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Die Ereignisse folgten sich jetzt Schlag auf Schlag, kaum vermag ich sie alle zu berichten! Das erste, was mir der Himmel sandte, war ein wunderbares Glück, das mich auf den Gipfel aller Erdenwonne hob: die Wiederkehr meiner geliebten Lorna. Mit strahlenden Augen und fröhlichem Lächeln, lustig wie ein Vogel, der dem Käfig entflohen, sprühend vor Leben und Gesundheit, trat meine Herzenskönigin bei uns ein. Sie wollte alles sehen und jeden begrüßen, sogar die alte Katze hatte sie nicht vergessen. Das ganze Haus erfüllte ein Freudenglanz, wie wenn die Sonne aufgeht nach dunkler Nacht.
Mutter saß im Lehnstuhl und vergoß Thränen der Rührung, sogar Lieschen erwärmte sich beim Anblick von Lornas Schönheit und ich war völlig berauscht vor Entzücken.
»Gottlob, daß ich wieder bei Euch bin,« rief mein Herzlieb einmal über das andere. »Wie süß duftet der Ginster auf dem Moor, wie reizend sind die Primeln in Gras und Hecken! Kein Zweifel, ich bin für das Landleben geschaffen. Ja, glaube es nur Lieschen, hier ist mein wahrer Beruf, so gut wie der deine ist, Siegesberichte zu schreiben und eine Soldatenbraut zu werden. – Aber, du erkundigst dich gar nicht, liebe Mutter, was mich eigentlich herführt, und auch John getraut sich nicht um Auskunft zu bitten, trotz seines großen Wappens! Ich wollte es Euch erst morgen sagen, aber ich kann nicht länger schweigen, es muß heraus! So hört denn: ich brauche nach niemand mehr zu fragen und bin meine eigene Herrin!«
Mutter schaute verwundert drein, als verstehe sie den Sinn der Worte nicht; ich aber rief frohlockend: »Das soll nicht lange so bleiben; jetzt wirst du meine Gebieterin und ich will dein Herr sein.«
»Du sprichst frei heraus, John, und verbirgst deine Herzensmeinung nicht, wie es sonst wohl Brauch ist in solchem Fall. Aber was sein muß, läßt sich nicht ändern.« Dabei warf sie sich mir zugleich lachend und weinend an die Brust.
Spät abends, als sich alle zur Ruhe begeben hatten, saß ich noch am Kamin, rauchte eine Pfeife köstlichen Tabaks, den mir Lorna mitgebracht, und versuchte mein Glück zu begreifen, um das mich Fürsten und Könige kecklich beneiden durften. Denn die edelste, schönste und vornehmste Jungfrau im ganzen Lande hatte mir ihr Herz geschenkt, als ob meinesgleichen nirgends zu finden wäre. Ich sann lange darüber nach, während sich die Rauchwölkchen in der Luft kräuselten und verschwanden. »Was hab' ich denn gethan,« dachte ich, »um ein so stolzes Los zu verdienen? Das kann doch sicherlich nicht von Dauer sein!« Da ich mir nun keinen andern Rat wußte, als mein Vertrauen auf Gott zu setzen, stellte ich ihm die Zukunft anheim und suchte mein Lager auf. Im Traum aber sah ich, wie Engel das Dach umschwebten, unter dem meine Lorna ruhte.
Am nächsten Morgen war Lorna noch vor mir auf; ich fand sie im Geflügelhof, wo sie allen Hennen nachlief und sie bei Namen nannte. Ich hielt mein Lieb fest, bot ihr den Morgengruß und fühlte mich stolz und glücklich über alle Maßen.
Graf Brandirs alter Hausmeister, in dessen Schutz und Geleit meine Braut die Reise gemacht hatte, glaubte, sie habe den Verstand verloren und konnte sich des Mitleids nicht erwehren, als er unser niederes Haus sah und die Einfachheit seiner Bewohner. Lorna dagegen fand es höchst thöricht von dem würdigen Herrn, daß er Rang und Reichtum für den Inbegriff alles Erdenglücks hielt.
Bald nach meiner Abreise von London war Graf Brandir an einem Herzleiden gestorben. Lorna beweinte ihren gütigen Onkel, sagte sich aber, daß ihm die ewige Ruhe wohl zu gönnen sei. Ihr Geschick hing nun ganz von Lord Jeffreys ab, dem Vorsitzenden des Kanzleigerichts, dessen Mündel sie war. Dieser hohe Herr, dem nichts verborgen blieb, denn er war so neugierig wie ein altes Weib, hatte unter anderm erfahren, daß das reiche und wohledle Fräulein Lorna alle vornehmen Freier abwies, weil sie dem einfachen Landmann, John Ridd, Herz und Hand zugesagt hatte. Als nun Lord Jeffreys, der sich hierüber mit Lorna zu besprechen wünschte, sie eines Tages selbst aufsuchte, benutzte mein kluges Mädchen die Gelegenheit und schmeichelte ihm mit so goldenen Hoffnungen, daß der Lord, in seiner bekannten Geldgier, mit beiden Händen zugriff. Gegen Auszahlung einer bestimmten Summe – deren Betrag ich nicht nennen will – gab er seinem schönen Mündel die verbriefte und versiegelte Erlaubnis, den getreuen Ritter, John Ridd, zu heiraten, falls Seine Majestät nichts dawider habe.
Der König hielt mich für einen guten Katholiken, erinnerte sich auch gnädig des Dienstes, den ich dem Staat geleistet hatte, und da überdies die Königin, aus Liebe zu Lorna, zu meinen Gunsten sprach, gab er ohne Zögern seine Einwilligung. Er stellte nur die Bedingung, daß Lorna, sobald sie mündig geworden sei, der Krone eine hohe Abgabe zahle. Dies Geld ist jedoch nie in die Schatzkammer gelangt, da König Jakob bald darauf aus dem Reiche vertrieben wurde.
Uns beiden lag damals nichts an Gold und Goldeswert. Lorna sagte mir mit dem lieblichsten Lächeln von der Welt: wenn ich sie heiraten wolle, müsse ich sie ohne Mitgift nehmen. Sie sei entschlossen, am Tage ihrer Mündigkeit, ihren großen Grundbesitz, der für die Frau eines Landwirts nicht passe, den nächsten Erben abzutreten. Das war stets mein Wunsch gewesen, ich hatte es nur nicht selbst vorschlagen mögen. Mutter aber machte ein sehr ernstes Gesicht und sprach die Hoffnung aus, daß wir in drei Jahren klüger sein würden; vielleicht hätten wir dann auch für andere zu sorgen. Mit Gräfin Lornas Vermögen könnte man ja, wenn sich die Gelegenheit böte, Nachbar Snowes Gut kaufen und mit dem unsrigen vereinigen. Mein Vater habe das längst im Plan gehabt, schon damit man den Bach nicht abzudämmen brauche.
Der Gedanke war so übel nicht, denn des Nachbars Weide hatte saftigeres Gras als unsere und nährte mehr Schafe und Rinder, auch verkaufte er seine Butter auf dem Markt stets um drei Heller das Pfund teurer als wir, was uns oftmals kränkte.
Doch Nachbar Nicklas war gesund und rüstig; er konnte noch zwanzig Jahre leben – wie wir alle hofften. Heiratete nun gar ein tüchtiger Landmann vielleicht eine der hübschen Töchter, so wurde das Gut schwerlich jemals verkauft. Diese Möglichkeit war keineswegs ausgeschlossen, und so bat ich denn Lorna, zu thun was sie wolle, oder vielmehr, sich Zeit zur Überlegung zu gönnen, denn im Augenblick durfte sie noch über nichts verfügen.
Der Hochzeitstag ward nun endlich festgesetzt; unser Sehnen sollte gestillt werden und der langen Wartezeit ein Ende gemacht. Lornas Schönheit hatte sich zu voller Blüte entfaltet, ihr kindlicher Frohsinn, der sich oft mit neckischer Laune und Mutwillen paarte, gab ihrem Wesen einen immer neuen Reiz. Es war als wolle ihre überreiche Natur sie jetzt für alles entschädigen, was sie während einer traurigen, einsamen Kindheit vermißt und entbehrt hatte. Zuweilen jedoch, wenn mein Lieb mit mir allein war, überwältigte sie plötzlich, mitten in der Fülle des Glückes, eine unbestimmte Furcht; mit laut klopfendem Herzen flüchtete sie sich, wie Schutz suchend, in meine Arme und schmiegte sich dicht an mich, als drohten feindliche Gewalten sie mir zu entreißen.
Ihre Angst blieb nicht ohne Wirkung auf mich; auch mir bangte vor künftigem Unheil, und je näher die Zeit unserer Hochzeit kam, ein um so wachsameres Auge hatte ich auf meine Lorna. Die Knechte mochten sehen, wie sie ohne mich mit der Arbeit fertig wurden; ja ich kümmerte mich weder um unsere kranke Kuh, noch um die jungen Schweine im Hof, und die Bohnen verdarben auf dem Felde. Zwar hätte ich jetzt besser als je für Acker und Vieh sorgen mögen, schon um des Geredes der Leute willen. Die meisten glaubten nämlich, ich wolle zu hoch hinaus, seit ich das Wappen führte, zum Ritter geschlagen war und ein vornehmes Fräulein liebte. Andere dagegen tadelten mich, daß ich nach wie vor mit eigener Hand die Pflugschar lenkte und die Gäule durch Pfeifen und Zuruf vorwärts trieb, als sei ich nie an des Königs Hof gewesen.
Weit mehr noch aber beschäftigte sich alle Welt mit John Ridd, als er Hochzeit halten wollte. Man sagte, die Leute würden aus weiter Ferne kommen, um mich und meine schöne Braut zu sehen.
Mutter traf alle Vorkehrungen aufs beste und ganz nach ihrem Sinn. Meine beiden Schwestern, sämtliche Snowes, sowie Ruth Huckaback, die sich auch hatte bewegen lassen, das Fest mitzufeiern, rauschten in prächtigen Gewändern einher, so daß ich kaum Platz für meine Füße fand. Lornas Brautkleid war weiß und duftig, mit lavendelfarbenen Schleifen verziert, weil sie noch um den Grafen Brandir trauerte. Ich stand wie geblendet von ihrer Schönheit und wagte kaum sie anzusehen, als sie aus einem Kirchstuhl zu mir trat, meine linke Hand in ihre bebende Rechte nahm und wir zusammen nach dem Altar schritten. Ihr war wohl bange zu Mut, doch sah man es ihr nicht an; ich selbst verzog keine Miene in dem ernsten, feierlichen Augenblick; nur ein Stoßgebet sandte ich gen Himmel, daß alles glücklich von statten gehen möge.
Als nun das Gelöbnis gesprochen, die Ringe gewechselt waren und der Pastor uns den Segen erteilt hatte, war mir das Herz übervoll von Liebe, Stolz und Wonne; ich schaute auf und begegnete Lornas Blick. Ihre Augen strahlten von unaussprechlichem Glück. O diese schönen Augen! Es gab keine treueren, liebevolleren auf der Welt! – – – Da dröhnte ein Schuß durch die Kirche, und der Tod blickte mich an aus den lieben Augen. – –
Gerade als ich ihr, der Sitte gemäß, den Brautkuß geben wollte, geschah das Entsetzliche – ein Blutstrom färbte die Stufen des Altars, und zu meinen Füßen lag Lorna, die brechenden Augen noch mir zugewandt. Ich umschlang sie mit den Armen, bettete ihr Haupt an meiner Brust und rief sie mit tausend Schmeichelnamen. Doch alles umsonst. Noch ein tiefer Seufzer, und mein schönes junges Weib hatte Abschied genommen vom Leben; ihr Herzblut floß über das weiße Kleid, eine eisige Kälte durchströmte ihre Glieder. Da legte ich die Tote in Mutters Arme und verließ die Kirche – ich mußte Lorna rächen.
Den Missethäter kannte ich. Es gab nur einen Menschen auf der Welt, der eines solchen Frevels fähig war. Ich sprang auf mein Pferd und folgte dem Mörder. Wer mir sagte, welche Richtung er eingeschlagen, weiß ich nicht mehr. Die Leute ließen mir den Weg frei, ich war unbewaffnet und im Hochzeitsanzug; die Weste, welche mir Annchen gestickt hatte, war mit Lornas Blut befleckt. Ich wollte sehen, ob mir der Gott der Gerechtigkeit nicht beistehen würde, Vergeltung zu üben.
In rasendem Lauf schoß Kickums davon. Hatte man mir etwas zugerufen? Ich hörte es kaum; aber dort vor mir, keinen Steinwurf entfernt, ritt ein Mann auf einem Rappen – es konnte nur Carver Doone sein.
»Einer von uns muß sterben, ehe die nächste Stunde um ist,« dachte ich bei mir. »Gott richte zwischen uns. Die Erde hat keinen Raum mehr für uns beide.«
Er trug eine Flinte, Pistolen und ein Schwert, auch kannte ich seine gewaltige Kraft. Dennoch zweifelte ich keinen Augenblick, daß mir der Himmel den Sieg verleihen werde.
Ich folgte ihm über das öde Moor, über Sumpf und Felsgestein; mochte er mich immer sehen – was lag daran? Er war mir jetzt weit voraus und stürmte mit Windeseile davon, trotzdem bemerkte ich, daß er etwas vor sich im Sattel hielt, und aus Furcht, es könne zu Schaden kommen, den Blick nicht rückwärts wandte. Ganz wirr im Geist, glaubte ich schon, er habe Lorna geraubt, doch gleich darauf stand mir die Schreckensscene in der Kirche, mit all ihrem Jammer, ihrer Verzweiflung, wieder lebendig vor der Seele.
Jetzt bog der Reiter in die Schlucht ein, durch die einst Jakob Onkel Rubens Fährte verfolgt hatte. Am Eingang wandte sich Carver um und erkannte mich. Ich war kaum noch hundert Ellen hinter ihm; er hielt ein Kind auf dem Sattel, den kleinen Ensie, der mich jetzt auch erblickte und schreiend die Hände nach mir ausstreckte. Er fürchtete sich vor seinem Vater.
Fluchend stieß Carver Doone seinem Pferde die Sporen in die Weichen und griff nach der Pistole. Das Gewehr, aus dem er die Todeskugel in Lornas Brust entsandt hatte, war also nicht wieder geladen. Ich triumphierte innerlich. Wenn Carver mit seinem abgehetzten Pferde den steilen Abhang hinaufmußte, holte ich ihn unfehlbar ein. Vor seiner Pistole war mir nicht bange. In der engen Schlucht konnte er doch nicht wenden, um sicher nach mir zu zielen. Das wußte Carver, und beim Ausgang, wo der Weg sich teilt, zog er plötzlich die Zügel scharf an, und sprengte links hinab in die dunkle Tiefe, die zu dem Teufelssumpf führt.
»Oho, willst du dort hinunter?« dachte ich kalten Blutes. »Jetzt entgehst du mir nicht mehr, Carver Doone, und stiege der Böse selbst aus dem schwarzen Pfuhl, um dich zu retten.«
Langsam und vorsichtig folgte ich meinem Feinde; denn ich hatte ihn nun in der Falle, aus der es kein Entrinnen gab. Er lachte spöttisch über mein Zaudern, weil er nicht wußte, wo er war, und annahm, ich fürchte mich vor ihm.
Ein knorriger Eichbaum hing, vom Sturm entwurzelt, über mir von der Felsklippe herab. Ich brach im Vorbeireiten einen mächtigen Ast davon ab, als wäre es ein Weizenhalm. Später verwunderte man sich höchlich über diese Kraftprobe, ich selbst am meisten. Man zeigt die Bruchstelle noch heutigen Tages.
Als Carver Doone um die Ecke bog, lag der schwarze, unergründliche Morast plötzlich dicht vor ihm. Rasch riß er das Pferd zurück, doch wandte er es nicht, um mich anzugreifen, wie ich erwartet hatte, sondern ritt weiter, in der Hoffnung einen Ausweg zu finden. Wer die Gegend genau kennt, weiß, daß es einen Pfad gibt zwischen Fels und Sumpf. Carver suchte jedoch vergebens danach und entschloß sich endlich umzukehren. Er feuerte seine Pistole auf mich ab, der Schuß traf, doch beachtete ich die Wunde nicht. Als er nun wütend auf mich losgesprengt kam, holte ich mit meinem Eichenast zu einem mächtigen Streich aus auf den Kopf des Pferdes; Roß und Reiter wälzten sich am Boden, auch mein eigenes Tier wäre fast gestürzt.
Betäubt von dem Fall, lag Carver Doone bewußtlos da; ich hätte ihn mit einem einzigen Schlage töten können, doch das widerstand mir. Der kleine Ensie war unversehrt geblieben; er lief auf mich zu, klammerte sich an mich und sah angstvoll zu mir auf. Ich wollte nicht, daß er mit ansehen sollte, wie sein verruchter Vater von meiner Hand fiel.
»Lauf, Ensie,« rief ich »und pflücke der schönen Dame einen Strauß Glockenblumen, dort hinter dem Felsen.« Der Kleine gehorchte und trippelte lachend fort, während ich mich zum Kampf bereitete.
Carvers Pferd war tot; er selbst erhob sich jetzt vom Boden, streckte die gewaltigen Glieder und schaute sich mit finstern Blicken nach seinen Waffen um, die ich weit fortgetragen hatte. Dann trat er zu mir und starrte mich an; dadurch allein pflegte er seine Gegner schon in Schrecken zu setzen, aber ich ließ mich nicht einschüchtern.
»Ich will dir kein Leid anthun, Knabe,« sagte er mit höhnischer Geberde. »Du bist jetzt genug gezüchtigt für deinen Übermut. Was du sonst verbrochen hast, verzeihe ich dir, weil du dich meines Söhnchens freundlich angenommen. Geh', und danke mir für meine Großmut.«
Statt der Antwort schlug ich ihn leicht auf die Wange, ihn zur Gegenwehr zu reizen, hielt ihn fest und führte ihn nach einem Rasenplatz am Rande des Sumpfes. Hier ließ ich ihn los, damit er Atem schöpfen und sich zum Ringkampf fertig machen könne. Als er mich so vor sich stehen sah, mit gespannten Muskeln, eiserne Entschlossenheit in Blick und Mienen, mochte er wohl ahnen, daß seine letzte Stunde gekommen sei. Eine fahle Blässe bedeckte ihm das Gesicht; er hatte seinen Meister gefunden.
Ich streckte ihm die linke Hand hin, wie ich es bei einem schwächeren Gegner stets thue, dem ich den ersten Griff lassen will. Doch das war unzeitige Großmut, ich hatte meine Wunde vergessen. Carver Doone umschlang mich mit den nervigen Armen so fest, wie es mir noch nie geschehen war. Ich hörte meine Rippen krachen. Nun packte ich ihn am Arm und zerriß ihm die Muskel, daß er rasend vor Schmerz mir an den Hals griff, was beim Ringen verpönt ist. Da galt kein Zaudern mehr; mit starkem Griff schnürte ich ihm die Kehle zu. Vergebens wand und krümmte er sich, hieb mir mit der blutigen Faust ins Gesicht und schlug mir seine Zähne ins Fleisch. Ich hielt ihn wie mit eisernen Klammern fest, Gott gab mir Kraft und nach wenigen Minuten fühlte ich seinen Widerstand erlahmen; er war hilflos in meine Hand gegeben.
»Ergib dich, Carver Doone,« keuchte ich, »du bist in meiner Gewalt. Bekenne dich besiegt und ich schenke dir das Leben. Danke Gott dafür und bereue deine Missethaten.«
Es war zu spät. Hätte er sich auch ergeben und seine Niederlage eingestehen wollen, statt vor Wut zu schäumen und zu rasen wie ein toller Hund, es gab für ihn doch keine Rettung mehr. Wir hatten im blinden Kampfeszorn nicht beachtet, wohin wir gerieten und waren dem Sumpf zu nahe gekommen; der feuchte Grund gab nach unter Carvers Füßen. Ich selbst konnte nur mit einem gewaltigen Sprung den festen Boden erreichen. Der Unselige fiel jetzt rückwärts und ragte nur noch gleich einem Eichenstamm aus dem schwarzen Morast; verzweiflungsvoll reckte er die Arme gen Himmel und schaute mit wildrollenden Augen umher. Mich hatten Wut und Entsetzen samt dem Blutverlust so schwach gemacht wie ein Kind; ich vermochte kein Glied zu rühren und fand kaum Kraft genug, den Blick abzuwenden, während Carver allmählich, aber unaufhaltsam in der Tiefe versank.