Jacob Burckhardt
Der Cicerone
Jacob Burckhardt

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Es wurde bereits erwähnt, daß die christliche Kirchenbaukunst mehr oder weniger sich dem Vorbild der heidnischen Basiliken anschloß und die von den Tempeln genommenen Säulen zum Bau ihres Innern benützte Die großen Modifikationen, welche den eigentümlichen Wert der christlichen Basilika ausmachen, sind kurz folgende.

1. Das Innere der heidnischen Basilika war ein zwar länglicher, aber auf allen vier Seiten von der Säulenhalle umgebener Raum oder (unbedeckt gedacht) Hof; in der christlichen Kirche wird derselbe zu einem bedeckten Mittelschiff, und die Halle zu zwei oder vier Seitenschiffen, während die Fortsetzung der Halle auf den Schmalseiten (vorn und hinten) wegfällt oder nur vorn und dann in veränderter Bedeutung, als innere Vorhalle, sich behauptet.

2. Die große hintere Nische (Apsis, Tribuna), einst durch die davor hinlaufende Halle teilweise dem Auge entzogen, wird jetzt geradezu das Ziel aller Augen, indem sich darin oder zunächst davor der Altar erhebt. Die Längenperspektive wird damit das Lebensprinzip der ganzen Basilika und damit der meisten abendländischen Kirchen überhaupt.

3. In den wichtigern Basiliken entsteht vor der Nische ein Querschiff von gleicher oder fast gleicher Höhe mit dem Hauptschiff, zur Aufnahme bestimmter Klassen von Anwesenden (Geistliche, Beamte, Matronen usw.). Ein besonderer großer Bogen (der Triumphbogen) auf Säulen bildet den Übergang aus dem Hauptschiff ins Querschiff.

4. Die Errichtung eines obern Stockwerkes, in den heidnischen Basiliken beinahe Regel, wird hier zur Ausnahme (S. Agnese, S. Lorenzo fuori le mura, SS. Quattro Coronati in Rom). Die Obermauer des Mittelschiffes wird teils mit Malereien bedeckt, teils mit großen (jetzt meist vermauerten oder umgestalteten) Fenstern durchbrochen. Die ursprünglichen reichgeschmückten Flachdecken sind sämtlich untergegangen; an einigen Kirchen ist noch das mittelalterliche Sparrenwerk des Daches erhalten; die meisten tragen moderne Decken oder Scheingewölbe.

5. An den Basiliken von Ravenna kommt zuerst regelmäßig die Anordnung von zwei Nebennischen rechts und links von der Hauptnische vor.

6. Die Außenwände blieben meist schlicht und glatt (in Ravenna schüchterne Anfänge einer Einteilung, durch vortretende Wandstreifen mit Rundbogen, auch frühe schon eigentliche Bogenfriese). Was etwa, z. B. von Konsolen am Obergesimse vorkommt, ist von antiken Gebäuden entlehnt. (Apsis von S. Cecilia in Rom.) Die Fassade erhielt eine Vorhalle, wovon unten die Rede sein wird; die Türen hatten wohl in der Regel antike Pfosten; die Obermauer wahrscheinlich eine Dekoration von kostbaren Marmorplatten, auch wohl schon frühe von Mosaik.

7. Im Innern ist die Säulenstellung je älter desto dichter und desto gleichmäßiger (letzteres aus dem Seite 27, f, angegebenen Grunde). Die alte Peterskirche hatte über den Säulen ein gerades Gebälk, der alte Lateran und die alte Paulskirche Bogen; S. Maria Maggiore hat noch ihr gerades Gebälk – sämtlich Bauten des 4. und 5. Jahrhunderts. Von da an überwiegen die Bogen (Ausnahme: das Untergeschoß der alten Kirche von S. Lorenzo fuori) und bilden in Ravenna die ausschließliche Form; erst im 11.–13. Jahrhundert kommt wieder in einzelnen römischen Beispielen (S. Maria in Trastevere, S. Crisogono, die neuere Kirche von S. Lorenzo fuori) das gerade Gebälk und anderwärts sogar der Flachbogen vor (Dom von Narni und Vorhalle der Pensola ebenda).

8. In Rom setzen in der Regel die Bogen unmittelbar über dem Säulenkapitell an; in Ravenna schiebt sich ein trapezförmiges Zwischenstück ein, welches durch seine barbarische Bildung das richtige Grundgefühl wieder verdunkelt, welches hier ein Zwischenglied verlangte. Die Alten hatten wenigstens bei ihren vortretenden Säulen auch das betreffende Gebälkstück vortreten lassen, und als Brunellesco die alte Baukunst wieder zu erwecken suchte, war die Herstellung desselben sein erstes.

Die meisten Basiliken haben so starke Veränderungen erlitten, daß man nur mit Mühe sich den ursprünglichen Eindruck vergegenwärtigen kann. Da diese ganze Bauweise, mit der hohen Obermauer über den Säulen, einem starken Erdbeben nicht leicht widerstand, durch ihr hölzernes Dachwerk den Feuersbrünsten unterworfen war und auch ohne dieses durch ihre eigene Leichtigkeit zum Umbau einlud, so sind gewiß eine Menge Basiliken im Lauf der Zeit eingestürzt oder auseinandergenommen und großenteils mit Benutzung der alten Baustücke wieder zusammengesetzt worden. Außerdem ergaben sich Zu- und Anbauten aller Art, Kapellen, welchen zuliebe alle Wände durchbrochen wurden, neue Apsiden (zum Teil weil man Fenster brauchte), neue Fassaden je nach dem Stil des Jahrhunderts u. dgl. Zuletzt nahm sich nur zu oft der Barockstil dieser baufälligen Kirchen an, schloß ihre Säulen halb oder ganz in seine Pfeiler ein und überzog, was noch vom alten Bau übrig war, »harmonisch« mit seinen Stukkaturen; namentlich waren ihm die alten Decken und gar das sichtbare Sparrenwerk zuwider; im glücklichsten Fall nahmen überreich vergoldete Flachdecken, nur zu oft aber verschalte Gewölbe mit modernen Ornamenten deren Stelle ein. Das Vermauern der Fenster oben im Mittelschiff wurde so zur Regel, daß keine Basilika mehr ihr volles altes Oberlicht genießt. Höchstens den Mosaikboden ausgenommen, wollte kein altchristliches oder mittelalterliches Detail mehr zu dem modernen System der Altäre, der Chorstühle, der Wandmalereien passen; das Alte mußte weichen. So gibt es nun durch ganz Italien eine Menge Kirchen aus dem ersten Jahrtausend und den beiden nächsten Jahrhunderten, welche noch ihre antiken Säulen mehr oder weniger kenntlich aufweisen und auf den sonst als Ehrentitel gebrauchten Namen Basilika der Kunstform halber Anspruch machen, dabei aber einen überwiegend modernen Eindruck hervorbringen.

Wir wollen nur kurz andeuten, wie man die ursprüngliche Gestalt der reichern Basiliken in Gedanken zu restaurieren hat.

Vor allem gehört dazu ein viereckiger Vorhof mit Hallen ringsum, dessen vorderer Eingang nach außen noch eine besondere kleine, gewölbte Halle mit zwei vortretenden Säulen hatte. (Diese kleine Halle erhalten an S. Cosimato in Trastevere – 9. Jahrhundert? – und an S. Clemente, sowie an S. Prassede in Rom – 12. Jahrhundert.) Von den vier Seiten des Portikus bildete die eine den Vorraum der Kirche selbst; in der Mitte des Hofes stand der Weihebrunnen. Erhaltene vierseitige Portiken an den Domen von Capua und Salerno, an letzterm aus dem 11. Jahrhundert, auf schönen und gleichförmigen Säulen von Pästum; in Rom hat nur das späte S. Clemente – 12. Jahrhundert – noch den unversehrten Portikus, teils auf Säulen teils auf Pfeilern; in Mailand stammt die Vorhalle von S. Ambrogio, gewölbt auf Pfeilern mit Halbsäulen, wahrscheinlich aus der Zeit Ludwigs des Frommen. Spätere Klostervorhallen geben eine ziemlich genaue Anschauung von dieser Bauweise. Sehr viele Basiliken hatten indes nur eine Vorhalle längs der Fassade und diese hat sich in manchen Beispielen samt ihrem meist geraden, nicht selten mosaikierten Gebälk erhalten; so z. B. in Rom an S. Cecilia, S. Crisogono, S. Giorgio in Velabro, S. Giovanni e Paolo, S. Gregorio, S. Lorenzo fuori, S. Lorenzo in Lucina, an SS. Quattro Coronati in einem Umbau des 12. Jahrhunderts und an S. Saba mit einem obern Stockwerk; außerhalb Roms z. B. am Dom von Terracina, am Dom von Amalfi (Doppelreihe von Säulen mit normannisch-sarazenischen Spitzbogen und Gewölben); in Ravenna nimmt ein geschlossener und gewölbter Vorbau die Stelle der Vorhalle ein, z. B. am S. Apollinare in Classe.

Von den Fassaden ist vielleicht keine einzige mit ihrem ursprünglichen oder ursprünglich beabsichtigten Schmuck erhalten; denn die Mosaiken, die man an der Fronte von S. Maria Maggiore noch sieht und an derjenigen von S. Paul sah, sind und waren Werke der Zeit um 1300. Wir bleiben auf die oben angegebenen Vermutungen beschränkt.

Im Innern, dessen Ausstattung unverhältnismäßig überwog, wurde vor allem der reichste farbige Schmuck erstrebt, womöglich durch Mosaikbilder, welche die Oberwände des Mittelschiffes, die Wand des Triumphbogens (bisweilen schiffwärts und nischenwärts) und die Apsis samt ihrer Umgebung überzogen. Auch der Boden erhielt Mosaikornamente (die freilich in ihrer jetzigen Gestalt meist erst aus dem 11. und den folgenden Jahrhunderten stammen, wovon unten), und die Wände der Seitenschiffe wenigstens unten einen Überzug mit kostbaren Steinarten aus den Ruinen des alten Roms. Die baulichen Details mußten neben der starken Farbenwirkung dieses Schmuckes, namentlich auch des Goldgrundes, Wirkung und Wert verlieren und sich bald auf das allernötigste beschränken. Die Kapitelle wurden, wo man keine antiken vorrätig hatte, bisweilen aus orientalischen Bauhütten bezogen; namentlich in Ravenna wird man oft einem sonderbar umgestalteten korinthischen Kapitell mit kraftlosem aber zierlich geripptem und ausgezacktem Blattwerk begegnen, dessen Stoff – proconnesischer Marmor von der Propontis – seine Herkunft verrät. (5. und 6. Jahrhundert.) Hart daneben tritt aber auch ein schon ganz lebloses, muldenförmiges Kapitell auf, in welches kalligraphische Zieraten bloß flach eingemeißelt sind, und welches sich unter dem oben bezeichneten trapezförmigen Aufsatz besonders roh ausnimmt. (Jetzt in manchen Basiliken neue Kapitelle und Gesimse von Stucco über den alten.)

Die große perspektivische Wirkung des Ganzen war nicht zu jeder Zeit, sondern nur in besonders feierlichen Augenblicken zu genießen, indem eine unglaubliche Masse von Vorhängen die einzelnen Räume voneinander abschloß. Dieselben begannen schon mit der kleinen äußern Vorhalle (an derjenigen von S. Clemente und anderswo sind noch einige Ringe an der eisernen Stange sichtbar), umzogen dann den ganzen vierseitigen Portikus, teilten das Hauptschiff zwei- bis dreimal in die Quere, gingen an den Kolonnaden von Säule zu Säule und machten vollends den Altarraum zu einem unsichtbaren Allerheiligsten. Am Tabernakel mancher Altäre sind überdies noch besondere Stangen und Ringe von den ehemaligen Vorhängen zu bemerken, welche alle vier Seiten des Altars zu verhüllen bestimmt waren. Die Querbalken und Stangen, welche dieses oft kostbar gestickte Tuchwerk trugen, scheinen laut den Nachrichten mit Heiligenbildern geschmückt gewesen zu sein; außerdem dienten sie wohl auch dem Bau selber als Verankerungen oder Schlaudern.

Von den einzelnen Ziergegenständen, den Thronen, Lesepulten, Predigtkanzeln, Osterkerzensäulen usw., ist das meiste erst seit dem 11. Jahrhundert gearbeitet (siehe unten). Wir müssen hier nur zwei Dinge erwähnen, welche ihre bleibende Gestalt schon in altchristlicher Zeit erhalten haben mögen. Zunächst die Altäre, deren bis ins 9. Jahrhundert jede Kirche nur einen hatte. Sie sind sämtlich so eingerichtet, daß der Priester dahinter steht und sich mit dem Angesicht gegen die Gemeinde wendet. Über ihnen erhebt sich mit vier Säulen (wozu man immer die kostbarsten Steine nahm, die zu haben waren) der Tabernakel, dessen oberer Teil oder Baldachin einen besondern kleinen Zierbau bildet (obere Säulchenstellung, kleine Kuppeln u. dgl. auch wohl einfache Giebel). Alte Beispiele sind in S. Lorenzo fuoriDas Grabmal Lavagna, rechts von der Haupttür derselben Kirche, besteht aus einem ganz ähnlichen Tabernakel (über einem antiken Sarkophag), vielleicht erst vom Jahr 1256. und in S. Giorgio in Velabro zu Rom erhalten; ein späteres in S. Clemente; eines aus dem 9. Jahrhundert in S. Apollinare in Classe bei Ravenna (im linken Seitenschiff), und eines aus dem 12. Jahrhundert (wenn nicht älter) in S. Anastasia zu Rom; auch die zwei Seitenaltäre des Domes von Terracina haben noch ihre ursprüngliche Form (12. Jahrhundert?). An sehr vielen Altären aber sind nur noch die vier Säulen alt.

Sodann war die Einrichtung des sog. Chorus, welche nur noch in S. Clemente zu Rom deutlich erhalten ist, eine Eigentümlichkeit der alten kirchlichen Anordnung, wenn auch nicht der urchristlichen. Ein viereckiger Raum gegen Ende des Mittelschiffes, um eine oder wenige Stufen erhöht und mit marmornen Schranken umschlossen, diente zur Aufstellung der psallierenden PriesterschaftVielleicht doch nur in Kirchen ohne Querschiff als Ersatz dafür gebräuchlich? ; an seinen beiden Seiten waren die Lesepulte (Analogia) angebracht, links (vom Altar aus gerechnet) dasjenige für die Epistel, rechts dasjenige für das Evangelium.

Überblickt man das Ganze dieser neuen Kunstschöpfung, so fehlt ihr wesentlich das organische Leben, welches die Glieder eines Baues in einen harmonischen Zusammenhang bringen soll. Die Benutzung antiker Baureste, an die man sich einmal gewöhnt hatte, ersparte zudem den folgenden Baumeistern die eigenen Gedanken, und so bleibt ihre Kirchenform bis ins 13. Jahrhundert stationär, während in über Italien und im Norden schon langst entscheidende neue Bauprinzipien in Übung sind und während die verfügbaren antiken Säulen usw. bereits auf das empfindlichste abnehmen. Die einzige wesentliche Veränderung in dieser langen Zeit besteht in einem stärkern Verhältnis der Höhe zur Breite in den römischen Basiliken des zweiten Jahrtausends. Rom überließ es dem Ausland, aus dem großen urchristlichen Gedanken des perspektivischen Langbaues die weitern Konsequenzen zu ziehen. Nach einer Reihe von Umbildungen, die in der Kunstgeschichte zuerst nach Jahrhunderten, später nach Jahrzehnten nachzuweisen sind, ging aus der Basilika ein Kölner Dom hervor.

Wenn nun aber auch dieser Bauform jede eigentliche Entwicklung fehlt, wenn sie die antiken Überbleibsel in einem ganz andern Sinne aufbraucht, als für den sie geschaffen sind, so gibt sie doch große, einfache Motive und Kontraste. Die kolossale halbrunde Nische als Abschluß des quadratischen Ganzen und des langen geraden Hauptschiffes hatte vielleicht in keinem antiken Gebäude so hochbedeutend wirken dürfen. Überdies lernt man den Wert großer antiker Kolonnaden, welche ja fast sämtlich diesen und ähnlichen Zwecken aufgeopfert wurden, geradezu nur aus den christlichen Basiliken kennen. Wer Sanct Paul vor dem Brande mit seinen vier Reihen von je zwanzig Säulen phrygischen und numidischen Marmors gesehen hat, versichert, daß ein architektonischer Anblick gleich diesem auf der Welt nicht mehr vorhanden sei.

Nicht unwesentlich für die Größenwirkung erscheint es auch, daß alle Zierbauten im Innern, der Altar samt Tabernakel, die Kanzeln, Pulte usw. ziemlich klein gebildet wurden, d. h. nicht größer als der Gebrauch es verlangte. Die Dekoration der Barockzeit glaubte diese Stücke in einem vermeintlichen »Verhältnis« zu der Größe des Baues bilden zu müssen, während sie doch nur zu der Größe des Menschen, der sie bedienen, besteigen usw. soll, in einem natürlichen Verhältnis stehen. Berninis Riesentabernakel in S. Peter, die Riesenkanzeln im Dom von Mailand und andere Verirrungen dieser Art werden dem Reisenden nur zu nachdrücklich in die Augen fallen.

Von den Basiliken Roms zählen wir hier nur diejenigen auf, in welchen das Ursprüngliche noch kenntlich vorherrscht.

S. Paul (4. Jahrhundert) wird mit seinen jetzigen Säulen von Simplongranit und mit seinen höchst kolossalen Verhältnissen das wesentliche des Eindrucks einer Basilika ersten Ranges immer am getreusten wiedergeben, leider getrübt durch die höchst willkürliche moderne Dekoration des Querschiffes (und, wir fürchten, auch des Langbaues, wenn derselbe vollendet sein wird). Man halte sich an die Räumlichkeit und die Hauptformen.

S. Maria maggiore (5. Jahrhundert) mit wahrscheinlich eigens gearbeiteten, nicht entlehnten ionischen Säulen und geradem Gebälk. Die Pilaster der Oberwand sind in ihrer jetzigen Gestalt und vielleicht überhaupt modern, die Apsis im 13. Jahrhundert umgebaut. Die schöne, feierliche Wirkung beruht wesentlich auf dem ausschließlichen Oberlicht. Die (beste vorhandene) Renaissancedecke vom Ende des 15. Jahrhunderts.

S. Sabina (5. Jahrhundert) ebenfalls von schönem, ursprünglichem Eindruck, der nur wenig gestört wird. Die Vorhalle gegen das Kloster hin im 12. Jahrhundert so gestaltet, wie sie jetzt ist.

S. Pietro in vincoli (5. Jahrhundert) hat durch den Umbau der Obermauer des Mittelschiffes seine alte Herrlichkeit eingebüßt, von der noch die mächtige Apsis und die Anordnung des Querschiffes Zeugnis geben. – S. Prisca (5. Jahrhundert?) zeigt wenigstens noch die alte Disposition. San Lorenzo fuori le mura gewährt in seinem altern Teil (6. Jahrhundert) zunächst eine reiche Sammlung antiker Baufragmente selbst aus der besten Zeit. Diese ältere Kirche, zweistöckig, unten mit geradem Gebälk, oben mit Bogen, hatte ihre Nische da, wo im 13. Jahrhundert die neuere Kirche, welcher sie jetzt als Chor dient, angebaut wurde. Bei diesem Anlaß wurde ihr ursprünglicher Boden, der sonst tiefer als die neue Kirche gelegen ist, beträchtlich erhöht und mit Balustraden im sog. Cosmatenstil (s. unten) versehen. Der Wert ist wesentlich ein malerisch-phantastischer.

S. Agnese, eine Miglie vor Porta Pia (7. Jahrhundert) gibt den Eindruck einer Basilika mit Obergeschoß am schönsten und reinsten; die Halle ist hier wie in S. Lorenzo als notwendiger Verbindungsgang für das obere Stockwerk auch vorn herumgeführt. Unter den antiken Säulen sind zwei mit vielfach profilierter Kannelierung auffallend. – Als Ganzes eines der besten Gebäude des frühern Mittelalters, so daß die Abwesenheit alles organischen Lebens in Gesimsen u. dgl. gerade hier am deutlichsten fühlbar wird. S. Giorgio in Velabro (7. Jahrhundert), auf 16 Säulen; die Vorhalle angeblich 9., eher 12. Jahrhundert.

SS. Quattro Coronati; von dem Bau des 7. Jahrhunderts ist noch die gewaltige Nische ein Zeugnis; nach einer Zerstörung im Jahre 1085 rückte man im 12. Jahrhundert die Säulen der einst ziemlich großen Kirche enger und kürzer zusammen und errichtete ein oberes Stockwerk, das sich in Logen gegen das jetzige Hauptschiff öffnet. Reste der alten Kolonnade kamen so in den Vorhof zu stehen. – S. Giovanni a Porta Latina (8. Jahrhundert) unbedeutend. – S. Maria in Cosmedin (8. Jahrhundert) weniger durch die schon kümmerlichen Verhältnisse als durch die in Hauptmauern und Vorhalle verbauten Tempelreste merkwürdig, sowie durch eine Krypta, welche eine ältere Kirche zu sein scheint.

Die große Kirche Araceli auf dem Kapitol, aus unbekannter Zeit, doch der ziemlich gleichmäßigen Säulen wegen wohl noch aus dem ersten Jahrtausend. Mit den Zutaten aus allen späteren Zeiten zwar von bunter, aber noch immer imposanter Wirkung.

S. Lorenzo in Borgo vecchio hat mir noch die antike Säulenstellung.

SS. Nereo ed Achilleo (um 800), mit achteckigen Pfeilern, die indes vielleicht erst im 16. Jahrhundert die Stelle der alten Säulen einnahmen; um der Zutaten willen (alte Altäre, Schranken, Nischensitz, Kandelaber, Mosaik) immer sehenswert.

S. Marco (9. Jahrhundert) sehr modernisiert; die Vorhalle von Giul. da Majano; die Decke ebenfalls einfach schöne Renaissance. – S. Maria della Navicella (9. Jahrhundert); für diese Zeit von guten Verhältnissen; die Vorhalle von Raffael; der grau in grau gemalte Fries im Innern von Giulio Romano und Perin del Vaga.

S. Martino ai Monti (9. Jahrhundert), eine der prächtigsten Basiliken Roms, mit geradem Gebälk, aber in ihrer jetzigen Gestalt wesentlich ein Werk des 17. Jahrhunderts; namentlich ist das Gebälk über den Säulen stark überarbeitet. – Die links vom Chor gelegene, jetzt fast unterirdische Pfeilerhalle soll vom heil. Sylvester zur Zeit Konstantins als Kirche erbaut sein, woran zu zweifeln ist.

S. Saba (wahrscheinlich 9. Jahrhundert) mit rätselhaften Anbauten und doppelter Vorhalle.

S. Prassede (9. Jahrhundert), ein merkwürdiger Versuch, in das Organische einzulenken; große Backsteinbögen überspannen das Mittelschiff; dazwischen je drei Intervalle und zwei Säulen mit geradem Gebälk. Der Vorbau, sehr entstellt, hat doch noch seinen kleinen Außenportikus.

S. Niccolò in Carcere, aus unbekannter Zeit; merkwürdig durch die hineinverbauten Reste dreier Tempel. (Neuerlich fast von Grund aus restauriert.) – S. Bartolommeo auf der Tiberinsel (um 1000) hat fast nichts Ursprüngliches mehr als die Säulen.

S. Clemente, in seiner jetzigen Gestalt aus dem 12. Jahrhundert, ist als Basilika unbedeutend, aber durch die vollständige Erhaltung der Vorhalle und der Anordnung des Innern (Chorus, Lesepulte, Altar und Schmuck der Nische) von klassischem Werte. Das Rankenwerk der Apsis, hier auf Goldgrund, ist indes nur ein Nachklang des unten zu erwähnenden, in der Vorhalle des lateranischen Baptisteriums.

S. Maria in Trastevere (12. Jahrhundert) mit geradem Gebälk auf ungleichen Säulen (vgl. S. 28) und mit erhöhtem Querschiff; als historisches Architekturbild von großer Wirkung, zumal im Nachmittagslicht.

S. Crisogono (12. Jahrhundert), desgleichen mit geradem Gebälk; trotz starker Erneuerungen ein edler Raum, der den Basilikenbau von der guten Seite zeigt.

Der Neubau von S. Lorenzo fuori le mura (Anfang des 13. Jahrhunderts), welchem der alte Bau als Chor dient; – ebenfalls gerades Gebälk; bedeutende Dimensionen; ohne Zweifel ein Werk der äußersten Anstrengung, weil es sich um eine der Patriarchalkirchen handelte, und somit maßgebend für die römische Kunst unmittelbar nach Innozenz III. – Die Vorhalle sehr geräumig und für starken Besuch berechnet.

Wie wenig man sich aber zu helfen wußte, wenn keine Säulen mehr vorrätig waren, zeigt die gleichzeitige Kirche SS. Vincenzo ed Anastasio alle tre fontane, eine halbe Stunde außerhalb S. Paul. Es gibt aus jener Zeit, welche in Toskana ein Baptisterium von Florenz, ein S. Miniato schuf, vielleicht gar kein mißgeschaffeneres Gebäude als diese Pfeilerkirche. (Die Fenster sind mit Marmorplatten verschlossen, welche Reihen kleiner runder Öffnungen enthalten.)

Wo der gänzliche Mangel an antiken Säulen die Baumeister schon frühe genötigt hatte, mit eigenen Mitteln das mögliche zu leisten, da erscheinen sie viel selbständiger. Und zwar bis an die Tore von Rom. Die Kathedrale von Viterbo (12. Jahrhundert?) mit eigens gefertigten, gleichmäßigen und stattlichen Säulen, bringt auch wieder einen eigentümlichen Eindruck hervor; vollends steht die schöne S. Maria in Toscanella (1206) an Schwung der Formen den edlern toskanischen Bauten parallel. (Andere Basiliken freilich, in Viterbo selbst, in Montefiascone, Orvieto, Foligno usw. sind sehr formlos und rohMit dicken, stämmigen Säulen, schmalen Mittelschiffen, starken Intervallen und schießschartenähnlichen Oberfenstern, also den unten zu nennenden roheren toskanischen Basiliken verwandt. Das steinerne Dachgesimse bisweilen schon von eleganter und kräftiger Bildung, während es in Rom noch Null ist. ; der Dom von Narni und die Vorhalle der dortigen Kirche Pensola haben die schon erwähnten wunderlichen Flachbogen.)

Die Campanili (Glockentürme) mehrerer Basiliken und auch späterer Kirchen Roms gewinnen durch ihre schöne landschaftliche Wirkung einen höhern Wert als durch ihre Kunstform. Auch sie sind oft aus antiken Trümmern errichtet; manche Simse, welche die einzelnen Stockwerke scheiden, die Säulchen, welche die meist dreibogigen Fenster stützen, auch die Platten von Porphyr, Verde antico u. dgl., welche als harmlose Verzierung in die Wände eingelassen sind und von dem sonstigen Ziegelwerk wunderlich abstechen, sind aus den Ruinen des alten Roms entlehnt. Hier und da entwickelt sich aus dem Backsteinbau selbst durch Verschränkung und Schrägstellung der Ziegel ein neues primitives Gesimse. Von irgendeiner Verjüngung oder organischen Entwicklung ist keine Rede, kaum hier und da von einem Vortreten der Ecken. Der Effekt hängt wesentlich von der Umgebung ab, und es ist kritisch, das Motiv ohne weiteres auf andern Boden zu verpflanzen. (Die interessantesten: an S. Maria in Cosmedin, S. Giovanni e Paolo usw. Das Motiv im Geist der Renaissance umgedeutet: an S. Spirito.)

Unter den Basiliken Ravennas ist seit dem Umbau des Doms nur eine von erstem Rang übrig:

S. Apollinare in Classe, eine starke Miglie vor der Stadt, begonnen nach 534, geweiht 549, also aus der Zeit des Unterganges der Ostgotenherrschaft. Sie vereinigt alle bezeichnenden Eigenschaften der ravennatischen Basiliken: den geschlossenen Vorbau statt der Vorhalle, die äußere Einteilung der Wände mit Bogen und Mauerstreifen, die für Ort und Stelle gearbeiteten, nicht entlehnten Säulen, die Abwesenheit des Querschiffes, den runden isolierten Turm. Vor allem aber ist es ein herrlicher, weiträumiger Bau, die Säulen von grauem, weißgeadertem Marmor mit einer eigentümlichen Art von Composital-Kapitellen, die sonst an den wenigen erhaltenen Säulen der Herkulesbasilika (auf dem großen Platz in Ravenna) vorkommen; die Piedestale mit einer rautenförmigen Verzierung. In der Tribuna ist noch ringsum das Gesimse mit Blätterfries erhalten, das keine größere römische Kirche mehr in echter Gestalt aufweist. (Die zwei Seitentribünen scheinen neuer.) Die Details im Schiffe beträchtlich modernisiert; der sichtbare Dachstuhl noch aus dem frühern Mittelalter.

Von den übrigen Basiliken sind mehr oder weniger erhalten:

S. Agata (417). mit einer Tribuna, schon sehr byzantinischen Kapitellen, einer durch einen Bogen vom Schiff getrennten innern Vorhalle, äußerm Vorbau und rundem Turm.

S. Giovanni Evangelista (425), bedeutend erneuert, zumal der Hinterbau; die Kapitelle hier vielleicht von einem altern Gebäude, gut korinthisch; eine Krypta (ursprünglich?).

S. Francesco (um 450), mit drei Tribunen, die Kapitelle modern.

Am Dom hat der Umbau des vorigen Jahrhunderts (in tüchtigem Barockstil) die ehemalige fünfschiffige Basilika gänzlich zerstört, den alten isolierten Rundturm aber verschont.

S. Maria maggiore, sehr verbaut, mit rundem isoliertem Turm.

S. Teodoro (oder S. Spirito), aus der Zeit Theodorichs des Großen, beim Baptisterium der Arianer (s. unten). – Die schon erwähnte Herkulesbasilika war, nach den Überresten zu urteilen, wohl kein kirchliches Gebäude.

S. Apollinare nuovo, die bedeutendste Basilika in der Stadt, mit rundem Turm; die Nebentribünen verbaut; die 24 Säulen aus Konstantinopel mit besonders bezeichnenden, fast ganz gleichen Kapitellen; das Gesimse über den Bogen alt. Großartiges, trefflich erhaltenes Mosaikensystem an den Obermauern des Mittelschiffes.

Später und schon mehr mittelalterlich als diese ravennatischen Kirchen: der Innenbau von San Frediano in Lucca (7. Jahrhundert?), ursprünglich fünfschiffig, jetzt durch Kapellen verengt. Die Kapitelle teils aus römischer Zeit, teils den römischen ohne Verwilderung nachgebildet, mit dünner Platte; die Bogen noch ohne Überhöhung. Der auffallend hohe Oberbau, die Fassade und die jetzige Tribuna werden einem Umbau des 12. Jahrhunderts wohl mit Recht zugeschrieben, allein die beiden letztern mit ihren geraden Gebälken über den Wandsäulchen, und die Außenseiten der Nebenschiffe mit ihren Konsolen und Wandstreifen (statt Bogenfriesen und Pilastern) weichen so weit von dem pisanisch-lucchesischen System des 12. Jahrhunderts ab, daß man annehmen dürfte, der Umbau habe etwa die Formen der alten Kirche reproduziert. Gerade diese abweichenden Elemente sind aber das Wohlgefälligste am ganzen Gebäude und ein vielleicht fruchtbringendes Motiv für unsere Baukunst. Schon Brunellesco hat die genannte Einteilung der Seitenwände an der Kirche der Badia bei Fiesole unverhohlen nachgeahmt.

Der Innenbau von S. Micchele in Lucca gilt ebenfalls für sehr alt (8. Jahrhundert), wenigstens sind die Säulen und Kapitelle noch denen von S. Frediano ähnlich behandelt.

Der Dom von Triest, eine ausgedehnte, ziemlich unscheinbare Basilika (6. Jahrhundert?), lohnt doch die Mühe des Besteigens wegen der eigentümlichen Verbindung der Kirche mit dem Baptisterium und einem andern alten Anbau und wegen der Mosaiken. Sodann schlummert hier, hoch über dem Adriatischen Meer, zwischen den Akazienbüschen die Asche desjenigen Mannes, welchem die Kunstgeschichte vor allen andern den Schlüssel zur vergleichenden Betrachtung, ja ihr Dasein zu verdanken hatWinckelmann (Anm. des Verlags). .

Wir schließen noch eine Anzahl von Basiliken hier an, welche mit Ausnahme ihrer antiken Säulen nicht mehr viel kenntliches Altertum aufweisen; vielleicht ist selbst die jetzige Aufstellung der Säulen nicht mehr durchgängig die der ursprünglichen Kirchen.

S. Alessandro in Fiesole, hat nur noch seine ionischen Säulen; angeblich 6. Jahrhundert.

S. Pietro de' Cassinensi in Perugia, ebenfalls ionisch und stark verändert.

Der Dom von Terracina, mit modernisierten Kapitellen; Vorhalle mit ionischen, durch Pfeiler verstärkten, auf Doppeltieren ruhenden Säulen, über welchen ein Mosaikfries und über diesem offene Spitzbogen (12. Jahrhundert?). Der Glockenturm mit Säulchenstellungen bekleidet, welche kleine Spitzbogen tragen; ähnlich ein Turm in Velletri. Der Dom von Sessa (bei S. Agata), mit korinthischen Säulen und einer gewölbten Vorhalle auf Pfeilern. Am mittlern der drei Bogen sind in der Hohlkehle biblische Geschichten eingemeißelt; ein schwacher Nachklang nordischer Portalbauten.

Der Dom von Capua, mit dem schon erwähnten stattlichen Vorhof, dessen Bogen auf antiken korinthischen Säulen ruhen. Im Innern Basilika mit geradem Gebälk; korinthische Kapitelle aus christlicher Zeit, an die ravennatischen erinnernd. Unter dem Chor eine merkwürdige Krypta mit einem Grab Christi, offenbar erst aus der Zeit der Normannen und der Kreuzzüge.

Sodann die erweislich erst normannischen Basiliken:

Der Dom von Amalfi, als malerischer Gegenstand bedeutender denn als Kunstwerk; die Säulen des Innern zu Pfeilern modernisiert. Die phantastische Vorhalle (überhöhte Spitzbogen mit Gewölben auf antiken Säulen), der Turm und der Kreuzgang sind kleine Spezimina jenes normannisch-sarazenischen Stiles, von welchem der Dom von Monreale in Sizilien das Prachtbeispiel ist. Der Spitzbogen ist hier als rein dekoratives Element von den Sarazenen entlehnt, noch nicht wie später im Norden aus konstruktiver Notwendigkeit erwachsen. Die Krypta reich modernisiert.

Der Anbau links am Dom von Neapel, die alte Kirche S. Restituta, eine Basilika mit Spitzbogen; vielleicht ist die Tribuna und jedenfalls ein Gewölbe daneben rechts (das alte Baptisterium) aus viel früherer Zeit, das letztere noch mit Mosaikresten etwa des 7. Jahrhunderts.

Als Roberts Guiscard den Dom von Salerno baute (um 1070), fanden sich wahrscheinlich keine Säulen vor, welche der beabsichtigten Größe und Pracht genügt hätten; die Kirche wurde auf Pfeilern mit Ecksäulen errichtet. (Bis ins Unkenntliche modernisiert, auch die große Krypta; von den drei Tribünen nur eine besser erhalten.) Der Vorhof mit überhöhten Bogen auf den schönen Säulen von Pästum; der Turm daneben mit Ecksäulen wie derjenige zu Amalfi. Unsere Aufzählung (die nur die wichtigern Kirchen umfaßt) muß da innehalten, wo die Benutzung der antiken Säulen aufhört. Sobald man die Säulen besonders arbeiten und zusammensetzen muß, beginnt von selbst ein anderer Stil, dessen Anlange roh aussehen, gleichwohl aber eine Befreiung vom schwersten stofflichen Zwang mit sich führen.


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