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Ihre Freude war fast ebensogroß wie die seinige.

Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Ein unerwarteter Besuch.

Wie will mir oft der Mut entsinken,
Wenn nie mich trifft der Freude Gruß!
Und will mir wo ein Blümchen winken,
Gleich tritt darauf ein rauher Fuß.

Und doch bin ich nicht ganz verlassen,
Noch hängt ein treues Herz an mir,
Ob auch, die um mich sind, mich hassen:
Du liebst mich noch – hab' Dank dafür!

Frau Reichmann war sehr schlechter Laune, und ihre Töchter Ida, Klara und Esther machten es ebenso; Annette, welche infolgedessen mehr als sonst gescholten wurde, war auch nicht in der besten Stimmung, und die Zwillinge folgten dem allgemeinen Beispiel. Herr Reichmann, der in allen solchen Stürmen gern eine gedeckte Stellung einnahm, hatte seinen Sonnenschirm ergriffen und sich aus dem Staube gemacht, um so lange auf den Wällen spazieren zu gehen, bis das Wetter am häuslichen Himmel sich aufgeklärt hatte. Die Sache hing so zusammen:

Die ganze Familie, mit Ausnahme der Zwillinge war abends vorher auf einem Ball gewesen; zum erstenmal hatte man Magdalene bei solcher Gelegenheit mitgenommen, denn trotz ihrer Affenliebe für ihre Töchter hatte Frau Reichmann die stille Furcht nicht unterdrücken können, daß jene neben ihrer Cousine keine sehr glänzende Rolle spielen würden. Deshalb hatte sie bisher immer noch Vorwände gefunden, um diese zu Hause zu lassen; zuerst hieß es, das liebe Kind sei noch in Trauer und man wolle ihre Gefühle nicht so verletzen und sie gegen ihren Willen in das Geräusch der Welt ziehen. Im nächsten Winter litt Magdalene an hartnäckiger Erkältung und Frau Reichmann erinnerte sich plötzlich, daß ihre Mutter früh gestorben sei, wahrscheinlich an einem Brustleiden; man durfte das zarte junge Mädchen daher keiner Gefahr aussetzen und schonte sie während der Gesellschaftszeit aufs äußerste. Dann hatten die Zwillinge die Masern bekommen, und Magdalene, die bei ihnen schlief, durfte die Ansteckung nicht in fremde Häuser tragen. Endlich aber veranstaltete der Bürgermeister bei Gelegenheit einer landwirtschaftlichen Ausstellung einen großen Ball, und da Herr Reichmann zum Komitee gehörte, so hatte er darauf bestanden, daß Magdalene, die inzwischen ihr neunzehntes Jahr erreicht hatte, dahin mitgenommen würde.

Als ihre Tante ihr diesen Entschluß mit großer Feierlichkeit mitteilte, war sie entzückt darüber. Ein Ball war etwas ganz Neues, noch nie Dagewesenes, und ihr Leben war so trübselig, so einförmig und langweilig! Sie ging nirgends hin, als in Begleitung von Nanny und Mathilde, und dann hatte sie immer damit zu thun, die Wildfänge in Ordnung zu halten. Ließ man diese zu Hause, so mußte Magdalene auch bei ihnen bleiben und die anderen erzählten dann, daß die liebe Cousine die Kleinen so sehr liebte, daß sie sich gar nicht entschließen könne, sie zu verlassen. Aber auf einem Ball konnte sie auf eigene Hand vergnügt sein, und deshalb sah sie ihm mit dem größten Vergnügen entgegen.

Ihre Freude sollte nicht von langer Dauer sein. Man geht auf Bälle nicht in Merino oder Kattun, und das waren die einzigen Stoffe ihrer Garderobe, die man gewöhnlich in der Art erneuerte, daß aus den besten Stücken der abgetragenen Kleider von Ida und Klara noch eins für sie gemacht wurde. In derselben Weise sollte ihre Balltoilette hergestellt werden; während die Töchter des Hauses rosa Gazekleider und Hyazinthenkränze aus Paris erhielten, wurden Magdalene zwei alte blaue Tarlatankleider überwiesen, in denen ihre Cousinen schon manchesmal getanzt hatten. Dies war eine bittere Täuschung, und ohne zu sagen, warum, bat sie Frau Reichmann, sie lieber zu Hause zu lassen. Aber damit kam sie schlecht an: was war dies für eine Laune? Wollte sie undankbar sein für all die Güte, die man ihr erwies? Man behandelte sie wie ein Kind des Hauses, man bot ihr ein großes Vergnügen an, wollte sich Mühe um ihren Anzug geben, und sie hatte keine Anerkennung dafür? War das der Lohn für die jahrelangen Wohlthaten, die sie hier empfing?

So ging es tagelang fort, Magdalene hörte schweigend all diese Reden an und zahlte damit einen hohen Preis für das Vergnügen, ihren ersten Ball zu besuchen. Sie wagte nicht, um eine Hilfe bei der Anfertigung ihres Kleides zu bitten, doch gelang es ihren geschickten Händen, sich mit Hilfe eines weißen Stoffes, der sich noch vorfand, einen hübschen, zierlichen Anzug herzustellen, welcher sich neben den Gazekleidern ihrer Cousinen wohl sehen lassen konnte. Aus dem Strauß, den ihr Herr Reichmann tags zuvor zu ihrem Geburtstage geschenkt hatte – denn er allein war immer freundlich und aufmerksam gegen sie – nahm sie ein paar weiße Rosen, die sie in ihr dunkles Haar steckte, und sah dann so allerliebst aus mit ihrer schlanken Gestalt und ihrem bescheidenen und doch vornehmen Auftreten, daß schon nach Ablauf der ersten Viertelstunde Frau Reichmann wohl zehnmal den Ausruf hören mußte: »Welch reizendes Mädchen! warum haben Sie diese holde Blume so lange versteckt gehalten?« Das Gesicht der würdigen Dame wurde immer länger und spitzer, und sie wies unter dem Vorwand, daß eine Familie nicht alle Sitze in der ersten Reihe in Anspruch nehmen dürfe, Magdalenen einen Platz in der zweiten neben sich an, während sie ihre drei Töchter nach vorn schob. Aber die mütterliche Kriegslist blieb ohne Erfolg, denn viele junge Herren zogen es vor, die Fräulein Reichmanns nur mit einer Verbeugung zu begrüßen, ihre Cousine aber zum Tanz aufzufordern, so daß die Tanzkarte der letztern sich schnell mit Namen füllte, während die andern leer blieben.

Unter den Tänzern befand sich auch Aristides Burdelau, der immer noch dasselbe ausdruckslose Gesicht, dasselbe unsichere Auftreten hatte, wie an jenem Tage, da er dem Familienrat beigewohnt hatte. Er war ein gutmütiger Mensch von mittleren Gaben, aber die Tyrannei seiner Mutter hatte ihm alles männliche Selbstgefühl geraubt; er wagte kaum, etwas zu denken oder zu sprechen, was jene nicht gebilligt hatte, und dadurch erschien er beschränkter, als er wirklich war. Frau Burdelau fand ihn schön und reich begabt, sie erklärte ihn sogar für ein Genie, das zu den höchsten Ehren und Ämtern befähigt sei. Sie sah ihn im Geiste schon als Abgeordneten, ja als Minister und verhinderte ihn durch solche Träume, irgend eine Stellung im Leben auszufüllen. Jetzt war sie vor allem darauf bedacht, ihn zu verheiraten, sobald sie nur ihr Ideal gefunden hätte – denn nach dem seinen fragte sie nicht. Die Erwählte sollte reich, schön, gebildet, also fähig sein, dem stolzen Namen Burdelau Ehre zu machen; ihr Charakter war schon gleichgültiger, denn sie traute es sich zu, jene in jedem Fall zur Vernunft zu bringen; wollte sie ja ohnehin im Hause ihres Sohnes nach wie vor das oberste Regiment führen. Leider hatte der gute Aristides, welcher der Welt in einem ganz andern Licht erschien, als seiner Mutter, noch in keinem der erkorenen jungen Mädchen ein Interesse erweckt, und wenn ihn auch manche Familien, wie die Reichmanns, mit offenen Armen aufgenommen hätten, so fanden diese doch keine Gnade vor den Augen der gestrengen Mama.

Magdalene kam dem jungen Mann bekannt vor, doch mußte er sich erst eine Weile besinnen, ehe er in ihr das junge Mädchen wieder erkannte, welches damals eine so harte Behandlung von Seiten der Verwandten erfahren mußte; hatte sie sich doch in den verflossenen vier Jahren höchst vorteilhaft verändert und trotz des Druckes, der auf ihr lastete, aufs anmutigste entwickelt. Er forderte sie mehreremale zum Tanze auf und da er sehr höflich war, so tanzte er auch mit ihren Cousinen, aber alle drei bemerkten mit großem Ärger, daß er mit ihnen nur von Fräulein Garay sprach, ja Frau Reichmann beobachtete, daß er, selbst wenn er mit ihren Töchtern tanzte, doch nur Augen für Magdalene hatte. Das arme Kind hatte keine Ahnung davon und war sehr bestürzt, als ihr zu Hause eine bittere Strafpredigt über ihre Koketterie gehalten wurde, diesen häßlichen Fehler, der ein junges Mädchen stets verunziere, bei einer Waise in abhängigen Verhältnissen aber ganz unerträglich sei. Und da die Damen infolge des Ärgers schlecht geschlafen hatten und sich nicht verhehlen konnten, daß Magdalene mehr Beifall gefunden habe als die ganze übrige Familie zusammen, so war es kein Wunder, daß Mutter und Töchter am nächsten Morgen so übler Laune waren.

Nichts ist so verführerisch als ungerechte Vorwürfe; sie reißen den Tadelnden unaufhaltsam fort, weit über das ursprüngliche Ziel hinaus. Alles, was Frau Reichmann je an Magdalenen mißfallen hatte, wurde heute zusammengefaßt und endlos durchgesprochen, und jeder Tadel endete mit einer Betrachtung ihres gestrigen unpassenden Benehmens, ihrer unersättlichen Tanzlust, der unfeinen Gesinnung, die sich darin gezeigt habe. Der Klang der Hausglocke unterbrach diesen Redestrom; »es ist Herr Burdelau,« rief Klara, die am Fenster saß. Ida zupfte schnell ihre Schleifen zurecht und glättete ihre Haare, während Esther die Stellung einer begeisterten Dichterin einzunehmen suchte, und die Zwillinge, welche eben eine Puppe in Stücke rissen, die Trümmer zusammenrafften und in einen entfernten Winkel flüchteten.

Annette öffnete die Thür des Empfangszimmers und ließ Aristides eintreten. Man tauschte höfliche Reden und Erkundigungen aus; Magdalene zog sich soweit zurück, als es möglich war, und nahm wenig teil an der Unterhaltung. Plötzlich erhob sich im Vorzimmer ein Geräusch, zwei Stimmen schienen miteinander zu streiten; sie lauschte aufmerksam: bretonische Laute klangen an ihr Ohr. Sie erhob sich eilig und ging nach der Thür, die in demselben Augenblick aufgerissen wurde; ein Knabe drang ein, stieß Annette, die ihn aufhalten wollte, zurück und stürzte auf das junge Mädchen zu. Er schlang seine Arme um sie, bedeckte ihr Gesicht, ihre Haare, ihre Hände mit Küssen, warf sich vor ihr auf die Kniee und rief unter Lachen und Schluchzen unablässig: »Magdalene! Magdalene!«

Ihre Freude war fast ebensogroß wie die seine. Wievielmal hatte sie in diesen drei Jahren an Schloß Doué gedacht und seufzend gesagt: Dort war es besser, als hier! Noch öfter hatte es ihre Gedanken dorthin gezogen, seit Herr Daussier ihr von Lorenz' Besuch geschrieben und seine Bestellung ausgerichtet hatte: so gab es doch in dieser öden Welt noch Herzen, die sie liebten, die sie nicht hinausstoßen würden! Bei jeder kummervollen Erfahrung, die sie machte, erschien ihr jenes schlichte Haus und seine Gastfreundschaft in glänzenderem Lichte, und niemals waren Ludwig und Katharina, der brave Michel, das alte Haus und die sonnige Flur ihrem Herzen teurer gewesen als heute, wo ihre nächste Umgebung ihr so unerträglich erschien. Sie erwiderte Ludwigs Liebkosungen mit schwesterlicher Wärme und achtete nicht auf die verblüfften Gesichter der ganzen Familie Reichmann, welche ihre Unterhaltung mit Aristides unterbrochen hatte, um mit starrem Erstaunen zuzusehen, wie ihre Verwandte einen staubigen, ärmlich gekleideten Bauernburschen in ihre Arme schloß.

Frau Reichmann fand zuerst die Sprache wieder.

»Wie kommt dieser Vagabund hierher?« rief sie entrüstet. »Annette, Annette, wie kannst du dir einfallen lassen, Bettler ins Empfangszimmer zu bringen? Schämst du dich denn gar nicht, Magdalene?«

Diese wendete sich zu ihr, ohne den Knaben loszulassen.

»Es ist Ludwig Tregan!« sagte sie unter Thränen der Freude und Rührung, »der Sohn meiner lieben, alten Amme. O Ludwig, wie froh bin ich, dich wiederzusehen!«

»Du hast merkwürdige Bekanntschaften, das muß ich sagen! Aber du vergißt, daß ich in meinem Hause dergleichen Leute nicht zu empfangen gewöhnt bin. Verzeihen Sie, Herr Burdelau; ich bemühe mich seit drei Jahren vergeblich, die vernachlässigte Erziehung dieses jungen Mädchens in das richtige Gleis zu leiten …«

Magdalene achtete nicht auf sie, sie zog Ludwig auf einen Sitz in der andern Ecke des Zimmers und sprach sanft und freundlich mit ihm, indem sie ihre Worte wie in früherer Zeit seinem Verständnis anpaßte.

»Mein lieber Junge, wie groß bist du geworden! Du fühlst dich wohl und stark, nicht wahr? Kannst du schon arbeiten? Wo ist deine Mutter, sie ist doch mit dir nach Ancenis gekommen?«

»Nein, ich kam allein.«

»Allein? Wie ging das zu?«

»Ich wollte dich holen. Lorenz ging nach Nantes, als der Weißdorn blühte, er kam froh zurück und sagte: Magdalene ist bei Frau Reichmann in Ancenis, alte Wallstraße. Da wurde ich auch wieder froh und wollte dich abholen.«

»Guter Ludwig! Hast du mich noch immer lieb?«

»Sehr lieb!« sagte er mit Nachdruck und fügte geheimnisvoll hinzu: »Ich konnte nicht gleich kommen, denn ich mußte dir erst ein Haus bauen. Im Schlosse ist kein Platz mehr für dich.«

»Warum nicht?«

»Anna wohnt in der roten Stube mit Peter Kado und dem kleinen Herbert.«

»Ist das ihr Kind?«

»Ja. Ich habe dir ganz allein ein Haus auf deinem Felde gebaut, es ist fertig, und du kannst gleich einziehen.«

»Und wo ist deine Mutter?«

»Im Schloß mit dem Vater und den anderen. Ich habe keinem gesagt, daß ich zu dir ginge, Großvater hätte es vielleicht verboten.«

»Und keiner weiß, wo du geblieben bist? In welcher Angst müssen sie sein! Hast du gar nicht daran gedacht, Ludwig, daß du ihnen Kummer machtest? Sie werden denken, du seiest ertrunken, oder ein Wolf habe dich gefressen!« rief sie erschrocken.

»Ich habe nur an dich gedacht,« sagte Ludwig mit einem traurigen Gesicht, denn da Magdalene ihn schalt, mußte er wohl etwas Unrechtes gethan haben.

»Aber wie bist du hergekommen?« fragte sie weiter.

»Ich bin gegangen, alle Tage ein großes Stück.«

»Zu Fuß und ganz allein? Wer hat dir den Weg gezeigt?«

»Die Soldaten; sie sagten: Wir gehen nach Ancenis. Ich marschierte alle Morgen hinter ihnen drein.«

»Und wovon hast du gelebt? Wer gab dir zu essen?«

»Die Soldaten; ich sang ihnen meine Lieder vor und sie gaben mir Kaffee und Brot. Soldaten sind sehr gut.«

»Und wo hast du in der Nacht geschlafen?«

»Auf der Erde.«

»O du heilige Einfalt! Was ist da zu thun? – Liebe Tante, dieser Knabe ist heimlich von Hause fortgegangen, um mich aufzusuchen; helfen Sie mir, ihn zu seinen Eltern zurückzuführen, sie müssen sich sehr um ihn ängstigen.«

»O, warum haben sie ihn nicht besser erzogen und beaufsichtigt!« gab Frau Reichmann empört zurück. »Was soll ich mit einem Herumtreiber anfangen? Schicke ihn sofort zurück; ist er allein hergekommen, so wird er auch seinen Rückweg allein finden.«

»O, ich bitte Sie, er würde sich gänzlich verirren; er hat nicht den Verstand anderer Kinder seines Alters, er ist ja einfältig. Aber er hat solch ein treues, warmes Herz, der arme, liebe Junge! Erlauben Sie mir, ihn hier zu behalten, er kann im Speicher auf Stroh schlafen und ich will gleich an die Seinen schreiben, damit ihn jemand abholen komme.«

»Das fehlte noch! Ich sollte einen Bettler beherbergen – hinaus, abscheulicher Bube!«

Ludwig begriff diese Worte kaum, aber er verstand ihren Ton und die begleitende Bewegung und blitzte die zornige Dame mit so funkelnden Augen an, daß sie sich zurückzog und nur von weitem ihre Faust gegen ihn und seine Beschützerin ballte. Er ergriff Magdalenens Hand und wollte sie mit sich fortziehen.

»Komm,« sagte er, »bleibe nicht bei ihr, sie ist schlecht und liebt dich nicht. Komm mit in dein Haus, du kannst von Klaudinens Milch trinken und Brot von deinem Getreide essen. Sieh, ich habe dir noch ein Stück Soldatenbrot verwahrt, wenn du unterwegs hungrig wirst.« Er zeigte ihr einige vertrocknete Brotkrumen, die aus seiner Tasche hervorguckten.

»O Gott, was soll ich anfangen?« sagte Magdalene trostlos, »er ist verloren, wenn man ihn allein fortschickt.«

Aristides näherte sich dem jungen Mädchen; er hatte ein weiches Herz, und der Gedanke, seiner hübschen Cousine einen Gefallen zu thun, war ihm gar nicht unangenehm.

»Wollen Sie ihn mir anvertrauen, mein Fräulein?« fragte er. »Ich reise sofort nach Nantes ab und werde den Knaben in den richtigen Zug setzen; wenn ich ihn dem Beamten empfehle, wird er wohlbehalten dort ankommen.«

Magdalene sprach ihm ihre innigste Dankbarkeit aus und wollte Ludwig ihre Börse übergeben, aber Aristides litt es nicht. »Das ist meine Sache,« sagte er höflich, »gestatten Sie mir, Ihnen diese Sorge abzunehmen. Komm, mein Bürschchen, wir reisen zusammen ab.«

Ludwig betrachtete Aristides aufmerksam, und da sein Gesicht ihm Vertrauen einflößte, reichte er ihm die Hand.

»Aber sie?« fragte er, auf Magdalene deutend.

»Sie kommt später nach, vielleicht schon morgen, sie muß erst ihren Koffer packen.«

»Ja, ja, mein guter Ludwig, ich werde morgen kommen, aber ich kann dich nicht so lange hier behalten, hier ist kein Platz für dich. Du wirst diesem Herrn gehorsam folgen, nicht wahr? Er ist gut, und du brauchst dich nicht vor ihm zu fürchten.«

»Nein!« sagte der Knabe und lächelte Aristides freundlich zu. »Aber du wirst mir nachkommen?«

»Ja, sobald mein Koffer gepackt ist. Du kennst ja den großen Koffer, da geht so viel hinein, und ich werde heute nicht damit fertig. Nun adieu, mein lieber Ludwig; gieb mir noch einen Kuß und sage deiner Mutter, daß ich sie sehr lieb habe.«

Aristides reichte dem Knaben die Hand und dieser folgte ihm willig, indem er Magdalenen noch einmal zurief: »Du kommst sehr bald nach, nicht wahr?

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