Jacob Burckhardt
Der Cicerone
Jacob Burckhardt

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Die Arbeiten des vorgerückten Alters möchten etwa mit dem toten Adonis der Uffizien (zweiter Gang) zu beginnen sein. Der Künstler hat alles getan, um die Statue plastisch interessant zu machen; der Körper beginnt auf der rechten Seite liegend und wendet sich nachher mehr nach links; unter den gekreuzten Füßen lagert der Eber, dessen Zahn dem Jüngling die (sehr grelle) Schenkelwunde beigebracht hat. Aber der Kopf gehört zu den manieriertesten, und der Leib ist von keiner schönen Bildung.

Um das Jahr 1529 soll dann die Arbeit an den Statuen der weltberühmten mediceischen Kapelle (oder Sagrestia nuova) bei S. Lorenzo ihren Anfang genommen haben. Selten hat ein Künstler freier über Ort und Aufstellung verfügen können (vgl. S. 311, b). Die Denkmäler wirken deshalb in diesem Raum ganz vorzüglich, schon wenn man sie nur als Ergänzung und Resultat der Architektur betrachtet. Um die Figuren groß erscheinen zu lassen, hat der Künstler sie in eine aus kleinen Gliedern gebildete bauliche Dekoration eingerahmt, deren Detail freilich nicht zu rühmen ist. Die Aufgabe selbst enthielt eine starke Aufforderung zu allgemeinen Allegorien; es handelte sich um die Gräber zweier ziemlich nichtswürdigen mediceischen Sprößlinge, für welche Michelangelo am allerwenigsten sich begeistern konnte. Unter den Nischen mit den sitzenden Statuen derselben brachte er die Sarkophage an und auf deren rund abschüssigen Deckel die weltberühmten Figuren des Tages und der Nacht (bei Giuliano Medici-Nemours), der Morgen- und der Abenddämmerung (bei Lorenzo Medici, Herzog von Urbino). Kein Mensch hat je ergründen können, was sie hier (abgesehen von ihrer künstlerischen Wirkung) bedeuten sollen, wenn man sich nicht mit der ganz blassen Allegorie auf das Hinschwinden der Zeit zufrieden geben will. Vielleicht hätte Clemens VII. als Besteller lieber ein paar trauernde Tugenden am Grab seiner Verwandten Wache halten lassen – der Künstler aber suchte geflissentlich das Allgemeinste und Neutralste auf. Wie dem sei, diese Allegorien sind nicht einmal bezeichnend gebildet, was denn auch, mit Ausnahme der Nacht, eine reine Unmöglichkeit gewesen wäre. Die Nacht ist wenigstens ein nacktes, schlafendes Weib; man darf aber fragen: ob wohl jemals ein Mensch in dieser Stellung habe schlafen können? sie und ihr Gefährte, der Tag, lehnen nämlich mit dem rechten Ellbogen über den linken Schenkel. Sie ist die ausgeführteste nackte weibliche IdealfigurDer Kopf, welcher tief unter dem übrigen steht, kann kaum von Michelangelo ausgeführt sein. Michelangelos; der Tag, mit unvollendetem Kopf, kann vielleicht als sein vorzüglichstes Spezimen herkulischer Bildung gelten. Als Motive aber sind gewiß die beiden Dämmerungen edler und glücklicher, namentlich der Mann sehr schön und lebendig gewendet; das Weib (die sog. Aurora) ebenfalls mehr ungesucht großartig als die Nacht, wunderbar in den Linien, auch mit einem viel schönern und lebendigern Kopf, der indes noch immer etwas Maskenhaftes behält.

In diesen vier Statuen hat der Meister seine kühnsten Gedanken über Grenzen und Zweck seiner Kunst geoffenbart; er hat frei von allen sachlichen Beziehungen, nicht gebunden durch irgendeine von außen verlangte Charakteristik, den Gegenstand und seine Ausführung geschaffen. Das plastische Prinzip, das ihn leitete, ist der bis auf das Äußerste durchgeführte Gegensatz der sich entsprechenden Körperteile, auf Kosten der Ruhe und selbst der Wahrscheinlichkeit. Mit seiner Stilbestimmtheit gehandhabt, brachte dieses Prinzip das großartige Unikum hervor, welches wir hier vor uns sehen. Für die Nachfolger war es die gerade Bahn zum Verderben.

Die Statue des Julian ist nicht ganz ungezwungen; wohin wendet er seinen langen Hals und seine falschen Augen? Ganz vortrefflich ist aber die Partie der Hände, des Feldherrnstabes und der Knie. Lorenzo, bekannt unter dem Namen il pensiero, unvergleichlich geheimnisvoll durch die Beschattung des Gesichtes mit Helm, Hand und Tuch, hat doch in der Stellung seines rechten Armes etwas Unfreies. Die Arbeit ist von größtem Werte. – Auch mit diesen beiden Statuen tat Michelangelo keinen Schritt in das Historisch-Charakteristische, das seiner Seele widerstrebt haben muß; sie sind vielmehr in seinen Stil vollkommen eingetaucht und können als ebenso frei gewählte Motive gelten wie alles übrige.

Der kaum aus dem Rohen gearbeiteten Madonna lag ursprünglich wohl ein außerordentlich schöner plastischer Gedanke zugrunde; es fehlte vielleicht nicht viel, so wäre sie die einzig treffliche ganz freisitzende Madonna geworden (indem fast alle andern nur auf den Anblick von vorn berechnet sind). Allein durch einen Fehler des Marmors oder ein »Verhauen« des Künstlers kam der rechte Arm nicht so zustande, wie er beabsichtigt gewesen sein muß, und wurde dann hinten so angegeben, wie man ihn jetzt sieht. Vermutlich hatte dann das übrige mit zu leiden und wurde deshalb nur andeutungsweise und dürftig vollendet. Ein unruhigeres Kind hat freilich die ganze Kunst nicht gebildet, als dieser kleine Christus ist; auf dem linken Knie der Mutter vorwärts sitzend, wendet er sich sehr künstlich rückwärts um, greift mit seinem linken Ärmchen an die linke Schulter der Mutter und sucht mit dem rechten ihre Brust. (Die zwei HH. Cosmas und Damian sind Schülerarbeiten vielleicht nach ganz kleinen Modellen des Meisters.)

Aus der spätern Zeit ist wohl auch die angefangene Apostelstatue im Hof der Akademie in Florenz; sie zeigt auf das merkwürdigste, wie Michelangelo arbeitete; ungeduldig möchte er das (gequält großartige) Lebensmotiv, das für ihn fertig im Marmorblocke steckt, daraus befreien; aber irgendein Umstand kommt dazwischen und die Arbeit bleibt liegenWenn auch Michelangelo schon 1503 für die Querbaukapellen des Domes in Florenz die Statuen der zwölf Apostel bestellt erhielt, so kann er doch den vorliegenden S. Matthäus wohl viel später und für eine andre Bestimmung gearbeitet haben. Der Stil nötigt zu einer derartigen Annahme. .

Endlich sorgte Michelangelo eigenhändig für sein Grabmal; es sollte wieder eine Pietà sein. Damals begann er wahrscheinlich dasjenige Werk, welches jetzt im Hofe des Palazzo Rondanini zu Rom (am Korso) steht, und das am besten unbesichtigt bleibt. Wie konnte er, nachdem der Block schon so verdorben war, wie man ihn sieht, doch noch diese Gestalten herauszwingen wollen, auf Kosten derjenigen Körperverhältnisse, die niemand besser kannte als er? Leider ist wohl jeder Meißelschlag von ihm.

Später arbeitete er – der Sage nach aus einem Kapitell des Friedenstempels, das ihm Papst Paul III. geschenkt – diejenige Gruppe, welche jetzt im Dom von Florenz, unter der Kuppel, aufgestellt ist. Er hat den Wert einer monolithen Arbeit überschätzt und dem Marmor, welcher nicht reichte, das unmögliche zugemutet, um Figuren herauszubringen, die sich der Lebensgröße wenigstens nähern. Es ist ein höchst unerquickliches Werk, von der rechten Seite gesehen unklar, durch die Gestalt des Nicodemus zusammengedrückt. Die Stellung der Leiche dürfte mit jener ersten Pietà in S. Peter nicht von ferne verglichen werden.

Eine ganz späte Arbeit soll auch die angefangene Büste des Brutus in den Uffizien (Halle d. Hermaphr.) sein, angeblich nach einer antiken Gemme, wahrscheinlich aber ein frei geschaffenes Charakterbild und ein Gegenstand, der dem trotzigen Sinne des Meisters nahelag. Physiognomisch abstoßend und dabei grandios behandelt. – Das eigene Bildnis Michelangelos, ein schöner Bronzekopf, im Konservatorenpalast des Kapitols (fünftes Zimmer) gilt als seine Arbeit.

Zahllose kleine Modelle seiner Hand sind zerstreut und zugrunde gegangen; was von der Art in italienischen Sammlungen vorkommt, verdient insgemein wenig Zutrauen. (Der Christuskopf in S. Agnese bei Rom, in einer Kapelle rechts, ist jedenfalls nicht von ihm ausgeführt; – das Relief einer Pietà in der Kirche des Albergo de' poveri zu Genua zweifelhaft; – über eine Gruppe der Pietà in S. Rosalia zu Palestrina ist mir nichts Näheres bekannt: – die Statue Gregors d. Gr. in einer der Kapellen neben S. Gregorio in Rom, von Cordieri vollendet, hat wohl am ehesten Anspruch auf Erfindung und Teilnahme des Meisters; – als Jugendarbeit wird ihm der kleine nackte Christus am Grabmal Bandini im linken Seitenschiff des Domes von Siena beharrlich zugeschrieben usw.)

Der Beschauer wird merkwürdig gestimmt gegen einen Künstler, dessen Größe ihm durchgängig imponiert und dessen Empfindungsweise doch so gänzlich von der seinigen abweicht. Die fruchtbringendste Seite, von welcher aus man Michelangelo betrachten kann, bleibt doch wohl die historische. Er war ein großartiges Schicksal für die Kunst; in seinen Werken und ihrem Erfolg liegen wesentliche Aufschlüsse über das Wesen des modernen Geistes offen ausgesprochen. Die Signatur der drei letzten Jahrhunderte, die Subjektivität, tritt hier in Gestalt eines absolut schrankenlosen Schaffens auf. Und zwar nicht unfreiwillig und unbewußt wie sonst in so vielen großen Geistesregungen des 16. Jahrhunderts, sondern mit gewaltiger Absicht. Es scheint, als ob Michelangelo von der die Welt postulierenden und schaffenden Kunst beinahe so systematisch gedacht habe wie einzelne Philosophien von dem weltschaffenden Ich.

Er hinterließ die Skulptur erschüttert und umgestaltet. Keiner seiner Kunstgenossen hatte so fest gestanden, daß er nicht durch Michelangelo desorientiert worden wäre – in welcher Weise, haben wir schon angedeutet. Aber die äußere Stellung der Skulptur hatte sich durch ihn ungemein gehoben; man wollte jetzt wenigstens von ihr das Große und Bedeutende und traute ihr alles zu.

Die Gehilfen des Meisters haben, seit sie das waren, kaum mehr einen eigentümlichen Wert. Wir nennen zuerst Giov. Angelo Montorsoli (1498–1563), der den Michelangelo schon von dessen frühern Werken, zumal von der Sistina an begleitet und nachahmt, dabei aber auch Einwirkungen von Andrea Sansovino und von den Lombarden her verrät, und dies alles mit einer gewissen dekorativen Seelenruhe zu einem nicht unangenehmen Ganzen verschmelzt. Von der Mitarbeit in der mediceischen Kapelle an, wo er den heil. Cosmas ausarbeitete, wird er ausschließlich Michelangelist.

Von Andrea Doria nach Genua berufenLaut der genuesischen Guida schon 1528, laut Vasari erst nach 1535 oder noch später, was zu andern Daten nicht recht paßt. , mußte er als Architekt und Bildhauer das sein, was Perin del Vaga als Maler; die in den Künsten durch politische Leiden arg zurückgekommene Stadt bedurfte auswärtiger Kräfte. Die Kirche S. Matteo, das Familienheiligtum der Doria, ist ein ganzes Museum seiner SkulpturenIm anstoßenden Kreuzgang sind die Überreste der 1797 demolierten Statuen des Andrea und Giov. Andrea Doria, von den Jahren 1528 (?) und 1577 aufgestellt. Die erstere ist ein vortreffliches Werk von Montorsolis Hand, die letztere eine schon manierierte Nachahmung der erstern. . Manches davon zeigt, daß er sich half, wie er konnte; in den sitzenden Relieffiguren der beiden Kanzeln, in den vier Evangelisten der Chorwände ist mehr als eine Reminiszenz aus der Sistina zu bemerken; von den Freiskulpturen hinten im Chor ist die Pietà, was die Lage des Leichnams betrifft, nach derjenigen Michelangelos in S. Peter kopiert, was zu der peruginesken Madonna nicht recht paßt; die vier übrigen Statuen (Propheten) haben beinahe die Art des Guglielmo della Porta und der damaligen Lombarden. Die reiche Stukkierung der Kuppel und des Chores (von Gehilfen ausgeführt), die beiden Altäre des Querschiffes (mit den vielleicht von andern Händen gefertigten Reliefs über den Altären), die Reliefs von Tritonen und gefangenen Türken unter den Kanzeln und das Denkmal des Andrea Doria in der Krypta (welches der Verfasser nicht sah) vollenden diesen in seiner Art einzigen plastischen Schmuck, dessengleichen selten einem Künstler anvertraut worden ist. Montorsoli hatte bei seiner mäßigen Begabung ganz recht, daß er sich nicht durch das gleichzeitig glänzende Beispiel der mediceischen Kapelle irremachen ließ. Auf diese Weise hat die Nachwelt etwas Genießbares erhalten.

Eine späte Arbeit Montorsolis ist dann der 1561 vollendete Hauptaltar in den Servi zu Bologna. Die drei Statuen der Nischen, der Auferstandene mit Maria und Johannes zeigen noch eine schöne sansovinische Inspiration; die (ungeschickterweise viel größer gebildeten) Statuen über den beiden Seitentüren und unten an den Seiten des Altares, sowie die sämtlichen Skulpturen der Rückseite mehr das Öde und Allgemeine der römischen Schule. – Nicht sehr viel früher arbeitete Montorsoli die Statuen des Moses und Paulus in der Capella de' Pittori bei der Annunziata in Florenz. (Die ebendort befindlichen sitzenden Statuen sind von verschiedenen nach den gemalten Propheten der Sixtinischen Kapelle in Ton modelliert; ein Zeugnis mehr für den Einfluß der letztern auf die ganze Skulptur, welche noch heute daraus Belehrung schöpfen kann.)

Das Grabmal Sannazaros in S. Maria del Parto zu Neapel, woran die sitzenden Statuen des Apoll und der Minerva (in David und Judith travestiert) von Montorsolis Hand sind (der Rest von Santacroce), bekenne ich nicht gesehen zu haben.

Ein andrer Schüler Michelangelos, Rafaelle da Montelupo, arbeitete nach des Meisters Modellen in der mediceischen Kapelle den heil. Damian und oben am Grabmal Julius' II. die Statuen des Propheten und der Sibylle (S. 634, a). Von seinen unabhängigen Werken ist die tüchtige und einfache Grabstatue des Kardinals Rossi (in der Vorhalle von S. Felicita in Florenz) zu nennen.

Guglielmo della Porta († 1577) könnte nach seiner frühern und spätern Tätigkeit auf zwei verschiedene Stellen dieser Übersicht verteilt werden, wenn nicht auf der spätern Zeit, da er den Michelangelo nachahmte, der beträchtlich stärkere Akzent läge. Seine frühern Sachen, die den lombardischen Stil am Anfang des 16. Jahrhunderts repräsentieren, mit einem kleinen Anklang an A. Sansovino, sind besonders zahlreich in Genua vorhanden. Sehr unerquicklich: die Propheten in Relief an den Säulenbasen des Tabernakels der Johanneskapelle im Dom; – höchst fleißig, überladen und von gesuchter Belebung in Draperie und Fleisch; die sieben Statuen am Altar des linken Querschiffes ebenda; nur die mittlere, ein sitzender Christus, mit höherer Weihe; – fast roh: die Gruppe Christi und des heil. Thomas, an der Vorhalle von S. Tommaso. – Später, unter dem sehr nahen Einfluß Michelangelos, entstand das berühmte Grabmal Pauls III. im Chor von S. Peter. Die gewonnene Stilfreiheit ist vortrefflich benutzt in der sitzenden Bronzestatue des Papstes, welche Guglielmos volles Eigentum ist; lebenswahr und doch heroisch erhöht. Die beiden auf dem Sarkophag lehnenden Frauen, angeordnet wie die vier Tageszeiten auf den Gräbern von S. Lorenzo, sind diesen an Bedeutung der plastischen Linien nicht zu vergleichen, allein Guglielmo übertraf den Meister wenigstens von der einen Seite, wo ihm leicht beizukommen war, von seiten der sinnlichen Schönheit. Seine »Gerechtigkeit« ist zwar darob etwas lüstern und absichtlich ausgefallen; die betagte »Klugheit« hat mehr von Michelangelo. – Im großen Saal des Pal. Farnese findet man zwei ähnliche Statuen, welche wie erste, weniger geratene Proben derselben Aufgabe aussehen, jedoch zu demselben Grabmal gehörten und erst bei dessen Versetzung an die jetzige Stelle davon weggenommen wurden. – Von Guglielmos Bruder Giacomo sind die Grabmäler der Cap. Aldobrandini in der Minerva (die sechste rechts) wenigstens entworfen; in der Ausführung erinnern sie an Guglielmo.

Unter den Lombarden, welche von Michelangelo die Richtung ihres Stiles empfingen, ist nächst Gugl. della Porta ein gewisser Prospero Clementi nicht unbedeutend, welcher hauptsächlich in seiner Vaterstadt Reggio um die Mitte des Jahrhunderts tätig war. Im Dom daselbst (Kapelle rechts vom Chor) ist das Grabmal des Bischofs Ugo Rangoni sein Hauptwerk; sowohl die sitzende Statue als die beiden Putten am Sarkophag und die zwei kleinen Reliefs (Tugenden) an der Basis verraten den Einfluß Michelangelos, ja schon den des della Porta, allein es ist ein solider Rest von Naivität übriggeblieben, der weder arge Manier noch falsches Pathos aufkommen läßt. Dann möchte ich dem Clementi an dem absurd (als kolossales Stundenglas) gebildeten Grabdenkmal des Ch. Sforziano, gleich links vom Eingang, die drei vorzüglich schönen Statuetten des Auferstandenen und zweier Tugenden zuschreiben. Sie verbinden die Art der römischen Schule mit einer noch fast sansovinischen Milde und Mäßigung. (Viel geringer und wohl von andrer Hand das Grab Maleguzzi, 1583, gegenüber.) – Am Palazzo Ducale zu Modena, beim Portal, die Statuen des Lepidus und des Herkules, letztere ungeschlacht muskulös. – In der Krypta des Domes von Parma ist von Clementi ein Grab vom Jahr 1542 mit zwei sitzenden Tugenden (hinten, rechts). – In S. Domenico zu Bologna (Durchgang zur linken Seitentür) am Grabmal Volta die Statue des heil. Kriegers Prokulus, einfach und tüchtig. Das Grab des Meisters, vom Jahr 1588, im Dom von Reggio (erste Kapelle links) ist mit seiner schönen Büste geschmückt. – Den Auslauf seiner Schule bezeichnen die Statuen im Querschiff und an der Fassade daselbst.

Wenn man sich jedoch in Kürze überzeugen will, welche zwingende Gewalt Michelangelo als Bildhauer über sein Jahrhundert und das folgende ausübte, so genügt schon ein Blick auf die florentinische Skulptur nach ihm. Sie ist besonders belehrend, weil die mediceischen Großherzöge auch die profane, mythologische und monumentale Seite der Kunst mehr pflegten, als dies sonst irgendwo in Italien geschah, ohne daß doch die kirchlichen Aufgaben deshalb aufgehört hätten.

Wir haben bis hierher einen florentinischen Künstler verspart, der als Michelangelos unedler Nebenbuhler auftrat und doch in seinen meisten Werken ihn gerade von der bedenklichen Seite nachahmte: Baccio Bandinelli (1487 bis 1559). Er ist ein sonderbares Gemisch aus angeborenem Talent, Reminiszenzen der ältern Schule und einer falschen Genialität, die bis ins Gewissenlose und Rohe geht. – Das Beste, wo er ganz ausreichte, sind die Relieffiguren von Aposteln, Propheten usw. an den achtseitigen Chorschranken unter der Kuppel des Domes; hier sind einige Figuren sehr schön gedacht und stehen trefflich im Raum; alle sind einfach behandelt. – Dagegen zeigt die bekannte Gruppe des Herkules und Cacus auf Piazza del Granduca, was er an Michelangelo bewundern mußte und wie er ihn mißverstand. Er glaubte ihm die mächtigen Formen absehen zu können und machte ihm auch die Kontraste nach, so gut er konnte; aber ohne alles Liniengefühl und ohne eine Spur dramatischen Gedankens, wozu doch der Gegenstand genügsame Mittel an die Hand gab; es ist eines der gleichgültigsten Skulpturwerke auf der Welt. – Adam und Eva im großen Saal des Pal. Vecchio, datiert 1551, sind wenigstens einfache Akte, Adam sogar wieder mehr naturalistisch. Die Bildnisstatuen ebendaselbst haben in den Köpfen etwas von der grandiosen Fassung, welche auch den gemalten Porträts der sonst schon manierierten Zeit eigen ist, sind aber im Körpermotiv meist gering. (Die Gruppe der Krönung Karls V. offenbar von zwei verschiedenen Künstlern.) – Die Basis auf dem Platze von S. Lorenzo, mit einem für jene Zeit plastischen Relief, trägt jetzt die ihr längst bestimmte sitzende Statue des Giovanni Medici, von welcher dasselbe Urteil gilt. – Ein BacchusLaut Vasari aus einem mißratenen Adam zum Bacchus umgestaltet. im Pal. Pitti (Vestibül des ersten Stockes) ist im Gedanken die geringste unter den Bacchusstatuen der damaligen Künstler. – Die beiden Gruppen des toten Christus mit Johannes (in S. Croce, Cap. Baroncelli) und mit Nicodemus (Annunziata, rechtes QuerschiffLetztere von seinem natürlichen Sohn Clemente angefangen, von ihm vollendet. von ganz leeren Formen und von der schlechtesten Komposition; der Hauptumriß ein rechtwinkliges Dreieck auf der längern Kathete liegend. Ganz kümmerlich ist der sitzende Gottvater (im ersten Klosterhof von S. Croce) ausgefallen; als das Beste erscheint die nach Michelangelo kopierte Hand mit dem Buch. – Etwas besser der Petrus im Dom (Eingang zum Chor, links). – Ganz mittelmäßig: die Nebenfiguren an den Grabmälern Leos X. und Clemens' VII, im Chor der Minerva zu Rom; die ebenfalls unbedeutenden sitzenden Porträtstatuen sind von Raf. da Montelupo und Nanni di Baccio Bigio, einem andern kümmerlichen Rivalen Michelangelos, ausgeführt.

Baccios Schüler Giovanni dall' Opera hatte Anteil an den Reliefs im Dom und fertigte die Altarreliefs in der Cap. Gaddi in S. Maria novella (Querschiff links, hinten), welche die darzustellende Tatsache durch tüchtig präsentierte Nebenfiguren in Vergessenheit bringen. – An dem von Vasari komponierten Grabmal Michelangelos in S. Croce ist die Figur der Baukunst von ihm; eine recht gute Arbeit. (Die Skulptur von Cioli, die Malerei, mit der Statuette in der Hand, von Lorenzi.) Das ganze Denkmal ist, beiläufig gesagt, eines der wenigen, wo die Allegorie völlig in ihrem Rechte ist und deutlich von selber spricht, indem sie ein notorisches Verhältnis ausdrückt. Die Allegorien z. B. gerade der meisten übrigen Monumente von S. Croce sind entweder nur durch einen weiten Verstandesumweg zu erkennen oder ganz müßig.

Weiter zehrt von Michelangelo der als Baumeister so bedeutende Bartol. Ammanati (1511–1592, anfangs Schüler des Jacopo Sansovino), von welchem der Brunnen auf Piazza del Granduca herrührt. Der große Neptun ist ein sehr unglücklicher Akt, ohne Sinn und Handlung, die Tritonen, welche ihm als Tronco dienen, undeutlich; das Postament würde man ohne die (für diese Last doch gar zu kleinen) Seepferde nicht für ein Räderschiff halten. Von den unten herum sitzenden Bronzefiguren sind die mit möglichster Ansicht auf leichtes Schweben gestalteten Satyrn und Pane allein erträglich, übrigens zum Teil den Kranzträgern an der Decke der Sixtinischen Kapelle nachgebildet; hier sind ihre Attitüden müßig. – (Ganz gering die Gipsstatuen im Baptisterium.) – Im linken Querschiff von S. Pietro in Montorio zu Rom sind die Grabmäler zweier Verwandten des Papstes Julius III. samt den beiden Nischenfiguren der Religion und Gerechtigkeit von Ammanati; zwischen der manierierten Nachahmung des Michelangelo schimmern doch einige schönere Züge durch. – Ebenso verhält es sich mit dem Mausoleum der Verwandten Gregors XIII. im Campo santo zu Pisa. – Einige frühere Arbeiten Ammanatis finden sich in Padua. So der Gigant im Hof des Pal. Aremberg. Das Grabmal des Juristen Mantova Benavides in den Eremitani (links) ist im Stil der allegorischen Figuren ganz der prahlerischen Absicht würdig, mit welcher es gesetzt wurde. (Unten Wissenschaft und Ermüdung, zu beiden Seiten des Professors Ehre und Ruhm, oben drei Genien, deren mittlere die Unsterblichkeit bedeutet. Alles bei Lebzeiten.)

Unleugbar höher steht der in Florenz vollauf beschäftigte Flamländer Giovanni da Bologna (1524–1608). Das Gesetz des Kontrastes, das bei Michelangelo oft so quälerisch durchgeführt wird, muß sich bei ihm mit einer Formenschönheit vertragen, die allerdings keine gar tiefe Wurzel hat und sich meist mit Allgemeinheiten begnügt. Daneben aber hat Giovanni einen sehr entwickelten Sinn für bedeutende, hochwirksame Gesamtumrisse; seine Statuen und vorzüglich seine Gruppen stehen prächtig in der freien Luft und bleiben, so kühn sie auch hinausgreifen, doch immer statisch möglich und wahrscheinlich; er will nicht, wie Bernini bisweilen, das Unglaubliche darstellen. Der eigentliche, meist sehr energische Inhalt berührt uns trotz aller Bravour der Linien und des Baues innerlich weniger, schon weil die Formenbildung eine zu allgemeine ist und das Lebensgefühl sich doch nur auf das Motiv beschränkt.

An dem schön gedachten Brunnen auf dem großen Platz zu Bologna (1564) soll zwar der Entwurf des Ganzen von dem Maler Tommaso Laureti und nur das Plastische von Giovanni herrühren. Allein es scheint, als hätte letzterer schon beim Entwurf sein Wort mitgeredet. Man bemerkt schon ganz seine Art, durch Einziehung nach unten, durch kühne luftige Stellung der Figuren zu wirken; das Verhältnis des Ornamentes zum Figürlichen verrät den vollendeten Dekorator. Vom Einzelnen sind die Putten mit den Delphinen ausgezeichnet gut bewegt, und der Neptun, bei ziemlich allgemeiner herkulischer Bildung, doch in den Linien effektreich.

Am vollkommensten befriedigt die kolossale Gruppe des Oceanus und der drei großen Stromgötter auf dem Brunnen der Insel im Garten Boboli, eine möblierende Prachtdekoration ersten Ranges, scheinbar leicht schwebend durch das Einziehen der die Urnen umschlingenden Beine der Flußgötter an den schlanken Pfeiler in der Mitte der Schale. – Die weltberühmte Gruppe des Raubes der Sabinerinnen (Loggia de' Lanzi), deutlich und interessant für alle Gesichtspunkte, ebenfalls kühn und doch sicher auf dünner, mehrmals eingezogener Unterpartie sich emporgipfelnd; die Einzelbildung aber von störender Willkür. – Herkules und Nessus, ebenda, als Gruppe gut gebaut und dramatisch lebendig, aber in den Formen gleichgültig. – Die nicht minder berühmte Gruppe »virtù e vizio« im großen Saal des Pal. vecchio ist ein Gegenstück zu Michelangelos »Sieg« und eine zugestandene Allegorie, während bei letzterm die Allegorie nicht mehr näher bekannt und jedenfalls nur ein Vorwand gewesen ist. Ein merkwürdiger Beleg dafür, wie wenig diese Gattung von Gegenständen eine gesunde Mythologie ersetzen kann, zumal wenn der Meister das Ziel seiner Kunst nur in äußerer Tat, nur in kühner Bewegung und starken Linien zu finden imstande ist. Wie zu erwarten stand, hat die Tugend das Laster durch irgendwelche Mittel gebändigt und kniet ihm nun auf dem Rücken. – Von der Kolossalstatue des Apennin in Pratolino kann der Verfasser nicht aus eigener Anschauung berichten. Der »Überfluß« (Copia), auf der höchsten Terrasse des Gartens Boboli, ist ein höchst manieriertes Werk, übrigens von G. da Bologna nur begonnen.

Die sechs kleinern Bronzestatuen von Göttern und Göttinnen in den Uffizien (erstes Zimmer d. Br.) scheinen nur um des Balancierens, um der künstlichen Wendung willen vorhanden zu sein; dagegen ist der durch die Luft springend gedachte Merkur (mit dem einen Fuß auf einem – ehernen – Windstoß ruhend) eine ganz vortreffliche Arbeit, die an schöner, lebensvoller Bildung alles übrige von Giov. da Bologna weit übertrifft und von allen Bronzen des 16. Jahrhunderts der Antike am nächsten kommt.

Von kirchlichen Aufgaben sind die Statuen des Altares links vom Chor des Domes zu Lucca ungefähr das Beste. – Der bronzene Lukas an Orsanmicchele steht dagegen hinter allen Statuen dieser Kirche durch falsche Bravour und Mangel an Ernst zurück.

Wie durchgängig in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Bildnisse das Genießbarste sind (weil frei von dem falschen Ideal und dem Pathos der historischen und symbolischen Aufgaben), so auch hier. An der Reiterstatue Cosimos I. auf der Piazza del Granduca wird man zwar das Pferd manieriert finden, aber ganz meisterhaft edel und leicht ist die Haltung des Fürsten, zumal die Wendung des Kopfes; es war die Zeit des nobeln Reitens! Der Stil des Einzelnen ist ernst und vortrefflich. – Die ungleich geringere Reiterfigur Ferdinands I. auf Piazza dell' Annunziata ist ein Werk aus dem Greisenalter des Künstlers. – Was nach seinen Entwürfen von Francavilla in dieser Art ausgeführt wurde, ist rohe Dekoration, so die marmorne Statue Cosimos I. auf Piazza de' Cavalieri in Pisa, und die Ferdinands I. am Lungarno daselbst. Der Großherzog hebt die gesunkene Pisa mit ihren beiden Putten nicht empor, sondern hindert sie nur an weiterm Sinken.

In der Behandlung des Reliefs teilte Giovanni die malerischen Vorurteile seiner Zeit, war aber innerhalb derselben sehr ungleich. Auf derselben Piazza del Granduca ist beisammen sein Bestes, die in den Motiven für ihn vorzüglich reine, wenn auch unplastische Basis des Sabinerinnenraubes, und vielleicht sein Allerschlechtestes, die Basis des Cosimo I. – Als Bilder beurteilt werden die Reliefs an der Haupttür des Domes von Pisa und diejenigen in der hintersten Kapelle der Annunziata zu Florenz (der Gruftkapelle des Meisters) zum Teil geistvoll und trefflich erzählt erscheinen, wenn auch in manierierten Formen; als Reliefs sind sie stillos, so gemäßigt sie neben spätern Arbeiten sein mögen. Das schon im 15. Jahrhundert vorkommende Auswärtsbeugen des Oberkörpers der Figuren, der Untensicht und der Überfüllung zuliebe, ist in der Annunziata besonders auffallend. Bei den Pisanertüren war das Vorbild Ghibertis (auch in dekorativer Beziehung) noch zu übermächtig.

Giovanni ist besonders interessant in einzelnen dekorativen Skulptursachen. Seit dem Absterben der echten Renaissanceverzierung war ein Ersatz des Vegetabilischen und Architektonischen durch Masken, Fratzen, Monstra usw. eingetreten, und diese hat keiner so trefflich gebildet als er. Die wasserspeienden Ungeheuer an dem Bassin um die Insel des Gartens Boboli, der kleine bronzene Teufel als Fackelhalter an einer Ecke zwischen Pal. Strozzi und dem Mercato vecchio geben genügsames Zeugnis von seinem schwungvollen Humor in diesen zum Teil geflissentlich manierierten Formen. Sein Schüler Pietro Tacca, von welchem sonst auch die tüchtige bronzene Reiterstatue Ferdinands I. am Hafen von Livorno herrührt, schuf in jenem Fratzenstil die ebenfalls trefflichen bronzenen Brunnenfiguren auf Piazza dell' Annunziata zu Florenz. In diesem Geist sind auch die beiden sog. Harpyien am Portal von Pal. Fenzi (Via S. Gallo, 5966) von Curradi gearbeitet. Die römische Schule, Bernini nicht ausgenommen, offenbart keine scherzhafte Seite dieser Art. Als sehr glückliche dekorative Gesamtkomposition mag bei diesem Anlaß auch die Fontäne zunächst über dem Hof des Pal. Pitti, von Susini, genannt werden. (Von welchem auch das eherne Kruzifix im Chor von SS. Micchele e Gaetano herrührt; ein bloßer Akt.) – Tüchtige Wappeneinfassungen dieser Zeit sind wohl in Florenz häufiger als anderswo.

Von Taddeo Landini, einem florentinischen Zeitgenossen des Giov. da Bologna, rührt unter den Statuen der vier Jahreszeiten am Ponte della Trinità »der Winter« her; eine tüchtige Arbeit, aber recht bezeichnend für die müßige Gliederschaustellung jener Schule; wenn den Alten so friert, warum nimmt er seinen Mantel nicht besser um? – Allein derselbe Künstler schuf auch die Fontana delle Tartarughe in Rom (1585), welche ohne Frage das liebenswürdigste plastische Werk dieser ganzen Richtung ist. Nirgends wohl ist das Architektonische so glücklich in leichten lebenden Figuren ausgedrückt, als hier in den vier sitzenden Jünglingen, welche die Schildkröten an den Rand der obern Schale (wie um sie zu tränken) emporheben und dabei eine ganz durchsichtige Gruppe bilden. Was man von einer zugrunde liegenden Zeichnung Raffaels sagt, ist nicht erwiesen, eher könnte von einer Angabe des Baumeisters Giacomo della Porta die Rede sein, wenn nicht gerade die florentinische, von Giovanni da Bologna ausgehende Inspiration sich so deutlich kundgäbe. Als bescheidene Parallele vergleiche man die Lampe im Dom von Pisa mit den vier sitzenden Genien, welche echt florentinisch gedacht ist.

Ein anderer Nachfolger und Landsmann des Bologna, Pietro Francavilla aus Cambray, fertigte unter anderm die Statuen in der Cap. Niccolini in S. Croce (am Ende des linken Querschiffes), manieriert und doch nicht ohne einen gewissen oberflächlichen Reiz. Mittelgut die sechs Statuen im Dom von Genua, Kapelle rechts vom Chor. Was er nach den Angaben des Meisters ausführte (Statuen in der erwähnten Grabkapelle der Annunziata usw.), ist meist schlechte Arbeit und selbst durch die Motive des Meisters nur selten interessant; eine Ausnahme zum bessern machen einige der sechs Statuen in der Cap. S. Antonino zu S. Marco. (Die Reliefs und die bronzenen Engel, alles höchst manieriert, von Partigiani.) Vgl. S. 647, e und f.

Weiter gehört hierher Gio. Batt. Caccini, der seit 1600 die Balustrade und den Tabernakel unter der Kuppel von S. Spirito erbaute und eigenhändig mit den Statuen der Engel und der vier Heiligen versah; letztere, beträchtlich besser, repräsentieren das kecke Linienprinzip des Giov. Bologna in nicht unedler Weise. Anderes im Chor der Annunziata u. a. a. O. Von ihm ist auch die schöne Christusbüste an der Ecke des jetzigen Hôtel d'York (1588). Er war damals 28 Jahre alt und erhielt dafür 100 Ducati, wie ein Chronist bemerkt.

Die Reliefs der Schule entsprechen insgemein dem Schlechtesten des Giovanni; sie wären schon als Bilder gering und sind mit ihrer zerstreuten Komposition und ihren manierierten Formen als plastische Arbeiten kaum anzusehen. (Taccas Relief am Altar von S. Stefano e Cecilia; Nigettis Silberrelief am Altar der Madonnenkapelle in der Annunziata, u. dgl. m.) Man kann nichts Stilloseres finden als die Nischenreliefs an den beiden Enden des Querschiffes im Dom von Pisa; die Freigruppen darüber sind wieder beträchtlich besser, Werke eines gewissen Francesco Mosca (ebenfalls eines Florentiners um 1600), von dessen oben (S. 231, l) genanntem Vater Simone sich mehreres, unter anderm eine Anbetung der Könige, in der Madonnenkapelle des Domes von Orvieto befindet. – Von dem etwas ältern Vincenzo del Rossi aus Fiesole sind die schwülstigen Skulpturen der ganzen zweiten Kapelle rechts in S. Maria della Pace zu Rom; Simone Mosca arbeitete hier die Ornamente.

Die wahre Sinnesweise der Schule zeigt sich weniger in den kirchlichen als in den profanen Werken, an welchen Florenz für diese Zeit ungleich reicher ist als irgendeine andere Stadt. Selbst das höchst Kolossale, für welches man hier von jeher Geschmack gehabt, ist nicht bloß durch den »Apennin«, sondern auch durch den (lächerlichen) Polyphem im Garten des Pal. Stiozzi-Ridolfi vertreten. Sonst sind es fast lauter Gruppen des Kampfes, zu welchen der antike »Herkules mit Antäus« (S. 475, b) die stärkste Anregung mag gegeben haben. Der genannte Vincenzo del Rossi versah den großen Saal des Pal. Vecchio mit einer ganzen Reihe von Herkuleskämpfen, welche hier nebeneinander trotz aller Bravour und Leidenschaft den Eindruck der vollkommensten Langenweile hervorbringen. Desselben Rossi Liebesgruppe »Paris und Helena«, im Hintergrund jener Grotte des Gartens Boboli, wo sich die vier Atlanten Michelangelos befinden, ist als Arbeit nicht verächtlich, aber im Motiv gemeinVon Rossi ist auch der Matthäus im Dom (rechts unter dem Eingang zum Kuppelraum), die manierierteste aller dort befindlichen Apostelstatuen. Der Thomas (Eingang zum linken Querschiff, links) ist kaum besser. . Wie weit man in der Allegorie ging, beweisen die Statuen des Novelli, Pieratti u. a. in der Grotte hinten am großen Hofe des Pal. Pitti, »die Gesetzgebung, der Eifer, die Herrschaft, die Milde«; Moses, dessen Eigenschaften dies sein sollen, steht (von Porphyr gemeißelt) in der Mitte. – Wie weit man aber vom wirklichen Altertum trotz aller klassischen Gegenstände entfernt war, zeigen die beiden lächerlichen Statuen des Jupiter und Janus von Francavilla, welche in der untern Halle des Pal. Brignole zu Genua stehen. (Derjenige Pal. dieses Namens, welcher dem roten gegenüber an der Str. nuova steht.) Nach den großen Köpfen, kümmerlichen Leibern, forcierten Gewändern und prahlerisch michelangelesken Händen zu urteilen glaubt man einen echten Bandinelli vor sich zu haben.

Neben diesen etwas hohlen und müßigen Schaustellungen, die immerhin ihre Stelle in Nischen oder im Freien wirksam ausfüllen, meldet sich – außer jenen dekorativen Fratzen – bald auch eine eigentliche Genreskulptur, von halb pastoralem, halb possenhaftem Charakter; Figuren von Jacques Callot als Statuen ausgeführt u. dgl. (Garten Boboli usw.) Die künstlerische Nichtigkeit dieser Produktionen verbietet uns jede nähere Betrachtung. Sie haben übrigens eine Nachfolge gefunden, welche noch jetzt nicht erloschen ist und in Mailand ganze Ateliers beschäftigt. (Chargen, auch in moderner Tracht, auf Gartenmauern usw.)

In Rom macht sich in den ersten Jahrzehnten nach Michelangelos Tode nicht eine schwülstige Ausbeutung seiner Ideen, sondern eher eine tiefe Ermattung geltend. Außer den paar Florentinern sind es vereinzelte, wenig namhafte Meister, welche die Altargruppen und die Grabstatuen dieser Zeit fertigen. So Giov. Bau. della Porta, von welchem in S. Pudenziana (hinten links) die Gruppe der Schlüsselverleihung gearbeitet ist; – Giov. Batt. Cotignola, von welchem sich derselbe Gegenstand sehr ähnlich behandelt findet in S. Agostino (vierte Kapelle rechts); – die beiden Casignola, von welchen die thronende Statue Pauls IV. über dessen Sarkophag in der Minerva (Cap. Caraffa) gearbeitet ist, mit tüchtig individuellem Kopfe, sonst gesucht und ungeschickt. Die Papstgräber sind überhaupt um diese Zeit ein interessanter Gradmesser für die kirchliche Intention sowohl als für das künstlerische Können. Mit dem Grabe Pauls III. hört die große Freikomposition von einer Porträtstatue und zweien oder mehrern allegorischen Figuren für längere Zeit auf; die tatenreichen Päpste der Gegenreformation müssen wieder in einer Detailerzählung gefeiert werden, welche wie zur Zeit der Renaissance (S. 581, l usw.) nur durch eine Zusammenstellung vieler Reliefs zu erreichen ist; große Architekturen geben den Rahmen dazu her; eine mittlere Nische enthält das sitzende oder kniende Standbild des Papstes. Dieser Art sind die riesigen Denkmäler Pius' V. und Sixtus' V., Clemens' VIII. und Pauls V. in den beiden Prachtkapellen von S. M. maggiore; die Tendenz, welche hier wieder über die Kunst die Oberhand hat, brachte es bis zur saubern, sorgfältigen Darstellung des vielen; in künstlerischer Beziehung sind diese kostbaren Werke so nichtig, daß wir die Urheber gar nicht zu nennen brauchen. (Einiges Gute am Grabmal Pius' V.) Ein vorzugsweise erzählendes Grabmal von etwas besserer Art ist dasjenige Gregors XI., 1574 von Olivieri verfertigt, in S. Francesca romana, dagegen zeigt dasjenige eines Herzogs von Cleve im Chor der Anima, von dem Niederländer Egidio di Riviere, wiederum nichts als eine gewisse Meißelgeschicklichkeit. – Mit dem Denkmal Urbans VIII. von Bernini kehrt dann jene Freikomposition wieder, aber in einem andern Sinne umgestaltet.

Die parallel stehende genuesische Skulptur der Zeit von etwa 1560–1630 hängt, wie oben (S. 574, a) bemerkt, noch teilweise von den Vorbildern des Civitali, auch von altern Lombarden ab, doch unter starker indirekter Einwirkung Michelangelos. (Zwei Künstlerfamilien, des Namens Carlone; ihre Sachen in S. Ambrogio, S. Annunziata, S. Siro, S. Pietro in Banchi und überall; zugleich die Tätigkeit Francavillas, S. 650, e.) Ob irgendetwas selbständig Bedeutendes vorkommt, weiß ich nicht zu entscheiden, bezweifle es aber. Luca Cambiaso, der sich auch einmal in der Skulptur versuchte, hat in seiner Fides (Dom, Kapelle links vom Chor) das gerade nicht erreicht, was seine Bilder so anziehend macht, deren beste zur Vergleichung danebenstehen.


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