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Achtzehnter Brief.

Vernachlässigung des Weinbaues in Amerika. – Trunkliebe in Frankreich. – Die Cholera den Trunkenbolden besonders gefährlich. – Gebrechen der Soldaten und Matrosen. – Moussirender und nicht-moussirender Champagner. – Ungeheure Preise dieser Weine in Amerika. – Der Burgunder. – Geeigneter Boden für den Weinbau. – Anekdote. – Weine von Vevey. – Die amerikanische Fuchs-Traube.

Lieber – –

Neulich gab es eine Veranlassung, die mir über den großen Reichthum an Weinen in dieser Weltgegend, im Vergleiche mit der Armuth daran in der unsrigen, Stoff zum Nachdenken gab. Unter dieser Armuth verstehe ich natürlich nicht eine Unbekanntschaft mit diesem Getränke, oder einen Mangel an guten Weinsorten, um sie zu genießen. Denn ich glaube, daß wenige Nationen so viele Verschiedenheiten von Weinsorten, oder so vorzügliche Sorten von Weinen kennen und genießen, als wir. Gewiß ist wenigstens, daß man in Paris nicht so häufig gute Bordeauxweine haben kann, als bei uns in Newyork. Andere gute Weine Frankreichs finden sich zwar nicht so häufig bei uns, und doch war es in Amerika, wo ich jemals den besten Burgunder getrunken habe Seit seiner Rückkehr kann der Verfasser dasselbe von den Rheinweinen behaupten; obschon man in deutschen Gasthäusern gewöhnlich weit bessere Weine bekommt, als in den Gasthäusern von Frankreich.. Ich meine damit auch nicht die verschiedenen Nebeneigenschaften, die bei derselben Sorte von den verschiedenen Weinlagen herrühren; – sondern unter unserer Wein-Armuth verstehe ich den Mangel von Weingärten.

Im ganzen amerikanischen Festlande gibt es übrigens genug Weinpflanzungen in den geeigneten klimatischen Breiten, ausgenommen in jenen Landestheilen, die durch Ansiedler englischer Abkunft bevölkert wurden. Dieser Umstand ist es auch, dem man allein die allgemeine Nichtachtung dieses edeln Gewächses in unserm Lande zuschreiben muß. Die schweizerischen, deutschen und französischen Auswanderer beschäftigen sich jetzt mit dem Weinbau, während unsere eignen Vorfahren wohl zwei Jahrhunderte lang dieselben Gegenden besaßen, ohne ein einziges Ohm Wein zu machen. Wenn dieses auch nicht durchaus buchstäblich wahr sein sollte, so ist es wenigstens so beinah völlig wahr, daß man diese Behauptung als richtig vorausschicken kann. Ich möchte nicht geradezu aus dem Mangel an Weinbau dieselben moralischen Folgerungen ableiten, die gewöhnlich von politischen Staatswirthen aus solchen Umständen hergeleitet werden; obgleich ich der Meinung bin, daß ernstere Uebel aus dieser besondern Quelle entspringen mögen. Die Menschen werden immer nach dem einen oder andern Reizmittel sich sehnen, dessen sie habhaft werden können, mögen ihre Lebensverhältnisse auch sein, welche sie wollen. Obschon der Wein durch den Koran verboten ist, so berauscht sich der Mahomedaner dennoch häufig, und ich bin selbst Augenzeuge gewesen, wie weit die Leidenschaft zum Trunk in den Wein hervorbringenden Ländern gesteigert werden kann. Ueber diesen Gegenstand dürfte wohl Einiges im Vorbeigehen gesagt werden.

Ich kam nach Europa mit der vorgefaßten Meinung, bei uns sei die Trunkliebe weit stärker und allgemeiner, als in irgend einem andern Lande, etwa England allein ausgenommen. Es bedurfte blos eines sechsmonatlichen Aufenthaltes in Paris, um meine Vorstellungen völlig zu ändern. Urtheilen Sie von meinem Erstaunen, als ich zuerst einen Zug königlicher Garden, – buchstäblich ein ganzes Peloton, um nach ihrer Anzahl und der Anordnung ihres Marsches zu schließen – vor Trunkenheit taumelnd erblickte, und das im Angesicht des Palastes ihres Herrn. Von diesem Augenblicke an gab ich weit mehr Achtung, und da verging nun kein Tag, an welchem ich nicht Männer, und selbst Weiber, in demselben Zustande auf öffentlicher Straße fand. Gewöhnlich, wenn die Sache Amerikanern mitgetheilt wurde, so bezeugten sie sich verwundert und sagten, so etwas sei ihnen noch nie vorgekommen. Sie waren zu sehr von der Betrachtung anderer Gegenstände eingenommen, um hierauf zu achten, und mit verschiedenen Ansichten in die Fremde gekommen, fanden sie es gemächlicher, mit dem Strome gewohnter Meinungen weiter zu treiben, als ihnen entgegen zu schwimmen. Einigemal nahm ich diese Ungläubigen mit mir in die Straßen, und dieses verfehlte niemals, binnen einer Stunde sie ihres Irrthums zu überführen. Dazu fanden solche Beobachtungen gewöhnlich nur in den anständigeren Stadttheilen statt, oder auch in der Nähe unserer Wohnung, wo man doch weit weniger Betrunkene gewahr wird, als in andern Stadttheilen. Einmal gingen wir unserer Vier in dieser Absicht aus, und begegneten dreizehn Betrunkenen während einer Stunde. Von diesen waren mehre so betrunken, daß sie durchaus unfähig waren, sich auf den Beinen zu erhalten. Bei Gelegenheit eines Festes sah ich einmal drei Männer unter meinem Fenster sich sogar in der Gosse wälzen, eine tiefe viehische Entwürdigung, die ich in keinem andern Lande gesehen habe.

Ein Franzose pflegt, wenn hiervon die Rede ist, zu erwiedern, die Okkupationsarmee habe dieses verderbliche Uebel in die Hauptstadt eingeführt. Doch ich habe Ihnen schon Herrn M – – genannt, einen Mann, dessen Gewissenhaftigkeit und reiche Erfahrung kaum ihres Gleichen finden; er lachte über jene vermeintliche Veranlassung der Trunksucht, und sagte, er kenne Frankreich seit fast sechzig Jahren, er sei darin geboren, und er habe, was die Trunksucht betreffe, keinen Unterschied seit der ganzen Zeit wahrgenommen. Zwar läßt sich annehmen, daß während der Kriege Napoleons, wozu bei weitem der größte Theil der Männer aus den untern Ständen immerfort in Anspruch genommen wurde, man vielleicht seltener auf offener Straße solchen Trunkenbolden begegnete, weil es überhaupt an Leuten fehlte; doch geht aus Allem überzeugend hervor, daß es keine Zeit in Frankreich gegeben hat, in welcher die Trunkenbolde nicht gleich zahlreich gewesen wären. Ich kann Ihnen sogar dafür einstehen, daß wenn ich Paris und London vergleiche, ich in ersterer Stadt weit mehr Betrunkene angetroffen habe, als in letzterer.

Vor nicht langer Zeit fragte ich einen Landmann, ob er schon » grisé« gewesen sei? – »Ja wohl,« sagte er, »so oft ich dazu kommen konnte.« Und seine guten Freunde und Nachbarn, fügte er hinzu, machten es auch so. Dieses » grisé« bezeichnet, wie ich jetzt weiß, den wesentlichen Vorzug des Weinrausches vor dem Brantweinrausch. Es entspricht unserm »benebelt«, einem Zustande, von dem man weit schneller wieder hergestellt wird, als von der wirklichen Besoffenheit, und der auch weit weniger verderbliche Folgen hat. Ich bin überhaupt der Meinung, daß selbst die völlige Weinbesoffenheit keine so zerstörende Wirkungen auf Geist und Körper ausübe, als die Brantweinbesoffenheit. Aber der leidenschaftliche Säufer begnügt sich hier nicht, wie bei uns, mit Wein, sondern er trinkt ein wasserhelles Destillat, das fast dem reinen abgezogenen Weingeist gleich kommt.

Durch ganz Europa hat die Cholera die verborgenen Sünden der Trunkliebe offenbar gemacht. Zuerst wunderten wir uns, als die Cholera in die höheren Stände eindrang; doch, meiner Erfahrung ungeachtet, setzte es mich öfter in Erstaunen, wenn man von irgend einem scheinbar nüchternen Manne flüsterte, und wenigstens ein Dutzend mal ist mir die Sache besonders aufgefallen, wenn es hieß: » mais il avoit l'habitude de boire trop.« Zwar hat die Cholera ohne Zweifel auch manchen Nüchternen getödtet; dagegen aber das heimlich gehaltene Verbrechen der Trunksucht desto öfter offenbart.

Die Trunksucht ist übrigens fast in allen, wo nicht durchaus in allen europäischen Heeren etwas ganz Gewöhnliches. Es ist, wie es scheint, die Trunksucht das eigenthümliche Laster des Soldaten wie des Matrosen, und ich habe manche Vorfälle selbst mitangesehen, die für diese Sache zeugen. Unter andern brauche ich blos des Einen zu erwähnen, wie vor gar nicht langer Zeit eine ganze Wache im Faubourg Saint-Germain betrunken war, die Leute auf der Straße anhielt und sie ins Wachthaus einsperrte. Die Invaliden sind dafür bekannt, daß sie gewöhnlich taumelnd in ihre Kasernen zurückkehren, und ich habe von diesen edeln Herren wohl Tausende beobachtet, die so ganz in selige Vergessenheit ihrer selbst gerathen waren, als wenn sie ihre eingebüßten Augen, Arme und Beine sämmtlich wieder beisammen hätten. Aus den öffentlichen Berichten geht unter andern hervor, daß in Paris zehntausend – Weiber wegen Völlerei im vorigen Jahre festgenommen worden sind. – Doch ich kehre lieber zu den Weinanlagen zurück.

Wie wohl ich überzeugt bin, daß der Trunksucht dadurch keineswegs vorgebeugt wird, daß man den Wein dem großen Haufen zugänglich macht; so ist doch leicht einzusehen, daß der Genuß des Weines weniger schädliche Folgen für den Körper habe, als jene stärkererregende Zusammensetzungen und Destillate, deren der große Haufe in Ländern, die keinen Wein hervorbringen, sich als Ersatzmittel des Weines zu bedienen pflegt. Die Natur versteht das Brauen besser als der Mensch, und der reine Traubensaft ist ein weniger schädliches Getränk, als die gemischten überreizenden Getränke, die in Amerika genossen werden. In mäßiger Menge genossen, hat der Wein durchaus keine nachtheilige Wirkung. Als ich vor fünfundzwanzig Jahren zuerst nach Europa kam, erstaunte ich darüber, daß ich den Wein aus großen Gläsern trinken sah. Denn damals wußte ich noch nicht recht, daß das, was ich bis dahin in Amerika getrunken hatte, zur Hälfte Brantwein war, unter der Benennung Wein.

Die Weine, die man bei uns einführt, sind im Ganzen gut; aber wir verstehen uns nicht immer auf die rechte Auswahl. So ist es äußerst selten, daß man in Amerika recht guten Champagner zu trinken bekommt. Man braucht davon bei uns häufig, und wir fangen nach und nach an, ihn zu den Tischweinen zu zählen, oder als einen Wein, den man während der Mahlzeit trinkt; aber schäumender Champagner ist bei uns nothwendigerweise nur eine geringere Sorte. Denn, kein Wein moussirt, wie die Franzosen sagen, der hinreichenden Weingehalt hat, um eine gewisse Zeit ohne Gährung auszudauern. Einer meiner Freunde, Herr von V – –, ist Besitzer von Weinbergen in Aï, und dieser sagte mir, die Engländer bekämen von ihren guten Weinen das Meiste, nämlich nicht-moußirende Champagner-Weine; die geringern Sorten, die moußirenden, würden dagegen von den Russen und Amerikanern bezogen. Eine große Menge des moußirenden Champagners wird in Frankreich selbst verbraucht, da dessen Preis den haushälterischen Gewohnheiten der Franzosen besser zusagt. Die Weinbauern aber in der Champagne behaupten, wir bezögen nur ihre geringeren Sorten.

In Paris habe ich so guten moußirenden Champagner getrunken, als irgend einer meiner Bekannten; denn Herr von V– – hatte die Gefälligkeit, mir davon aus seinem eignen Keller um den Preis von drei Franken für die Flasche, zu welchem der Weinhändler und der Versender ihn erhalten, zukommen zu lassen. Die Weinzölle und Transportkosten erhöhen diesen Preis bis zu drei und einen halben Franken. So viel kommt er also dem Restaurateur und den Gastwirth zu stehen. Diese überlassen ihn alsdann ihren Kunden zu sechs Franken die Flasche. Ich glaube nicht, daß eine Flasche von diesem Weine einen amerikanischen Weinhändler höher zu stehen komme; denn der Unterschied des günstigeren Zolltarifs übersteigt wenigstens den Unterschied des weiteren Transports, und demungeachtet wird dieser Wein in unsern Gasthäusern um zwei Dollars, sogar um zwei und einen halben Dollar die Flasche verkauft! Der Trinkende muß also das Dreifache des wirklichen Werths und der Unkosten bezahlen. Daraus geht hervor, hier müsse etwas starker Spekulationsgeist dahinter stecken, erlaubte Handelsvortheile, wie man bei uns sagt, und das sind die Folgen davon; Sie sehen, wie wahr es ist, was ich Ihnen schon früher sagte, daß uns der Mangel an Krämern und Wirthen, die gar nicht daran denken, etwas mehr werden zu wollen, vieles Geld kostet. Ich sage nicht, daß wir deßhalb weniger Achtung verdienen, aber es entgehen uns, als Volk, auf diese Weise gar manche Bequemlichkeiten. Champagner, Rhein- und Bordeaux-Wein müßten eigentlich in Newyork um eben so billige Preise zu haben sein, wofür man sie in den größern Städten der Länder, wo sie gekeltert werden, haben kann. Denn, wie die Sache sich wirklich verhält, sind die Weinhändler im Stande, sie um jene billigeren Preise zu liefern.

Wenn die Gastwirthe und Dampfboot-Speisemeister in Amerika sich dazu verstehen wollten, Burgunderweine zu geringen Preisen zu beziehen und auch wohlfeiler zu verabreichen, Weine, die, wie die Franzosen sagen, das Wasser gut aushalten, und außer diesen noch andere leichtere Weinsorten; so würde der Gebrauch solches unschädlichen und nützlichen Getränkes bei Tische weit allgemeiner in Aufnahme kommen; so würde man anfangen, den Wein als ein häufigeres Bedürfniß mehr zu beachten, und binnen zwanzig Jahren würden wir selbstgezogene Weine trinken können.

Die Vorstellung, daß unsere Winter zu strenge seien, kann hier nichts ausmachen. In Berggegenden mag dieß allerdings der Fall sein; aber in einem Lande, das sich vom 27sten bis zum 47sten Breitegrade ausdehnt, ist es kaum möglich, anzunehmen, daß da nirgends der Weinstock zur Blüthe kommen könne. Sie wissen, daß selbst an der Elbe noch Wein gebaut wird, und eben so in mehr als der Hälfte der Schweizer Kantone. Eine gute Lage und eine geeignete Beschaffenheit des Bodens ist zu guten Weinanlagen erforderlich, und zwar überall erforderlich, und beides auszumitteln, ist durchaus nicht schwer. Ich vermuthe, daß wir bis jetzt nur zu reichhaltigen Boden ausgesucht haben, einen Boden, der bei seinem vorzüglichen Reichthum gleichwohl derjenigen besondern Eigenschaften entbehrte, welche der Weinstock seiner eigenthümlichen Natur nach verlangt. Alle großen Weinanlagen, die ich bis jetzt gesehen, und alle, von denen ich genaue Nachrichten erhalten konnte, befinden sich auf lockerem steinigtem Boden; öfter war es, wie im Rheingau, zerfallener Granit, Quarz und Syenit. Schiefer mit Quarz in einer thonigen Masse gemengt, oder auch mit Basalt, ist ein guter Weinboden; desgleichen Mergel- und Sandboden. Die Deutschen düngen ebenfalls die Weinäcker, in Frankreich pflegt dieß, wie ich glaube, nicht zu geschehen.

 

Die Trauben, welche guten Wein geben, sind selten zum Essen derselben recht geeignet. Mit großer Sorgfalt werden die verdorbenen Trauben herausgesucht, wo man einen recht wohlschmeckenden Wein bereiten will; so wie wir, um guten Aepfelwein zu bekommen, die Aepfel vorher sorgfältig auslesen. Ein wirklich guter Weinberg ist zugleich ein Schatz für seinen Besitzer, und ein erträgliches Stück Weinland ist wenigstens eine eben so vortheilhafte Benutzung des Bodens, als jede andere. Alle die trefflichen Sorten Hochheimer sind nur der Ertrag von acht bis zehn Acres; südlich vom Dorfe ist unstreitig weit mehr zu Weinpflanzungen benutzter Boden, aber der darauf wachsende Wein wird dem eigentlichen Hochheimer durchaus nicht gleichgeschätzt.

 

Gute Weine kann nur die längere Zeit hervorbringen, und ein Amerikaner lebt freilich in zu großer Hast, als daß er Zeit erübrigen könnte. Die Trauben werden, je älter der Weinstock wird, desto besser, doch werden die Weinstöcke von Zeit zu Zeit durch andere ersetzt; und der Wein nimmt ebenfalls mit den Jahren erst an Güte zu. In diesen Briefen habe ich Ihnen, wie Sie sich erinnern werden, von einer Weinanlage am Zürcher See erzählt, durch die ich gekommen bin, und worauf die Weinstöcke nach den vorhandenen Urkunden bereits fünfhundert Jahre bestanden. Vor fünf Jahrhunderten aber müssen, wenn man den Geschichtschreibern glauben darf, die Winter an diesem See eben so strenge gewesen sein, als sie jetzt gewöhnlich bei uns am Champlain-See zu sein pflegen; die Winter sind auch noch jetzt am Zürcher See recht kalt.

Manchen Weinen pflegt man in Europa ganz besondere Eigenschaften zuzuschreiben. So sollen manche Moselweine durchaus keinen guten Essig geben. Wenn dieß wahr ist, wie ich aus meiner eigenen Erfahrung weiß, so muß man aus Essig gar Moselwein machen können. Das Merkwürdigste, was ich in dieser Art gehört habe, war ein Geschichtchen, welches A – –'s Großvater zu erzählen pflegte, das also vollkommen wahr sein muß, weil es durch ganz untrügliche Personen verbürgt wird.

Um das Jahr 1750 erhielt er eine Pipe Madeirawein, der so schlecht war, daß er ihn als eine durchaus verdorbene Waare aufgab; doch ließ er das Faß der Sonne aussetzen mit einer Flasche am Spundloch, damit wenigstens guter Essig daraus entstehe. Die öffentlichen Verhältnisse nöthigten den alten Herrn, öftere Mahlzeiten zu geben, und bei solchen Gelegenheiten war ein Neger, dessen Name mir entfallen ist, sein zuverlässigster Schüler. Dieser Bursche war ein ganz vortrefflicher Diener, wenn er nüchtern war, gelegentlich aber machte er es, wie andere Leute, er betrank sich auch. Das störte alsdann den regelmäßigen Gang jener Mahlzeiten der städtischen Häupter gar sehr. Bei einer solchen Gelegenheit wurde alles aufgeboten, um den so unentbehrlichen Diener bei nüchternen Sinnen zu erhalten, und demungeachtet sah man, gerade wo es am meisten galt, ihn hinter dem Stuhl seines Herrn eben so bezecht, als man es ihm nur irgend hätte nachthun können. Die Sache wurde am nächsten Morgen ernstlich untersucht, und dabei kam nun heraus, daß ein Wunder sich im Haushalte ereignet, der Essig war in Wein verwandelt worden. Der Sage nach war dieser Wein wegen seiner Trefflichkeit unter dem Namen dieses Negers als der beste Wein in der ganzen Ansiedlung berühmt, weil man vielleicht dort bis dahin noch keinen so guten Wein Wein von dieser Sorte getrunken hatte. Wenn aber Jemand in Amerika einen Versuch mit Weinanlagen machte, und erhielte zufällig eine säuerliche Flüssigkeit, aus seinen Keltern, so glaube ich fast, er würde die Geduld nicht haben, die Zeit abzuwarten, bis durch Gährung ein besserer Wein entsteht. Die Geduld fehlt uns; darin liegt das Haupthinderniß, weßhalb unser Land nicht eine reiche Seiden- und Weinproduktion erhalten hat.

Zu diesen Bemerkungen bin ich durch die Betrachtung des Weinbaues in dieser Gegend veranlaßt worden. Die verschiedenartige Güte der Weine wird durch die Lage der Weingärten bewirkt. Denn alle, die Weine machen, machen deßhalb nicht in jeder Lage vorzüglichen Wein; und die eigenthümliche Lage ist daher auch die Ursache, daß die Weine von Vevey für die besten in der ganzen Schweiz gelten. Das beste Gewächs ist der Wein von Sankt Severin, einem Weiler, der ganz nahe bei der Stadt am Fuße der Abdachung liegt, die ich Ihnen bei der Erzählung von unserer Ankunft hierher beschrieben habe. Das kleine schloßähnliche Gebäude, das unsere Einbildungskraft damals so sehr beschäftigt hatte, liegt ganz nahe an dieser trefflichen Weinlage. Alles beweist, daß beim Weinbau außerordentlich viel von Nebenumständen abhänge, und daß man sich nur dann recht viel von einer Weinanlage versprechen könne, wenn man recht sorgfältig alle solche Nebenumstände beachtet.

Sowohl die Hitze, als die Kälte, kann einer Weinlage durch ihre Heftigkeit schaden. In Italien pflegt man deßhalb den Weinstock sich an Bäumen hinaufranken zu lassen, um die Wirkung der Hitze mittelst des durch diese bewirkten Schattens zu mildern. Aber fast überall werden die besseren Weine, man könnte sagen, fast durchaus, an schmalen felsigen Rändern gezogen, welche durch die engen Absätze steiler Abhänge entstehen. Diese Beobachtung führt mich zu der Annahme, daß wir in den mittleren und selbst in den östlichen Staaten weit mehr Erfolg vom Weinbau, als in den mehr südlich und westlich gelegenen Staaten erwarten können. Es scheint, daß die Kälte für sich allein weniger einwirkt, wenn sie nicht gerade so heftig wird, um die Pflanzen erfrieren zu lassen; und die gute Jahreszeit währt bei uns hinreichend lange, um die Trauben zur Reife zu bringen.

Es wäre ungereimt, wenn ich, bei meinen oberflächlichen Kenntnissen von diesem Gegenstande, mich dafür ausgeben wollte, recht tief in das Wesen des Weinbaues eingedrungen zu sein; doch so viel möchte ich beinahe vorhersagen, wenn Jemand nur hinreichende Geduld haben wollte, sich zu einem Versuche einige Zeit zu nehmen, daß sogar die kleine amerikanische Fuchstraube mit der Zeit einen guten Wein geben würde. Unsere Fuchstrauben haben nämlich mit den Trauben mancher der bessern Weinberge dieser Gegend eine große Aehnlichkeit, und daß die Fuchstraube zum Essen nicht sonderlich sich eignet, ist durchaus kein Einwurf gegen die Möglichkeit, daß sie einen trinkbaren Wein geben könne.

Kurz, ich gebe es zwar nur als eine Vermuthung aus, da ich keine historischen Beweise dafür habe; doch bin ich durch Alles, was ich in Europa vom Weinbau gesehen und erfahren habe, ziemlich davon überzeugt worden, es könne kaum anders sein, als daß wir bei unsern seitherigen Versuchen mit Weinanlagen, ganz besonders daran bedacht waren, einen recht fetten Boden auszusuchen und die höheren Breiten des Landes durchaus zu vermeiden. Ich kann es mir nicht anders denken, als daß ein steinigter hügelichter Boden, wohl umgearbeitet, in der gehörigen abhängigen Lage nach der Südseite, im Innern der niedriger gelegenen Gegenden der mittleren Staaten fast überall gute Weine hervorbringen müsse.



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