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Auf der Höhe der Zivilisation

Einen Monat lang wanderten Tarzan und d'Arnot weiter, da kamen sie zu einer Häusergruppe an der Mündung eines breiten Flusses. Tarzan sah dort eine Reihe Boote, wurde aber wieder von der Schüchternheit des Wilden beim Anblick vieler Menschen befallen.

Allmählich gewöhnte er sich an die fremdartigen Gebräuche und die merkwürdigen Gewohnheiten der Kulturmenschen, so daß jetzt niemand mehr gedacht hätte, daß dieser stattliche, französisch sprechende Mann in tadellosem weißem Anzug, der mit einer der Fröhlichsten beim Lachen und Plaudern war, sich noch vor zwei Monaten nackt durch die Bäume des Urwaldes geschwungen hatte, um sich auf irgendein ahnungsloses Opfer zu stürzen, das er roh verzehrte, um seinen knurrenden Magen zu füllen.

Messer und Gabel, die Tarzan einen Monat vorher so verächtlich beiseite geworfen hatte, wußte er jetzt so vortrefflich zu handhaben, wie der weltmännische d'Arnot.

Er war ein so begabter Schüler, daß der junge Franzose eifrig daran arbeitete, aus Tarzan einen gesitteten Gentleman zu machen, soweit es Benehmen und Sprache betraf.

Sobald sie den kleinen Hafen erreicht hatten, teilte d'Arnot seinem Kommando telegraphisch seine Errettung mit und bat um einen Urlaub von drei Monaten, der ihm auch bewilligt wurde.

Er hatte auch an sein Bankhaus gekabelt, um Geld zu erhalten. Aber nun wurde er gezwungen, einen Monat lang dort zu warten, weil er kein Boot fand, das er hätte mieten können, um nach Tarzans Dschungel zurückzufahren. Er war darüber ebenso ungehalten wie Tarzan.

Während ihres Aufenthaltes in der Küstenstadt kam Herr Tarzan bei den Weißen wie bei den Schwarzen in den Ruf eines Wundermenschen und zwar wegen verschiedener Ereignisse, die ihm selbst unbedeutend vorkamen.

Als einst ein riesiger Schwarzer in der Trunkenheit einen Tobsuchtsanfall bekam und durch die erschreckte Stadt lief, führte ihn sein Unglücksstern auf die Veranda des Hotels, wo Tarzan umherspazierte.

Mit dem Messer umherfuchtelnd stieg der Neger die breite Treppe hinauf und ging schnurstracks auf eine Gesellschaft von vier Herren zu, die an einem Tische den unvermeidlichen Absinth schlürften.

Lärmschlagend liefen die vier davon, und nun erblickte der Schwarze Tarzan.

Brüllend ging er auf ihn zu, während ein halbes Hundert Augen hinter geschützten Fenstern ausschauten, wie der Affenmensch von dem Schwarzen abgeschlachtet werden würde.

Tarzan erwartete den Angriff mit einem Lächeln, das die Freude am Kampfe immer auf seine Lippen zauberte.

Kaum war der Neger an ihn herangekommen, als Tarzan schon das Gelenk der mit dem Messer erhobenen Hand erfaßt hatte und mit seinen Stahlmuskeln umklammerte: eine einzige schnelle Drehung, und die Hand hing an dem gebrochenen Knochen herab.

Der Schmerz und die Überraschung hatten den Schwarzen mit einem Male nüchtern gemacht, und schreiend rannte er dem Eingeborenenviertel zu, während Tarzan sich auf einen Stuhl setzte, als ob nichts geschehen wäre.

Ein andermal, als Tarzan und d'Arnot mit einer Anzahl anderer Weißen bei Tisch saßen, kam das Gespräch auf Löwen und Löwenjagd.

Die Meinungen über die Tapferkeit des Königs der Tiere waren geteilt. Manche behaupteten zwar, er sei ein ausgemachter Feigling, aber alle waren darin einig, daß es ihr Gefühl der Sicherheit erhöhe, wenn sie nachts ihr Gewehr zur Hand hatten, sobald der Beherrscher der Dschungel ihr Lager umbrüllte.

D'Arnot und Tarzan waren übereingekommen, seine Vergangenheit geheim zu halten, und so wußte außer dem französischen Offizier niemand, daß der Affenmensch mit den Dschungeltieren so gut vertraut war.

Herr Tarzan hat seine Ansicht noch nicht bekanntgegeben, sagte einer von der Gesellschaft. Ein so heldenmütiger Mann, der, wenn ich nicht irre, schon einige Zeit in Afrika weilt, muß auch Erfahrungen mit Löwen besitzen.

O ja, erwiderte Tarzan trocken. Soviel weiß ich, daß ein jeder von Ihnen ein richtiges Urteil über die Eigenschaften der Löwen hat, denen er gerade begegnet ist. Aber man kann ebensogut alle Schwarzen nach dem Kerl beurteilen, der vorige Woche wie verrückt herumlief, als man behaupten kann, alle Weißen seien Feiglinge, weil einer einem weißen Feigling begegnet ist. Es gibt ebenso Unterschiede unter den Tieren wie unter uns selbst. Heute können wir draußen über einen Löwen stolpern, der überaus scheu ist und vor uns Reißaus nimmt. Morgen begegnen wir seinem Onkel oder seinem Zwillingsbruder, und dann wundern sich unsere Freunde, daß wir nicht aus der Dschungel zurückkehren. Ich für meinen Teil nehme immer an, daß ein Löwe ein wildes Tier ist, und ich bin immer auf meiner Hut.

Es muß kein großes Vergnügen sein, erwiderte der, der zuerst gesprochen hatte, wenn ein Jäger Furcht vor dem Tiere hat. D'Arnot lächelte. Tarzan sollte sich fürchten!

Ich weiß nicht, was Sie eigentlich unter Furcht verstehen, sagte Tarzan. Ähnlich wie bei den Löwen ist auch bei den Menschen die Furcht verschieden, aber für mich besteht das einzige Vergnügen an der Jagd darin, daß ich weiß: das Tier, das ich erlegen will, kann mir ebensoviel antun, wie ich ihm. Wenn ich mit zwei Gewehren, einem Gewehrträger, und zwanzig oder dreißig Treibern auf die Löwenjagd ginge, so wüßte ich, daß der Löwe nicht viel Aussicht hätte, und dann hätte ich nicht viel Vergnügen an der Jagd.

Ich nehme an, daß Herr Tarzan am liebsten nackt in die Dschungel gehen würde, nur mit einem Dolch bewaffnet, um den König der Tiere zu töten, sagte der andere, gutmütig lachend, aber mit einem leisen Anflug von boshaftem Spott. Und mit einem Seil, fügte Tarzan hinzu.

Im selben Augenblick erscholl aus der entfernten Dschungel das Brüllen eines Löwen, als ob er jeden herausfordern wollte, der es wagte, den Kampf mit ihm aufzunehmen.

Dort ist eine Gelegenheit für Sie, Herr Tarzan! neckte der Franzose.

Ich bin nicht hungrig, sagte Tarzan einfach.

Die Männer lachten alle, außer d'Arnot. Nur dieser wußte, daß der Urmensch unbewußt aus ihm gesprochen hatte.

Aber Sie fürchten sich genau so wie jeder von uns, nackt hinauszugehen, nur mit einem Messer und einem Seil bewaffnet. Ist es nicht so?

Nein, erwiderte Tarzan. Nur ein Narr handelt ohne Grund. Fünftausend Franken sind ein Grund, sagte der andere. Ich wette um diese Summe, daß Sie keinen Löwen unter den genannten Bedingungen – nackt und nur mit einem Messer und einem Seil bewaffnet – aus der Dschungel bringen werden.

Tarzan sah zu d'Arnot hinüber und nickte mit dem Kopfe.

Sagen Sie zehntausend, sagte d'Arnot.

Einverstanden! sagte der andere.

Tarzan stand auf.

Ich werde meine Kleider am Rande der Ansiedelung zurücklassen, damit ich für den Fall, daß ich nicht vor Tagesanbruch zurückkehre, etwas anzuziehen habe, um durch die Straßen zu gehen.

Sie gehen doch nicht jetzt, in der Nacht? sagte der Wettende.

Warum nicht? fragte Tarzan. Numa geht des Nachts umher – da wird er leichter zu finden sein.

Nein, sagte der andere, ich will meine Hände nicht mit Ihrem Blut beflecken. Es ist tollkühn genug, wenn Sie bei Tage fortgehen.

Ich werde jetzt gehen, erklärte Tarzan und ging auf sein Zimmer, um Messer und Seil zu holen.

Die Männer begleiteten ihn bis zum Rande der Dschungel, wo er sich auszog und seine Kleider in einem kleinen Schuppen zurückließ.

Als er aber in das dunkle Unterholz hineintrat, versuchten sie ihn davon abzubringen, und der Wettende bat ihn am dringendsten, von seiner Tollkühnheit abzulassen.

Ich erkläre, daß Sie gewonnen haben, sagte er, und die zehntausend Franken sollen Sie erhalten, wenn Sie diesen wahnsinnigen Versuch aufgeben, der nur mit Ihrem Tode endigen kann.

Tarzan lachte, und im nächsten Augenblick war er in der Dschungel verschwunden.

Die Männer standen einen Augenblick schweigend da und kehrten dann langsam zu der Veranda des Hotels zurück.

Kaum war Tarzan in der Dschungel, als er schon auf die Bäume hinaufkletterte. Es war ein Gefühl von triumphierender Freiheit, als er sich wieder einmal über die Äste der Bäume schwingen konnte.

Das war ein Leben! Und wie liebte er es! Damit hält doch die menschliche Kultur keinen Vergleich aus, denn sie ist durch allerlei Einschränkungen und Herkömmlichkeiten eingeengt. Sogar die Kleider sind etwas Lästiges und überflüssiges.

Endlich war er frei. Jetzt sah er erst ein, daß er ein Gefangener gewesen war. Wie leicht wäre es, zur Küste zurückzukehren und dann weiter nach Süden zu seiner eigenen Dschungel und seiner Hütte.

Er bekam jetzt Witterung von Numa, denn er ging gegen den Wind und sein scharfes Gehör vernahm die vertrauten Laute, die ihm verrieten, daß ein pelzbekleideter Körper mit weichen Fußballen durch das Unterholz streifte.

Tarzan kam etwas mehr herunter und folgte dem nichtsahnenden Tier bis an eine mondbeschienene Stelle.

Dann warf er behende die Schlinge herunter, die sich sofort schließend um den gelbbraunen Hals legte. So wie er es hundertmal schon getan hatte, befestigte er das Ende des Seiles an einem starken Aste. Während das Tier um seine Freiheit kämpfte und sich sträubte, ließ er sich hinter ihm auf die Erde, und auf den großen Rücken springend, stieß er die lange, dünne Klinge seines Messers ein Dutzendmal in das wilde Herz.

Dann setzte er den Fuß auf den toten Numa und erhob seine Stimme zu dem schrecklichen Siegesgeschrei seines wilden Stammes.

Einen Augenblick stand Tarzan unentschlossen. Er schwankte zwischen den widerstreitenden Gefühlen der Treue gegen d'Arnot und seinem mächtigen Verlangen nach der Freiheit in seiner eigenen Dschungel. Zuletzt schwand das schöne Bild, das er sich von seinem früheren Leben entwarf, vor einer anderen Vision: einem schönen Gesicht, und vor der Erinnerung an die warmen Lippen, die sich auf die seinen gepreßt hatten.

Der Affenmensch nahm den noch warmen Körper Numas auf die Schultern und ging damit weiter.

Die Männer auf der Veranda saßen schon eine Stunde lang fast immer schweigend.

Sie hatten versucht, über verschiedene Gegenstände zu sprechen, aber der Gedanke, der sie alle beherrschte, hatte immer wieder eine Stockung hervorgerufen.

Mein Gott, sagte zuletzt der Wettende, ich kann es nicht länger aushatten. Ich gehe mit meinem Gewehr in die Dschungel und bringe den verrückten Menschen zurück.

Ich gehe mit Ihnen, sagte ein anderer.

Ich auch! Ich auch! Ich auch! sagten die übrigen.

Alle eilten nach ihren Zimmern, und gleich darauf waren sie schwer bewaffnet bereit, nach der Dschungel aufzubrechen.

Gott! Was war das? rief plötzlich einer von ihnen, ein Engländer, als Tarzans wilder Schrei aus der Ferne an ihr Ohr drang.

Ich hörte früher manchmal dasselbe Gebrüll, wenn ich in der Gorilla-Gegend war, sagte ein Belgier. Meine Träger behaupteten, es sei das Geschrei eines großen Affen, der etwas getötet hatte.

D'Arnot erinnerte sich der Beschreibung, die Clayton ihm von dem furchtbaren Geschrei gegeben hatte, mit dem Tarzan jedesmal ankündigte, wenn er etwas erlegt hatte, und trotz seines Schreckens lächelte er bei dem Gedanken, daß dieser unglaubliche Ton aus einer menschlichen Brust, aus der Brust seines Freundes kam.

Als die Gesellschaft schließlich nahe am Rande der Dschungel war, und sich darüber unterhielt, wie sie ihre Kräfte am besten verteilen könnten, tauchte auf einmal vor ihnen eine riesige Gestalt auf, die einen toten Löwen über ihren breiten Schultern trug.

Sogar d'Arnot war ganz verblüfft, denn es schien ihm unmöglich, daß ein Mensch einen Löwen mit so kümmerlichen Waffen erlegt und daß er allein den schweren Körper durch das Gestrüpp der Dschungel getragen habe.

Die Männer umringten Tarzan und richteten allerlei Fragen an ihn, aber er machte gar kein Aufhebens aus seiner Tat und lachte nur darüber.

Ihm kam es vor, als wollte man einen Metzger dafür loben, daß er eine Kuh geschlachtet habe, denn Tarzan hatte so oft teils aus Nahrungsbedürfnis, teils zur Selbsterhaltung ein Tier getötet, daß das ihm gar nichts Außergewöhnliches zu sein schien. Aber in den Augen dieser Männer war er in Wirklichkeit ein Held, obschon auch sie gewöhnt waren, Großwild zu erlegen.

Nebenher hatte er auch noch zehntausend Franken gewonnen, denn d'Arnot drang darauf, daß er sie annehmen sollte.

Das war ein wichtiges Ereignis für Tarzan, denn er hatte schon eingesehen, welche Macht in den kleinen Geld- und Papierstücken lag, die von Hand zu Hand gingen, sobald einer irgend etwas brauchte, sei es zum Essen oder Trinken, für Kleidung oder sonst irgend ein Bedürfnis.

Tarzan hatte schon erfahren, daß man ohne Geld nicht leben konnte. D'Arnot hatte ihm zwar gesagt, er brauche sich nicht zu plagen, denn er habe mehr als genug für beide, aber der Affenmensch hatte schon bald bemerkt, daß derjenige verächtlich angesehen wurde, der von einem andern Geld annahm, ohne ihm einen entsprechenden Dienst zu leisten.

Kurz nach der Episode mit der Löwenjagd gelang es d'Arnot, ein altes Boot zu mieten, mit dem er an der Küste entlang nach Tarzans Bucht fahren konnte.

Beide freuten sich, als das kleine Schiff den Anker lichtete und auf das Meer hinausfuhr.

Die Fahrt nach der Bucht verlief ohne besonderen Zwischenfall, und noch am selben Vormittag, wo sie vor der Hütte Anker warfen, ging Tarzan, der sich nun wieder als König der Dschungel fühlte, mit einem Spaten versehen nach dem Amphitheater der Affen, wo er den Schatz vergraben hatte. Spät am nächsten Tage kehrte er mit der schweren Kiste aus der Schulter zurück.

Am andern Morgen in der Frühe lenkten sie das Schiff aus dem Hafen heraus und fuhren nordwärts.

Drei Wochen später waren Tarzan und d'Arnot als Passagiere an Bord eines französischen Dampfers, der nach Le Havre fuhr. In dieser Stadt hielten d'Arnot und Tarzan sich einige Tage auf und fuhren dann nach Paris.

Der Affenmensch hatte es eilig, nach Amerika zu reisen, aber d'Arnot drang in ihn, er müsse ihn zuerst nach Paris begleiten, er wollte ihm allerdings nicht sagen, weshalb er so sehr darauf hielt.

Nach ihrer Ankunft in Paris galt einer ihrer ersten Besuche einem höheren Polizeibeamten, einem alten Freunde d'Arnots.

Geschickt lenkte d'Arnot die Unterredung allmählich so, daß der Polizeioffizier mancherlei von dem üblichen Verfahren zur Entdeckung und Feststellung der Verbrecher berichtete.

Das interessierte auch Tarzan und zwar nicht am wenigsten die Rolle, die dabei die Fingerabdrücke spielten.

Aber welchen Wert haben denn diese Abdrücke, fragte Tarzan, wenn nach einigen Jahren die Fingerlinien sich völlig veränderten, da die Gewebe abgenützt und neue gewachsen sind?

Die Linien ändern sich nie, erwiderte der Beamte. Von der Kindheit bis zum Greisenalter verändern sich die Fingerlinien eines Menschen nur in der Größe, es sei denn, daß gewaltsame Verletzungen die Windungen verändern. Wenn man also Abdrücke des Daumens und von vier Fingern beider Hände hat, so müßte man sie schon alle verlieren, um die Person nicht mehr feststellen zu können.

Das ist wunderbar! rief d'Arnot aus. Ich möchte einmal sehen, wie meine Fingerabdrücke aussehen.

Das können wir gleich besorgen, antwortete der Polizeibeamte, indem er durch ein Klingelzeichen einen Assistenten herbeirief, dem er einige Anweisungen erteilte.

Der Mann ging hinaus, kehrte aber alsbald mit einem Kästchen aus Hartholz zurück, das er auf den Tisch seines Vorgesetzten stellte.

Jetzt werden Sie Ihre Fingerabdrücke in einer Minute haben, sagte er.

Er nahm aus dem Kästchen ein Stück Glas, eine kleine Tube mit dicker Farbe, einen Gummiroller und einige schneeweiße Karten.

Indem er einen Tropfen der Farbe auf das Glas fallen ließ, breitete er ihn mit dem Gummiroller so aus, daß das ganze Stück mit einer dünnen gleichmäßigen Schicht bedeckt war.

Halten Sie die vier Finger Ihrer rechten Hand auf das Glas, sagte er zu d'Arnot. Nun den Daumen. So ist's recht. Nun drücken Sie sie genau in derselben Stellung auf diese Karte, so, ein wenig mehr nach rechts. Wir müssen nämlich Raum für den Daumen und die Finger der linken Hand lassen. So ist's gut! Nun ebenso mit der linken Hand.

Kommen Sie, Tarzan, rief d'Arnot, wir wollen auch Ihre Fingerabdrücke sehen.

Tarzan war gerne dazu bereit, und er stellte mancherlei Fragen an den Beamten, während dieser die Vorbereitungen traf.

Zeigen die Finger auch Rassen-Unterschiede? fragte er. Können Sie z. B. aus den Fingerabdrücken allein feststellen, ob der Betreffende ein Neger oder ein Angehöriger der kaukasischen Rasse ist?

Ich glaube nicht, erwiderte der Beamte, obschon manche behaupten, die Linien eines Negers seien nicht so verwickelt. Können die Fingerabdrücke eines Affen von denen eines Menschen unterschieden werden?

Wahrscheinlich, denn die eines Affen werden einfacher sein, als die eines höheren Lebewesens.

Aber eine Kreuzung zwischen einem Affen und einem Menschen, zeigt sie die charakteristischen Zeichen beider Eltern?

Ja, ich glaube es, aber die Wissenschaft ist noch nicht weit genug vorgeschritten, um das in einem solchen Falle genau festzustellen. Was aber den Unterschied zwischen den einzelnen Personen betrifft, so besteht dieser in jedem einzelnen Falle. Wahrscheinlich werden nicht zwei Menschen auf der Welt geboren, die genau dieselben Linien an all ihren Fingern haben. Es ist sogar zweifelhaft, ob auch nur ein einzelner Finger zu finden ist, der genau dieselben Linien aufweist.

Erfordert das Vergleichen viel Zeit oder Arbeit? fragte d'Arnot.

Meist nur wenige Augenblicke, wenn die Abdrücke scharf sind. D'Arnot zog ein kleines schwarzes Buch aus seiner Tasche und fing an, darin zu blättern.

Tarzan schaute ihm verwundert zu. Wie kam d'Arnot zu diesem Buche?

Jetzt hatte d'Arnot die Seite gefunden, auf der fünf kleine Fingerabdrücke waren, und reichte es dem Polizeibeamten.

Sind diese Abdrücke den meinigen oder denen des Herrn Tarzan ähnlich, oder können Sie sagen, daß sie mit irgendwelchen anderen gleich sind?

Der Beamte nahm ein starkes Vergrößerungsglas von seinem Tisch und prüfte alle drei Muster sorgfältig, indem er jedesmal Notizen auf ein Blatt Papier machte.

Jetzt erriet Tarzan, weshalb sie zu dem Polizeibeamten gegangen waren.

Die Lösung seines Lebensrätsels lag in diesen kleinen Abdrücken!

Tarzan saß mit gespannten Nerven da, auf seinen Stuhl zurückgelehnt, aber plötzlich erhob er sich und sagte lächelnd: Sie vergessen, daß vor zwanzig Jahren die Leiche dieses Kindes, von dem die Fingerabdrücke herrühren, in der Hütte meines Vaters lag und daß ich sie mein Leben lang dort habe liegen sehen.

Der Polizeibeamte schaute verwundert auf.

Fahren Sie fort mit Ihrer Untersuchung, sagte d'Arnot, wir werden Ihnen die Geschichte später erzählen, – vorausgesetzt, daß es Herrn Tarzan recht ist.

Tarzan nickte mit dem Kopfe.

Aber Sie sind im Irrtum, mein lieber d'Arnot. Diese kleinen Finger sind auf der Westküste Afrikas begraben.

Ich möchte das nicht behaupten, Tarzan, erwiderte d'Arnot. Es ist ja möglich, aber wenn Sie nicht der Sohn John Claytons sind, wie kamen Sie dann in diese gottverlassene Dschungel, in die außer John Clayton nie ein weißer Mann den Fuß gesetzt hat?

Sie vergessen Kala, sagte Tarzan.

Sie kommt für mich nicht in Betracht, erwiderte d'Arnot.

Die beiden Freunde waren während dieser Unterredung an das breite Fenster getreten, das eine Aussicht auf den Boulevard gewährte. Eine Weile standen sie dort und betrachteten das geschäftige Leben, das sich da unten abspielte.

Es erfordert einige Zeit, die Abdrücke zu vergleichen, dachte d'Arnot und schaute zurück auf den Polizei-Offizier.

Zu seinem Erstaunen sah er, daß dieser in seinem Stuhl zurückgelehnt saß und hastig den Inhalt des Tagebuches überflog.

D'Arnot hüstelte. Der Polizeibeamte schaute auf, und ein Auge zudrückend machte er mit dem Finger ein Zeichen, er möchte schweigen.

D'Arnot kehrte zurück zum Fenster, bis der Polizei-Offizier anfing zu sprechen.

Meine Herren! sagte er, während beide sich ihm zuwandten. Es erfordert eine genaue Untersuchung, um einen absolut sicheren Vergleich anzustellen. Ich möchte Sie daher bitten, die ganze Sache in meiner Hand zu lassen, bis Herr Desquerc, unser Fachmann, zurückkehrt. Das wird nur einige Tage dauern.

Ich hatte gehofft, es sofort zu erfahren, sagte d'Arnot. Herr Tarzan reist übermorgen nach Amerika.

Ich verspreche Ihnen, daß Sie ihm binnen vierzehn Tagen einen Bericht kabeln können, erklärte der Offizier, aber was es sein wird, wage ich nicht zu sagen. Es sind Ähnlichkeiten da, – gewiß, aber wir wollen Herrn Desquerc die Lösung überlassen.


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