaf in meinem Zelt, schleppten mich fort und wollten mich lebendig verbrennen: der Feldherr erfuhr's, setzte nach – mit gar schwacher Schar, – hieb mich heraus, mit dem eigenen Schwert! – als sie mich schon auf die Hürde geworfen hatten. Ein Schwirrgewölk von Pfeilen – nun, ich fing auf, was ich konnte! – Aber lieber hör' ich solch Gezisch als das der Worte in dem Palatium zu Byzanz, wo Claudian und ich in den letzten Monaten die Sache des Helden vertreten sollten. Schlecht gelang es uns!« – »Nie mehr geh' ich hin!« rief der Poet. – »Außer er schickt uns! Dann geh' ich in die heiße Hölle der Christen wie in die dunkle Hel meiner Landsleute an der Donau.«

»Erzählt doch,« bat Eucherius, – »noch hab' ich den Vater nicht gesehn seit seiner Rückkehr! – Wie ging das zuletzt in Byzanz? Ich sollte ja hier den Hof überwachen und rasch melden, was etwa bedrohlich aufsteige an Wettergewölk. Aber ich hatte nichts zu melden, als daß . . .« – »Honorius die Hühner füttert,« lachte der Markomanne und trank. – »Ach laß den Spott! Ich muß ihn nächstens wieder lobpreisen,« klagte Claudian. »Mach' mir das Schwere nicht noch schwerer.« – »Warum tust du's?« schalt Adalger. – »Weil ich muß! Sonst darf ich auch ihn – ›den Mann‹ sagt man in ganz Italien – nicht mehr loben. Wenigstens nicht mehr vor den Leuten: und das will, das muß ich doch! Der Imperator ist eifersüchtig und meinte jüngst – ein gar schöner Mund hat mich gewarnt! – man müsse die Lyra zerschlagen, die lauter den Diener lobe als den Herrn.« – »Honorius loben!« erwiderte der Germane, »Ist schwerer als Saul dem Alanen vorreiten.«

»Aber sagt endlich,« mahnte Eucherius, »was hat den Umschlag in Byzanz bewirkt?« – »Jedenfalls,« schalt Adalger, »das Rauschen eines Weibergewandes und das Zischen einer Weiberzunge.« – »Die Imperatrix war in Ungnade gefallen beim Imperator.« – »Rufinus, ihr alter Feind, hatte wieder einmal dessen Ohr.« – »Sie sollte gefangen gesetzt werden im Meerturm am Bosporus.« – »Da kam sie plötzlich zurück – unerwartet . . .« – »Überraschte Arcadius zur Nacht, in seinem Schlafgemach . . .« – »Sie ist ja zauberhaft schön! . . .« meinte Adalger. – »Am andern Morgen führte sie ihm einen chaldäischen Sterndeuter zu, der in derselben Nacht in den Plejaden gelesen hatte . . .« – »Stilicho sei des Imperators gefährlichster Feind . . .« – »Eudoxia aber werde in neun Monden einen Sohn gebären . . .« – »Die bisher Kinderlose!« – »Der werde Westrom, wie Ostrom beherrschen als der größte Imperator seit Trajan.«

»Und das hat Arcadius . . .?« zweifelte Eucherius. – »Alles geglaubt!« – »Wird aber das Kind nicht geboren?« – »Es wird geboren oder sonst beigeschafft, verlaß dich drauf!« – »Oder wird's ein Mädchen?« – »Es wird ein Knabe,« meinte der Germane. – »Und jedenfalls sind neun Monate Herrschaft gewonnen.«

»Und darum, deshalb meines Vaters Mißhandlung?«

»Ja, weiß Gott, – oder vielleicht genauer der Teufel! –« zürnte Adalger, »was die schöne Walandine gegen ihn hat!«

»Vielleicht wollte sie durch ihn Rufinus stürzen . . . .« – »Beider gemeinschaftlichen Feind . . .« – »Und so das Ostreich beherrschen: und das schlug ihr irgendwie fehl.« – »Aber wer errät ein Weib! Gleichviel: Byzanz ist fern,« tröstete der Markomanne: »von dort aus kann sie ihm nicht schaden.«

»O doch,« seufzte der Sohn. »Denn sie hat sich hier gegenwärtig gemacht – durch den gefährlichsten ihrer Anhänger.« – »Nicht Olympios doch?« rief Claudian. »Sag' nein!« – Aber Claudian fiel kopfnickend ein: »Olympios! Er soll fortab dauernd den Hof von Byzanz d. h. die Sache der Basilissa hier vertreten.«

»Ich ward schon gewarnt vor seinen Ränken,« bestätigte Eucherius. – »Ei gewiß durch das schönste Weib des Erdballs,« rief Claudian. »Die Herrliche ist dir gar sehr gewogen.« – Eucherius errötete über und über: »Wohl mehr noch dem Poeta.« – »Sie macht alles verrückt, was Bart trägt,« lachte Adalger.

»Die Edle weiß,« erwiderte Eucherius, »was mein Vater für das Reich bedeutet, was ihr Bruder ihm zu danken hat. Deshalb sucht sie ihn in jeder Gefahr zu schützen und . . ..« – »Und ein wenig Eifersucht ist auch dabei,« lächelte der Germane. »Manche Leute rühmen nicht sie, rühmen die Merowingin das schönste Weib beider Reiche. Das verträgt Jungfrau Placidia schlecht,« – »Die Feuerhaarige ist zwar eine barbarische Schönheit,« nickte Claudian: »aber sie steht kaum zurück hinter unsrer Herrin.« – »Das kann ich mir nicht vorstellen,« meinte Eucherius. – »Ja freilich,« lachte Adalger, »das Auge der Liebe ist blind für andre Schönheit und man weiß, man weiß . . .«

Aber Claudian winkte ihm zu schweigen: – er kannte des Freundes mädchenzarte Scheu – und lenkte ab: »Eucherius, du solltest deine Mutter warnen. Allzuviel hört sie auf die Bischöfe, allzuviel teilt sie den Priestern mit.« – »Meine Warnung würde nur reizen, erbittern, nichts bessern.« – »Sie sind deines Vaters schlimmste Feinde: sie halten dich für einen Heiden, den ›Mann‹ für einen Ketzer, einen Arianer.«

Der Sohn zuckte die Achseln: »Soll der Vater – neben seinen übrigen Sorgen, – auch noch, wie sie täglich verlangen, die Ketzer verfolgen?«

»Die Ketzer?« rief Adalger. »Ei, wir Germanen alle in seinem Dienst, der Kern seines Heeres, sind Arianer, Ketzer, wenn nicht – wie ich – Heiden. Soll er seine treusten Helfer, seine einzigen Stützen verfolgen?«

»Das wollen die Priester,« meinte Eucherius. »Im engsten Bunde mit den Senatoren, den alten ›Quiriten‹, wie sie selbst sich nennen.« – »Ach, leider ohne jedes Recht!« klagte der Poet. – »Ja, ja,« nickte Adalger. »Das sind die Heraclianus . . .« – »Carinus vor allen! Ihnen sind wir Germanen ein Greuel, den sie am liebsten austilgen möchten von der Erde. ›Fort, bepelzter Barbar, hinaus!‹ scholl es mir neulich entgegen in Rom, als ich der Kurie eine Botschaft des Mannes überbrachte. Als ich aber an den Scramasachs griff, da verstummte das Geschrei.«

»Freunde,« sprach da tiefen Ernstes Claudian, »daß ich's nur gestehe: – es gab eine Zeit, da dachte, vielmehr da fühlte ich ebenso. Ich war noch sehr jung, ich kannte nicht das Leben, nur die Bücher: die Bücher der großen Alten: ich wollte da fortfahren, wo Cäsar, wo Augustus aufgehört, fortfahren mit der Verachtung der Barbaren. Aber seit ich die Gegenwart, die Wirklichkeit, seit ich ihn vor allen kennen gelernt, hab' ich auch lernen müssen: ihr seid dem Reich längst unentbehrlich geworden: ihr seid« – er lächelte fein – »ein höchst notwendiges Übel, ihr Germanen!« – »Oho,« lachte der Markomanne. – »Und manche von euch,« fuhr der Poet fort, »manche von euch sind sogar ein höchst notwendiges, ein unentbehrliches Gut geworden von wegen eurer Kraft und Treue.«

 


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