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Siebenter Brief.

Oeffentliches Diner. – Achtungsloses Benehmen von Amerikanern. – Streifzüge durch Paris. – Aussicht von den Bleidächern von Notre-Dame. – Die Place Royale. – Die Brücken. – Fortschritte in den öffentlichen Bauten. – Die Paläste des Louvre und der Tuilerien. – Königliche Einfriedigungen in den Gärten der Tuilerien. – Oeffentliche Bauten. – Hotels und Gärten von Privatpersonen. – Meine Zimmer im Hause der Montmorency's. – Unsere andern Wohnungen. – Großartige Wohnplätze in Paris. – Vergleichung des Aufwandes in Paris und Newyork. – Die amerikanischen Kaufläden verglichen mit den europäischen.

Lieber – –

Der Zeitraum zwischen dem Aufstande der zwei Tage und dem 27. Juli verstrich in der gewohnten Weise. Der militärische Gerichtshof hatte sich bedeutend hervorgethan durch seine Verurtheilungen zum Erschießen der Leute; allein es wurde an den karlistischen Kassationshof appellirt, welcher in höchster Instanz die Urtheilssprüche als gesetzwidrig aufhob. In der Zwischenzeit ordneten wir das öffentliche Mahl für den 4. an; da Lafayette absichtlich von Lagrange hereinkommen wollte, um an demselben Theil zu nehmen. Was dieses Diner betrifft, so habe ich blos das zu sagen, daß sich hier eine Gelegenheit zeigte, welche vollkommen darthut, welchen gemeinen und unüberlegten Beweggründen eine Partei von Amerikanern Folge leistet, mögen nun diese Beweggründe recht oder unrecht sein, – und, wie wenig der männlichere Charakter bei unsern Landsleuten in Achtung stehe, so daß ich mir fest vornehmen sollte, bei solchen Gelegenheiten künftig meinen Beitritt zu versagen. Es schmerzt mich, es sagen zu müssen, aber die Wahrheit nöthigt mich, es einzugestehen, daß wegen Mangel eines geschlosseneren geselligen Ganzen, das sich in der Gewöhnung befestigte, einander in einem höhern Aufschwunge des Gefühls gegenseitig zu heben, es außer dem großen Haufen unserer Landsleute nirgends Menschen gibt, die über den Unwissenden und den Entwürdigten sich kaum erhebend, dennoch so sehr geschmeichelt werden und sich darauf etwas einbilden. Ich hoffe niemals die Schlechtigkeit begangen zu haben, durch Verläugnung meiner Denkweise oder meiner Moralität um den Beifall der Menge zu buhlen; aber dieses Diner hat mir einen Widerwillen gegen das eingeflößt, was man »Popularität« bei Leuten nennt, die, während sie Alles als ein Werk ihrer eignen Schöpfung gelten lassen wollen, sich nicht einmal Zeit und Gelegenheit gestatten, das Wahre der Sache auszumitteln, oder die Folgen ihrer Aeußerungen und Handlungen abzuwägen.

Das Wetter war mehre Wochen hindurch angenehm und warm, sowohl Ausgangs Juni als Anfangs Juli, und obschon eine flüchtige Trübung unsere heitern Genüsse beschattete, durch das Wiedererscheinen der Cholera, wenn auch in bedeutend geringerem Grade; so kann ich doch nicht sagen, daß ich einen gleichlangen Zeitraum hindurch mich größerer Befriedigung meiner Wünsche in Paris erfreut hätte. Die Stadt war leer nach dem gewöhnlichen Sinne dieses Ausdrucks, und die bewegte Welt hatte uns gänzlich uns selbst überlassen.

So wie meine Geschäfte des Morgens beendigt waren, strich ich durch die Gartenanlagen, besuchte die Kirchen, schwärmte längs den Quais, durchstöberte die Läden der Verkäufer alten Hausraths und anderer ähnlicher Gegenstände. Es gibt hier eine große Anzahl solcher Läden, und ihre Vorräthe an merkwürdigen Gegenständen sind unermeßlich. Fast scheint es, als habe ganz Frankreich seine Ueberreste des alten Systems in die Vorrathshäuser der Hauptstadt ausgeschüttet. Die Ausleerung der Chateaux und Hotels hat ihnen Schätze geliefert, die man wirklich sehen muß, um eine Vorstellung davon zu bekommen; und mich wundert es sehr, daß mehre unserer begüterten Landsleute nicht auf ihren Reisen sich um diese Schätze bemühen, um sie nach Amerika hinüber zu fördern.

Gewöhnlich bringe ich ein paar Stunden bei M – – in der Halle des Louvre zu, nemlich von zwei bis vier Uhr; er geht mit mir nach Hause, um zu Mittag zu speisen, und um sieben Uhr, wo in dieser Jahreszeit und Breite noch heller Tag ist, machen wir einen Spaziergang. Ich habe schon öfter gesagt, daß Paris eine pittoreske Stadt sei, eine endlose Abwechselung von Vergnügungen gewähre, außer der Betrachtung des wühligen Volksgedränges, des geselligen Treibens, der Schauspielhäuser und der Boulevards. Die öffentlichen Schaustellungen des Ehrgeizes und der Selbstgefälligkeit in der Akademie und in ihren Verhandlungen über Wissenschaft, Kunst und Philanthropie sind wenig nach meinem Geschmacke, denn Alles ist darin gekünstelt und vorbereitet; und ich habe dagegen manchen wahren Genuß in einzelnen Bezirken dieser kleinen Welt gefunden, worauf, meines Bedünkens, die meisten Reisenden ihre Aufmerksamkeit nicht zu richten pflegen.

Die Kirchen in Paris entbehren des Geruches der Heiligkeit, des ergreifenden Schauers, der geistlichen Umnebelung, des andächtigen Aberglaubens, wodurch die italienischen Kirchen in eine betäubend-schwärmerische, in eine lieblich-wehmüthige Stimmung versetzen. Doch sind sie hochragende, umfangreiche Bauten, und können den Besuchenden deshalb schon anziehend erscheinen. Die Kirche Notre-Dame in Paris ist ein edles architektonisches Denkmal, und seit der erzbischöfliche Palast zerstört worden, wird sie besser ins Auge fallen, als es bei diesen ehrwürdigen Gebäuden sonst möglich ist. Vor wenigen Tagen bestiegen M – – und ich Abends die Thürme derselben, ließen uns auf ihren Bleidächern nieder, und betrachteten über eine volle Stunde die mancherlei Gemälde der uns umgebenden Gegenstände von oben herab. Diese zusammenhängende Masse von Dächern, über die sich hier und da, gleichsam schwarz gefirnißt, Thürme, Hallen, Kuppeln und Paläste erheben, bisweilen, wie bei den Tuilerien und dem Louvre, wohl (englische) Meilen weit sich ausdehnend; dazwischen die Durchklüftung der Straßen, den Spalten in Felsmassen ähnlich anzusehen; der Fluß in abwechselnden Krümmungen durch das Ganze sich windend, und von Brücken überbaut, worüber wimmelnde Menschen-Milben und zappelndes Wagengeflimmer hinüberschwärmt; die Schaaren von Bildern vergangener Zeiten, die geschichtlich berühmten Anhöhen, die das Thal der Hauptstadt umschließen; die Kenntniß dessen, was in ihrem Innern wogt, unser Mitgefühl für ihr Ehmals und Jetzt, unsere Zweifel über das, was ihr bevorsteht, Alles dies vermehrte den Eindruck dieses Abends auf unser Gemüth. Die Fernsicht der Landschaft ging für uns verloren, und selbst mehre Stadttheile bargen sich bereits in die überschattende Annäherung der Nacht, als wir hinunterstiegen, und dies trug viel dazu bei, den Eindruck unserer Unterredungen auf unser Inneres zu erhöhen, als wir uns alle jene wichtigeren Zeitpunkte vergegenwärtigten, wo diese große Stadt der Schauplatz entscheidender Ereignisse war.

Auch andere Ueberreste der alten Zeiten durchwanderten wir; denn der jetzige Bau der Kirche Notre-Dame soll schon siebenhundert Jahre gestanden haben. Die Place-Royale ist eine der merkwürdigsten Gegenden der Stadt, und ungeachtet diese so oft besucht worden, so haben wir sie doch nochmals durchforscht, denn wir fingen an, die Gegenstände mit der Theilnahme zu betrachten, die derjenige empfindet, der einen liebgewonnenen Ort verläßt, vielleicht für immer! Dieser Platz, in seiner Art einzig, umfaßt die Lage der uralten Wohnungen der französischen Könige. Nach dem Heinrich der Zweite dort seinen Tod in einem Tournier gefunden, ließ Heinrich der Vierte den Platz mit Hotels umgeben, alle von Ziegeln – eine neue Erscheinung in Paris, – und im Geschmacke seiner Zeit erbaut. Doch ist die Mode mächtiger gewesen, als der königliche Wille; und hier kann man schöne Folgen von Gemächern um ein Viertel des Preises miethen, um den man nur kleine, ineinandergedrängte Zimmer in der Nähe der Tuilerien erhält. Das berühmte Arsenal, in welchem Sülly so oft seinen königlichen Herrn empfing, ist ganz in der Nähe dieses Platzes, und auch die Bastille befand sich nicht weit davon. Kurz, die Welt hat während der letzten beiden Jahrhunderte grade durch die Stadt hin sich fortbewegt.

Ich werde niemals müde, von den Pariser Brücken zu sprechen. Bei Tage wie bei Nacht bin ich auf ihnen verweilt, um die Aussicht von ihnen zu genießen; denn dieses Wort umfaßt nicht zu viel, in Beziehung auf die Menschenmassen und die Gruppirungen der Gegenstände, die man von ihren Bogen herab betrachten kann. Als öffentliche Bauten sind sie nicht grade staunenswürdiger und prächtiger zu nennen, als die Brücken von London, Florenz, Dresden, Bordeaux und vieler anderer Städte Europas, da der Fluß, über den sie sich wölben, nur geringe Breite hat. Aber ihre Anzahl, die Abwechselung ihrer Bauart, selbst die Einfachheit mancher unter ihnen, machen sie als Ganzes, nach meiner Meinung, weit interessanter, als die Brücken anderer Städte, die ich gesehen. Der Pont de Jena vereinigt fast alle Vollkommenheiten, die eine Brücke nur haben kann. Ich gebe ihr vor der berühmten Ponte della Trinita in Florenz den Vorzug. Auf dem Pont Louis-Seize sollen jetzt einige ungeheure Statuen aufgestellt werden, welche, wenn sie den Tadlern auch nicht entgehen, doch das Malerische derselben erhöhen werden.

Bis jetzt habe ich Paris hinreichend kennen gelernt, um die Fortschritte in der öffentlichen Baukunst beobachten zu können. Der Bogen an der Barriere de Neuilly ist um einige Fuß höher aufgebaut und seiner Vollendung nahegerückt; der Flügel, der als Gegenbau zur Gallerie, das Carrousel umschließen und zuletzt das Louvre und die Tuilerien in eine einzelne Folge von Gebäuden vereinigen soll, ist schon eine ziemliche Strecke weit vorgeschritten, und Alles wird in Bereitschaft gesetzt, um mit den auf dem Platze noch befindlichen wenigen Häusern aufzuräumen. Wenn dieser Plan wirklich ausgeführt wird, dann wird der Palast der französischen Könige beträchtlich mehr als eine (englische) Meile weit miteinander verbundene Gebäude umfassen, die sich sämmtlich um einen freien Binnenraum erheben werden. Der einzelne Saal der Gemälde-Gallerie ist an sich eine Viertel-(englische) meile lang!

Während der Hitze der letzten Finanzdiskussion wurden manche unerfreuliche Dinge auf Unkosten Amerika's vorgebracht, denn die Geldmacht geht hier wie aller Orten zu Werke, indem sie selbst dem französischen bon ton zu mächtig wird, und wo es an Thatsachen und Vernunftschlüssen gebrach, da fanden die im Solde der Regierung stehenden Publicisten ein Auskunftmittel an dem herkömmlichen Rüstzeug der Handelsmänner, Schimpfen und Verlästerung. Unter andern kecken Behauptungen brachte einer von ihnen vor, in der Absicht die gerühmten Unternehmungen der Amerikaner ins Lächerliche zu verkehren, daß sie zwar zu allerlei öffentlichen Bauten weitaussehende Plane machten, aber solche niemals ausführten. Er bezog sich dabei auf das Kapitol, dessen Bau bereits 1830 begonnen, der aber, noch ehe er fertig geworden wäre, schon einmal durch eine Feuersbrunst zerstört worden sei.

Als einer ihrer Gegner mich bei dieser Gelegenheit zu zeigen, dazu mich zu erniedrigen, war meine Sache nicht; von dem Standpunkte eines Ehrenmannes durch Erwiderungen in demselben Tone herabzusteigen, würde sich mit dem Bewußtsein nicht vertragen haben, daß ich vor keinem Kämpfer auf politischem Felde zu weichen genöthigt werden könne. Aber wie es bei dergleichen Anreizungen zu gehen pflegt; jene wiederholten Angriffe bewogen mich doch, mich um das zu bekümmern, was vielleicht die Unterthanen einer Monarchie in dieser Beziehung vor uns voraus haben dürften. Das Resultat meiner Bemühungen hat manche meiner französischen Freunde zum Lachen gereizt, und ihnen die Ueberzeugung gegeben, daß diejenigen, »welche in gläsernen Häusern wohnen, sich in Acht nehmen müssen, mit Steinen um sich zu werfen.«

Der neue Palast des Louvre ist schon vor zweihundert Jahren aufgeführt worden. Es ist ein prächtiger Bau, der einen Hof von mehr als einer Viertel- (englischen) meile im Umfange umgibt, der manche gute Bildsäulen, Basreliefs und einen herrlichen Säulenbau enthält. In mancher Hinsicht ist dieser Palast einer der schönsten in Europa. Sein Inneres ist aber noch unvollendet, obschon man mit der Verschönerung desselben langsam und allmählich weiter vorrückt. Noch ist ein sehr in die Augen fallendes Hauptfenster in dem Pavilion, welches den Eingang zum Karrousel überwölbt, ohne Glasscheiben, und zum Schutz gegen die Witterung ist die Oeffnung noch heutigen Tages mit schlechten unabgehobelten Brettern zugemacht, ungefähr auf dieselbe Weise, wie man solches an den Schindel-Palästen bei uns zu Hause gewohnt ist. Hundert Franken etwa würden hinreichen, diesem Uebelstande abzuhelfen.

Der Palast der Tuilerien wurde durch Katharinen von Medicis erbaut, welche bereits todt war, ehe noch die jetzigen Vereinstaaten anfingen bevölkert zu werden. Es ist ein laternenähnliches, geschmackloses Gebäude, das aus vielen Pavilions besteht, die durch einen Haupt-Aufbau von verschiedener Höhe und Umfang, aber von gleichförmiger Häßlichkeit verbunden sind. Das Material hier umher ist leicht zu bearbeiten, so daß man hier gewohnt ist, die Massen roh auszumauern, und sobald sie stehen, erst die Kapitäler und Zierrathen auszuarbeiten. An einem Haupttheile dieses Palastes sind die unausgearbeiteten Blöcke noch geblieben, wie sie waren, und es ward daran hinreichend gemeißelt, um dem Beobachter anzudeuten, daß hier der Plan nicht zur Ausführung kam. Ich will nicht meine Bemerkungen noch über andere Werke außer den Palastbauten ausdehnen, um zu unserer Rechtfertigung anzuführen, wie ganz Europa von solchen Verstößen gegen den guten Geschmack und von ähnlichen Nachlässigkeiten wimmele. Ich glaube vielmehr, daß wir in der Regel bei unsern öffentlichen Unternehmungen am meisten unsere Plane durchführen, obschon sie nicht immer in demselben guten Geschmack, in demselben Maßstabe, und mit derselben Ausdauer ausgeführt werden, als man hier mit den öffentlichen Arbeiten fortschreitet. Wenn aber die öffentlichen Unternehmungen allgemeine Vortheile bezwecken, dann stehen wir sicher hinter keiner Nation zurück.

Einen merkwürdigen Beleg für die Umwandlung in den Zeitverhältnissen finde ich darin, daß Ludwig-Philipp gewagt hat, was selbst Napoleon bei aller seiner Macht nicht gerathen fand, zu unternehmen, obschon es bekannt ist, daß ihn die Unannehmlichkeit beengte, von der er ebenso sehr, wie dieser, befreit zu sein, wünschte. Bis ganz vor Kurzem konnten die Vorübergehenden so nahe zu den Fenstern des Palastes gelangen, als man gewöhnlich sich jedem ausgezeichneteren Gebäude in einer gewöhnlichen Straße nähern kann. Der Kaiser klagte darüber, er könne aus keinem Fenster in seinen eigenen Garten sehen, ohne ein Menschengedränge zu veranlassen; dieses Uebel ertrug er jedoch, während seiner Herrschaft, als Konsul wie als Kaiser, vierzehn Jahre hindurch; denn es fand sich kein Auskunftsmittel, um diesen Uebelstand zu entfernen, wenn er nicht selbst einen Theil des Gartens, der so lange Zeit allen Spaziergängern offen gestanden hatte, da sie ihn gleichsam als den ihrigen betrachteten, für sich allein in Beschlag nehmen wollte. Dagegen auf den Reichthum von ganz Frankreich und auf den versteckten Beistand aller der Nationen, mit welchen sein Vorgänger zu kämpfen genöthigt war, sich verlassend, hat nunmehr Ludwig-Philipp kühn die Schranken durchbrochen, zwei kleinere Gärten unter den Fenstern des Palastes angelegt, die er von den öffentlichen Spaziergängen durch Gräben und niedriges Gemäuer abgesondert, und dadurch hat er wirklich sich in den ausschließlichen Besitz gesetzt, um das Ungethüm von sich fern zu halten und gelegentlich weitere Verbesserungen ausführen zu können. Endlich wird wahrscheinlich noch ein Flügel des Palastes vorwärts nach dem Garten zu vorgebaut werden; es sei denn, daß man vorzöge, den ganzen Bau, wie er jetzt steht, niederzureißen, und einem bequemern und geschmackvolleren Gebäude Platz zu machen.

Paris erfreut sich eines hohen Rufes seines architektonischen Styls in den öffentlichen Gebäuden, und wenn es auch in vieler Rücksicht, mit andern Hauptstädten verglichen, zurücksteht, so darf dieser Stadt doch in der erwähnten Beziehung ein ausgezeichneter Standpunkt eingeräumt werden. Die Magdalenenkirche (Napoleons Temple de la gloire, in welchem die Namen ausgezeichneter Franzosen in eherner Schrift prangen sollten), ist eines der schönsten europäischen modernen Gebäude. Es schreitet unaufhaltsam seiner Vollendung entgegen; denn während meiner Anwesenheit ist es bis fast zu den Zinnen emporgestiegen. Jetzt ist es bereits unter Dach, und man ist mit dem Ausmeißeln des Basreliefs an den Unterstützungsmauern beschäftigt. Die Garde-Meubles, zwei Gebäude, welche die eine ganze Seite der Place-Louis-Seize, oder de la Concorde, wie man jetzt sagt, einnehmen und durch die Rue Royale getrennt sind, gehören zu den schönsten Gebäuden der Stadt. Einige Zierrathe derselben sind etwas grell und überladen, aber die hervorstechenden Züge des französischen Baustyls sind hier weit glücklicher ausgedrückt als gewöhnlich. Nur Eins dieser Gebäude hat eine öffentliche Bestimmung und ist gegenwärtig das Hotel der Admiralität; das andere ist blos der Symmetrie wegen erbaut worden, wird aber zu Privatwohnungen benutzt und ist jetzt bloses Privateigenthum. Die Börse ist ebenfalls ein modernes Gebäude, welches einen allgemeinen wundervollen Eindruck macht.

Von den Hotels und Gärten der Privatpersonen kann in Paris ein Fremder kaum etwas Bestimmteres mittheilen. Wiewohl ich mich bereits sechs Jahre hier umgesehen, so erregen sie noch täglich mein Erstaunen durch ihre Größe, Schönheit und Pracht. Verglichen mit Rom, Florenz, Venedig und Genua stehen diese über ihnen an Reichthum und Ausdehnung mancher Privatgebäude; aber mit Ausnahme Roms haben sie keine solche Gärten aufzuweisen, und selbst hat Rom deren keine in so genauer Verbindung mit den Wohnungen ihrer Vornehmen in der Stadt selbst. Die römischen Villa's Dieß Wort bedeutet im Italienischen etwas von dem ganz Verschiedenes, als wir es im Englischen ausgedrückt finden. Es bezeichnet einen Garten außer der Stadt; das Haus ist nicht nothwendig damit zugleich gemeint, obschon gewöhnlich ein Casino oder Pavilion dabei ist. sind meistens von den eigentlichen Palästen der Großen abgesondert, und zur Hälfte befinden sie sich außer den Mauern, wie ich Ihnen früher schon erzählt habe. Die Privatgärten der Pariser können jenen Villa's nicht gleichgestellt werden, und ihre öffentlichen Gärten eben so wenig; aber hier gibt es einen solchen üppigen Pflanzenwuchs, eine solche Stille und so vieles Schöne ist hier über diese fünf oder sechs Acres verbreitet, die im Innenraume der Hotels angelegt und umschlossen sind, daß ich zweifle, ob irgend eine Stadt in der Christenheit etwas Aehnliches besitze. Das Herkommen, welches hier das Wohnhaus zwischen Gehöft und Garten hineinstellt, wie man sich hier ausdrückt, wird mit Recht für die vollkommenste Art des städtischen Aufenthaltes gehalten. Denn nicht bloß ist eine solche Wohnung sicher durch das Thor und schließt das Gebäude vom Straßenlärm aus, – ein nicht geringer Vortheil – sondern diese Einrichtung verstattet auch hinreichenden Raum zur körperlichen Bewegung und zu schönen Anlagen, durch Wiesen, Buschwerk, Baumpflanzungen und Alleen. Bei den Franzosen ist es nichts Seltenes, daß sie ihre Mahlzeiten im Sommer in der Einsamkeit ihrer Gärten genießen, mitten in der äußerst enge zusammengepreßten Bevölkerung, wie man sie kaum in einer andern Stadt von Europa antrifft. Die erbärmlichen und kleinlichen Abtheilungen in vielen Städten bei uns nehmen uns die Möglichkeit, eine so große und zugleich so vernunftgemäße Annehmlichkeit zu genießen, und wenn irgend ein begüterter Privatmann Mittel fände, seine eigne Wohnung und seine nachbarliche Umgebung zu verschönern, so könnte es leicht geschehen, daß irgend eine Spekulation, eine halbe Stunde weit her, ihn nöthigte, eine Straße durch seine Lorbeer- und Rosenbüsche anlegen zu sehen, um einer Gesellschaft von Projektmachern die Tasche zu füllen. In Amerika findet Jedermann Mitgefühl bei andern, welcher immerfort seine Kapitalien vermehrt, denn darnach streben Alle, und dieses rührt die Saite an, die in der ganzen Gemeinde widerklingt. Nur äußerst gering ist die Zahl derer, die an den Vergnügungen dessen Theil nehmen können, der sein Vermögen auf Gegenstände der Annehmlichkeit und des feineren Geschmacks verwenden möchte. Wäre dieß die Folge der einfachen Lebensart, so würde diese Eigenheit achtungswürdig sein; aber Jedermann weiß, daß man in unserm Lande leidenschaftlich auf Prunkzierrathe ausgeht, und dieses auf Kosten der Bequemlichkeit und des Angemessenen, und daß dieser Uebelstand immer weiter um sich greift.

Die Privathotels sind weit zahlreicher als die Privatgärten, da nicht immer hinreichende Länderei zu finden ist. Diese Gebäude sind in Größe und Pracht sehr verschieden, wie es der Rang und das Vermögen derer, die sie erbauen ließen, mit sich brachte; aber selbst die kleineren sind fast durchgehends in größern Verhältnissen als die meisten größern Häuser in unsern Städten, und dabei im Innern weit bequemer eingerichtet. Zwar besteht bei uns ziemlicher Prachtaufwand in manchen kleinen Dingen, wie in Beschlägen, Schlosserarbeiten, überhaupt in Holzschnitzwerk, und seit der letzten Zeit auch in Marmorarbeiten, welches letztere selbst in den schönsten Gebäuden Frankreichs wenig vorkommt; wo es aber auf wirkliche Pracht ankommt, da können wir sicherlich bei unserer fehlerhaften Anordnung, unsern unrichtigen Dimensionen, und bei dem Mangel an nöthigem Raum, darauf keinen Anspruch machen.

Viele amerikanische Reisende werden Ihnen über alles Dieses verschiedene Schilderungen entwerfen; aber nur wenige unserer Landsleute verweilen hier hinreichend lange, um genaue Vorstellungen von dem zu erhalten, was sie sehen, und sehr wenige haben hinreichende Gelegenheit, um Zutritt in diese Art Wohnungen zu erlangen, von denen ich hier spreche.

Diese Hotels tragen die Namen ihrer verschiedenen Eigenthümer. Bei denen von hohem Adel war es gebräuchlich, ein kleines Hotel neben dem Hauptbau aufzuführen, das von den weniger vornehmen Zweigen der Familie, auch wohl von vorgezogenen Dienstmannen bewohnt wurde; (denn die Franzosen, ganz verschieden von uns, pflegten gern die Verwandten ihrer Dienstleute bis auf den letzten um sich zu haben, und oft wohnten mehre Geschlechtsfolgen unter demselben Dache), und das wurde das kleine Hotel genannt.

Unsere erste Wohnung befand sich in einem dieser » petit-hotels«, das ehemals der Familie der Montmorency's gehörte. Diese alte Familie besteht immer noch, obschon sie in ihrem alten Glanze sehr herabgekommen ist, weil ihre Güter vor ein paar Jahrhunderten in Folge der ehelichen Verbindung Charlottens von Montmorency, der Erbin der ältesten Linie, mit einem Prinzen von Condé an eine fremde Familie übergingen. Durch diese Heirath fielen die Güter und Schlösser von Chantilly, Ecouen u. s. w., sämmtlich uralte Besitzthümer dieser Familie, an einen jüngern Zweig des königlichen Stammes. Dadurch kam Enghien, eine den Montmorency's gehörige Herrschaft, in den Titel eines Prinzen von Geblüt, in der Person des unglücklichen Sprößlings der Charlotte von Montmorency. Jetzt gehören, außer dem Herzoge von Montmorency, noch der Herzog von Laval-Montmorency, der Herzog von Luxemburg, der Prinz von Bauffremont, der Prinz von Tancarville und einige andere Herren, als Glieder, zu dieser Familie, und die meisten von ihnen sind noch jetzt oder waren vor der letzten Revolution Pairs von Frankreich. Der Verfasser wurde in Paris mit einem Oberst von Montmorency bekannt, einem gebornen Irländer, der sich rühmte, das Haupt der berühmten Familie zu sein, da er ein Abkömmling eines jüngsten Sohnes dieser Familie sei, welcher Wilhelm den Eroberer auf seinem Zuge nach England begleitete. Noch gibt es zwei irländische Peers, die ähnliche Ansprüche machen, während die französischen Zweige dieser Familie bei diesen Behauptungen ganz ruhig bleiben. Den Titel eines »ersten christlichen Freiherrn« darf man nicht auf das Alterthum beziehen, das man von dieser Familie ohnehin nicht bezweifelt hat, sondern man muß ihn von dem Umstande herleiten, daß die Baronie von Montmorency vermöge ihrer örtlichen Lage im Angesichte von Paris, und vermöge der großen Macht ihres Hauses, ihre Besitzer zu den ersten und wichtigsten Baronen des Königreichs erhob. Das Geschlecht derer Talleyrand-Perigord ist so uralt, daß wenn in den Zeiten des Mittelalters ein König dessen Haupt fragte: »Wer machte euch zum Grafen von Perigord?« dieser mit der Frage entgegnete: »Wer machte euch zum Könige von Frankreich? – Gott!« Meines Dafürhaltens hätte ich, schon des bessern Geschmacks wegen, mich besonnen, ehe ich mich in einem Hause der Montmorency's für immer eingerichtet hätte, aber viel Ueberlegen ist Jonathans Sache nicht. Wir selbst verweilten hier nur kurze Zeit, denn das Hotel war ein offenes Haus. Das daranstoßende größere Hotel war um diese Zeit von einem Amerikaner bewohnt, und, wenn ich nicht irre, auch Eigenthum desselben; dieser hatte den entgegengesetzten Weg eingeschlagen, er war nach Europa gekommen, um sein Glück zu machen. Unsere nächstfolgende Wohnung war im Hotel Jümilliac in einem kleinen Garten in einem entfernten Theile der Vorstadt Saint-Germain. Das war ein Hotel von einem geringem Umfang, und unsere Zimmer waren vorzugsweise im zweiten Stock, oder was man bei uns in Amerika den dritten Stock nennt, wo wir sechs Zimmer, außer den Kammern inne hatten. Unser Salon, Tafelzimmer u. s. w., war früher das Schlafgemach, das Ankleidezimmer und Vorzimmer der Frau Marquise, und diese Gemächer gaben eine achtunggebietende Meinung von einer Dame hohen Standes, wiewohl untergeordneten Ranges, obschon ich glaube, daß die Familie ebenfalls in großen Verbindungen stand. Aus der Rue St. Maur zogen wir in ein kleines Landhaus am Ufer der Seine, etwa eine Stunde Weges von den Thoren von Paris; dieses war vor etwa hundert Jahren die Wohnung eines Prinzen von Soubise, damals Oberjägermeisters bei Ludwig dem Fünfzehnten, der gelegentlich dorthin zu kommen pflegte, um sein Mittagsmahl einzunehmen, in einem recht schönen Zimmer, das unser Besuchzimmer war. Hier waren wir recht bequem eingerichtet; denn wir hatten zwei bis drei und zwanzig sehr gut möblirte Zimmer, die Kammern mitgerechnet. Von da zogen wir in die Rue-des-Champs-Elisées, wo wir in einem geräumigen Hotel nur wenige Zimmer hatten. Sonderbar genug war unser Vorgänger in einem Theile dieser Gemächer der Fürst von Polignac gewesen, und nach uns wohnte der Marschall Marmont darin, zwei Männer, die jetzt aus Frankreich verwiesen sind. Seit unserer Rückkehr aus Deutschland bezogen wir einige Wohnungen in namenlosen Häusern und jetzt befinden wir uns in einem kleinen Hotel in der Rue St. Dominique, wo wir in mancher Rücksicht besser, als irgend sonst wohnen, aber uns darin fügen müssen, drei Stockwerke zu bewohnen. Unser Salon hier ist nahe an dreißig Fuß lang und siebzehn Fuß hoch. Er hat Panäle von Holz, und über allen Thüren, deren, wahre und falsche, darin sechs befindlich sind, sind auf Leinwand gemalte in vergoldeten Rahmen von Schnitzwerk eingefaßte Allegorien befindlich. Dazu vier große Spiegel sind in den Wänden eingelassen, und die Fenster sind groß und gehen bis an den Fußboden herab. Der Speisesaal mit der Aussicht in einen Garten ist eben so groß im Umfang und selbst noch höher. Dieses Hotel war in früherer Zeit reich an Vergoldungen im Innern; aber es ist seither im Ganzen übertüncht worden. Es wurde von dem Arzt des Herzogs von Orleans erbaut, der die Dame von Montesson heirathete; und hieraus können Sie sich einigermaßen eine Vorstellung von dem Baustyle machen, der bei den Vornehmen jenes Zeitraums beliebt war; da zu jener Zeit ein Arzt in Europa nur noch eine ziemlich unbedeutende Person vorstellte.

Indem ich Ihnen diese Wohnungen beschreibe, die freilich zu unserm ziemlich mittelmäßigen Aufwande paßten, so glaube ich Ihnen zugleich eine Vorstellung von größern Wohnungen geben zu können. Früher wie jetzt habe ich deren hunderte gesehen, und während die Städte Italiens gewiß wenig Privatwohnungen von größerer Ausdehnung und prachtvollerer Einrichtung zählen, so glaube ich, enthält dagegen Paris mehr schöne und herrliche Wohnungen, als irgend eine europäische Stadt. London kann in dieser Rücksicht keinen Vergleich mit Paris aushalten. Ich bin in einigen der besten Häuser in der britischen Hauptstadt gewesen; aber wenige unter ihnen nähern sich diesen Hotels an Pracht und Ausschmückung, obgleich sie alle dieselben durch ihre bequeme und behagliche Einrichtung übertreffen. Bei einem Ball, den der Graf – – gab, standen dreizehn Gemächer der Reihe nach offen. Der Herzog von Devonshire kann kaum mehr thun. Der Prinz von Borghese pflegte bei großen Anlässen, wenn ich nicht irre, in Florenz deren zwanzig zu öffnen, von denen eins so groß war, wie sechs oder acht unserer gewöhnlichen Besuchsääle zusammen. Im Ganzen gibt es wohl nichts weniger Angemessenes und mehr Unvernünftiges, als ein gewöhnliches Haus in der Stadt New-York; wir haben es sogar besser in diesen stattlichen Gemächern in manchen geringfügigeren Dingen der häuslichen Einrichtung, vorzüglich in den Kammern und in den Schlafgemächern zweiten Ranges.

Was ihre Fragen über die vergleichungsweisen Kosten eines Haushaltes bei uns zu Lande und in Europa betrifft, so umfassen solche weit mehr, als daß sich hierauf gut antworten ließe; denn die Preise wechseln hier so außerordentlich, daß es schwer fällt, auf eine bestimmte Weise Vergleichungen darüber anzustellen. Denn vergleicht man Paris und Newyork in so weit, als man blos wünscht, in Paris die Grenzen eines amerikanischen Haushaltes nicht zu überschreiten, und zugleich auf eine Menge kleiner Annehmlichkeiten verzichten will, so ist es in Newyork gewiß weit wohlfeiler zu leben. Denn eine Wohnung in einigermaßen höherm Styl, mit einer Folge von Gemächern u. s. w. kann eine Familie in Newyork für kein Geld auftreiben, und das aus der einfachen Ursache, weil Gebäude, die solche Annehmlichkeiten oder nur überhaupt schöne Zimmer haben, bis jetzt noch nicht im Lande gebaut worden sind; eine Familie kann in einer anständigen Gegend der Stadt für weniger Geld eine Wohnung finden, als sie mit gleichviel Zimmern und gleicher Bequemlichkeit in einem anständigen Stadttheil von Paris eine solche finden würde; wobei jedoch die bessere Anordnung der Gemächer, und andere kleine Vortheile, wie die Bequemlichkeit, einen Thürsteher zu haben u. s. w. ausgenommen ist, worin letzterer Stadt der Vorzug zugestanden werden muß In Newyork bewohnt der Verfasser ein Haus mit zwei Besuchzimmern, einem Speisesaal, acht Schlafzimmern, vier guten Gesindezimmern, mit trefflichem Keller, Cisternen, Brunnen, Bädern, Badegemächern, u. s. w. um dasselbe Geld, das er in Paris für eine Wohnung zahlen muß, worin sich ein Besuchzimmer, ein Kabinet, vier kleine und geringere Schlafzimmer, ein Eßzimmer und ein Vorzimmer befinden; wobei Küche, Kammern und Keller u. s. w. denen in Newyork nachstehen. In Paris mußte noch dazu das Wasser gekauft werden, und dabei war noch eine Abgabe von vierzig Dollars für die Verwohnung einer über eine gewisse Summe betragenden Miethe zu entrichten. Dieselbe Abgabe hatte nichts mit den Abgaben vom Hause, von den Thüren, von den Fenstern u. s. w. zu thun, welche in beiden Fällen der Hauseigenthümer tragen muß. Die Nahrungsmittel jeder Art sind bei uns am wohlfeilsten, nur das Brod ausgenommen. Weine kann man im Ganzen besser und wohlfeiler in Newyork haben, wenn man sie von den Weinhändlern nimmt, als dieß in irgend einer europäischen Stadt der Fall ist, wo wir bisher verweilten. Sogar französische Weine bekommt man bei uns eben so wohlfeil, als hier; denn die Eingangszölle sind bei uns jetzt weit niedriger, als die Abgaben an den Thoren von Paris. Der Transport derselben von Bordeaux, Champagner oder Burgund kostet bis hierher nicht viel weniger, als bis nach Newyork, wenn er überhaupt wirklich weniger kostet. Alle geringen Artikel des Luxus der Tafel, wenn sie nicht gerade in Frankreich selbst wachsen oder verfertigt werden, sind in Amerika auch unverhältnißmäßig wohlfeiler, als hier. Zeuge zu Kleidungen sind dagegen hier merklich wohlfeiler, als bei uns; doch bedienen sich weder die Franzosen noch die Engländer so guter Zeuge, als wir; noch macht man solche hier überhaupt so gut, als bei uns. Daraus dürfen Sie aber keinesweges folgern, die Amerikaner seien ein vergleichungsweise wohlgekleidetes Volk; im Gegentheil stehen wir hierin den Engländern weit nach, und unsere männlichen Anzüge sind gewöhnlich nie so zierlich, als die der Pariser. Dieses folgt aus unserm Mangel an Bedienung, aus der Gewöhnung an Vernachlässigung, aus dem Streben nach Geldgewinn, der den größten Theil unserer Zeit in Beschlag nimmt, so daß er uns keine Erholung gestattet; dazu die hohen Preise dieser Dinge, welche uns verhindern, den Schneider so oft in Anspruch zu nehmen, als man dieß hier zu thun gewohnt ist. Meine Kleider haben mich aber in Europa weit mehr gekostet, als zu Hause; denn ich war genöthigt, verschiedene Anzüge zu haben, und diese öfter zu wechseln.

Unsere Frauen haben keine Vorstellung von dem, was Gallakleidung oder Staatsanzug heißt, und deßhalb entgehen sie manchen tiefen Griffen in den Geldbeutel, dem sie hier unvermeidlich ausgesetzt sind. Es würde sich für eine französische Schöne wenig schicken, wenn sie jeden Abend in derselben Jahreszeit in derselben Robe sich zeigen wollte, und noch dazu, wenn solche das Ansehen hätte, als sei sie bereits getragen worden, oder etwa weniger schimmernd, als die reizende Trägerin derselben. Seidenzeuge, wie auch die gewöhnlichen Bedürfnisse weiblichen Schmuckes, sind vielleicht in unsern Läden eben so wohlfeil zu haben, als in den Pariser Läden; aber sobald man die Menge der kleinen Putzsachen und Zierrathen erwägt, die hier zum Schmucke einer Dame gehören, so wie zur Verzierung des Gesellschaftssaals, oder zur Ausstattung des Boudoirs in diesem Lande, so sind diese Dinge bei uns entweder ganz unbekannt, oder man könnte sie nur für das dreifache und vierfache des Preises bei uns erhalten, den man hier dafür zu zahlen braucht. Uns fehlt nämlich durchaus der eigenthümliche Stand von Krämern, den man nur in Europa antrifft. Unter Krämern verstehe ich nehmlich jene bescheidene Klasse von Handelsleuten, die sich mit mäßigem Vortheil genügen lassen, die höchstens auf ein anständiges Auskommen Anspruch machen und auf die hinreichenden Mittel, ihre Kinder in ähnliche angenehme Verhältnissen, als sie selbst kennen gelernt, einzuführen. Dieses folgt aber aus dem fortschreitenden Streben in einem jungen und kräftigen Vereintwirken, wo das gesellige Leben keine künstliche Beschränkungen antrifft, außer den wenigen, die sich mit der jetzigen Civilisation vertragen und mit dem Schwanken der Hoffnung, das sich ihnen hinzugesellt. Der Mangel dieser Klasse von Verkäufern beraubt gleichwohl die Amerikaner mancher Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten, die sie um eben so billigen Preis haben könnten, wenn nicht die spekulative Verwerthung der Dinge jede unserer Unternehmungen beherrschte. In Paris sind der Mann oder die Frau, die einer Herzogin eine artige Tändelei verkaufen, meistens zufrieden, wenn sie ihr bescheidenes Mittagsmahl in einem kleinen an den Laden stoßenden Zimmerchen verzehren, und in dem »Entresol« über demselben ihre Nachtruhe suchen können; daher suchen sie keinen höhern Gewinn, als blos hinreichenden zur Befriedigung ihrer geringen Bedürfnisse. Der Druck der geselligen Verhältnisse drängt sie in diese Schranken zurück. Bei uns ist die Sache umgekehrt, und der Consument zahlt höhere Abgaben, als nothwendige Folge davon. Je mehr wir aber uns an das Bedürfnis dieser geringfügigen Dinge gewöhnen werden, desto mehr wird häufiger Bedarf allmählich den Werth dieser Waaren herabsetzen, und wir werden sie alsdann verhältnismäßig eben so wohlfeil bekommen, als wir jetzt die gewöhnlichen Seidenwaaren und Shawls bei uns erhalten. Für jetzt müssen wir zugeben, daß unsere Läden im Vergleich mit denen in London und Paris nur eine gleichgültige Figur machen. Und es fragt sich noch, ob wohl unsere besten Läden mit denen vierten Ranges in London oder mit denen dritten Ranges hier in Paris einen Vergleich aushalten; wenn auch vielleicht manche Seidenwaarenhändler bei uns möglicherweise von dieser Regel auszunehmen sind.

Das Resultat meiner Erfahrungen in diesem Punkte giebt mir die Ueberzeugung, daß, so lange man entschlossen ist, blos mit den Gewöhnungen zufrieden zu sein, die die Lebensweise in Newyork darbietet, worunter ein großer Ueberfluß, viele Bequemlichkeiten und selbst manche Annehmlichkeiten, die man hier entbehren muß, einschließlich zu verstehen sind, wie der allgemeine Gebrauch von Fußteppichen und manche fremde Bedürfnisse, die von den europäischen Märkten durch mancherlei handelbeschützende Anordnungen ausgeschlossen sind, während man dagegen bei uns eine große Anzahl von Mitteln, das Leben zu verannehmlichen und zu verschönern, die in Europa ganz gewöhnlich sind, nicht kennt; daß man alsdann mit beträchtlich wenigerem Gelde in Newyork auskommen könne, als in Paris, gewiß also in Newyork weit weniger ausgeben wird, als in Paris, wenn man überdieß hier vielen Umgang mit der großen Welt suchen will.



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