Jacob Burckhardt
Der Cicerone
Jacob Burckhardt

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Die Ursprünge der modernen Baukunst und Dekoration, bei welchen wir dem innern Werte und den Architekten zu Gefallen etwas umständlicher verweilen wollen, heißen in der jetzigen Kunstsprache die Renaissance. Schon die betreffenden Künstler selbst glaubten an eine mögliche Wiedergeburt der ganzen antiken Architektur und meinten diesem Ziele wirklich sich zu nähern; in der Tat aber bekleideten sie nur die von ihnen selbst geschaffenen Kompositionen mit den antiken Detailformen. Die römischen Baureste, so große Begeisterung ihnen im 15. Jahrhundert gewidmet wurde und so viel reichlicher als jetzt sie auch vorhanden waren, gaben doch für die Lösung der damaligen Aufgaben zu wenige unbedingte Vorbilder. Für mehrstöckige Bauten z. B. war man fast einzig auf die römischen Theater und auf das damals noch vorhandene Septizonium Severi (am Fuß des Palatin) angewiesen, welches letztere denn allerdings einen bedeutenden Einfluß ausübte; für Prachtbekleidung von Mauern fand man nichts Besseres vor als die Triumphbogen. Von irgendeiner Unterscheidung der Epochen war noch nicht die Rede; man nahm das Altertum als Ganzes zum Muster und berief sich auf das Späteste wie auf das Frühste.

Es wird bisweilen bedauert, daß Brunellesco und Alberti nicht auf die griechischen Tempel statt auf die Bauten von Rom stießen; allein man vergißt dabei, daß sie nicht eine neue Kompositionsweise im großen, sondern nur eine neue Ausdrucksweise im einzelnen von dem Altertum verlangten; die Hauptsache brachten sie selbst mit, und zu ihrem Zweck paßten gewiß die biegsamen römischen Formen besser.

Die Renaissance hatte schon lange gleichsam vor der Tür gewartet; in den romanischen Bauten Toskanas aus dem 12. und 13. Jahrhundert zeigt sich bisweilen eine fast rein antike Detailbildung. Dann war der aus dem Norden eingeführte gotische Stil dazwischen gekommen, scheinbar allerdings eine Störung, aber verbunden mit dem Pfeiler- und Gewölbebau im großen und daher eine unvergleichliche Schule in mechanischer Beziehung. Während man sozusagen unter dem Vorwand des Spitzbogens die schwierigsten Probleme bewältigen lernte, entwickelte sich, wie oben erläutert wurde (S. 120 ff.), das eigentümlich italienische Gefühl für Räume, Linien und Verhältnisse, und dieses war die Erbschaft, welche die Renaissance übernahm. Sie wußte dieselbe gar wohl zu würdigen, und Michelangelo hat nicht vergebens S. Maria novella »seine Braut« genannt.

Für das 15. Jahrhundert kommt noch eine besondere Richtung des damaligen Formgeistes in Betracht. Der phantastische Zug, der durch diese Zeit geht, drückt sich in der ganzen Kunst durch eine oft übermäßige Verzierungslust aus, welche bisweilen auch in der Architektur die wichtigsten Rücksichten zum Schweigen bringt und scheinbar der ganzen Epoche einen wesentlich dekorativen Charakter gibt. Allein die bessern Künstler ließen sich davon im wesentlichen nicht übermeistern; und dann hat auch diese Verzierungslust selber nach Kräften eine gesetzmäßige Schönheit erstrebt; sie hat fast hundert Jahre gedauert, ohne zu verwildern, und ihre Arbeiten erreichen gerade um das Jahr 1500 ihre reinste Vollendung.

Wir können zwei Perioden der eigentlichen Renaissance trennen. Die erste reicht etwa von 1420 bis 1500 und kann als die Zeit des Suchens charakterisiert werden. Die zweite möchte das Jahr 1540 kaum erreichen; es ist die goldene Zeit der modernen Architektur, welche in den größten Aufgaben eine bestimmte Harmonie zwischen den Hauptformen und der in ihre Grenzen gewiesenen Dekoration erreicht. – Von 1540 an beginnen schon die ersten Vorzeichen des Barockstils, welcher sich einseitig an die Massen und Verhältnisse hält und das Detail willkürlich als äußern Scheinorganismus behandelt. Auch die allerhöchste Begabung, in einem Michelangelo, Palladio, Vignola, Alessi, Richini, Bernini, hat nicht hingereicht, um etwas in jeder Beziehung Mustergültiges hervorzubringen; von ihrem unvergänglichen relativen Wert wird weiter die Rede sein.

Es läßt sich voraussehen, daß die Renaissance noch lange in der heutigen Architektur eine große Rolle spielen wird. Durch ihren scheinbaren Mangel an Ernst empfiehlt sie sich für jede Art von Prachtbekleidung; man glaubt mit ihr durchzukommen, ohne irgendeine Konsequenz mit in den Kauf nehmen zu müssen. Ich verkenne daneben nicht die erfolgreiche Bemühung geistvoller Architekten, die Formen der Renaissance zu reinigen, sie namentlich mit der griechischen Profilbildung in Zusammenhang zu bringen. Und wenn ein Vorbild für Bauten, wie sie unser Jahrhundert bedarf, rückwärts und auswärts gesucht werden soll, so hat dieser Stil, der allein ähnliche Aufgaben ganz schön löste, gewiß den Vorzug vor allen andern. Nur suche man ihm zuerst seinen Ernst und dann erst seine spielende Zierlichkeit abzugewinnen. Man ergründe vorzüglich auch sein Verhältnis zum Material; der gewöhnliche Baustein spricht sich eigentümlich kräftig aus; einen bestimmten Ausdruck des Reichtums wird man dem Marmor, einen bestimmten dem Erz, einen andern dem Holz, und wiederum einen verschiedenen dem Stukko zugemutet finden: und zwischen all diesem bleibt noch ein besonderes Gebiet für die Malerei unverkürzt übrig. Äußerst beherzigenswert bleibt es, daß kein Stoff sich für etwas ausgibt, was er nicht ist. Es gibt z. B. keine falsche, von Mörtel nachgeahmte Rustika vor den mittlern Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts; wer in den guten Zeiten der Renaissance nur mit Mörtel zu bauen vermag, gesteht es zu und begnügt sich mit der Derbheit der steinernen Fenstergewandungen und Gesimse. Aufgemalte Rustika kommt freilich schon frühe vor, allein dann in rein dekorativem Sinne, nicht mit der Absicht zu täuschen. (Ein sehr frühes Beispiel, vielleicht noch aus dem 14. Jahrhundert, am Palast Conte Bardi in Florenz, via del fosso, N. 187.) Sie ist auch ganz anders behandelt als das, was etwa an modernen Häusern von dieser Art (mit Schlagschatten usw.) hingemalt wird.

Einzelne große Befangenheiten hängen selbst den florentinischen Baumeistern an. Die Ecken ihrer gewölbten Räume z. B. bedurften entweder gar keiner besondern Form oder aber eines vortretenden Pfeilers, auf welchem dann die von beiden Seiten herkommenden Bogen, die Träger des Gewölbes ruhten; wenigstens eines abschließenden Pilasters. Statt dessen schlug man oft einen Mittelweg ein und ließ einen ganz schmalen Pfeilerrand mit einzelnen Bestandteilen eines Kapitells aus der Ecke hervorgucken. Über die äußere Bekleidung der Kirchen, abgesehen von der Fassade, ist man erst spät ins klare gekommen. Die Profilierung hat lange den Charakter der Willkür und trifft das Wahre und Schöne mehr durch unbewußten Takt als vermöge eines Systems. In der Behandlung der Kranzgesimse kommen unglaubliche Schwankungen vor. An den venezianischen Bauten geht bisweilen durch die größte Pracht ein auffallender Mangel an organischen Gedanken hindurch. Das Gefühl für schöne Verhältnisse der Flächen zueinander, für schöne Kontraste ihrer Bekleidung (durch Rustika, Pilaster usw.) macht gar oft einer bloßen eleganten Einrahmung Platz, die alle vier Seiten mit demselben zierlichen Profil umzieht und sich weiter um nichts kümmert; so z. B. an manchen oberitalischen Bauten usw.

An allen Enden offenbart sich der Hauptmangel dieses ganzen Stiles: das Unorganische. Die Formen drücken nur oberflächlich und oft nur zufällig die Funktionen aus, welchen die betreffenden Bauteile dienen sollen. Wer aber auf dem Gebiet der Baukunst nur in dem streng Organischen die Schönheit anzuerkennen vermag, hat auf dem italischen Festlande mit Ausnahme der Tempel von Pästum überhaupt nichts zu erwarten; er wird lauter abgeleitete und schon deshalb nur wenig organische Stile vorfinden. Ich glaube indes, daß es eine bauliche Schönheit gibt, auch ohne streng organische Bildung der Einzelformen; nur dürfen letztere nicht widersinnig gebildet sein, d. h. ihren Funktionen nicht geradezu widersprechen; es darf z. B. nicht das Schwere auf das Leichte gesetzt, nicht das konstruktiv Unmögliche durch künstliche Mechanik erzwungen werden. Wo ein Reiz für das Auge vorliegt, da liegt auch irgendein Element der Schönheit; nun übt offenbar außer den schönen, strengen Formen auch eine gewisse Verteilung der Grundflächen (Räume) und Wandflächen einen solchen Reiz aus, selbst wenn sie nur mit leidlichen, widerspruchslosen Einzelformen verbunden ist. Ja, es werden Aufgaben gelöst, Elemente der Schönheit zutage gefördert, welche in den beiden einzigen streng organischen Stilen, dem griechischen und dem nordisch-gotischen, nicht vorkommen, und sogar nicht vorkommen konnten. Was insbesondere die Renaissance, sowohl die frühere als die spätere, in dieser Beziehung Großes geschaffen hat, soll im folgenden kurz angedeutet werden.

Natürlich blieb auch in der Blütezeit der Renaissance das Beste und Großartigste unausgeführter Entwurf. Wir erfahren durch Nachrichten, auch wohl durch Zeichnungen, welche die größte Sehnsucht rege machen, wie Brunellesco einen großen Palast für die Mediceer, Rosellino eine neue Peterskirche samt Umgebung und Residenz, Bramante einen neuen Vatikan entwarf, zahlloser anderer Projekte der größten Meister nicht zu gedenken. Die Sammlung der Handzeichnungen in den Uffizien enthält von dieser Gattung wenigstens einiges vom Wichtigsten. Für Architekten, welche mit der oft nur andeutenden Ausdrucksweise des Zeichners, namentlich mit den perspektivischen Halbansichten von Interieurs rasch vertraut sind, hat die Besichtigung derselben einen großen Wert. Eine faksimilierte Herausgabe des Besten würde sich gewiß lohnen.

Noch eine andere Quelle kann uns das Bild dieses Stiles ergänzen helfen. So reich auch eine Anzahl besonders kleinerer Gebäude mit dem heitersten Schmuck ausgestattet ist, deren Venedig vielleicht die zierlichsten enthält, so konnten doch Marmor und Erz nicht alle Phantasien verwirklichen, denen sich die dekorative Neigung des 15. Jahrhunderts hingab. Wer auch diese Phantasien kennenlernen will, betrachte die in vielen damaligen Bildern dargestellten Baulichkeiten; sie sind bunt, überladen, bisweilen unmöglich, und doch nicht nur oft von großem Reiz, sondern auch zur Kenntnis des Baugeistes jener Zeit unentbehrlich, wobei nicht zu vergessen ist, daß viele Maler zugleich Baumeister waren. Mantegna und seine ganze Schule ist sehr reich an Hintergründen von Hallen mit Reliefs; von den Ferraresen ahmte ihn Mazzolino hierin mit Übertreibung nach; Pinturicchio ergibt durchgängig Vieles, Dom. Ghirlandajo Einiges und Gutes (Chor von S. M. novella in Florenz); selbst ein Maler dritten Ranges wie Domenico di Bartolo verleiht seinen Werken (Fresken im Hospital della Scala zu Siena) ein großes Interesse durch solche Zutaten. Sandro Botticelli und Filippino Lippi waren vollends unermüdlich darin. Vorzüglich aber offenbaren die Fresken des Benozzo Gozzoli im Campo santo zu Pisa den Geist der Renaissancebauten in reichem Maße. Außerdem möchte ich noch auf die kleinen Legendenbilder Pisanellos in der Sakristei von S. Francesco de' Conventuali zu Perugia aufmerksam machen, welche einen ganzen Kursus idealer Renaissance ohne Phantasterei gewähren. In Rafael Sposalizio (Brera in Mailand) findet sich dann ein gesetzmäßig schönes Zusammenwirken der geschichtlichen Komposition und des baulichen Hintergrundes, welcher hierauf rasch seinen überreichen Schmuck verliert und in die Dienstbarkeit des malerischen Ganzen tritt. Daneben scheidet sich (schon mit Baldassare Peruzzis Malereien im ersten obern Saal der Farnesina in Rom) eine sog. Prospektmalerei als eigene Gattung aus.

Mehrere der größten Historienmaler haben indes fortwährend dem baulichen Hintergrund alle Sorgfalt zugewendet, wo der Gegenstand denselben irgend zuließ. So vor allem Raffael, welcher schon wegen der Räumlichkeit der »Schule von Athen« und des »Heliodor« den größten Architekten beizuzählen sein würde. Dann zeigt sich Andrea del Sarto in seinen Fresken (Vorhalle der Annunziata zu Florenz) als ein Meister einfach-edler Baukunst. Von den spätern sind die Venezianer in dieser Beziehung am reichsten; Paul Veronese zumal, obschon alle seine Prachthallen das einzige Gebäude der Schule von Athen nicht aufwiegen. In der Zeit der entarteten Kunst nahm dieser Bestandteil der Malerei schon als Hilfsmittel der Illusion einen neuen, beträchtlichen Aufschwung, und unsere bedeutendsten Historienmaler könnten wohl einen Pater Pozzi, einen Luca Giordano und dessen Schüler um ihre ungemeine Fertigkeit in der Linien- und Luftperspektive architektonischer Gründe beneiden.

Sehr edel, obwohl etwas kalt, ist die Architektur in den Bildern Nic. Poussins (auch wohl Claude Lorrains) gestaltet. Außer den Gemälden sind auch die Intarsien (eingelegten Holzarbeiten) an den Chorstühlen mancher Kirchen sehr belehrend; mit Vorliebe wurden darin architektonische Ansichten dargestellt, oft von reicher, phantastischer Art; die besten vielleicht in S. Giovanni zu Parma. Auch wo die Intarsien geschichtliche Szenen enthalten, sind die baulichen Hintergründe bisweilen wichtig; so an den Chorstühlen von S. Domenico in Bologna.

Der erste, welcher nach emsigem Studium der Ruinen Roms mit vollem Bewußtsein dessen, was er wollte, die Bauformen des Altertums wieder ins Leben rief, war bekanntlich Filippo Brunellesco von Florenz (1377–1446). Die Kuppel des Domes, als größtes mechanisches Meisterwerk alles bisher (1421) Geleistete überbietend, ist für die große Stilveränderung, die sich an Brunellescos Namen knüpft, wenig bezeichnend; die äußere Dekoration an der einzigen Seite des Achtecks, wo sie wirklich ausgeführt ist, rührt von Baccio d'Agnolo her, und die Lanterna ist ebenfalls später. – Arnolfo, der ursprüngliche Baumeister, scheint (S. 136) eine nicht sehr hohe Kuppel beabsichtigt zu haben, welche die drei Arme des Kreuzes nur mäßig überragt hätte; erst Brunellesco erhob den Zylinder (sog. Tambour) mit den Rundfenstern und darüber die gewaltige Spitzkuppel. In der Wirkung steht sie tief unter der Kuppel von S. Peter; allein die Vergleichung ist eine ungerechte. Fürs erste würde sie ohne die abscheulichen Malereien der Zuccheri, mit einer einfachen, dem Organismus folgenden Dekoration in heller FärbungBrunellesco selbst beabsichtigte allerdings eine Mosaikierung. einen ganz andern Anblick von innen gewähren und nicht mehr einer flachen dunkeln Decke gleichen; sodann ist hier zum erstenmal der Zylinder bedeutend behandelt und eine Aufgabe der Konstruktion gelöst, welche man später sowohl mechanisch überbieten als auch in reichern und freiern Formen ausdrücken konnte, welche aber das erstemal am schwierigsten war. Brunellesco war zudem auf alle Weise durch Arnolfos Unterbau gebunden.

Während des Dombaues begann Brunellesco auch S. Lorenzo (1425). Auf einmal wird die Form einer Basilika oder Säulenkirche in einem neuen und edeln Geiste belebt; die Säule erhält wieder ihr Gebälkstück und ihre antike Bildung, die Bogen ihre verzierten Profile; den gewölbten Seitenschiffen schließen sich die Kapellen als niedrigere Nischen reihenweise an, alles mit streng durchgeführter Bekleidung von Pilastern und Gesimsen, dergleichen damals wohl noch an römischen Nischenbauten erhalten war. Die Decke des Haupt- und Querschiffes (wohl nicht mehr die alte) ist flach; über der Kreuzung eine einfache Kuppel ohne Zylinder, welche weislich keinen Anspruch macht, da sie bei ihrer Kleinheit die Kirche doch nicht beherrschen könnte. Die reichen Rundformen sparte Brunellesco für die Sakristei auf, welche über ihrem Quadrat eine polygone niedrige Kuppel und über dem zierlichen Ausbau für den Altar eine kleine Flachkuppel hat. – Außen am Oberschiff ein regelmäßiges römisches Gebälk über der sonst glatten Mauer; Brunellesco konnte sich auf die Römer berufen, welche ebenfalls die Gebälke über bloße Mauern hingeführt hatten (Tempel des Antonin und der Faustina). Die Fassade, für welche nach Brunellesco auch Raffael und Michelangelo Entwürfe machen mußten, ist vor lauter großen Absichten ein Rohbau geblieben. Auch der erste Klosterhof soll nach Brunellescos Entwurf gebaut sein.

Lange nach Brunellescos Tode (1470) wurde eine zweite Basilika S. Spirito, nach seinen (wie man glaubt, sehr frei benutzten) Zeichnungen begonnen. Hier sind die Kapellennischen mit den Nebenschiffen gleich hoch, und dafür wie für alles Detail ist Brunellesco kaum verantwortlich zu machen. (Die übertrieben großen Portalakroterien; das Zusammentreffen zweier Fenster in einer Ecke außen!) Auch die kleinliche Kuppel mit Zylinder über dem Kreuz (die er an S. Lorenzo vermied) ist vielleicht nicht sein Gedanke; wohl aber die Herumführung der Nebenschiffe um Querbau und Chor, trotz der oft getadelten Zweiteiligkeit der Abschlüsse. Unser Auge ist an Schlußintervalle von ungerader Zahl zu sehr gewöhnt, um dieser Freiheit leicht gerecht zu werden; an sich ist der perspektivische Durchblick dieser hintern Teile sehr schön.

Für die ganze Entwicklung der Renaissance von großer Bedeutung ist die Kapelle des Geschlechtes Pazzi, im vordern Klosterhof von S. Croce in Florenz. Die polygone Flachkuppel mit Rundfenstern über dem griechischen Kreuz ist in dieser Gestalt eine Lieblingsform von Brunellescos Nachfolgern geworden. (Giuliano da San Gallo ahmte sie unter anderm nach in der Madonna delle Carceri zu Prato.) Höchst anmutig ist die Vorhalle, ein Tonnengewölbe auf Säulen, in der Mitte durch einen Hauptbogen und eine Kuppel mit glasierten Kassetten unterbrochen. (Sie gab unter anderm Ventura Vitoni das Motiv zur Vorhalle der Umiltà in Pistoja.) Obwohl vernachlässigt und unvollendet wird dieses Gebäude, abgesehen von den Reliefs des L. della Robbia, immer als einer der reinsten Klänge aus dem 15. Jahrhundert wirken. (Das Innere schwer sichtbar, da die Pazzi den einzigen Schlüssel besitzen.)

Als städtischer Zierbau ist die Halle des Findelhauses auf Piazza dell' Annunziata (links, von der Kirche kommend) ein wahres Muster anspruchsloser Schönheit. Es sollte keine Wachthalle und kein politischer Sammelort, sondern nur ein weiter, sonniger Warteraum sein, der nun mit seiner harmlosen Dekoration (den Medaillons mit den Wickelkindern des Luca della Robbia) und seinem einfachen obern Stockwerk die anmutigste Wirkung macht. (Der Hof wohl nicht von Brunellesco, aber auch nicht viel später.) – Die Halle gegenüber eine Nachbildung von Antonio da Sangallo d. Ä. – Ursprünglich von Brunellesco, aber mehrfach verändert: die Halle auf Piazza S. Maria novella; – dieser und der vorigen wenigstens sehr ähnlich: die vermauerte Halle an der Via S. Gallo, welche jetzt die Rückseite der Dogana bildet.

Von vollständigen Klosterhöfen glaube ich, nach Fantozzis Vorgang, dem Brunellesco den zweiten Kreuzgang von Santa Croce in Florenz mit Sicherheit beilegen zu dürfen. Es ist einer der schönsten der Renaissance, mit vollständig durchgeführten Bogenprofilen und Gesimsen, die Füllungen mit Medaillons; das obere Stockwerk flach gedeckt auf Säulen mit trefflichen Konsolen. – An Bauten dieser Art gab Brunellesco den Säulen kein Gebälkstück, weil die dünnen und zarten Verhältnisse des Ganzen dadurch übertrieben worden wären und weil die Höhe wohl eine gegebene war.

Wie Brunellesco, allerdings mit reichlichen Mitteln von dem großen Cosimo ausgestattet, eine ländliche Chorherrnresidenz als Villa gestaltete, zeigt die sog. Badia am Fuß des Berges von Fiesole, eine halbe Stunde von Florenz. (Architekten, welche wenig Zeit übrig haben, dürfen eher Fiesole selbst als dieses Gebäude übergehen.) Es ist ein unregelmäßig schönes, dem Bergabhang folgendes Aggregat von Einzelbauten; ein reizender oblonger Hof, die untere Halle gewölbt, die obere (unvermauert) flach gedeckt; gegen Süden hinaus nach dem Garten eine Halle, deren oberes Stockwerk besonders schöne Konsolen über den Säulen hat; die übrigen Räume unten sämtlich gewölbt mit Wandkapitellen oder Konsolen; – nur einfach entwickelt und ohne die Verfeinerung der letzten Zeiten des 15. Jahrhunderts, aber rein und schön erscheint das Dekorative, wie z. B. die Kanzel im Refektorium und der Brunnen in dessen Vorsaal; – die Außenmauern durchgängig glatt und nur mit den notwendigsten Gliederungen versehen. – Die Kirche, an deren Fassade ein Stück des altern Baues im Stil von S. Miniato beibehalten ist, bildet ein einschiffiges Kreuz mit Tonnengewölben, über der Kreuzung selbst mit einem Kuppelsegment; alles ist mit absichtlichster Einfachheit behandelt; die Nebenkapellen öffnen sich als besondere Räume mit besondern Pforten gegen das Langschiff; das Äußere ist glatt mit wenigen Wandstreifen und sparsamen Konsolen; die ganze Kirche einzig schön in ihrer Art. (Vgl. S. 84, a; 106, c.)

Endlich entwarf und begann Brunellesco den Palazzo Pitti (fortgeführt von L. Fancelli, der Hof von Ammanato, die Vorbauten aus neuer Zeit; das Innere durchgängig später eingeteilt als die Fassade). Vor allen Profangebäuden der Erde, auch viel größern, hat dieser Platz den höchsten bis jetzt erreichten Eindruck des Erhabenen voraus. Seine Lage auf einem ansteigenden Erdreich und seine wirklich großen Dimensionen begünstigen diese Wirkung, im wesentlichen aber beruht sie auf dem Verhältnis der mit weniger Abwechslung sich wiederholenden Formen zu diesen Dimensionen. Man fragt sich, wer denn der weltverachtende Gewaltmensch sei, der mit solchen Mitteln versehen allem bloß Hübschen und Gefälligen so aus dem Wege gehen mochte. – Die einzige große Abwechslung, nämlich die Beschränkung des obersten Stockwerkes auf die Mitte, wirkt allein schon kolossal und gibt das Gefühl, als hätten beim Verteilen dieser Massen übermenschliche Wesen die Rechnung geführt. (Man vergleiche z. B. die beträchtlich größere Fassade des Palastes von Caserta zwischen Capua und Neapel, von Vanvitelli.)

Aber Brunellesco verstand auch den reizvollsten Zierbau, wie der Pal. Quaratesi (ehemals Pazzi, Via del Proconsole, N. 476) beweist. Die Fenster der Fassade und des auf Bogenhallen ruhenden Hofes sind mit Laubwerk eingefaßt, die Bogenfüllungen mit Medaillons verziert, welche antike Köpfe enthalten; Rustika nur am untern Stockwerk, dessen Außenseite offenbar einem ältern Bau angehört. Die Kapitelle im Hof mit Delphinen und Kandelabern. Von den antiken Kapitellen hat Brunellesco mit Vorliebe die einfachern Formen der korinthischen und der Composita-Ordnung nachgeahmt, und zwar in eigentümlicher Umgestaltung; für die obern Stockwerke brauchte er die ionische, freilich nach sehr geringen römischen Vorbildern, worin der Mißverstand überwogen haben muß. Von dem vollständigen korinthischen Kapitell hatte er einen nur mangelhaften Begriff und bildete z. B. die Stengel der Mitte ebenso zu Voluten aus wie die der Ecken. (Cap. Pazzi, Findelhaus, selbst S. Lorenzo)Das angefangene Polygon bei den Angeli (Kamaldulenserkloster) in Florenz ist eine formlose Ruine geblieben. .

Was Brunellesco angefangen hatte, führte der Florentiner Michelozzo weiter, nicht mit bahnbrechenden genialen Neuerungen, wohl aber mit vielem Verstand und Geschick für die Behandlung des einzelnen Falles im Verhältnis zu den vorhandenen Mitteln. Er erbaute den gewaltigen Palazzo Riccardi (damals Medici) und stufte dabei zum erstenmal die Rustika nach Stockwerken ab, vom Rohem zum Feinern. Wohl sehen die zierlichen Fenster der zwei obern Stockwerke etwas gedrückt aus zwischen dem ungeheuern Quaderbau des Erdgeschosses und dem großen Hauptgesimse; wohl sieht man den Baumeister bei der Behandlung des erwähnten Hauptgesimses schwanken und irregehen sowohl in den Formen als in der Dimension; allein ohne diesen Palast hätten Bern. Rosellino und Benedetto da Majano später die ihrigen nicht zustande gebracht. Der Hof mit seiner Säulenhalle, den beiden Gesimsen darüber und den rundbogigen Fenstern der obern Stockwerke ist das Vorbild für zahllose Hofbauten des 15. Jahrhunderts geworden.

Michelozzo selbst bildete den vordem Hof des Palazzo vecchio ähnlich, nur mit Ausnahme der stärkern untern Stützen (deren Stukkoverzierung übrigens samt dem ganzen Arabeskenwerk der Gewölbe erst vom Jahr 1565 ist). Der Hof des Pal. Corsi (ehemals Tornabuoni, unweit Pal. Strozzi) hat unten eine sehr geräumige Säulenhalle (Composita) mit stark überhöhten Bogen, dann ein Gesimse mit Medaillons und Fenster, endlich oben eine offene Halle (korinthisch). Die Villa Ricasoli bei Fiesole zeigt nur noch in ihrer S. Michaelskapelle, die nahe Villa Mozzi nur noch in ihrer allgemeinen Anlage die Erfindung Michelozzos; in der letztern hat die hübsche untere Halle eine viel spätere Bekleidung.

Die Klosterbauten Michelozzos sind einfach und zeichnen sich neben denjenigen Brunellescos auf keine Weise aus. In S. Croce gehört ihm das (völlig schlichte) Noviziat, der Gang bei der Sakristei (mit stattlichen halbgotischen Fenstern) und die an dessen Ende gelegene Kapelle Medici. Im Dominikanerkloster S. Marco sind von ihm beide Kreuzgänge und mehrere Treppen nebst der Sakristei, bei deren Bau er sich gewiß mit sehr Wenigem behelfen mußte.

Da im ganzen die von Michelozzo ausgebildete Bauweise ihre Herrschaft in Florenz sehr lange behauptete, so wollen wir eine Anzahl Bauten, deren Urheber nicht genannt werden, gleich bei diesem Anlaß aufzählen. – Von Klöstern erinnert das sehr einfache Monte Oliveto (vom Jahr 1472, vor Porta S. Frediano) am unmittelbarsten an des Meisters Stil; die Kirche wiederholt das Motiv seiner Sakristeien und Kapellen in größerm Maßstab: Kreuzgewölbe auf Wandkonsolen und ein Chorraum mit niedriger Kuppel; der ionische Klosterhof ist wohl etwas neuer. – Die Klosterbauten der Badia, besonders der vordere vermauerte Säulengang mit zwei trefflichen Kapellen und ein hinter der Sakristei gelegener reizender kleiner Hof mit gewölbter ionischer Doppelhalle scheinen von zwei verschiedenen Architekten herzurühren. – Von mehreren Meistern, deren aber keiner genannt wird, sind die vier Höfe der sehr sehenswerten Certosa, eine starke halbe Stunde vor Porta Romana; der zweite ist eine der reizendsten kleinen Doppelhallen; der vierte oder Gartenhof liefert den merkwürdigen Beleg, wie sehr bisweilen auf Bemalung der architektonischen Glieder mit Arabesken (hier weiß auf braun) gerechnet wurde. Die (neuere) Hauptkirche selbst gering und ungeschickt. – Vom Anfang des 16. Jahrhunderts der kleine Hof des Scalzo (unweit S. Marco), phantasievoll in wenigen Formen durch die bloße Stellung der Säulen. – Ein anderer artiger kleiner Hof als Eingang der Confrat. di S. Pietro martire (unweit der Annunziata, selten offen). – Ein Klosterhof bei S. Girolamo 1528. – Baulich nicht bedeutend die beiden Höfe von Ognissanti; in den vordem ragt das linke Querschiff der Kirche auf gotischen Bogen malerisch herein. – Die drei kleinern Höfe von S. Maria novella, aus verschiedenen Zeiten des 15. Jahrhunderts. – Der zweite Klosterhof al Carmine (1490), unten gewölbt, oben mit flachem Gebälk auf Konsolen, beide Stockwerke ionisch. – Aus dem 16. Jahrhundert die jetzige Gendarmerie, ehemals Kloster S. Caterina, auf Piazza S. Marco. – Die Kirche San Felice, vielleicht von Michelozzo selbst. – Die zierliche Sakristei von S. Felicita (1470), mit besonders hübschem Chörchen. – Der schöne Vorhof der Annunziata, möglicherweise von dem ältern Antonio San Gallo (s. unten), von welchem der mittlere Bogen an deren Außenhalle herrührt. (Der Rest dieser Außenhalle erst seit 1600 von Caccini.)

Von Palästen und PrivatgebäudenDer Verfasser kennt die Landhäuser um Florenz nicht genau genug, um sie hier dem Stil nach einreihen zu können. (Villa Michelozzi auf Bellosguardo hat wenig Altes mehr an sich.) Immerhin muß er den Architekten die Wanderungen vor sämtlichen Toren der Stadt in möglichst weitem Umkreis dringend anempfehlen. Von den stattlichen (nur ausnahmsweise prächtigen) Villen bis zum Bauernhause herab werden sie hier eine Fülle ländlich-schöner Baugedanken antreffen, die eben nur in der Heimat der modernen Baukunst so beisammen sind. Was in der römischen Umgegend vorhanden ist, zeigt teils mehr den schloß- und palastartigen Charakter, teils mehr bäurische Formlosigkeit. Die Gebäude um Neapel sind bei oft großem malerischem Reiz insgemein klein und formlos, diejenigen um Genua auffallend städtisch. Die Villen der Venezianer an der Brenta, zum Teil Anlagen des Palladio, sind dem Verfasser nur aus Abbildungen bekannt. – Florenz allein möchte in seiner Umgebung mehr praktisch Anregendes in dieser Gattung besitzen als das ganze übrige Italien. Doch muß auch den Villen in der Brianza und um Varese (nördlich von Mailand) im ganzen ein schöner, echt ländlicher Stil zugestanden werden. Es ist überhaupt ein Irrtum, zu glauben, daß die malerische Bauweise in Italien südwärts unbedingt zunehme; die subalpinen Täler und Ortschaften enthalten schon manches, das südlich nicht mehr schöner und nicht häufig so schön vorkommt. dieses Stiles sind hier zu nennen: Pal. Giugni-Canigiani (Via de' Bardi N. 1333) mit einem Hof auf ältern Pfeilern, welche zum Teil Würfelkapitelle tragen; die Treppe mit ihrem Geländer von ionischen Säulchen gewährt einen malerischen Anblick. (Der Ausbau gegen den Garten 16. Jahrhundert.) – Der einfach malerische Hof von Pal. Cerchi (Borgo S. Jacopo N. 1762). – Derjenige von Pal. Casamurata (Via delle Pinzochere, N. 7717). – Aus späterer Zeit und sehr stattlich: Pal. Magnani, ehemals Ferroni (Via de' Serragli N. 2797). – Etwa gegen 1500: der Hof des Pal. Cepperello (Corso, N. 814) mit weit gespannten dünnen Bogen auf Compositasäulen und zartem Detail. – Ungefähr aus derselben Zeit der Hof des Pal. Incontri (Via de Pucci N. 6118). – Ebenso Pal. Ginori (Via de' Ginori N. 5145), dessen Außenseite schon dem unten zu nennenden Pal. Guadagni entsprichtDer alte unvollendete Palast in der Via delle Terme, vorgeblich von Brunellesco begonnen, ist erst im vorigen Jahrhundert zum Palazzo del Commune gemacht worden. .

Die im ganzen vorherrschende Form ist: Säulenbau um den Hof oder um einen Teil desselben; an der Wand Konsolen, in deren Bildung jeder Architekt neu zu sein suchte; an einer Seite des Hofes ein vorgewölbter Gang im ersten Stock; die Gesimse, eines über den Bogen und eines unter den Fenstern, sehr mäßig; ihr Zwischenraum oft mit Medaillons, Wappen u. dgl. verziert und ebenso auch die Bogenfüllungen über den Säulen; die Fenster der obern Stockwerke bis zu Anfang des 16. Jahrhunderts fast durchgängig halbrund; die Treppen mit Tonnengewölben und fortlaufenden Gesimsen; alle Ausläufe von einzelnen Gewölbekappen durch das ganze Gebäude auf Konsolen gestützt. (Dies gilt auch von den Klosterbauten.) Durchgängig ist das Bedeutende mit mäßigen Mitteln geleistet.

Als einzelnes kleines Prachtgebäude ist hier einzuschalten die strengschöne Grabkapelle des Kardinals von Portugal († 1459), von Antonio Rosellino, welcher sonst vorzüglich als Bildhauer berühmt und von dem gleichnamigen Bernardo (s. unten) zu unterscheiden ist.

Noch ganz der frühern Renaissance gehört auch der große Florentiner Leon Battista Alberti an (geb. 1398). Er ist der erste enzyklopädische Theoretiker der italienischen Kunst, außerdem aber auch einer der ersten Architekten seiner Zeit. Sein wichtigstes Gebäude, die Kirche S. Francesco in Rimini, eigentlich nur Ausbau einer gotischen Klosterkirche, deren Bogen im Innern er bloß im neuen Stil überkleidete, zeigt in der Fassade und in den Außenseiten höchst originelle und (soweit sein Bau reicht) eigentümlich schöne Formen. In Mantua ist am S. Andrea noch die von ihm angegebene Grundform, namentlich in der edeln Vorhalle, doch nur mit großen Veränderungen erhalten. In Florenz rührt der große runde Chorbau der Annunziata von ihm her (durch totale Verkleidung und Vermalung im Barockstil unkenntlich gemacht; doch mögen die gewölbten untern Kapellen sich von jeher unschön mit dem großen Rund geschnitten haben; die Kuppel ohne Lanterna). An der reichinkrustierten Fassade von S. Maria novella mußte er sich einer schon begonnenen gotischen Dekoration anschließen, deren sehr leise Gliederung ihm jeden nachdrücklichen plastischen Schwung verbot und ihn zum Ersatz durch Mosaikierung nötigte; am untern Stockwerk ist die ungemein schöne mittlere Tür mit dem kassettierten Bogen von ihm; im obern Stock gab er das erste bedenkliche Beispiel jener falschen Vermittelung mit dem untern mittels verzierter Voluten, wahrscheinlich weil ihm die von beiden Seiten angelehnten Halbgiebel (die er doch in Rimini brauchte) zu der sonstigen dekorativen Haltung des Ganzen zu strenge schienen. Sein schönstes Bauwerk in Florenz, der Pal. Ruccellai (Via della vigna nuova), zeigt zum erstenmal die später so beliebt gewordene Verbindung von Rustika und Wandpilastern in allen drei Stockwerken; auch die dreibogige Loggia gegenüber ist von ihm. Im Auftrag derselben Familie errichtete Alberti 1467 in der nahen Kirche S. Pancrazio (jetzt Lotteriegebäude) den köstlichen kleinen Zierbau des »heiligen Grabes«. An Pal. Stiozzi-Ridolfi (Via della Scala 4317), ehemals auch der Familie Ruccellai gehörig, scheint von Albertis Bau nichts Bedeutendes mehr erhalten.

Ehe weiter von der florentinischen Architektur die Rede sein kann, müssen wir einen Blick auf Siena werfen, dessen Bauten gerade für die Zeit von 1450 an besonders bezeichnend sind. Ich schreibe das Folgende nur für geübte Augen, denn wem nur riesenhafte Massen oder dekorativer Reichtum einen Eindruck machen, für den ist in Siena außer dem Dom überhaupt nicht viel zu genießen. Ganz besonders entzieht sich die mäßige Frührenaissance an kleinen Bauten dem flüchtigen oder abgestumpften Blick.

Es sind hauptsächlich die Baumeister des Aeneas Sylvius Piccolomini (Pius II.), welche die Heimat des Papstes und deren Umgebung zu verschönern unternahmen: Cecco di GiorgioRomagnoli, der die sienesische Kunstgeschichte aus den Urkunden kannte, unterscheidet einen Maler und Dekorator Francesco di Giorgio um 1460 (welchem die Vollendung der vorgebauten Kapelle am Pal. pubblico, einige Ornamente in S. Francesco und die Gemälde in der Akademie angehören) von dem berühmten Baumeister Cecco di Giorgio Martini, den er bis ins 16. Jahrhundert leben läßt. – Milizia nennt den berühmten Baumeister Francesco und setzt dessen Lebenszeit in die Jahre 1423–1470, wonach ihm wichtige sienesische Bauten nicht mehr angehören könnten. Rumohr (Ital. Forschungen II, S. 177 ff.) läßt den Francesco di Giorgio nur als Festungsbaumeister gelten und erkennt sonst einzig den herzoglichen Stall zu Urbino als dessen Werk an. Alle übrigen Gebäude, welche demselben in Pienza, Siena u. a. a. O. zugeschrieben werden, seien von Bernardo Rosellino, welchem insbesondere »ein feiner Sinn in der allgemeinen Anlage und vornehmlich in der Zusammenstellung ganzer Gebäudegruppen« vindiziert wird. Für den Palast zu Urbino werden ein Dalmatiner Luciano und der unten vorkommende Baccio Pintelli als Architekten genannt. – Ich bin oben im Text den Annahmen Romagnolis gefolgt, ohne deshalb zwischen ihm und Rumohr entscheiden zu wollen. von Siena und Bernardo Rosellino von Florenz; der letztere hatte schon für Nicolaus V. bedeutende Aufträge ausgeführt. Beide gemeinschaftlich schufen das alte Corsignano (seitwärts von der Straße von Rom nach Siena, einige Miglien östlich von Torrenieri und S. Quirico), zu Pienza, zur »Stadt des Pius« um; dort sollen noch ein größerer Palast, eine Bischofswohnung, die Kirche und die Hallen des Platzes eine vollständige Baugruppe edler Frührenaissance darstellen. Leider kann der von Rom Abreisende aus bekannten Gründen nur mit unverhältnismäßigen Opfern seine Etappen selber bestimmen, und so wird Pienza selbst bei mehrmaligen Reisen dem Kunstfreund in der Regel entgehen. Ähnlich verhält es sich mit Urbino, wo Cecco di Giorgio den berühmten Herzogspalast baute. Von Rosellino werden eine Anzahl Bauten in der Mark Ankona namhaft gemacht.

In Siena ist von Rosellino der Palast Nerucci; als Ceccos Hauptwerk erscheinen die Paläste Piccolomini (jetzt del Governo) und Spannocchi (alles 1460–1472). Der gemeinsame Stil dieser Bauten beruht noch auf dem mittelalterlichen Fassadenprinzip, und die antikisierende Verzierung (Gesimse, Konsolen, Eierstäbe usw.) ist nichts weniger als rein gehandhabt; allein Brunellesco hatte das Gefühl für schöne Verhältnisse der Stockwerke geweckt und Michelozzo (an seinem Pal. Riccardi in Florenz) eine gesetzmäßige Abstufung der Rustika, der Fenster und der Gliederungen zum erstenmal durchgeführt, und diese Fortschritte eigneten sich die Sienesen für ihre Bauten an. Der Charakter einer ernsten Pracht wird wohl selten in so mäßigen Dimensionen so bedeutend erreicht worden sein. Nicht Einzelnes, z. B. keine mittlere Loggia, drängt sich vor; das Ganze wirkt gleichmäßig imposant; der Moment, da das Schloß zum Palaste wird, drückt sich hier eigentümlich schön aus. (Der ehemals reizende Hof des Pal. del Governo ist schon lange etwas verbaut.)

Cecco wußte sich auch kleinem Aufgaben anzupassen und erscheint dann für die jetzige Architektur besonders lehrreich. Der Pal. della Ciaja (jetzt Costantini, wenn ich richtig gehört habe), der nur ein elegantes Privathaus sein sollte, ist ohne Rustika, mit einfach zierlichsten Gesimsen und Fensteraufsätzen und edler Pforte eines der liebenswürdigsten Gebäude von Siena; der Pal. Bandini-Piccolomini (von Backstein mit steinernen Einfassungen) kann vollends als kleines Renaissancehaus im vorzugsweisen Sinne gelten. – In der Loggia del Papa (1460) gab sich Cecco seiner Neigung für dünne, zarte Bogen von weiter Spannung über die Gebühr hin: ebenso zeigen seine beiden einfach-schönen Klosterhöfe bei S. Francesco, wie er im Gewölbebau um jeden Preis (noch mehr als Brunellesco) den Eindruck des Leichten und Schwebenden hervorzubringen strebte. – Der Palazzo del Magnifico ist der Lage wegen etwas formlos; den Pal. de' Diavoli (vor Porta Camollia) kenne ich nicht. – Von den Kirchen soll die Osservanza (½ Stunde vor Porta Ovile) ganz von Cecco erbaut sein; in der Stadt gehören ihm die köstlichen kleinen Fassaden von S. Caterina und Madonna delle Nevi an. Die Sakristei im Carmine kenne ich nicht.

Das Kirchlein Fontegiusta – zwölf Kreuzgewölbe von vier Säulen und acht Wandsäulen gestützt, mit einem obern Stockwerk, das innen nicht sichtbar ist – rührt von Franc. Fedeli aus Como (1479) her. – In Ceccos spätem Jahren war vielleicht der junge Baldassare Peruzzi sein Schüler. Von irgendeinem trefflichen Meister gegen 1500 muß die Dekoration des obern Oratoriums in S. Bernardino herrühren. Pilaster, Friese und Flachdecke gehören zum Geschmackvollsten der Blütezeit. – Die Dekoration im untern Raum von S. Caterina etwas später und nicht mehr so rein.


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