Jacob Burckhardt
Der Cicerone
Jacob Burckhardt

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Neben dieser immer schönen und gemäßigten Andacht entsteht aber eine eigentliche Ekstasenmalerei; eine Glorie oben, unten der oder die Heilige, der Ohnmacht nahe, ringsum Engel als Helfer und Zuschauer. Die Legende des heil. Franz enthält einen in der Kunst berechtigten, deshalb auch von jeher dargestellten Moment, welcher die höchste ekstatische Aufregung voraussetzt: den Empfang der Wundmale. Schmerz und Entzücken und Hingebung so in eins fließen zu lassen, dazu war die Malerei des 17. Jahrhunderts vorzüglich fähig. (Bild Guercinos, alle Stimmate zu Ferrara, Hauptaltar.) Allein daß man auch bei andern Heiligen nicht mehr mit der guten und wahren Andacht zufrieden war, bei der Darstellung der Verzücktheit aber keinen höheren Moment mehr kannte als das Ohnmächtigwerden (vgl. S. 972), – das mußte zur widrigen Lüge führen. Ein sehr gut gemaltes Bild dieser Art mag statt aller genannt werden: die Ohnmacht des S. Stanislas, im Gesù zu Ferrara, zweiter Altar rechts, von dem späten Bologneser Giuseppe Crespi. – Nur eins fehlt, um die Entweihung zu vollenden: ein lüsterner Ausdruck in den Engeln; Lanfranco, der gemalte Bernini (S. 670, e), sorgt auch dafür. (Ekstase der S. Margherita da Cortona, Pal. Pitti.) Das Jahrhundert war in diesen Sachen ganz verblendet. Ein schönes Bild des Cavedone (in der Pinacoteca von Bologna), Madonna auf Wolken, das Kind den unten knienden Heiligen zeigend, enthält zweierlei Ausdruck: in dem heiligen Schmid (S. Eligius?) die konventionelle Inbrunst, in S. Petronius aber, mit seinen drei Chorknaben, eine ruhige rituelle Andacht; wie ungleich ergreifender die letztere auf uns wirkt – ahnte es der Meister oder nicht?

Auch die Madonna wird jetzt dann mit der größten Vorliebe dargestellt, wenn sie nicht mehr bloß Objekt der Anbetung ist, sondern selber die überirdische Sehnsucht, den heiligen Schmerz empfindet. Jener schöne Kopf des Van Dyck (S. 965, n) beweist es allein schon; die Assunten und Schmerzensmütter repräsentieren fast durchgängig ein höheres Wesen als die bloße Mutter des Bambino, welche eben doch dem Naturalismus anheimfällt, ohne dabei immer naiv zu sein, wie in jenen herrlichen Bildern Murillos. Es gibt gute, in Correggios Art gemeinte Mütter und heilige Familien von den Caracci, zumal Annibale. Guido ist sehr ungleich; eine vorzügliche Madonna mit dem schlafenden Kinde soll im Quirinal sein; eine gute frühe heilige Familie im Pal. Spinola, Str. nuova zu Genua; aber eine seiner wichtigsten Madonnen, die er als besonderes Bild (Brera zu Mailand, eine Nachahmung von Elis. Sirani im Pal. Corsini zu Rom) und dann als Bestandteil des großen Bildes vom Pestgelübde (Pinacoteca zu Bologna) behandelt hat, sieht unleidlich prätentiös aus, als ließe sie das Kind für Geld sehen. Überhaupt wird die Mutter in dieser Epoche nur zu oft eine mißmutige Kustodin des Kindes (Ovalbild des Maratta im Pal. Corsini zu Rom); sie hat oft etwas zu schelten, so daß Musikputten u. dgl. Dienerschaft nur ganz schüchtern mit einer abgemessenen Ergebenheit ihre Befehle empfangen und der kleine Johannes sich kaum recht herbeiwagt. Das vornehme, zurückhaltende Wesen, das hier den heiligen Personen zugetraut wird (vgl. S. 978), findet seine Parallele in damaligen Ansichten über den geistlichen Stand (Ranke, Päpste, III, 120). – Nicht umsonst fühlt man sich immer wieder von Sassoferrato gefesselt, dessen milde, schöne, gewissenhaft gemalte Madonnen ohne Ausnahme ein Mutterherz haben, worüber man den Mangel an Großartigkeit und an höherm Leben vergißt. (Beispiele a. m. O., besonders Pal. Borghese in Rom; Brera zu Mailand; Pal. Manfrin in Venedig; in S. Sabina zu Rom, Kapelle rechts vom Chor, das einzige größere Altarbild: Madonna del rosario, von trefflichster Ausführung; – in den Uffizien und im Pal. Doria zu Rom betende Madonnen ohne Kind, demütig abwärts schauend, ohne die Verhimmelung, durch welche sich z. B. Carlo Dolci von Sassoferrato gründlich unterscheidet.) – Unter den Madonnen der Naturalisten wird eines der oben (S. 956, a) erwähnten Bilder des Pellegro Piola zum Besten und Liebenswürdigsten gehören; Caravaggio dagegen überträgt auch diese einfache Aufgabe in seine beliebte Zigeunerwelt (große heil. Familie im Pal. Borghese). Ähnlich Schidone (Pal. Pallavicini zu Genua). Marattas Madonnen sind wiederum der Nachhall des Guido.

Die Santa conversazione (Madonna mit Heiligen) muß sich nun, wie schon bei den spätern Venezianern, irgendeinem Affekt und Moment bequemen, indem Madonna und das Kind zu einem der Heiligen in eine besondere Beziehung treten, wobei sich dann auch die übrigen irgendwie beteiligen. Unzählige Male geschah dies z. B. unter Correggios Ägide mit dem bedenklichen Sujet der Vermählung der heil. Katharina. Aber noch häufiger wird Mutter und Kind aus der Erdenräumlichkeit hinaus in die Wolken versetzt und mit Engeln umgeben; es beginnt das Zeitalter der Glorien und Visionen, ohne welche zuletzt kaum mehr ein Altarbild zustande kommt. Das Vorbild ist dabei nicht eine Madonna von Foligno, sondern direkt oder indirekt die Domkuppel von Parma mit der illusionären Untensicht, der Wolkenwirklichkeit, den Engelscharen. Dieser Art sind mehrere Hauptbilder der Pinacoteca von Bologna, wie z. B. Guidos schon erwähntes Bild des Pestgelübdes, in dessen unterer Hälfte sieben Heilige knien, zum Teil von dem bedeutendsten Ausdruck, der ihm zu Gebote steht; – Guercinos Einkleidung des S. Wilhelm von Aquitanien teilt mit seinem »Begräbnis der heil. Petronilla« (Gal. des Kapitols) den Übelstand, daß die himmlische Gruppe außer Verbindung mit der irdischen bleibt und doch zu nahe auf dieselbe drückt, aber auch die breite, meisterlich energische Behandlung ist in beiden Bildern dieselbe. (Auch wieder ein Beleg für die Vertauschung der Santa conversazione gegen ein momentanes Geschehen; eigentlich mußten nur der heil. Bischof Felix, S. Wilhelm, S. Philipp und S. Jakob mit der Madonna auf einem Bilde vereinigt werden.) – Luca Giordano ist bei einem solchen Anlaß von seinem unzerstörbaren Temperament richtig geführt worden; seine Madonna del rosario (Museum von Neapel) schwebt unter einem von Engeln getragenen Baldachin auf Wolken einher, während vorn S. Dominikus, S. Chiara und andre Andächtige verehrend ihrer harren; diese Übertragung der Glorie in eine himmlische Prozession war echt volkstümlich neapolitanisch und das einzelne ist auch danach gegeben. (Ein andres großes Bild von Luca in der Brera zu Mailand.) – Ins maßlose geht z. B. die Doppelvision des Ercole Gennari (Pinacoteca von Bologna); Madonna erscheint auf Wolken dem ebenfalls auf Wolken über stürmischem Meer schwebenden S. Niccolò von Bari. Auch der Kontrast der Glorien mit Martyrien (s. oben), so poetisch er sich anläßt, hat etwas künstlerisch Unechtes.

Aber das Überirdische kommt selbst in die einsame Klosterzelle, in das Dasein eines einzelnen heiligen Menschen hereingeschwebt. Hier, in geschlossenen Räumen, ist die örtliche Wirklichmachung in der Regel sehr störend. Es würde wie Spott klingen, wenn wir selbst die besten derartigen Bilder von dieser Seite prüfen und namentlich das Benehmen der hier ganz ungenierten Engel näher schildern wollten. (Pinacoteca von Bologna: S. Anton von Padua, dem Bambino den Fuß küssend, von Elisabetta Sirani; – S. Giacomo maggiore zu Bologna, vierter Altar rechts: Christus erscheint dem Johannes a S. Facundo, von Cavedone.) Wenn ein herberer Naturalist wie z. B. Spagnoletto das Visionäre ganz wegläßt, so kommt wenigstens ein harmloses Genrebild zustande; sein S. Stanislas Kostka (Pal. Borghese) ist ein einfacher junger Seminarist, dem man ein Kind auf den Arm gelegt hat, und der nun ganz gutmütig aufmerkt, wie es ihn am Kragen faßt.

Die auf Wolken schwebende Madonna ist in dieser Zeit kaum mehr zu unterscheiden von der Assunta, der gen Himmel fahrenden Maria. (Wie deutlich hatte noch Tizian die Assunta als solche bezeichnet!) Auch jetzt werden übrigens gewisse Bilder ausdrücklich als Himmelfahrten gemalt. So das kolossale Bild Guidos in S. Ambrogio zu Genua (Hauptaltar rechts), eines derjenigen Meisterwerke, welche kalt lassen. Von den Assunten des Agostino und Annibale Caracci in der Pinacoteca zu Bologna ist die erstere, bedeutendere wieder ein rechtes Beispiel der räumlichen Verwirklichung des Übersinnlichen; das »Aufwärts« ist durch schiefes Liegen auf einer schönen Engelgruppe veranschaulicht; glücklicherweise gibt auch noch der Kopf den schönen Eindruck der sich in Wonne auflösenden Sehnsucht. – Die unten am Grabe versammelten Apostel erheben sich selten zu irgendeiner reinern Begeisterung.

Einzelne Altarbilder sind auch ganz mit der Glorie angefüllt. In S. Paolo zu Bologna (zweite Kapelle rechts) sieht man eines der trefflich gemalten Bilder des Lod. Caracci, »il paradiso«, merkwürdig als vollständiges Spezimen jener Engelkonzerte, durch welchen die Schule sich von ihrem Ahn Correggio wider Willen unterscheidet. Seine Engel haben selten Zeit zum Musizieren. – Ein eigentümliches Glorienbild des Bonone steht in S. Benedetto zu Ferrara auf dem dritten Altar links; der Auferstandene wird von neun auf Wolken um ihn gruppierten benediktinischen Heiligen verehrt, geküßt, angebetet, bestaunt; die santa conversazione wird zur gemeinschaftlichen ekstatischen Verklärung (Parallele: Fiesoles Fresko in S. Marco, S. 748, b).

Vor allem aber sind die Glorien der Hauptgegenstand für die Kuppel- und Gewölbemalereien (S. 365 ff.). Correggios gefährliches und unerreichbares Vorbild wird anfangs ernst genommen. Es ist unmöglich, einer Arbeit die Achtung zu versagen wie z. B. den Fresken des Lodovico Caracci an dem Bogen vor der Chornische des Domes von Piacenza; diese jubelnden Engel, welche Bücher halten und Blumen streuen, haben ein grandioses Leben und einen fast ganz echten monumentalen Stil. Domenichinos vier Evangelisten an den Pendentifs der Kuppel von S. Andrea della Valle zu Rom sind zum Teil großartiger als irgendeine Pendentifgestalt in Parma; und wenn er mit den allegorischen, noch sehr schön gezeichneten Figuren der Pendentifs von S. Carlo a' catinari gleichgültig läßt, wenn er in den auffallend geringern Pendentifs des Tesoro im Dom von Neapel Allegorisches, Historisches und Überweltliches auf anstößige Weise mischt, so geben wir dort der Allegorie als solcher, hier der gedrückten Stimmung des arg mißhandelten Meisters die Schuld. – Guido bringt in seinem (sehr übermalten) Engelkonzert bei S. Gregorio in Rom (von den drei Kapellen daneben diejenige rechts) wenigstens einen ganz naiven und heitern Eindruck hervor durch die schönen jugendlichen Gestalten ohne Pathos. In der Glorie des heil. Domenikus (Halbkuppel der Kapelle des Heiligen in S. Domenico zu Bologna) richten zwar die musizierenden Engel einen konventionellen Blick nach oben, Christus und Maria sind im Ausdruck des Empfangens ganz unbedeutend, allein höchst grandios schwebt der Heilige, dessen schwarzer Mantel von Putten ausgespannt wird. – Zu diesen frühen, mit höherer Anstrengung gemalten Glorien gehört auch Bonones schöne Halbkuppel in S. Maria in vado zu Ferrara, anbetende Patriarchen und Propheten. – Unter den Neapolitanern ist Stanzioni der gewissenhafteste; an der Flachkuppel der Kapelle des heil. Bruno zu S. Martino in Neapel (die zweite links) ist trotz der allzu gründlich gehandhabten Untensicht das anbetende Aufwärtsschweben des Heiligen, die Wolke von Putten, das Konzert der erwachsenen Engel ungemein schön und stilvoll gegeben; – an der Flachkuppel der zweiten Kapelle rechts dagegen hat Stanzioni der Auffassung seiner Schule seinen vollen Zoll entrichtet in einem Gegenstande, der über den Horizont derselben ging: Christus in der Vorhölle. – Außerdem ist hier ein Maler zu beachten, bei welchem man sonst nicht gewohnt ist, Besseres in dieser Gattung zu suchen: der Calabrese. Im Querschiff von S. Pietro a Majella hat er in flachen Deckenbildern die Geschichten Papst Cölestins V. und der heil. Katharina von Alexandrien gemalt, diesmal nicht bloß mit äußerlicher Energie, sondern mit Geist und Besonnenheit; beinahe würdevoll wird sein Naturalismus in dem Bilde, wo die Leiche der Katharina von fackeltragenden, blumenstreuenden, singenden Engeln auf Wolken nach dem Sinai gebracht wird.

Allein nur zu bald gestaltet sich die Gewölbemalerei zum Tummelplatz aller Gewissenlosigkeit. In Erwägung, daß selten jemand die physischen Kräfte habe, ein Deckenbild genau und lange zu prüfen, und daß man doch nur für den Gesamteffekt einigen Dank ernte, reduzierte man sich auf denjenigen Stil, von welchem bei Anlaß des Pietro da Cortona (S. 962) die Rede gewesen ist. Den Übergang macht der gewissenlose Lanfranco, zunächst indem er den Domenichino bestahl (Pendentifs der Kuppel im Gesù nuovo zu Neapel, auch die in SS. Apostoli daselbst, wo auch all die gleichgültigen, unwahren Malereien der Decke und der bessere »Teich von Bethesda« über dem Portal von Lanfranco sind), dann durch zuerst schüchterneres, bald frecheres Improvisieren (Gewölbe und Wandlünetten in S. Martino daselbst; Kuppel in S. Andrea della Valle zu Rom). Wie er sonst das Übersinnliche anzupacken gewohnt war, zeigt z. B. sein S. Hieronymus mit dem Engel (Museum von Neapel). Die Nachfolger bekamen nun nicht bloß Kuppeln, sondern Kirchengewölbe aller Art mit Glorien, Paradiesen, Assunten, Visionen zu füllen; außer den schwebenden, in allen Graden der Untensicht gegebenen Gruppen und Gestalten setzt sich am Rande ringsum ein Volk von andern Gruppen an, welches auf Balustraden, Absätzen usw. steht; für diese schuf Pozzo (S. 366) jene neue Räumlichkeit in Gestalt prächtiger perspektivischer Hallen. Wo bleibt nun das wahrhaft Überirdische? Mit einer unglaublichen Oberflächlichkeit sieht man dem Correggio das Äußerlichste seiner Schwebeexistenz, seiner Leidenschaft, seiner Ekstasen, namentlich seine Wolken und Verkürzungen ab und kombiniert daraus jene Tausende von brillanten Schein- und Schaumszenen, deren illusionäre Wirkung dann noch durch die oben (S. 367, unten) geschilderten kümmerlichen Hilfsmittel gesteigert und gesichert werden soll. Wer möchte in diesem Himmel wohnen? Wer glaubt an diese Seligkeit? Wem gibt sie eine höhere Stimmung? Welche dieser Gestalten ist auch nur so ausgeführt, daß wir ein Interesse an ihrem Himmelsdasein haben könnten? Wie lungern die meisten auf ihren Wolken herum, wie lässig lehnen sie davon herab.

Außer den bei obigem Anlaß angeführten Arbeiten des Pozzo u. a. sind noch am ehesten folgende zu nennen. Gauli: das große Fresko im Hauptschiff des Gesù in Rom, mit besonders flink gehandhabten Farben und Verkürzungen; der Maler will mit allen Mitteln glauben machen, daß seine Heerscharen aus dem Empyreum durch den Rahmen herabschwebten gegen den Hochaltar hin. (Ölskizze im Pal. Spada.) – In Genua die brillantesten: Gio. Batt. Carlone (Fresken von S. Siro usw.), und Carlo Baratta (S. M. della Pace, Querschiff rechts, Assumption der heil. Anna). – In Venedig: der hellfarbige Gio. Batt. Tiepolo, der die Untensicht vielleicht am weitesten treibt, so daß Fußsohlen und Nasenlöcher die charakteristischen Teile seiner Gestalten sind. (Assunta, an der Decke von S. M. della pietà, an der Riva; Glorie des heil. Dominikus in SS. Giov. e Paolo, letzte Kapelle rechts.) Wie zuerst Mengs mit seinem einsamen Protest dieser wuchernden Ausartung gegenüberstand, ist oben (S. 959) erwähnt worden. Die vollständige Reaktion von seiten eines neuklassischen Stiles, den wir nicht mehr zu schildern unternehmen, tritt ein mit Andrea Appiani. (Fresken in S. Maria presso S. Celso in Mailand.)

Die profane Malerei ist in Zeiten eines allverbreiteten Naturalismus von der heiligen kaum zu scheiden. Vollends die Geschichten des alten Testamentes, z. B. in den vielen Bildern von halben und ganzen Figuren, welche aus Guercinos Werkstatt hervorgingen, werden von den profanen Historien im Stil nicht abweichen. Es gibt z. B. gerade von Guercino außer den gleichgültigen Historien (z. B. Ahasver und Esther, bei Camuccini) auch einige vortreffliche wie die oben (S. 957) genannten, oder wie sein »Salomo mit der Königin von Saba« (S. Croce in Piacenza, Querschiff rechts). – Geschichten wie die der Susanna, oder der Frau des Potiphar mit Joseph (große Bilder des Biliverti im Pal. Barberini zu Rom und in den Uffizien), oder des Loth und seiner Töchter, Situationen wie die der Judith nehmen von der Bibel nicht mehr als den Vorwand her. (Die Susanna des Capuccino im Pal. Spinola, Str. nuova, zu Genua.) Die schönste Judith ist ohne allen Zweifel die des Cristofano Allori (Pal. Pitti, kleines Exemplar im Pal. Corsini zu Florenz, sehr ruiniertes Exemplar im Pal. Connestabile zu Perugia); freilich eine Buhlerin, bei welcher es zweifelhaft bleibt, ob sie irgendeiner Leidenschaft des Herzen fähig ist, mit schwimmenden Augenlidern, schwellenden Lippen und einem bestimmten Fett, wozu der prächtige Aufputz vorzüglich gut stimmt. Edler ist wohl bisweilen Guidos Judith (z. B. im Pal. Adorno zu Genua); auch die des Guercin (S. 979); bei beiden hier und da mit dem Ausdruck sehnsüchtigen Dankes. – Auch die Tochter des Herodes ist als Gegenstand am besten hier zu nennen. (Kalt und pomphaft von Guido, Pal. Corsini in Rom.) Bei Domenichino sind alttestamentliche Historien im ganzen das Allerschwächste. Vier Ovale al fresco, in S. Silvestro a monte cavallo zu Rom, linkes Querschiff (im rechten Querschiff sieht man das fleißige Hauptbild eines seiner wenigen Schüler, Ant. Barbalunga, Gottvater in einer Glorie, unten zwei Heilige); – im Kasino Rospigliosi: das Paradies, und der Triumph Davids (?); – Pal. Barberini: der Sündenfall, aus lauter Reminiszenzen bestehend. – David mit Goliaths Haupt, das Gegenstück zur Judith, unzählige Male, am gemeinsten von Domenico Feti, der ihn auf dem Haupte sitzen läßt (Pal. Manfrin in Venedig).

Die Parabeln des neuen Testamentes, welche durch edle Behandlung gar wohl einen biblischen Typus erhalten können, ermangeln in dieser Zeit durchgängig einer solchen Weihe, ohne doch durch genrehaften Reiz (wie z. B. bei Teniers) oder durch Miniaturpracht (wie z. B. Elzheimers »Verlorener Sohn« im Pal. Sciarra) zu entschädigen. Dem Calabrese, als er die Rückkehr des verlernen Sohnes malte (Museum von Neapel), erschienen offenbar die Präzedentien seiner Hauptperson als etwas sehr Verzeihliches. »Es hat eben sein müssen.« – Domenico Feti (mehrere kleine Parabelbilder im Pal. Pitti und den Uffizien) ist hier einer der Bessern.

Die eigentlich profane Malerei, mythologischer, allegorischer und historischer Art, wozu besonders noch eine Menge Szenen aus Tasso kommen, kann hier nur kurz berührt werden. Die Caracci gaben mit ihrem Hauptwerk im Pal. Farnese im ganzen den Ton an. Wie sie hier die idealen Formen bildeten, ohne reine Größe und ohne rechtes hinreißendes Leben (S. 959), aber tüchtig und konsequent, so komponierten sie auch die Liebesszenen der Götter. Was sie in Bologna von römischer Geschichte u. dgl. in die Friese von Sälen gemalt haben (Pal. Magnani, Pal. Fava), ist daneben kaum des Aufsuchens wert. (Bedeutend sollen Lod. Caraccis Fresken im Pal. del Giardino zu Parma sein.) Von den Kaminbildern der Schule werden leider die besten ausgesägt, wie ich denn eine schöne improvisierte Figur dieser Art von Guido in einem Magazin käuflich gefunden habe. – Bei Camuccini in Rom drei Bilder aus Tasso, von pastoral-heroischer Auffassung, in leuchtend schönen Landschaften, als Werke des Agostino, Lodovico und Francesco Caracci geltend. – Das Beste und Schönste verdankt man Domenichino. Das Bild der schießenden und badenden Nymphen (Pal. Borghese in Rom) zeigt zwar weder ganz reine Formen noch venezianische Lebensfülle, allein herrliche Motive und jenen echten idyllischen Charakter, welcher hier wie bei den Venezianern (S. 923) die glücklichste Eigenschaft mythologischer Bilder ist. Die abgenommenen Fresken aus der Villa Aldobrandini bei Frascati (jetzt ebenda) behaupten diesen selben Charakter durch ihre Anordnung in großartiger Landschaft. Die Deckenfresken im Hauptsaal des Pal. Costaguti in Rom enthalten zwar eine unglückliche Allegorie (der Gott der Zeit hilft der Wahrheit, sich zum Sonnengott zu erheben), aber die Formen sind schöner und gewissenhafter als bei den andern Malern, die in diesem Palast gemalt haben (Guercino, Albani, Lanfranco usw.). Zwei kleine, sehr hübsche mythologische Bildchen im Pal. Pitti. – Der nächste, welcher in der Behandlung des Mythologischen von Domenichino lernte, war Albani, dessen vier Rundbilder der Elemente (Pal. Borghese) die koketteste Lieblichkeit erreichen, deren ein Bologneser fällig war: ein paar hübsche kleine Bilder in den Uffizien; hübsche Putten am Gewölbe der Chornische in S. M. della Pace zu Rom. Den tiefsten Eindruck muß aber Domenichino auch hier auf Nic. Poussin gemacht haben. Sein Triumph des Ovid (Pal. Corsini in Rom), sein Einzug der Flora (Gal. des Kapitals), sein Zeitgott, der den Horen zum Tanze aufspielt (Akademie von Venedig) mit ihren erloschenen Farben und etwas allgemeinen Formen reizen den Blick nicht; wer aber die Kunst geschichtlich betrachtet, wird dieses Streben, in der Zeit der falschen Prätensionen rein und wahr zu bleiben, nur mit Rührung verfolgen können. Und einmal ist er auch ganz naiv und schön, in der Hirtenszene oder Novellenszene des Pal. Colonna; einem Bilde, welches sich gar wohl dem berühmten »Et in Arcadia ego« (Louvre) gleichstellen darf. – Guercino hat außer jenen Fresken der Villa Ludovisi (S. 961, f) eine Anzahl meist gleichgültiger Historienbilder gemalt (Mutius Scævola, im Pal. Pallavicini zu Genua), unter welchen nur die genannte Dido auf dem Scheiterhaufen (im Pal. Spada zu Rom) durch Schönheit des Ausdruckes und durch ungemeine Kraft der Farbe sich auszeichnet. – Von einem sonst wenig bekannten Giacinto Geminiani ist in den Uffizien (erster Gang) eine »Auffindung der Leiche Leanders«, welche die besten Inspirationen eines Guercino und Poussin in hohem Grade zu vereinigen scheint. – Guido läßt mit solchen Szenen in der Regel sehr kalt. Seine Nausikaa (Museum von Neapel) hält mit großer Seelenruhe Hof zwischen ihren Mägden. Seine Entführung der Helena (Pal. Spada) geschieht wie ein andrer Ausgang am hellen Tage. Das treffliche Bild einer Nymphe und eines Helden, in den Uffizien. – Von der Elis. Sirani, welche Guidos maniera seconda zu reproduzieren nicht müde wird, findet man eine Caritas mit drei Kindern im Pal. Sciarra.

Die Naturalisten malten lieber das Heilige profan als das Profane ideal; sie entschädigten sich durch das Genre. Salvator, der ihnen entrann, um sich in allen möglichen Gattungen zu versuchen, gab in seinem schon erwähnten Catilina (Pal. Pitti) eine ausgesuchte Gesellschaft bösartig gemeinen, vornehm kostümierten Gesindels. Carlo Saraceni malt z. B. (Pal. Doria in Rom) die Juno, welche dem enthaupteten Argus die Augen mit eigenem Finger ausgräbt, um sie auf ihren Pfau überzutragen; der Charakter der Göttin ist dieser Aktion gemäß.

Mit Pietro da Cortona, bei den Neapolitanern mit Luca Giordano, beginnt auch für die mythologische und allegorische Freskomalerei das Zeitalter der reinen Dekoration. Pietros ungeheures Deckenfresko, welches den Ruhm des Hauses Barberini verherrlicht, und seine Deckenmalereien im Pal. Pitti wurden schon angeführt; um zu erraten, was er eigentlich meint, bedarf es einer beträchtlichen Kenntnis der barberinischen und mediceischen Hausgeschichte. Der Plafond Lucas in der Galerie des Pal. Riccardi in Florenz zeigt, wie Kardinal Leopold, Prinz Cosimo (III.) u. a. als Lichtgottheiten auf den Wolken daher geritten kommen: ringsum ist der ganze Olymp verteilt. Wie gerne geht man von da zu Giov. da S. Giovanni, dessen Allegorien (im großen untern Saal des Pal. Pitti) noch absurder ersonnen, aber doch noch mit Liebe, Schönheitssinn und Farbenglanz ausgeführt sind. – Die Cortonisten und Nachfolger Lucas noch einmal zu nennen, wie sie sich durch die Paläste von ganz Italien verbreiteten, verbietet uns der Raum. Wer sich von ihrer Stilkomplizität einen Begriff machen will, braucht z. B. nur dem beliebten Thema vom Raub der Sabinerinnen nachzugehen und aufzumerken, was an diesem Moment durchgängig und ausschließlich hervorgehoben wurde. Luca selber hat in kleinern Bildern, wie z. B. die Galatea in den Uffizien, bisweilen eine Naivität in Rubens' Art. – Im 18. Jahrhundert sind dann die oben (S. 958, e) genannten römischen Maler auch in der profanen Gattung bemüht, regelrechte und fleißige Bilder ohne alle Notwendigkeit zustande zu bringen; in den Plafonds fürstlicher Säle dagegen läßt man sich schon eher auf Cortonas Manier gehen, sowohl im allegorischen Inhalt als im Malwerk. (Pal. Colonna: in der Galeria die zu Ehren des Marcantonio Colonna allegorisch verklärte Schlacht von Lepanto; ein andrer Plafond, von Luti, zu Ehren Papst Martins V.)

Auch mit der Genremalerei, welche besonders bei den eigentlichen Naturalisten gedieh, dürfen wir uns nicht aufhalten. Caravaggio, der Schöpfer der neuen Gattung, wählt sich zum Gefäß derselben das lebensgroße venezianische Halbfigurenbild und gibt demselben einen unheimlich witzigen oder schrecklichen dramatischen Inhalt auf schlichtem dunklem Grunde. Seine Spieler (Pal. Sciarra in Rom), seine lüsterne Wahrsagerin (Gal. des Kapitols), seine beiden Trinker (Gal. von Modena) sind weltbekannt: im Grunde gehören sein »Zinsgroschen« und »Christus unter den Schriftgelehrten« auch hierher. Diese Gattung, bald mehr zur Geschichte, bald mehr zum Familienporträt sich hinneigend, fand rasch durch ganz Italien Anklang, trotz ihrer Armut und Einseitigkeit. Die Schüler Guercins malten manches der Art. Der ganze Honthorst geht vorzugsweise darin auf, nur mehr nach der burlesken Seile hin. (Pal. Doria in Rom, Uffizien in Florenz, wo unter anderm sein Bestes, ein Souper von zweideutiger Gesellschaft; anderes in allen größern Sammlungen.) Andere Nachahmer: Manfreddi, Manetti, Giov. da S. Giovanni (alle im Pal. Pitti), Lionello Spada (große Zigeunerszene in der Gal. von Modena); – einiges recht Gute in der Akademie von Venedig, ein Lautenspieler mit Weib und Knabe, eine Gruppe von drei Spielern (etwa von Carlo Saraceni? welchem die treffliche Figur eines Lautenspielers im Pal. Spinola zu Genua angehört). Andre gehen ins harmlose Existenzbild zurück; der Capuccino und Luca Giordano malen Köchinnen mit Geflügel (Pal. Brignole in Genua; Pal. Doria in Rom); der Calabrese aber, vielleicht wie die letztgenannten von Niederländern inspiriert, schuf ein großes stattliches Konzert in ganzen Figuren (Pal. Doria. – Eine gute, wirklich niederländische »Musik bei Tische«: im Pal. Borghese). – Salvators halbe und ganze Figuren, sind insgemein bloße renommistische Möblierbilder. (Pal. Pitti: un poeta; un guerriero.)

Neben diesem caravaggesken Genre gab es seit Anfang des 17. Jahrhunderts in Rom ein anderes im eigentlich niederländischen Sinn. Der Holländer Peter van Laar, genannt Bamboccio, Michelangelo Cerquozzi, Jan Miel und mehrere andre nordische und italienische Maler haben in dieser Gattung die wahren Gesetze und Bedingungen erkannt und danach manches Vortreffliche geschaffen. (Der Verfasser kennt sie nur fragmentarisch. Hauptsammlung hiefür: Pal. Corsini in Florenz; von Cerquozzi vielleicht das Beste im Ausland; ein gutes kleines Bild des Jan Miel: der Dornauszieher, in den Uffizien.) Was von Jacques Callot gemalt ist, hat bei weitem nicht den Reiz seiner Radierungen; manches ist auch nicht sicher benannt (Les malheurs de la guerre, Reihe von Bildchen im Pal. Corsini zu Rom; figurenreiche Stadtansichten und noch eine Reihe kleinerer Bildchen, die letztern wohl geringern Teils von ihm, in der Akademie von Venedig.) – Dieses alles wird nun weit überboten durch jene Anzahl von Kleinodien der eigentlichen holländischen und Antwerpner Schule in den Uffizien, deren Besprechung wir uns versagen müssen. Keine Sammlung Italiens und nicht eben viele des Nordens können sich an Kabinettsbildern dieser Art mit der genannten messen. In Venedig hat die Akademie fast nur zweifelhaft Benanntes; im Pal. Manfrin: Jan Steens Alchimist, noch im Ruin ein Juwel; Gerard Dows Arzt wohl nur eine Kopie. – Die damalige offizielle Ästhetik der Italiener verabscheute im ganzen das Genre, soweit es nicht, wie ihre übrige Malerei, im Affekt aufgehen wollte. Daher der Vorzug jener Halbfigurenbilder ohne räumliche Umgebung und ohne Zutaten.

In den kleinern Nebengattungen repräsentiert Castiglione das Tierstück, ohne recht zu wissen, was er wollte, in zum Teil lebensgroßen Möblierbildern (Pal. Colonna in Rom; Uffizien); Mario de' Fiori aber eine nur dekorativ gemeinte Blumenmalerei (Spiegelkabinett im Pal. Borghese). Man vergleiche damit die unendliche Naturliebe einer Rahel Ruysch und die zwar schon mehr konventionelle, aber noch höchst elegante Palette eines Huysum (Pal. Pitti).

Eine eigentümliche Gattung der damaligen italienischen Kunst war ihre Schlachtenmalerei; d. h. die Darstellung des Gewühles als solchen, wesentlich nach Farben und Lichtmassen angeordnet. Außer Cerquozzi hat Salvator Rosa hierin den Ton angegeben, in welchen sich jedoch ein kenntliches Echo aus der Amazonenschlacht des Rubens zu mischen scheint. Von ihm und seinen neapolitanischen Nachahmern Aniello Falcone und Micco Spadaro Schlachten- und Aufruhrsbilder im Museum von Neapel; von ihm eine größere und eine kleinere Schlacht im Pal. Pitti, einiges auch im Pal. Corsini zu Florenz. Von dem farbenreichern Bourguignon, in welchem Cerquozzi und Rosa zusammentreffen, gelten als echt unter anderm zwei Schlachten im Pal. Borghese, eine große im Pal. Pitti, zwei große (wahrscheinlich Abbildungen bestimmter Ereignisse) und zwei kleinere in den Uffizien, zwei im Pal. Capponi zu Florenz, und mehrere im Pal. Corsini ebenda, wo man auch die ganze Schule kennenlernt, die sich an diese Künstler anschloß. Gegenüber dem ganz geistesleer gewordenen, einst von der Konstantinsschlacht abgeleiteten Schlachtbilde der Manieristen (z. B. bei Tempesta) muß diese neue Behandlungsweise ein großer Fortschritt heißen. Allein neben prächtig hervortretenden Episoden (die sich dann zu wiederholen pflegen) läuft auch ganz gedankenloses Flickwerk mit. In einigen Jahrzehnten hatte man sich, wie es scheint, an der Gattung so völlig satt gesehen, daß sie einschlief. Oder das unkriegerische Italien überließ sie den Franzosen (Van der Meulen) und den Deutschen, bei welchen Rugendas sie neu und eigentümlich belebte.

Eine der schönsten Äußerungen des europäischen Kunstgeistes dieser Periode ist die Landschaftmalerei. Ihre wichtigsten Entwicklungen gehen auf italienischem Boden, in Rom, aber größtenteils durch Nichtitaliener vonstatten.

Angeregt durch flandrische Bilder hatte sie im 15. Jahrhundert die ersten naturgemäßen Hintergründe geliefert, nicht um für sich etwas zu bedeuten, sondern um nach Kräften die Stimmung des Beschauers beim Anblick heiliger Szenen (S. 757798) und liebevoll gemalter Bildnisse (S. 815) zu erhöhen. Dann hatte Raffael sie zu einer höhern, gesetzmäßigen Mitwirkung herbeigezogen, als er in möglichst wenigem das Leben der Patriarchen zu schildern hatte (S. 974). (Von Polidoro und Maturino zwei Freskolandschaften in S. Silvestro a Montecavallo zu Rom, in einer Kapelle links.) Zu gleicher Zeit erkannte Tizian ihre hohe Unentbehrlichkeit für die Existenzmalerei und legte bei den entscheidenden Anlässen (S. 917, f; 921, a) den poetischen Ausdruck wesentlich mit in die landschaftliche Umgebung. Er zuerst hat diesen Teil der Welt in malerischer Beziehung vollkommen entdeckt und die enge Verbindung von landschaftlichen und Seelenstimmungen künstlerisch benutzt. Tintoretto und die Bassano gingen ihm nach, so weit sie konnten (S. 931). Dosso Dossi kam, vielleicht selbständig, fast so weit als Tizian (S. 892 u. f.).

Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts ist in Italien schon ein allgemeines Bedürfnis nach landschaftlicher Anregung vorhanden, dem aber die noch regierenden Manieristen, wie es scheint aus Hochmut, zu genügen verschmähten. Da ließ man sich ganze Schiffsladungen von Gemälden aus der großen Antwerpener Fabrik der Breughel kommen. Jede italienische Galerie enthält ein paar, oft viele von diesen grünen, bunten, überladenen, miniaturartig ausgeführten Bildern, welche mit allen möglichen heiligen und profanen Geschichten staffiert sind. Vier von den allerfleißigsten, ohne Zweifel von Jan, dem sog. Sammetbreughel (1568–1625), in der Ambrosiana zu Mailand; – ein ganz kleines im Pal. Doria zu Rom vereinigt z. B. folgende Staffage: Walfischfang, Austerfang, Eberjagd und eine der Visionen des Johannes auf Pathmos. Dieselbe Galerie, eine der wichtigsten für die ganze Landschaftsmalerei, enthält auch Landschaften der Bassano, u. a. eines sonst nicht genannten Apolloni da Bassano, eine große von Gio. Batt. Dossi, staffiert mit einer fürstlichen Begrüßungsszene und – beiläufig gesagt – auch einen Orpheus in der Unterwelt und eine Versuchung des heil. Antonius, von dem seltenern Höllenbreughel. Die Antwerpener Bilder sind freilich meist durch ihre Buntheit und durch das Mikroskopische ihrer Ausführung stimmungsloser als die der Bassaniden, welche prächtige scharfe Lichter und duftige Schatten über ihre Felsgebirge mit steilen Städten dahinschweben lassen.

Außer den Gemälden kamen auch Maler aus den Niederlanden, so Matthäus Bril, der z. B. im Vatikan (Sala ducale, Biblioteca) Veduten und freie Kompositionen, beide gleich stimmungslos, al fresco malte. (Ein Bild im Pal. Colonna.) Dann sein jüngerer Bruder Paul Bril (1554–1626), der wichtige Mittelsmann für die Verbindung der niederländischen und der italienischen Landschaft. Seine frühen Bilder sind noch bunt (Pal. Sciarra), erst allmählich wird der Poet zum Künstler und lernt sein Naturgefühl großartig aussprechen, ob er dem Annibale Caracci oder dieser ihm mehr verdanke, mag dahingestellt bleiben; jedenfalls ist er der erste Niederländer, in welchem ein höheres Liniengefühl erwacht. (Bilder aus allen seinen Perioden in den Uffizien; zwei aus der mittlern Zeit im Pal. Pitti. Freskolandschaften im Anbau rechts bei S. Cecilia in Rom.) Parallel mit ihm entwickelt Adam Elzheimer von Frankfurt (1574–1620) eine nicht geringere künstlerische Macht in seinen köstlichen Miniaturen. (Uffizien: Hagar im Walde, Szene aus der Geschichte der Psyche, Hirte mit der Syrinx.) Seine Eichen, seine herrlichen Fernen, seine Felsabhänge sind naturpoetisch in ganz schönen Linien. Was von Vinckeboms, von Jodocus Momper und andern Malern dieser Generation in Italien ist, kann Verfasser dieses nicht gehörig sondern; so oft ihn aber das Glück nach Florenz führt, gehören die beiden Landschaften des Rubens (Pal. Pitti) zu seinen größten Genüssen. Die »Heuernte bei Mecheln«, in den bescheidensten landschaftlichen Formen, gibt eine ganz wonnevolle Mitempfindung des Luft- und Lichtmomentes, während die »Nausikaa« mit ihrer reichen Fels- und Seelandschaft und ihrer phantastischen Beleuchtung uns in den Mitgenuß eines fabelhaften Daseins erhebt. (Nicht als Pendants gemalt, wie die ungleiche Größe zu allem Überfluß zeigt.) Was von Ruysdael, Backhuyzen und andern Holländern in Italien ist, kommt neben den Schätzen nordischer Sammlungen kaum in Betracht; das »Schlößchen im Weiher« von Andr. Stalbent (Uffizien) und die mürrische Landschaft Rembrandts (ebenda) möchten es reichlich aufwiegen.

Von Tizian stammt wahrscheinlich die Anregung her, welche inzwischen die Bolognesen zu ihrer landschaftlichen Auffassung begeistert hatte. Es ist das Gesetz der Linien, welches sie der niederländischen Regellosigkeit gegenüberstellen, die Ökonomie und edle Bildung der Gegenstände, die Konsequenz der Farbe. Sie lassen der Landschaft einstweilen nur selten das alleinige Recht; Annibale hat offenbar eine gemischte Gattung erstrebt, in welcher Landschaft und Historie einen gemeinsamen Eindruck hervorbringen sollten. (Mehrere Halbrundbilder mit Geschichten der Jungfrau, Pal. Doria; eine kleine Magdalena, ebenda; eine andre im Pal. Pallavicini zu Genua; – von den übrigen Caracci die oben, S. 992, f genannten Bilder bei Camuccini; von Agostino eine Felslandschaft mit Badenden in Guachefarben, Pal. Pitti.) Von Grimaldi, dem Hauptlandschafter der Schule, wird man in Italien wenig zu Gesichte bekommen, leider auch von Domenichino. (Schöne Landschaft mit Badenden im Pal. Torigiani zu Florenz; zwei stark geschwärzte in den Uffizien; Fresken im Kasino der Villa Ludovisi.) Von Franc. Mola kommt mehrfach ein S. Bruno in schöner Gebirgsgegend vor (unter anderm Pal. Doria).

Salvator Rosa, ein halber Autodidakt in der Landschaft, ist hier wahrer und mächtiger inspiriert als in allen übrigen Gattungen; den Werken der Bologneser und der bald zu nennenden Franzosen verdankt er wohl nur seine höhere Ausbildung. Abendliche, oft zornig beleuchtete Felsgegenden und schroffe Meeresbuchten (Pal. Colonna in Rom), unheimlich staffiert, sind anfangs sein Hauptgegenstand; dann erhebt er sich zu einer ruhig grandiosen, durch bedeutende Formen und Ströme von Licht überwältigenden Art. (La selva de' filosofi, d. h. die Geschichte des Diogenes, im Pal. Pitti; – die Predigt Johannis, und die Taufe Christi, im Pal. Guadagni zu Florenz, Hauptbilder; anderes in den Pal. Corsini und Capponi sowie in den Uffizien ebenda.) Dazwischen oder später malte er auch frechere Bravourbilder (la pace, im Pal. Pitti) und kalte, sorgfältige, große, überfüllte Marinen (ebenda). Aus welcher Zeit die phantastische Landschaft mit der gespenstischen Leiche des heil. Paulus Eremita sein mag, wage ich nicht zu entscheiden (Brera in Mailand). – Bilder seines Schülers Bart. Torregiani im Pal. Doria zu Rom.

Der bewußteste von allen aber, der definitive Schöpfer der landschaftlichen Gesetze ist Nic. Poussin. Seine wichtigern Landschaften sind fast alle in Paris, doch findet man im Pal. Sciarra jene einfach herrliche Flußlandschaft, in welcher S. Matthäus mit dem Engel zwischen Ruinen sitzt. Sein Schüler und Verwandter war Caspar Dughet, genannt Gaspero Poussin oder Pussino (1613–1675). Bei ihm redet die Natur die gewaltige Sprache, welche noch jetzt aus den Gebirgen, Eichenwäldern und Ruinen der Umgegend Roms hervortönt; oft erhöht sich dieser Ton durch Sturmwind und Gewitter, welche dann das ganze Bild durchbeben; in den Formen herrscht durchaus das Hochbedeutende, namentlich sind die Mittelgründe mit einem Ernst behandelt, wie bei keinem andern. In beiden Seitenschiffen von S. Martino a' monti zu Rom eine Anzahl von meist sehr entstellten Freskolandschaften mit den Geschichten des heil. Elias; im Pal. Colonna 13 Landschaften in Wasserfarbe, – beide Reihen bestehen die große Probe, ob eine Landschaft bloß durch Linien und Hauptformen. ohne den Reiz leuchtender Farben und Details existieren könne. Im Pal. Corsini zu Rom: unter mehrern kaum minder trefflichen: der Sturm, und: der Wasserfall, letzteres Bild durch unglückliches Nachdunkeln, zumal des Grünen, sehr benachteiligt, wie noch viele andre Bilder Gasperos. – In der Academia di S. Luca: mehrere treffliche Bilder. – Im Pal. Pitti: vier köstliche kleine Bilder, welche vorherrschend klar geblieben sind; – in den Uffizien: eine kleine Waldlandschaft.

Derjenige Typus, welchen Annibale vorgebildet, die beiden Poussin ausgebildet hatten, blieb nun lange Zeit in der Malerei der herrschende, so daß die Holländer mit ihrer mehr realistischen Landschaft im ganzen eine (allerdings glorreiche!) Minorität bildeten. Er stellt eine unbenutzte Natur dar, in welcher die Spuren der Menschenhand nur als Bauwerke, hauptsächlich als Ruinen der Vorwelt, auch als einfache Hütten zum Vorschein kommen. Das Menschengeschlecht, das wir darin voraussetzen oder auch wohl dargestellt finden, gehört entweder der alten Fabelwelt oder der heiligen Geschichte oder dem Hirtenleben an: der Eindruck im ganzen ist daher ein heroisch-pastoraler.

Seine höchste Verklärung erhielt dieser Typus durch den Zeitgenossen der Poussin, Claude Gelée, genannt Lorrain (1600–1682). Er war längere Zeit der Gehilfe des Agostino Tassi, eines Mitstrebenden des Paul Bril (Werke Tassis im Pal. Corsini zu Rom, in den Uffizien und im Pal. Pitti); seine Höhe erreichte er nach einer höchst prüfungsvollen Jugendzeit in Rom. Seine Landschaften sind im Bau weniger gewaltig als diejenigen des Gaspero, allein es liegt auf denselben ein unaussprechlicher Zauber. Claude, als reingestimmte Seele, vernimmt in der Natur diejenige Stimme, welche vorzugsweise den Menschen zu trösten bestimmt ist, und spricht ihre Worte nach. Wer sich in seine Werke vertieft – schon ihre gleichmäßige schöne Vollendung macht dies zu einer dankbaren Arbeit – für den ist kein weiteres Wort vonnöten. – Im Pal. Doria zu Rom: il molino (frühes Bild); der Tempel Apolls (Hauptwerk); Ruhe auf der Flucht. (Im Pal. Rospigliosi, unsichtbar: unter anderm der Tempel der Venus.) – Im Pal. Sciarra: Reiter an einem Hafen; die Flucht nach Ägypten, beides kleine Juwelen. – Im Pal. Barberini: eine kleine Landschaft. – Bei Camuccini: ein Seehafen. – Im Museum von Neapel: ein Sonnenuntergang am Meere; die Grotte der Egeria (fast zu kühl für Claude?). – In den Uffizien: Abendlandschaft mit Brücke, Strom und Gebirg; abendliche Marine mit Palästen.

Von seinen Nachfolgern ist nichts in Italien, das ihm irgend nahekäme. Die Bilder von Swanevelt (im Pal. Doria zu Rom und im Pal. Pitti), von Joh. Both (ebenda), von Tempesta-Molyn (Pal. Manfrin in Venedig), bis zu den Improvisationen des Orizzonte (wovon ein oberer Saal in der Villa Borghese ganz voll ist) und zu den oft sehr fleißigen Architekturbildern eines Pannini (Pal. Corsini in Rom) geben immer nur einzelne Strahlen des Lichtes, das sich in Gaspero und Claude so mächtig gesammelt hatte.

Wer diesen beiden Meistern außerhalb Italiens wiederbegegnet, dem werden sie vielleicht viel stärker als die glänzendsten modernen Veduten das Heimweh rege machen, welches nur zeitweise schlummert, nie stirbt, nach dem unvergeßlichen Rom. Der dieses schreibt, hat die Erfahrung gemacht. Er wünscht denen, die ihn lesen, billigen und zum Begleiter über die Alpen mitnehmen, das ruhige Glück der Seele, welches er in Rom genossen hat, und dessen Erinnerung ihm selbst aus den schwachen Nachbildungen jener hohen Meisterwerke so übermächtig entgegenkommt.


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