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Sechsundzwanzigster Brief.

Annäherung des Winters. – Das Dienstbüchlein. – Die Gesindeordnung. – Die Dienstboten in Amerika. – Die Regierungen der verschiedenen Schweizerkantone. – Anwerbung der Söldner. – Bevölkerung der Schweiz. – Physische Eigenthümlichkeiten der Schweizer. – Die Schweizerinnen. – Mistreß Trollope und die Amerikanerinnen. – Gezierte Sprechweise der Amerikanerinnen. – Das amerikanische Patois. – Eigene Mundart in Vevey. – Schweizerische Habsucht.

Mein lieber – –,

Die jetzige Witterung warnt alle Eindränglinge, an ihre endliche Abreise aus der Schweiz zu denken. Wir hatten nicht nöthig, unsere Zuflucht zum Einheizen zu nehmen, wie im Jahr 1828; denn Vevey ist nicht Bern; aber die Abende fangen an, kühl zu werden, und die strömenden Regengüsse und der aufschäumende See sind eben so ernsthafte Vorzeichen, als ein wirklicher Frost es dort sein würde. Da ich eben von Bern spreche, so kann ich nicht unerwähnt lassen, daß eine kleine Begebniß mich wieder an die ehemalige gebietende Bürgerschaft erinnert hat, die zwar jetzt ihren frühern Glanz eingebüßt, doch einige preiswürdige Einrichtungen hatte. Während wir dort wohnten, hatte ich einen Einwohner von Bern als Bedienten gedungen, und hatte natürlich den Mann wieder entlassen, als wir nach Italien reisten. Gestern erhielt ich einen kläglichen Brief von diesem armen Burschen, worin er mir unter andern Unglücksfällen auch den Verlust seines Dienstbüchleins anzeigte, und mich bat, ich möchte ihm doch ein Zeugniß über sein Betragen schicken, wie ich es für billig und recht hielte, ihm solches auszustellen. Hierzu bedarf es aber einer Erklärung, damit Sie doch wissen, was ein Dienstbuch ist.

Die Gemeinde oder der Bezirk gibt den Dienstboten ein kleines, amtlich beglaubigtes Büchlein mit paginirten weißen Blättern, ein »Dienstbuch«, in welches alle Zeugnisse über ihr Betragen während des Dienstes eingetragen werden müssen. Die Führer haben ein ähnliches Buch, und in vielen andern Fällen wird solches gesetzlich verlangt. Der Grundsatz, daß alle Nebenvortheile gelten, wird freilich, wie das von selbst einleuchtet, eine solche Einrichtung verwünschen; aber es ist dieses eine ganz vortreffliche Einrichtung, und ich zweifle nicht im Geringsten, daß man die anerkannte Treue der Schweizer als Dienstboten zum Theil dieser vorzüglichen Anordnung verdankt. Wenn es geborne Bedienten und Mägde gäbe, so möchte eine solche Einrichtung ihren natürlichen Rechten einigermaßen Eintrag thun, das leidet keinen Zweifel; da aber selbst ein von Erlach oder ein von Bonstetten die Dienstordnung beobachten müßten, wenn sie eine Livrée anzuziehen genöthigt wären, so sehe ich keine Unbilligkeit in dieser Dienstbuch-Verordnung. Mit Hülfe dieses Büchleins kann über jeden Augenblick der Zeit, während welcher die Dienstboten dienen, Rechenschaft abgelegt werden, sofern sie nunmehr hiernach verpflichtet sind, sich über die Zeit, wo sie nicht in Diensten waren, auszuweisen. Alles dieses könnte freilich auch durch einfach ausgestellte Zeugnisse erbracht werden, allein auf keinen Fall mit solcher Ordnung und Genauigkeit; denn leicht könnte ein Bedienter vorgeben, eines seiner Zeugnisse verloren zu haben, und dieses möchte weit häufiger vorkommen, als das Vorgehen des Verlustes sämmtlicher Zeugnisse, die er besessen, mit andern Worten, des Verlustes seines Dienstbuches. Ueberdem versagt die Gemeinde ihre Hülfe nicht, wenn der Verlust eines Dienstbuches erwiesen werden kann, und ein solcher Verlust läßt sich auch wohl nachweisen. Ueberdies werden die Behörden wohl schwerlich Jemanden ein Dienstbuch ausfertigen, der keines Dienstvertrauens werth ist. Ich trug das Meinige dazu bei, in diesem Falle dem ehemaligen Diener wieder zu einem Dienstbuches zu verhelfen. Ich sandte ihm ein Zeugniß, soweit ich ihm ein solches zu geben im Stande war, denn während der kurzen Zeit seines Dienstes bei mir hatte er sich zu meiner völligen Zufriedenheit betragen.

In einer bedeutend großen Stadt möchte indessen eine solche Einrichtung nicht ohne vielfältige Mühe und Beschwerden bestehen können, das scheint mir gewiß zu sein, und dennoch, was kann der Bequemlichkeit und der Beruhigung einer großen Bevölkerung ersprießlicher sein, als eine strenge polizeiliche Controle des Gesindels? Amerika ist vielleicht unter allen civilisirten Staaten der einzige, wo die Uebertreibung des Grundsatzes des freien Verkehrs auch in dieser Hinsicht übertrieben ausgedehnt wird, und dieser Mißgriff rächt sich selbst. Wir haben die Polizei des Gehenlassens im äussersten Sinne, und so läßt man denn alle Dinge gehen, wie sie wollen und können, und das erstreckt sich mitunter auch auf das Eigenthum des Dienstherrn. Doch will ich aus schlimmen Ursachen nicht immer schlimme Folgen ableiten. Der Widerwille zu dienen, hat in Amerika seinen Grund in den Vorurtheilen, die durch den Gebrauch, Sklaven zu halten, entstanden sind. Da die Neger für eine untergeordnete Kaste gelten, so gesellen sich zu dieser Vorstellung unmerklich die Begriffe von Knechtschaft; und die Weißen schaudern daher vor einem ähnlichen Schicksale. Dieser Umstand läßt sich schon daraus hinreichend beweisen, daß derjenige, der mit Ergebung und Redlichkeit auf dem Lande die Arbeiten, die Sie ihm zutheilen, willig thut, – also im eigentlichen Sinne Felddienste leistet, sich nicht dazu verstehen wird, sich zu häuslichen Dienstleistungen bei Ihnen herabzulassen. Unsere Landsleute haben keinen absonderlichen Widerwillen gegen das Gehorchen, und gegen achtsame und aufmerksame Erfüllung ihrer Pflichten als Taglöhner, Feldarbeiter, Tagwerker, Matrosen, Soldaten, oder was es sonst sei; nur Hausbedienten wollen sie nicht sein, denn das gerade umfaßt diejenigen Leistungen, die sie von Schwarzen und Leibeignen zu sehen gewohnt waren. Dieses Vorurtheil nimmt indessen allmählig ab; man sieht jetzt Weiße weit williger Dienstboten werden, als dieß früher der Fall war, und ich weiß mehre Beispiele, wo bei gehöriger Behandlung diese Leute gute und treue Dienstboten waren. Mit der Zeit wird sich das Vorurtheil vielleicht ganz verlieren, und Manche werden es weit bequemer finden, des Vertrauens der Person und der Hausgenossen eines Dienstherrn sich werth zu machen, als sich mit Feldarbeit abzuplagen.

Es ist eine eben so schwierige Aufgabe, eine genaue Schilderung von den Regierungen der verschiedenen einzelnen Schweizerkantone zu entwerfen, als es schwierig ist, sämmtliche Regierungsformen der einzelnen Staaten unseres Bundes zu beschreiben. Jede ist in mancher Beziehung von allen übrigen verschieden; und hier wie bei uns ist die Anzahl so groß, daß man über diesen Gegenstand eine besondere Abhandlung schreiben könnte. Ich will mich daher in den Bemerkungen, die ich zu machen habe, nur auf einzelne Thatsachen beschränken.

Vor den jetzt eingetretenen Veränderungen waren Zwei und zwanzig Kantone im Bunde; diese Anzahl ist durch das vor Kurzem erfolgte Austreten von Neufchatel an nur noch Ein und zwanzig herabgekommen Bern, Solothurn, Zürich, Luzern, Schwyz, Unterwalden, Uri, Glarus, Tessin, Wallis, Waadt, Genf, Basel, Schaffhausen, Aargau, Thurgau, Zug, Freiburg, Sankt Gallen, Appenzell und Graubündten. Sie sind hier ohne Rücksicht auf Vorrang und Alterthum aufgeführt.. Vor der französischen Revolution war die Anzahl noch geringer; denn damals standen mehre der jetzt zum Bunde gehörigen Ländchen in weniger enger Verbindung mit der eigentlichen schweizerischen Eidgenossenschaft; sie galten blos als Bundesgenossen, und manche befanden sich in Abhängigkeit von einigen Kantonen, und wurden erst in der Folge selbstständig. So waren Waadt und Aargau abhängige Landestheile unter der Oberherrlichkeit von Bern.

Die Verfassung ist die einer Bundesverfassung, welche jedem Mitgliede die Freiheit läßt, zu thun, was ihm beliebt, so weit die innern Angelegenheiten in Betracht kommen. Die Centralregierung wird durch einen Landtag geleitet, ziemlich so, wie unsere Angelegenheiten ehemals durch den alten Kongreß geleitet wurden. Auf diesem Landtage hat jeder Kanton Eine Stimme. Die ausübende Gewalt, so wie sie dermalen besteht, wird mittelst eines Kommittée's oder Rathes gehandhabt. Seine Pflichten erstrecken sich nicht viel weiter, als um das Organ der gegenseitigen Mittheilung zwischen dem Landtage und den Kantonen darzustellen, für den öffentlichen Schatz (welcher nicht viel bedeutet) zu sorgen, und die auswärtigen Gesandten zu empfangen und mit ihnen zu unterhandeln. Die letztere Befugniß, so wie in der That alle übrigen, unterwirft der Landtag einer Revision.

Obgleich im Bunde selbst von den Kantonen nur in der Bezeichnung und in der Ordnung, in welcher sie im Bundesverzeichnisse eingetragen sind, Notiz genommen wird, so sind doch manche von ihnen in örtliche Regierungen unterabgetheilt, die zum Theil völlig unabhängig von einander sind. So bestehen eigentlich zwei Unterwalden, obschon beide nur für einen Kanton im Bunde gelten; ebenso zwei Appenzell, und so könnte ich noch ein halbes Dutzend Walliser- und Graubündtner-Ländchen erwähnen. Mit andern Worten, beide Unterwalden sind völlig unabhängig von einander, blos durch den Bund sind sie Eins, und sie treten blos zusammen, um den gemeinschaftlichen Abgeordneten zur Tagsatzung zu wählen, wo sie blos für einen einzigen Kanton gelten und nur eine Stimme haben. Dasselbe gilt von Appenzell, und bald wird vermuthlich derselbe Fall in Schwyz und Basel eintreten, denn in beiden letztern bestehen jetzt ernstliche Zwistigkeiten, die das Ansehen haben, als würden sie zu einer innern Trennung führen Basel ist jetzt ebenfalls getrennt in die Stadt Basel und die Landschaft Basel, oder in die städtische und ländliche Bevölkerung. Vor den letzten Veränderungen herrschte die erste über die letztere.. Graubündten ist noch eher ein für sich bestehender Kanton zu nennen, aber es ist in Bunde oder Legationen abgetheilt, die in verschiedenen Einrichtungen völlig unabhängig von einander sind. Dasselbe findet im Walliser Lande statt, wo diese Unterabtheilungen Dizains genannt werden. Der Landtag hat kaum eine andere Bestimmung als die Beziehungen der Republik zum Auslande zu handhaben. Er macht Frieden oder erklärt den Krieg, empfängt die auswärtigen Gesandten, schließt Verträge und Bündnisse. Doch kann der Landtag keine Heeresmacht aufstellen, außer indem er die verschiedenen Kontingente, die jeder Kanton zu stellen hat, zusammenberuft. Dasselbe gilt von den Staatsauflagen. Sie sehen hierin eine große Aehnlichkeit mit unserer verworfenen Bundeseinrichtung, und sie hat fast eben so viele Unbequemlichkeiten; obschon die beschränktere Wirksamkeit nach Außen und ein unbedeutender Handelsverkehr diese Uebel weniger merklich macht, als sie in Amerika empfunden werden würden. Mir kommt es vor, als habe die Bundesregierung ebenfalls die obere Leitung des öffentlichen Postwesens, doch geschieht dieses vielleicht ebenfalls mittelbar durch die einzelnen Kantone. Der Landtag münzt auch weder Geld noch ernennt er irgend einen Gerichtshof, und ihm bleibt blos die Entscheidung über einzelne Irrungen zwischen den verschiedenen Kantonen untereinander. Kurz, diese Regierung hängt nur locker zusammen, so daß sie in einem entscheidenden Augenblicke keine ernste Haltung annehmen könnte, und nur die gegenseitige Eifersucht ihrer Nachbaren hält sie einigermaßen aufrecht.

Ich habe Ihnen bereits mitgetheilt, daß unter den einsichtsvolleren Bürgern der ernstliche Wunsch besteht, diese Einrichtung zweckmäßiger zu gestalten. Kein einziger wünscht übrigens, wie Sie aus meinen Briefen wissen, eine völlige Verschmelzung, denn die große Verschiedenheit der Interessen der städtischen und ländlichen Bevölkerung läßt überall den Wunsch nach gegenseitiger Unabhängigkeit fortbestehen.

Drei Sprachen werden in der Schweiz gesprochen, ohne die Rhätischen Mundarten und die verschiedenen einzelnen Sprechweisen, das patois darunter zu begreifen. Der ganze Norden ist deutsch; Genf, Waadtland und Wallis, so wie einige Gegenden des Berner Landes, sind französisch; während Tessin, das übrigens auch südlich von den Alpen liegt, italienisch ist.

Die Gewohnheit, mit auswärtigen Staaten Werbverträge abzuschließen, scheint nach und nach abzukommen, wiewohl die Republik kürzlich mit dem Pabst eine Ausnahme gemacht hat. Die Ursache liegt in dem geringern Vertrauen auf den italienischen Volkscharakter, den man für weniger ausdauernd treu hält, als den wahrhaft schweizerischen Sinn.

Die Menschen überhaupt, vorzüglich Menschen von beschränkten Gewohnheiten und abgesonderter Lebensweise, begeben sich ihres etwanigen Einflusses nur mit Widerstreben. Niemand wird daran zweifeln, daß gemeinschaftliche öffentliche Einrichtungen bezweckende Veränderungen dem jetzigen schweizerischen System zu großer Verbesserung gereichen würden. Aber eine einflußreiche Minderzahl in den kleinen Staaten, die durch eine solche Veränderung an Ansehen einbüßen würde, widersetzt sich jeder solchen Neuerung. Das gesammte Grundgebiet der Republik ist nicht so groß, wie Pennsylvanien, noch ist ihre gesammte Bevölkerung viel zahlreicher, als die des letztern Staates. Sie ist bedeutend geringer, als die Bevölkerung von Newyork. Was die Volkszahl in der Schweiz überhaupt betrifft, so besteht darüber eine eigenthümliche und für mich unerklärliche Empfindlichkeit. Es ist kaum möglich, die wirkliche Volkszahl genau auszumitteln. Diejenige, die in den amtlichen Uebersichten der zustellenden Kontingente angegeben wird, soll, wie man im Allgemeinen annimmt, übertrieben sein, wofür ich jedoch keinen Beweggrund auszumitteln vermöchte. Ich vermuthe, daß die Gesammtbevölkerung der Schweiz etwa zwischen 1,500,000 und 1,900,000 Seelen betragen mag. Doch behaupten Einige, sie belaufe sich auf 2,000,000. Wenn Sie die letztere Zahl als richtig gelten lassen wollen, so sehen Sie, daß der einzelne Staat von Newyork diese Volkszahl bedeutend übertrifft Jetzt beläuft sich die Bevölkerung von Newyork etwa auf 2,200,000, erreicht also beinah die von Schottland, und überwiegt die von Hannover, oder von Würtemberg, oder Dänemark, oder Sachsen, welches sämmtlich Königreiche sind. Die jetzige Zunahme der Bevölkerung in den Vereinigten Staaten, einschließlich der Einwanderungen, beträgt wenig unter 500,000 Seelen jahraus jahrein, so daß sie fast jährlich um die Bevölkerung eines ganzen Staates sich vermehrt! Die westlichen Ansiedelungen sind daraus erklärlich. Ueber ein Drittel der sämmtlichen Bevölkerung der Schweiz ist in dem Kanton Bern allein enthalten, so wie Newyork allein den siebenten Theil der Bevölkerung der Vereinstaaten enthält. Das Verhältniß zwischen dem Boden und der Volkszahl weicht nicht viel von dem Verhältnisse ab, das in dieser Beziehung in New-England stattfindet, wenn man Maine ausnimmt. Einzelne Kantone sind übermäßig bevölkert, wie Zürich zum Beispiel, während ein großer Theil des Landes nichts als unbewohnbare Felsen und Eisfelder darbietet.

Die Schweizer haben die meisten physischen Eigenschaften mit den umgebenden Nationen gemein. Der deutsche Theil der schweizerischen Bevölkerung ist im Ganzen von größerem Wuchs und besserem Aeußeren als dieß bei den Deutschen selbst der Fall ist. Alle Bergbewohner haben übrigens ein frischeres Aeußere und ein kräftigeres Ansehen, als die Einwohner der Thalgegenden, in der Größe ist aber der Unterschied nicht bedeutend. Nirgends sieht man einen solchen Menschenschlag, als wie man ihn bei uns in den südwestlichen Staaten antrifft, in keinem andern Lande findet man solchen hochkräftigen Wuchs. Schottland macht vielleicht allein eine Ausnahme.

Die Schweizerinnen sind weit hübscher, als die Französinnen und Deutschen, doch eigentliche Schönheiten, selbst auch mir vorzüglich hübsche Gestalten, sind hier selten. Ueberhaupt ist leichte, gewandte, anmuthige Körperbildung durchaus nichts Gewöhnliches. Große Hände und Füße findet man fast überall, dagegen sind die unserer Frauen vergleichungsweise wundervoll. Dasselbe findet sich überhaupt im ganzen Norden von Europa. Selbst unsere Männer – die Männer der gebildeteren Klassen – könnten wegen derselben Eigenthümlichkeit in dieser Gegend auffallend werden. Die Engländer haben abgeschmackte Vorstellungen in diesem Punkt, und ich habe manchmal die schadenfrohe Lust gehabt, meine eigenen demokratischen Tatzen und Hufe, die bei uns nicht auffallen würden, mit ihren aristokratischen Gliedern kontrastiren zu lassen. Gewiß hat das Klima großen Einfluß auf diese Verschiedenheiten.

Ich fühle mich gar nicht geneigt, dem hohen Rufe der Schönheit der schweizerischen Bergbewohnerinnen beizustimmen. Wenn kräftiger Körperbau, wenn Verhältnisse, die wenig Weibliches an sich haben, wenn mehr anatomisch als künstlerisch vollendetes Ebenmaß diesen Ruf rechtfertigen kann, dann wird man freilich in manchen Kantonen mehre Bäuerinnen finden, die man hübsch nennen kann. Ich erinnere mich im Jahr 1828 eine solche in Graubündten unweit des obern Endes des Rheinthales gesehen zu haben. Dieses Frauenzimmer hatte eine Gestalt, eine Haltung und solche Verhältnisse, daß sie eine prächtige Herzogin in einem Krönungszuge hätte vorstellen können; aber ihr Antlitz, obschon frisch und jugendlich, hatte durchaus nichts mit der ganzen Gestalt derselben Uebereinstimmendes. Unsere Bergbewohnerinnen übertreffen sie sämmtlich in hohem Grade; denn sie halten eine richtigere Mitte zwischen kräftiger und plumper Körperbildung. Selbst Mistreß Trollope gibt zu, daß die amerikanischen Frauen, (vielleicht hätte sie richtiger sagen können, die amerikanischen Mädchen), die schönsten seien in der ganzen Welt, wiewohl sie behauptet, sie seien die am wenigsten einnehmenden. Mistreß Trollope hat übrigens gar viel Unsinn geschrieben, sie hat den Amerikanern mancherlei Stallknechtsausdrücke in den Mund gelegt, und sie mit dem Namen amerikanischer Lieblingsausdrücke belegt. Dagegen hat sie aber auch Mancherlei geschrieben, was wirklich wahr ist. Ich will mich nicht so tief in diese Angelegenheit einlassen, um ihr in der letzten Hälfte ihrer Bemerkung Recht zu geben; aber wenn unsere Mädchen sich zarterer und aumuthigerer Ausdrücke befleißigen, und dabei die zu häufigen Ausrufungen oh! und ah! nebst den gezierten Ausdrücken vermeiden wollten; wenn sie mehr auf sich Acht geben wollten, die Worte weniger zu dehnen, den Mund nicht aufzusperren, als ob sie gähnen müßten, weniger zu kichern; wenn sie in ihrem Benehmen mehr Würde und Ruhe beobachten und mehr denken als blos tändeln wollten, – so wollte ich sie, keine ausgenommen, allen Frauenzimmern der Welt vorziehen. Wohl die Hälfte dieser Gebrechen verlieren unsere Mädchen, wenn sie heirathen, wie dieß gewöhnlich zu geschehen pflegt; aber selbst die Weisheit Salomons würde zu unsern Ohren mit einem verminderten Effekt gelangen, wenn sie uns durch ein anderes Medium, als eine zarte Ausdrucksweise mitgetheilt würde. Dasjenige, was unserer weiblichen Erziehung noch am meisten abgeht, ist, unsere Mädchen an eine anmuthsvolle, ruhige und würdige Unterhaltungsgabe zu gewöhnen.

Wäre ich nicht gerade jetzt in Vevey, so würde ich hinzusetzen, daß die amerikanischen Frauenzimmer ihre Sprache schlechter sprechen, als die Frauenzimmer irgend eines andern Landes, wo ich jemals war. Wir sind wohl überall der Meinung, daß eine ruhige, gleichförmige, gemäßigte Unterhaltung meist ein Zeichen einer vorzüglichen Erziehung ist, daß eine besonnene Sprechweise ein unerläßliches Erforderniß für einen gebildeten Mann oder für ein gebildetes Frauenzimmer ist. Es kann Jemand ein Narr sein, und sogar durch den angenehmen Vortrag seiner Albernheiten gefallen; aber selbst weise Sprüche verfehlen ihre heilsame Wirkung, wenn sie mit einer albernen Betonung vorgebracht werden. Die Amerikaner haben, als Nation, sage ich nochmals, diesen Fehler vielleicht in weit höherem Grade, als solches unter den Gebildeten in irgend einem andern Lande stattfindet. Wider die sonstige allgemeine Regel sprechen die Männer in Amerika weit richtiger und besser, als die Frauen, obschon die Männer in Beziehung auf den Standpunkt, den sie in der Gesellschaft einnehmen, im Ganzen nicht gut sich ausdrücken. Der eigenthümliche Dialekt von New-England, der im ganzen Lande so sehr gewöhnlich ist, rührt von einer Provinzialmundart in England her, die gerade die schlechteste Sprechweise der ganzen Insel ist, und obgleich wir uns weit verständlicher ausdrücken, und weit sprachrichtiger, als in der Gegend selbst, von wo aus dieses Patois zu uns herüber gekommen ist, so haben wir doch in der Zierlichkeit des Ausdruckes sehr schlechte Fortschritte gemacht. Ich traf einst mit einem ausgezeichneten Manne in England zusammen, der einer der reichsten Gemeindeglieder in seiner Grafschaft war, und kaum that er den Mund auf, so bemerkte ich diese eigene Weise seines Sprechens. Als ich mich deßhalb erkundigte, erfuhr ich, er sei aus der westlichen Gegend von England gebürtig. Es ist gar nichts Ungewöhnliches, unter den höhern Klassen in England unrichtige Ausdrücke oder falsche Bezeichnungen der Dinge zu hören, obschon dieses nicht so oft vorkommt, wie in Amerika; aber selten geschieht es, daß ein Mann oder eine Frau von Bildung in England, in ihren Aeußerungen, in ihrer Sprechweise, in ihrer Betonung sich nicht als gebildete Leute benehmen sollten. Wenn hiergegen in Amerika gefehlt wird, so liegt die Ursache meistens in der Gewohnheit des Dehnens der Worte und des zu argen Aufsperrens des Mundes. Jedermann weiß, daß wenn er den Deckel einer Orgelpfeife öffnet, und in einem fort den Blasebalg tritt, er auf keinen Fall gute Musik macht. Auch fehlt es uns nicht an außergewöhnlichen Worten; denn wer möchte außer einem Philadelphier seine Mutter eine Mähre nennen? Zufällig ist das englische Wort » mare« (Mutterpferd) wie das deutsche Wort »Mähre« ebenfalls dem französischen Worte »mêre« ziemlich gleichlautend.
A. d. U.

Doch ich verliere mich zu weit; die sonderbare Sprechweise, die in Vevey gewöhnlich ist, hat mich ganz von meinem Gegenstand abgeführt. Hier pflegen die Leute ihre gewöhnliche Unterhaltung gleichsam abzusingen. In dem einfachen Ausdrucke: » Bon jour, Madame,« wird eine Sylbe um die andere eine Oktave höher als die vorhergehende betont. Das ist gar kein besonderes Patois, sondern blos eine fehlerhafte gezierte Aussprache; sie ist bei den Frauen weit gebräuchlicher, als bei den Männern, und in der Regel findet sich dieß weit häufiger bei den Frauen der untern, als bei den Frauen der höhern Stände. Im Ganzen ist diese böse Gewohnheit mehr oder weniger allgemein. Es ist unmöglich, Ihnen zu beschreiben, welche lächerliche Wirkung dieses auf Ohren hervorbringt, die dem ruhigen, gleichförmigen, anmuthigen Unterhaltungston von Paris gewohnt sind. Wir waren in den Läden öfter genöthigt, uns umzuwenden, um nur nicht in lautes Lachen zu gerathen.

Dieselbe Empfindlichkeit rücksichtlich der Sprechweise, wie zwischen den Engländern und uns, besteht auch zwischen den französischen Schweizern und ihren französischen Nachbaren. Mehre gescheidte Leute haben sich hier Mühe gegeben, mich zu überzeugen, daß die Genfer insbesondere ein reineres Französisch sprechen, als selbst die Pariser. Ich möchte fast behaupten, daß diese Meinung zum Theil wahr sei; denn eine große Bevölkerung erlaubt sich in allen Dingen größere Freiheiten. Wenn aber Amerika mit seinen fünfzehn Millionen es schwer finden möchte, selbst da, wo das Recht auf seiner Seite ist, sich dem englischen Einfluß gegenüber zu behaupten; was kann das kleine Genf in einem solchen Kampfe mit den Franzosen anders erwarten, als durch die ausserordentliche Beweglichkeit der letztern über den Haufen gerannt zu werden. So trefflich diese Genfer Bürger sein mögen, die Pariser würden sie doch leicht niederschwätzen.

Was die allgemein angenommene Meinung von der schweizerischen Geldgierde betrifft, davon habe ich wenig Auffallendes bemerkt; vermuthlich hat der Umstand, daß die Schweizer sich in fremden Ländern zu Soldaten anwerben lassen, zu dieser Nachrede Veranlassung gegeben. Wie es in Ländern, wo die Bewohner sehr schwer sich ihren Unterhalt erwerben können, gewöhnlich ist, so scheinen auch die Schweizer vom Gelde weit leichter in Bewegung gesetzt zu werden, als dies bei ihren Nachbarn in der Regel der Fall zu sein pflegt, obschon diese Geldgierde kaum so groß ist, wie in Frankreich bei den untern Klassen. Für Jemand, der nur zwanzig Sous täglich verdienen kann, ist ein Sou von größerem Werth, als für denjenigen, der täglich vierzig verdient. Ich glaube, hierin liegt schon der Schlüssel zu diesem streitigen Punkt. Zwar kann ich nicht in Abrede stellen, daß bei einem Geschäfte mit einem Schweizer die Belohnung stets ein wichtigerer Gegenstand war, als wenn ein Geschäft mit einem Franzosen abzumachen war; dagegen konnte man sich auch auf ersteren weit zuversichtlicher verlassen. Obschon ich in der Schweiz in ein paar Fällen betrogen worden bin, so könnte ich dennoch mit weit mehr Vertrauen mich auf einen Schweizer, nach Abschließung eines deutlich ausgesprochenen Vertrags, verlassen, als auf irgend einen andern Menschen, so weit meine gemachten Erfahrungen reichen.



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