Jacob Burckhardt
Der Cicerone
Jacob Burckhardt

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Die Bauten Michelangelos, der mit der goldenen Zeit begann und durch seine spätere Willkür schon den ganzen Barockstil einleitete und zu rechtfertigen schien, wurden bereits aufgezählt. Von den zunächst zu nennenden Baumeistern waren mehrere seine unmittelbaren Schüler und Exekutanten, andere seine Anhänger, alle mehr oder weniger von ihm berührt. Man darf sie darob bewundern, daß sie seine Extravaganzen noch nicht mehr im Sinne eigener Willkür ausbeuteten.

An ihrer Spitze steht Giacomo Barozzi von Vignola (1507 bis 1573), dessen Handbuch der Säulenordnungen (Trattato degli ordini) die Architektur der letzten zwei Jahrhunderte völlig beherrscht hat und noch jetzt stellenweise einen großen Einfluß ausübt, nachdem seit hundert Jahren die echten griechischen Ordnungen bekannt und abgebildet sind. Als ausübender Künstler begann er mit einigen Bauten in Bologna; außer den oben (S. 198, c) genannten Banchi wird eine Casa Bocchi und in dem nahen Minerbio ein Palazzo Isolani genannt, über dessen Vorhandensein ich keine Kunde habe. – Sein frühster Kolossalbau, der Pal. Farnesse in Piacenza, ist interessant als eines der ersten Gebäude, in welchen durchaus kein herrschendes Einzelmotiv vorkommt, sondern nur die Verhältnisse sprechen, und zwar beim einfachsten Detail, das überdies nur stellenweise wirklich ausgeführt ist. Die Abstufung der Stockwerke ist der (allerdings nicht genügende) Gehalt des ungeheuern Gebäudes, welches übrigens nicht zur Hälfte vollendet und jetzt eine Kaserne ist.

In Rom hatte er großen Anteil an der prächtigen Villa, welche Papst Julius III. (1550–1555) an der Via Flaminia baute und die noch jetzt als Vigna di Papa Giulio benannt wird. Wer die Urheber und Erfinder der einzelnen Motive dieses ehemals großen Ganzen sind, läßt sich nicht mehr ausmitteln; Vasari, der an mehrern Stellen (in den Biographien des Taddeo Zucchero zweimal und in der Übersicht seiner eigenen Werke) davon spricht, schreibt die Hauptideen dem baulustigen Papste zu, sich selber aber die Redaktion derselben; diese habe Michelangelo durchgesehen und verbessert, Vignola aber bloß ausgeführt; ausschließlich von ihm (Vasari) sei der Entwurf zu dem Brunnen unten (d. h. im hintern Hofe), welchen dann Vignola und Ammanati ausführten. Abgesehen von seinen Urhebern interessiert uns das Gebäude in ähnlichem Sinne wie Ligorios Villa Pia (S. 298, g), als letzte Villa der Renaissance. An Reiz und Anmut kommt es der Farnesina, an Würde der Villa Madama, an Vollständigkeit der AusführungDie sehr ausgedehnten Gartenanlagen mögen während des kurzen Pontifikates bloße Anfänge, ja bloße Entwürfe geblieben sein. Der betreffende Grund und Boden ist längst anders verteilt. und Erhaltung dem Palazzo del Tè allerdings bei weitem nicht gleich; man glaubt die schwankenden und zum Teil kleinlichen Einfälle des Bauherrn noch jetzt zu erkennen, doch bleibt das Ganze sehr sehenswert. An der Straße selbst (10 Minuten vor Porta del Popolo) beginnt die Anlage mit einem nicht großen aber großartig gedachten, übrigens unvollendeten Palast, in dessen Fenstereinteilung und Säulenloggia sich am ehesten Vignolas Erfindung verrät. Von hier führt ein Seitenweg rechts zwischen den Gartenmauern zur eigentlichen Villa hinan, deren Fassade ein schlechtes Gemisch abwechselnder Bauentschlüsse ist; auch die Gemächer im Innern verdienen höchstens wegen der Fresken der Zuccheri einen Blick. Gegen den Hof bildet das Gebäude eine halbrunde Säulenhalle; dann folgen rechts und links stukkoverzierte Hofwände und hinten eine offene (jetzt mit Glastüren verschlossene) Säulenhalle, durch welche man in den hintern Brunnenhof sahDerselbe wird auf Nachfrage bei den dort kasernierten Carabineri geöffnet. . Dieser enthält in zwei Stockwerken Nischen und Grotten und in seiner Mitte eine halbrunde Vertiefung mit Brunnenwerken, zu welcher Treppen hinabführen. Zur Ergänzung des Eindruckes gehört der Schatten außenstehender Bäume (und die Bekanntschaft mit dem Charakter Julius' III., wie ihn Ranke schildert).

Von Vignola allein ist (oder war!) alles Architektonische an den Orti Farnesiani auf dem Palatin: Portal, Grotten, Rampentreppen, Brunnen und oberer Doppelpavillon in glücklich gedachter perspektivischer Folge. Blieben die Trümmer ihrem natürlichen Verfall überlassen, so hätten sie ihre bestimmte Ruinenschönheit; leider kommt moderne absichtliche Zerstörung hinzu. Die wenige noch erhaltene Dekoration zeigt, daß die Renaissance vorüber ist, daß der mehr auf Gesamteffekte ausgehende Stil die Oberhand erhalten hat. (Die Rustika soll hier das Ländliche ausdrücken.) – Ob Porta del Popolo, wenigstens die Außenseite, dem Vignola mit größerm Recht als dem Michelangelo zugeschrieben wird, bleibe dahingestellt. – Bei weitem das Wichtigste, was von Vignola vorhanden, ist das große ebenfalls farnesische Schloß Caprarola, dreißig Miglien von Rom, außen fünfeckig, innen mit rundem Hof, alle Gemächer mit historischen Fresken ausgemalt von den Zuccheri. Ehemals ein Wallfahrtsort für alle Künstler und Kunstfreunde, jetzt kaum je von solchen besucht, die ihr Leben in Rom zubringen. Auch der Verfasser hat das Gebäude auf der Straße von Rom nach Viterbo aus weiter Ferne ansehen müssen.

Von Vignolas Kirchenbauten ist das kleine Oratorium S. Andrea an der Straße nach Pontemolle die bekannteste; quadratischer Unterbau mit Pilastern, runder Oberbau mit niedriger Kuppel. Als landschaftlicher Gegenstand seit der Geburtsstunde der modernen Landschaft überaus beliebt, hätte das kleine Gebäude selbst die Kritik eines Milizia entwaffnen dürfen. – Die Kirche Madonna degli Angeli in der Ebene unterhalb Assisi zeigt noch den großartigen Grundriß Vignolas, Gewölbe und Kuppel aber sind neuer. – Endlich ist der Gesù in Rom (1568) ein höchst einflußreiches Gebäude geworden; hier zuerst war möglichste Höhe und Weite eines gewölbten Hauptschiffes und Beschränkung der Nebenschiffe auf abgeschlossene Kapellen in derjenigen Art und Weise durchgeführt, welche nachher der ganze Barockstil adoptierte. Frühere einschiffige Kirchen mit Kapellenreihen, deren wir eine Menge angeführt haben, gewähren im Verhältnis den Kapellen eine viel größere Tiefe und dafür dem Hauptschiff eine geringere Breite. Die nächste bedeutende Wirkung äußerte der Gesù auf Madernas schon erwähnten Ausbau von S. Peter (S. 318).

Giorgio Vasari (1512–1574), unschätzbar als Kunstschriftsteller, vielseitig und gewandt wie irgendein Künstler seiner Zeit, scheint sich am meisten in der Malerei zugetraut zu haben. Unser Urteil und unser Gefühl sind aber seinen Gemälden fast durchgängig abhold, während von seinen Gebäuden wenigstens zweie zu den besten seiner Zeit gehören.

Von der Vigna di Papa Giulio war eben die Rede. Wir übergehen auch die Gebäude am Platz der Stephansritter in Pisa: den unbedeutenden Palast und die in auffallend unangenehmen Verhältnissen erbaute Kirche, sowie den von Vasari großenteils erneuten Innenbau des Pal. vecchio in Florenz; er selber spricht mehr als genug von den Treppen und besonders von dem großen Saal, dessen beide Schmalseiten allerdings perspektivisch treffliche Abschlüsse sind. Die ganze Tüchtigkeit des Meisters zeigt erst das Gebäude der Uffizien, nach seinem Entwurf 1560 von ihm selbst begonnen, von Parigi, Buontalenti u. a. vollendet. Zur richtigen Beurteilung ist es wesentlich zu wissen, daß schon vorhandene Mauern benutzt werden mußten, daß der Verkehr zwischen Piazza del Granduca und dem Arno nicht gehemmt werden durfte und daß die »Uffizi«, d. h. Bureaux, die verschiedensten Bestimmungen hatten (Verwaltung, Kassen, Tribunale, Archive), also kein Motiv zu einer mehr geschlossenen, zentralen Komposition gegeben war. Das Erdgeschoß bildet eine der schönsten Hallen von Italien; in Harmonie mit allen übrigen Formen des Baues gab ihr Vasari ein gerades Gebälk und sparte die Bogen für die hintere Verbindungshalle, wo sie denn auch ihre imposante Wirkung tun. Beim Organismus der obern Stockwerke ist zu erwägen, daß es sich nicht um einen fürstlichen Palast, sondern um einen engen, hohen Nutzbau mit sehr bestimmten Zwecken handelte. Auch bei der Anlage der Treppen, welche noch ziemlich steil sind, war Vasari nicht frei; doch tat er das mögliche, um auch hier und in den Vestibülen schöne Räume zu schaffen. Einzelne Barockformen an Türgiebeln usw. fallen vielleicht nicht ihm zur Last.

Endlich ein origineller, höchstens an Venezianisches (S. 310, c) erinnernder Kirchenbau Vasaris: Die Abbadia de' Cassinensi zu Arezzo, außen roh gelassen, wie leider so viele zumal toskanische Kirchen; innen ein Tonnengewölbe der Länge nach, durchkreuzt von zwei Querschiffen, ebenfalls mit Tonnengewölben; über den Kreuzungen niedrige Kuppeln (deren eine in der Folge von dem bekannten Meister der Perspektive, dem Jesuiten Pozzo, mit der täuschenden Innensicht einer Hochkuppel ausgemalt worden ist); die vier niedrigern Nebenräume, welche so entstehen, sind durch Säulenstellungen gegen das Hauptschiff geöffnet, die in der Mitte einen Bogen tragen; ihre Wölbung bildet jedesmal eine kleine Flachkuppel. Die Abwesenheit jeglicher Dekoration läßt diesem graziösen Bau seine volle, ungestörte Wirkung.

Die Vorliebe für den Säulenbau, welche sich in diesen Werken gegenüber dem römischen Pfeilerbau behauptet, ist auch später in Florenz heimisch geblieben. Die nächsten Gründe sind: das große und stets verehrte Beispiel Brunellescos, der Besitz einer geeigneten Steinart (Pietra serena), besonders aber die Bescheidenheit in dem florentinischen Palastbau zur Zeit der mediceischen Großherzöge. Auch die reichsten Geschlechter in Florenz dürfen nicht auftreten, wie z. B. päpstliche Nepotenfamilien in Rom.

Den florentinischen Privatpalästen gibt in dieser Zeit Bartolommeo Ammanati (1511–1586) einen neuen und mehr hausartigen Charakter; im Innern bleibt der Säulenhof der Frührenaissance, nur mit freudloserem Detail; die Fassaden, mit energisch barocken Fenster- und Türeinfassungen und Rustikaecken, sind zum Teil auf Bemalung mit Arabesken und Historien (vgl. S. 277) berechnet. Beispiele: Pal. Ramirez und Pal. Vitali, beide in Borgo degli Albizzi zu Florenz usw. Ammanati ist allerdings berühmter durch einen der größten Pfeilerhöfe, denjenigen des Pal. Pitti, dessen drei Reihen von Bogen auf Pfeilern mit Rustikahalbsäulen der drei Ordnungen bekleidet sind, ein in Form und Verhältnissen häßliches Gebäude; – sein Pfeilerhof mit einfachen Pilastern im Collegio romano zu Rom zeigt, daß er sich in ähnlichen Aufgaben ein anderes Mal glücklicher zu bewegen wußte. – Rom besitzt auch Ammanatis beste Fassade, die des Pal. Ruspoli (Caffè nuovo), an welcher nur die Höhe des Erdgeschosses (samt Kellergeschoß) getadelt wird. (Die einst berühmte Treppe von parischem Marmor, hinten rechts, ist viel später vom jüngern Martino Lunghi erbaut.) – Von Ammanatis Klosterhöfen in Florenz hat der zweite bei S. Spirito, auf Säulen mit origineller Abwechslung von Bogen und geraden Gebälken, den Vorzug vor dem öden hintern Pfeilerhof bei den Kamaldulensern (agli Angeli) usw. Allein dieses und die nüchterne Jesuitenkirche S. Giovannino und so vieles andere darf man vergessen über Ammanatis reinstem Meisterwerk: der Dreieinigkeitsbrücke. Die edle, für das Auge überaus wohltuende Spannung der drei Bogen, welche mit dem denkbar angemessensten Detail bekleidet sind, soll nach Ansicht derer, welche den Arno kennen, zugleich die technisch zweckmäßigste sein.

Eine ganze tüchtige Generation von Architekten schloß sich an die beiden genannten an und hielt die schlimmern Exzesse des Barockstils längere Zeit von Florenz ferne. Giov. Antonio Dosio (geb. 1533) wurde bereits erwähnt (S. 300). – Von dem Bildhauer Giov. da Bologna (1524–1608) ist die S. Antoniuskapelle in S. Marco (links), eingeleitet durch zwei einfache Bogen auf Säulenstellungen, eine der besten Bauten dieser Art (vgl. S. 274, c). – Bern. Buontalenti (1536–1608), bisweilen überaus nüchtern, wie z. B. am großherzoglichen Palast in Siena, erhebt sich doch z. B. in der Fassadenhalle des Spitals S. Maria la nuova in Florenz zum Großartig-Leichten; das Obergeschoß, dessen Fenster zu nahe an das Gesimse stoßen, ist später so verändert worden. Am Unterbau des Palazzo non finito (1592) führt er den beginnenden Barockstil mit einem eigenen plastischen Ernst ein, während sein Pal. Ricardi (Via de' Servi N. 6280), vom Jahre 1565, noch der Spätrenaissance angehört. – Matteo Nigetti († 1649) hat zwar die sehr barocke Fassade von Ognissanti, aber auch den niedlichen Säulenhof vorn links bei den Kamaldulensern geschaffen; was an SS. Michele e Gaetano (1604–48) Gutes ist, gehört gewiß eher ihm als seinem Mitarbeiter Don Giovanni Medici; an der Capella Medicea bei S. Lorenzo (wovon unten) ist freilich gar nichts Gutes; und hier wird der Prinz wohl das Übergewicht gehabt haben. – Der Maler Luigi Cigoli (1559–1613) begann in Vasaris Geist den perspektivisch trefflich beabsichtigten Säulenhof des Pal. non finito, und noch ganz spät hat Gherardo Silvani (1579–1675) in seinem Seminar bei S. Frediano den alten Stil der Klosterhöfe getreulich nachgeahmt. Von ihm ist auch der stattliche Säulenhof bei den Kamaldulensern vorn rechts; wie er im Fassadenbau den Ammanati reproduziert, zeigen Pal. Fenzi (Via S. Gallo N. 5966) und der einst durch seine (jetzt veräußerte) Galerie berühmte Pal. Rinuccini.

Allerdings war gleichzeitig mit den Bemühungen der Genannten der Barockstil schon stellenweise in seiner vollen Tätigkeit. In der abgelegenen Via del Mandorlo bemerkt man ein hohes, schmales, verrücktes Gebäude: unten statt der Rustikabekleidung gemeißelte Felsflächen und Relieftrophäen, eingefaßt von regelrechten glatten Gliederungen, oben Backstein und Pietra serena in wüster Zusammenstellung. Es ist das Atelier, welches sich schon 1579 der damals weltberühmte Maler Federigo Zucchero zu bauen wagte. Anderes der Art bei Anlaß des Barockstils. – Wie lange aber auch im einzelnen Fall das Gute und Tüchtige nachwirkt, zeigt z. B. das Innere von S. Felicita in tröstlicher Weise, ein Nachklang der bessern Zeit des 16. Jahrhunderts, und zwar vom Jahr 1736, das Werk des Architekten Ruggieri.

Außerhalb Florenz ist mir zufällig Pal. Coltroni zu Lucca in die Augen gefallen, mit einem einfachen aber malerischen Treppenhof, der dem toskanischen Säulenbau um 1600 alle Ehre macht.

Zu Bologna sind aus dieser Zeit die etwas nüchternen aber gut disponierten Bauten des Pellegrino Tibaldi (1522–1592) und seines Sohnes Domenico zu bemerken: das Chor von S. Pietro, die jetzige Universität, der Hof des erzbischöflichen Palastes; vorzüglich und im Verhältnis zu dem kleinen Raum großartig: Pal. Magnani. – Dieser Pellegrino Tibaldi ist identisch mit dem Architekten Pellegrini, welcher in Mailand zur Zeit des Carlo Borromeo viel beschäftigt wurde. Als Baumeister des Domes schuf er die moderne Fassade, wovon später nur die Türen und die nächsten Fenster beibehalten worden sind, prächtige und für den Stil dieser Zeit bezeichnende Dekorationsstücke, die ich, offen gestanden, der Gotik dieses Gebäudes vorziehe. – Die Kirche S. Fedele, ebenfalls von ihm, mit Doppelordnung am ganzen Äußern und einfacher vortretender Ordnung im Innern, hat lange als klassisches Muster gegolten und großen Einfluß ausgeübt. – Die sehr barocke Rundkirche S. Sebastiano erbaute er in Folge eines städtischen Gelübdes an den Pestheiligen vom Jahr 1576. – Im erzbischöflichen Palast ist der vordere Hof mit seiner hohen Doppelhalle von Rustika ein weit besseres Gebäude als Ammanatis dreistöckiger Hof im Pal. Pitti (S. 326, b); hier wird endlich mit der mürrischen Rustika Ernst gemacht, sei es, daß der Baumeister oder daß San Carlo selber für diesen Hof den Charakter einer düstern Majestät verlangte; nur ein unteres und ein oberes Stockwerk, aber von enormer Höhe; die Bauglieder (Schlußsteine, Konsolen, Gebälkteile usw.) nicht klassisch, sondern in angemessener barocker Umbildung gegeben. Der hintere Hof und die Fassade gegen Piazza Fontana später, ebenfalls tüchtig.

Aus derselben Zeit ist der Hof des erzbischöflichen Seminars, von Giuseppe Meda, eine schöne, unten dorische, oben ionische Doppelhalle, mit geradem Gebälk, deren Säulen abwechselnd enge und weite Intervalle haben. – Vincenzo Seregnos Collegio de' nobili (auf Piazza de' mercanti), vom Jahr 1564, erinnert in der Behandlung der untern Stützen schon sehr an Galeazzo Alessi, dessen mailändische Bauten nun im Zusammenhang mit den genuesischen zu besprechen sein werden.

In dieser Zeit (1540–1600) setzte sich nämlich auch der Typus der genuesischen Paläste, hauptsächlich durch oberitalienische Baumeister fest, welchem dann Alessi seine volle Ausbildung gab.

Noch außerhalb der Linie steht gewissermaßen der große Palast, den Gio. Angelo Montorsoli (seit 1529?) für den berühmten Andrea Doria baute. Von Architektonischem ist hier nur das Notwendige gegeben, indem die Hauptwirkung der (jetzt außen fast durchgängig verlorenen und durch gelben Anstrich ersetzten) Bemalung mit Figuren und Historien vorbehalten war. Die dünnen Fenstereinfassungen, der Mangel an Pilasterwerk und die mäßige Profilierung überhaupt geben jetzt dem Gebäude einen Anschein von Frührenaissance. Als freier Phantasiebau ohne strenge Komposition wird es mit seinen luftigen Hallen an beiden Enden und mit den in den Garten vortretenden Altanen auf Portiken immer einen so bezaubernden südlichen Eindruck machen, wie kaum ein anderer großer Palast Italiens. Die mit Hallen bedeckten Treppen am Ende des Gartens und die Brunnen mit Ausnahme eines sind aus derselben ZeitGleichzeitig: Pal. Mari, ehemals Odero, nicht die Fronte gegen Str. nuovissima, sondern der obere Hof, in welchen man von der Salita del Castelletto gelangt; die Halle mit etwas schweren Säulen und lauter kleinen Kuppelgewölben. .

Auf Montorsoli folgte der Bergamaske Gio. Batt. Castello. Sein Pal. Imperiali (Piazza Competto), erbaut 1560, gibt einen vollständigen Begriff von der gemischten Kompositionsweise der auf Hochbau in engen Straßen berechneten genuesischen Paläste: Reichtum der Ausstattung muß hier die strengern Verhältnisse ersetzen, die man von unten doch nicht gewahr würde. (Bemalung mit bronzefarbenen und kolorierten Figuren, Putten und Laubwerk in Relief usw.) Die untere Halle, der Hof und die malerisch seitwärts angelegte Treppe offenbaren zuerst ohne Rückhalt die Herzlosigkeit der genuesischen Säulenbildung und Profilierung, die nach Florenz und Rom das Auge empfindlich berührt – An Pal. Carega (jetzt Cataldi, Str. nuova) versuchte Castello noch einmal eine durchgängige Pilasterbekleidung, und bei den nicht allzu schmalen Fensterintervallen ging es damit noch ziemlich glücklich; Spätere wagten bei den lichtbedürftigen, hochfenstrigen Fassaden dasselbe nicht ungestraft; ihre Pilaster wurden eine magere Dekoration, die überaus sinnlos ist, weil der ganze Mauerpfeiler schon an sich wie ein Pilaster wirkt. Das Vestibül, von sehr schöner Anordnung, ist eines der frühesten von denjenigen, welche die beiden Anfänge der Doppeltreppe zum Hauptmotiv haben. An vielen andern Palästen dauert indes die einfache seitwärts, etwa neben oder hinter dem Hof angebrachte Treppe fort. – Als glücklichen Dekorator (in Verbindung mit Montorsoli) erwies sich Castello bei der zierlichen innern Ausschmückung von S. Matteo; eine der wenigen mittelalterlichen Kirchen, welche bei solchen Anlässen gewonnen haben.

Von Rocco Pennone, ebenfalls einem Lombarden, sind die ältern Teile des Pal. Ducale, hauptsächlich die (ehemals stattlichen) Doppelhallen der Seitenhöfe, die hintere Fronte und, wie man annimmt, auch die berühmte Treppe. Darf man sie in der Tat in die Zeit bald nach 1550 setzen, so ist sie die erste von den ganz sanft geneigten, ungeheuer breiten; sie hätte dann auch vorzugsweise die Begeisterung der Genuesen (und des Auslandes) für diesen Teil des Palastbaues geweckt.

Alle Treppen Bramantes und der Florentiner sind daneben steil und schmal. Genua suchte fortan wie schon früher in den Vestibülen und Treppen den Ersatz für die Kleinheit der Höfe; man unterbrach willig jede vordere Verbindung der untern Stockwerke, um dieser Partie auf jede Weise Nachdruck und Majestät zu geben; der perspektivische Durchblick zwischen den Säulen der Treppenhalle oder des Hofes wurde selbst bei den engsten Dimensionen eine Hauptsache; wo möglich kam hinten als Schlußpunkt eine Brunnennische zu stehen. An der Strada nuova taten einander die Besitzer den Gefallen, gemeinschaftliche Hauptachsen mit den je gegenüberliegenden Gebäuden anzunehmen, so daß die Durchblicke durch die Portale sich verdoppeln.

Gleichzeitig etwa mit Castello war in Genua der Peruginer Galeazzo Alessi (1500–1572) aufgetreten, der in Rom mit Michelangelo in Verkehr gestanden hatte, seinem Wesen nach aber mit dem nur wenig jüngern Vignola parallel erscheint. Sein Verdienst ist demjenigen der meisten großen Baumeister dieser Zeit analog: wenig bekümmert um den organischen Spezialwert des Details, jeder Aufgabe durch Anordnung und Verhältnisse eine große Physiognomie abgewonnen zu haben. Wo es darauf ankam, wo Raum und Mittel (und guter Wille des Bauherrn) vorhanden waren, konnte er auch im Detail reich und elegant sein, wie kein anderer Baumeister des beginnenden Barockstils; der schöne Pal. Marini in Mailand, sowohl Fassade als Hof, übt in den ausartenden Einzelformen noch den Zauber der FrührenaissanceDie Kirche S. Vittore daselbst ist, wenn ich mich recht erinnere, innen mit neuerer Stukkierung versehen; die Fassade von S. Celso auffallend barock. . Von seinen genuesischen Bauten im ganzen gilt dies weniger; er fügte sich in die wirklich vorhandenen und in die bloß angenommenen Verhältnisse; auch sein Säulenbau ist kaum edler als der der andern. Allein er behandelte, was er gab, großartig und besonnen, und wo man ihm Licht und Raum gönnte, schuf er Werke, die in dieser Art kaum mehr ihresgleichen haben.

Am Dom gehört ihm nur die einfache achteckige Kuppel und die Pilasterstellung darunter (1567); die Chorverkleidung soll ihm der genannte Pennone verdorben haben. Dagegen ist die berühmte Kirche S. Maria di Carignano wesentlich sein Werk.

Sie muß uns jetzt hauptsächlich die Bauzeit vergegenwärtigen, da an S. Peter nach Michelangelos Plan gearbeitet wurde, da die Kuppel über dem griechischen, d. h. gleicharmigen Kreuz als die für den Kirchenbau erhabenste Form galt. Die Lage auf steilem Vorgebirge über der Stadt erhöht den Wert des Gebäudes ungemein, und seine Umrisse wirken schon von weitem sehr bedeutend. Bei den so ungleich kleinern Dimensionen gab Alessi seiner Kuppel mit Recht nicht vier Arme, sondern ein großes Quadrat zur Unterlage, und flankierte sie nicht mit vier Nebenkuppeln, welche hier ganz klein ausgefallen wären, sondern mit vier (in der Tat zwei) Ecktürmen. (Die vier Kuppeln sind wohl im Innern vorhanden, außen jedoch nur durch Lanterninen angedeutet.) – Aber das Einzelne des Äußern durchgängig dem Alessi selber zuzutrauen, erscheint fast unbillig. Auch wenn die häßlich hohen Giebel in der Mitte der Fronten unentbehrlich wären wegen des Lünettenfensters, das sie enthalten, so könnte doch der Meister nicht diese Türme mit ihren glatten Pilastern über das so viel zartere und reichere Erdgeschoß gesetzt haben. Auch die Kuppel zeigt sehr willkürliche, barocke Formen. (Das Hauptportal neuer.) Das Innere dagegen, glücklicherweise und hoffentlich absichtlich farblos, ist ein wunderbar harmonischer Bau, der den Sinn mit dem reinsten Wohlgefallen erfüllt. Vier Tonnengewölbe, eine Mittelkuppel, vier Eckkuppeln und eine Tribuna, alles auf Pfeilern mit einer Ordnung von (leider zu schwer gebildeten) korinthischen Pilastern ruhend: die höchste Verbindung von Reichtum und Einfachheit; der Raum scheinbar größer, als er wirklich ist. – Das Ganze im Grunde ein Bau der rein ästhetischen Begeisterung für die Bauformen als solche, und für jede andere ideale Bestimmung eben so geeignet als für den Gottesdienst.

Das Tor, welches zum Molo vecchio führt, charakterisiert recht die Mitte des Jahrhunderts: auf der Stadtseite fast bramantisch einfach, auf der Seite des Molo konsequent und absichtlich barock. (Rustikasäulen usw.) – Die stattliche Loggia de' Banchi ist erst viel später nach einem Entwurf Alessis ausgeführt.

Galeazzos Paläste sind zum Teil Engbauten, an welchen nur durch energisches Detail zu wirken war; so Pal. Centurione an Piazza Fossatello usw. – An der Strada nuova, die mit ihren 20–24' Breite etwas mehr Spielraum gewährte, gibt Pal. Cambiaso den Durchschnitt dessen, was er unter solchen Umständen für tunlich hielt; ohne Pilasterbekleidung, dafür durchgängige Rustika, mit strengem Mäandersims über dem Erdgeschoß; die Höhenabwechslung der Stockwerke vortrefflich wirksam. – Pal. Lercari (jetziges Kasino) , vor dem Säulenhof ein (ehemals) luftiger Loggienbau. – Den Pal. Spinola, welcher zunächst folgt, überließ er, was das Äußere betrifft, der Bemalung: innen ist Vestibül, Treppe, Oberhallen, Hof und Garten von imposanter Gesamtdisposition. – Auf der andern Seite ist Pal. Adorno der geringste Bau Alessis; – viel besser Pal. Serra, an welchem er, mit Ausnahme des Kellergeschosses in Rustika, nur eine glatte Mauer, an dieser aber Tür, Fenster, Balkon und Gesimse von Marmor in den wohltuendsten Verhältnissen anbrachte; das Vestibül jetzt farblos, aber ebenfalls schön gedacht. – Andere Paläste hat der Verfasser nicht Zeit gehabt, auszumitteln: manches, das die Baugeschichte dem Alessi zuschreibt, ist wohl durch Umbau zugrunde gegangen oder entstellt.

Auf Piazza delle Vigne wäre der ehemalige Palast de Amicis N. 422 Alessis nicht unwürdig.

Von seinen Sommerpalästen und Villen war Pal. Sauli (Borgo S. Vincenzo) unvergleichbar schön. Der Verfasser sah bei frühern Reisen dies Gebäude in seiner tiefsten Entwürdigung, doch noch im wesentlichen erhalten. Im März 1853 fand er es im Beginn des Abbruchs und weidete seine Blicke zum letztenmal an dem wunderbaren Hallenhof, in welchem mit ganz einfachen Mitteln auf beschränktem Raum durch die bloße Disposition der höchste Phantasieeindruck hervorgebracht war. Zu Anfang des folgenden Jahres hatten die neuen Besitzer den Palast bereits zu einem Scheusal umgestaltet. Die sardinische Regierung ist außer Schuld; die Stadtbehörde des sich allgemach amerikanisierenden Genua hätte das Unglück verhindern müssen. Es bleibt noch ein Sommerpalast übrig: Villa Pallavicini, zwischen Acquasola und dem sog. Zerbino, an der Salita a San Bartolommeo. (Jetzt an der Inschrift: Collegio italiano kenntlich und als Dameninstitut im Innern unzugänglich.) Isoliert auf hohen Gartenterrassen, mit einwärts tretenden Bogenhallen in der Mitte, und prachtvoller durchbrochener Balustrade oben, macht das Gebäude die glänzendste Wirkung, von der man nicht sogleich inne wird, daß sie auf der weisesten Ökonomie der Mittel beruht, auf der schönen und schlichten Flächeneinteilung, auf der sorglichen Handhabung der Pilaster beider Ordnungen (ionisch und korinthisch), welche nur an den Hauptfronten kanneliert und nur an den Hauptteilen derselben reichlich angebracht sind. (Die dorische Ordnung für eine Grotte an der Hauptterrasse verspart.)

Was von den Villen der Umgebung erhalten ist, vermag der Verfasser nicht anzugeben. (In S. Pier d'Arena: Villen Spinola, Lercari, Doria, Grimaldi, Imperiali.) In S. Martin d'Albaro hat er Villa Giustiniani vergebens zu erfragen gesucht. Das sog. Paradiso, über der Straße dahin, soll ebenfalls von Alessi sein. – Am See von Perugia ist das Schloß von Castiglione ein, wie es heißt, ausgezeichneter Bau von ihm.


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