Henry Benrath
Die Mutter der Weisheit
Henry Benrath

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Manfred hatte in der zweiten Septemberwoche Port Erin verlassen, um den Rest der Ferien bei seinen Eltern zu verbringen. Ich selbst war mit Adrian in London zusammengetroffen, um vor dem letzten großen Ansturm noch einmal auszuruhen. Mein Zustand hatte sich nicht gebessert . . . So erfüllt, so friedvoll auch diese gemeinsamen, milddurchsonnten Septembertage waren: sie konnten mir das Gefühl nicht nehmen, daß sich ein Feindliches in mir vorbereite . . . Auch meine Eltern waren beunruhigt, als ich vor der Rückkehr nach Philippinenthal eine Woche bei ihnen blieb. Der Hausarzt sagte: Übermüdete Nerven – und riet, die Prüfung um zwei Monate zu verschieben. Der Facharzt behauptete, nichts finden zu können, was auf eine ernsthafte Störung hinwiese – und sagte schließlich ebenfalls: Nerven . . .

So fuhr ich – mich gegen jeden Aufschub meiner Prüfung wehrend – am 10. Oktober nach Philippinenthal, wo ich gegen fünf Uhr eintraf . . .

Als ich die Steinstufen der Flurtreppe hinaufstieg, riß Kädda Mulch die Vorplatztür auf und streckte mir beide Hände hin . . .

– Ach Gott, ach Gott, ach Gott, ach Gott . . . da steht er ja wirklich, mein Bursch, mein Herr Benrath! Herein, herein – un hier hängt der Willkommkranz aus Astern und aus Tannengrün! Ei is es denn wirklich wahr? Er is es, er is es! Un ist ihm nichts passiert . . . Was hab' ich mir Sorge 296 gemacht! Was hab ich gebet' zu Gott dem Allmächtigen – –

Aber jetz, mein Bursch, aber jetz! Hierher! Hierher – un gleich geguckt, ob ich geloge hab! Hier, hier, hier is der neue Salon!

Und sie führte mich zu dem kleinen Gang, der auf das – W. C. mündete. Weit geöffnet stand die Tür, eine rötliche, tiefgezogene Deckenampel schwebte über der Mitte des Thrones, und an goldner Kette, die vom Hebel eines mächtigen Wasserkastens niederhing, baumelte der Porzellangriff.

Strahlend, glücklich, stand Kädda und starrte in die Pracht . . .

– Da sehn Sie ihn, da sehn Sie ihn, sagte sie, den funkelnagelneuen, hochpikfeinmodernen Aabee! Das Neueste vom Neuen – und Inagarawassersturzspülung! Und der Sitz aus Machoniholz, dunkelrot und glatt poliert! Und Joligakacheln an der Wand, schneeblitzblank – und blauweiße Sandsteinplatten auf dem Boden – und ein Strohteppich vor dem Sitz, vierfach Stroh mit Kleeblattmuster! Aber, aber, aber, mein Bursch: glauwe Sie nur net, es geht jetz hier das Gezoppel los! Nein, nein, das darf nicht sein! Sie kosten uns schon so wie so das viele Wasser bei dem Gepuddel, wo Sie de ganze Tag mache, das können wir nicht tragen! Gezoppelt wird nur bei de große Geschäfte – un bei de kleine wer'n e paar zusammekomme lasse! 297 Kallenbach, den ich gebeten hatte, den ersten Abend mit mir zu verbringen, sagte, mich immer wieder musternd:

– Henry, was ist mit Ihnen? Sie gefallen mir nicht . . . Sie sind unheimlich verändert . . .

– Ich weiß es, Manuel . . . Wir müssen abwarten . . . Was soll ich tun? . . . Nochmals zu Eichbohm hinlaufen, der mich so saugrob behandelt hat, als ich im März bei ihm war, damals, wissen Sie noch, als die ersten Magenbeschwerden auftraten? Der mich ausschimpfte, weil auf meiner Visitenkarte nicht stud. phil. stand? Der hochging, als ich es ablehnte, mich ausgezogen auf ein unbedecktes abgeschabtes Ledersofa zu legen, auf dem vor mir wer weiß was für ein Kranker untersucht worden war? Bei diesem berühmten und berüchtigten Grobian von einem Internisten, der seinen Manieren offenbar Heilwirkung zuschreibt, soll ich mich noch einmal untersuchen lassen? Nein, Manuel, zu dem Kerl kriegt mich keiner mehr hin! Wenn ich nur an seinen Bart denke, der nach Kreosot und Rauch von schlechten Zigarren riecht! Wie kann ein Arzt sich unterstehen, einen Bart zu tragen, einen solchen Bazillenfußsack! Pfui!

– Dann gehen Sie doch wenigstens gleich zu Leippert in die Chirurgische Klinik . . .

– Nein, Manuel. Ich warte. Die drei Wochen bis zu meiner Prüfung wird die Geschichte noch halten – und dann kann man ja sehen . . . 298

– Warum klammern Sie sich so sehr an Daten, Henry? Ich promoviere doch auch erst am dreißigsten Oktober, drei Monate später als ich wollte!

– Ist etwas ganz anderes! Sie holen sich Ihren zweiten Doktortitel – ich meinen ersten und einzigen. Und außerdem müssen Sie Ihres Referendares wegen noch hier bleiben . . . Ich aber muß fort – ich will fort . . . Ich fühle, daß meine Zeit hier um ist!

– Warum sind Sie manchmal so grausam? Ist es denn so schwer, ein wenig länger bei Ihren Freunden hier zu bleiben? Und doppelt, wenn diese Freunde Sie nötiger hätten als je?

– Wer hat mich nötig?

– Ich . . .

Kallenbach setzte sich in einen Sessel und legte den Kopf auf die Rückenlehne . . .

– Was ist denn, Manuel?

– Aus ist es . . . aus . . .

– Ich verstehe nicht . . .

– Die Brücke fehlt, die geistige Brücke, ohne die keine Liebe dauern kann . . . Als ich Kathinka meinem Wesen, meinem Leben verbinden, verpflichten wollte, versagte sie – entzog sich mir – brach ab . . . Sie könne nicht. Sie fühle, das könne Sie nicht . . . Es gehe über ihre Kraft . . . Warum, werde sie nie begründen können . . . Ehe sie uns beide und noch andere unglücklich mache, werde sie gehen . . . Sie ist 299 gegangen. Zu einer befreundeten Offiziersfamilie nach Metz, wo sie bis Weihnachten bleiben will.

– Und Sie, Manuel, und Sie?

Kallenbach gab keine Antwort. Er legte die Hände vor das Gesicht und wandte den Kopf zur Seite – –

– Ich? sagte er nach endlosem Schweigen . . . ich ziehe für die paar Wochen ins Bristol. Anfang Dezember ist ja ohnehin Schluß hier . . .

– Sie werden nicht ins Bristol ziehen. Solange Manfred nicht hier ist – und er kommt bestimmt nicht vor Anfang November – können Sie doch in seinem Zimmer wohnen . . .

– Glauben Sie, daß das möglich ist?

– Eine Depesche mit Rückantwort genügt. Sie wissen ja, welche Art Mensch Manfred ist.

– Sie ahnen nicht, Henry, was Sie für mich tun . . . Ich bin so hundeelend . . . Nicht einmal deshalb, weil ich Kathinka verloren habe – aber deshalb, weil solche Dinge, wie sie mir widerfuhren, überhaupt möglich sind . . .

– Mein lieber Manuel: darf ich Sie an unser erstes, großes Gespräch erinnern? Ist es nicht immer irgend ein Abgrund, der ein menschliches Wesen von einem anderen trennt? Und ist das Bekenntnis zu unserer schicksalhaften Gegebenheit, welche gleichzeitig unsere schicksalhafte Begrenzung ist, nicht die einzige Kraft, aus der unsere Entfaltung fließt? Alles, lieber Manuel, bemißt sich von Fall zu Fall. Nur die ewigen 300 Lehrlinge des Lebens verallgemeinern – oder die ewig Unbelehrbaren. Und was die Liebe sei – die Freundschaft – die Zuneigung: das hat noch keiner in eine unzweideutige Formel zwingen können. Was Ihnen jetzt mit Kathinka geschehen ist, kann Ihnen morgen mit einer anderen Frau geschehen. Alles wesenhaft Trennende ist unabmeßbar und wirkt sich immer als Tyrannis aus . . .


Am Samstag, den 12. Oktober, nachmittags um drei Uhr, überbrachte ich meine Arbeit Hinrichsen. Ich hatte von einem Schönschreiber den »Anhang« in einer besonderen Fassung herstellen und binden lassen. Hinrichsen strahlte, als er dieses kleine Buch mit den vielen, sorgfältig gegliederten Tabellen durchblätterte. Er sah nur diese Tabellen . . . Er las sich einige Folgen mit halblauter Stimme vor und schmunzelte.

– Sind Sie denn nicht selbst beglückt über diese saubere Arbeit? fragte er . . . Ist es nicht erstaunlich, wie gerade Ihre psychologische Einfühlungsfähigkeit der sachlichen Darstellung zu Hilfe kommt, ohne sich ihr aufzudrängen? Diese Tabellen sind mir von ganz besonderem Wert – und beweisen, was Sie wissenschaftlich leisten könnten, wenn Sie sich nur auf diese Bahn begeben wollten . . .

– Ich hoffe, Herr Professor, Sie sind mit meinem Texte ebenso zufrieden wie mit den Tabellen. Damit wäre mir natürlich am meisten gedient. Denn ich 301 möchte diese Arbeit später noch in meinem Sinne ausbauen und als Buch herausgeben.

– Ich habe Ihnen ja schon vor Ihrer Abreise gesagt, daß mir Ihre Darstellung gefällt. Vollen Wert hat sie allerdings erst durch die von mir gewünschten Ergänzungen erhalten. Ich hoffe, Sie werden das eines Tages genau so einsehen wie ich. Für die mündliche Prüfung bitte ich Sie, sich noch etwas auf Dialektfragen vorzubereiten. Nur das Wichtigste, natürlich. Es wäre mir lieb, wenn Sie auch auf diesem Gebiet Kenntnisse aufwiesen, die Ihrer würdig sind . . . Aber nun Schluß mit diesen Dingen! Ich mache Ihnen einen Vorschlag: gehen wir ein paar Schritte spazieren, und lassen Sie sich dann von mir im Café Böhler zu einer Vesper einladen . . .

Ich blieb sprachlos . . . Sollte ich mich freuen – sollte ich mich nicht freuen? Ich wußte es nicht. Ich war und blieb mißtrauisch. Ich spürte noch immer nicht den Menschen Hinrichsen. Ich konnte auch kein Urteil über ihn fällen, ehe ich wußte, wie er sich in der Prüfung selbst verhalten haben würde, die nun auf den 2. November festgesetzt war – –

Als ich am gleichen Abend Tante Eugenies Haus verließ, begann ich zu frösteln. Ich gab meine Absicht, mich mit Möhl noch bei »Hassel« zu treffen, auf und ging nach Hause. Kallenbach war nach Wiesbaden gefahren. Ich legte mich zu Bett und fiel rasch in Schlaf . . . in einen traumgequälten, heißen Schlaf, aus 302 dem ich beim ersten Morgendämmern mit starkem Kopfweh erwachte. Ich ließ, als mir Kädda das Frühstück brachte, nach Dr. Waldtner, Tante Eugenies Arzt, schicken. Er kam um neun. Untersuchte mit großer Sorgfalt, beruhigte, ohne sich genauer zu äußern. Ordnete an, im Bett zu bleiben, nichts zu essen außer Zwieback und Tee – und ihn sofort wieder zu rufen, falls sich irgendwelche Schmerzen oder Fieber einstellten. Eine große Gleichgültigkeit war über mich gekommen. Ich lag und sann vor mich hin. Meine Gedanken waren von ungewöhnlicher Auflichtung. Ich hatte nicht Hunger, nicht Durst, nicht Schmerzen . . . Kädda kam und ging, brachte Feuer und Waschtisch in Ordnung und murmelte unverständliche Worte in ihr Doppelkinn . . . Um die Mittagszeit wollte sie mir ein Stück Huhn aufzwingen . . . Als ich ablehnte, wurde sie fast böse . . . Hühnerfleisch könne noch ein Toter verdauen . . . Und solches Fleisch, wie sie koche! Man müsse dem Magen etwas anbieten, sage immer der Dr. Schaub. Auch dem »Thron« müsse man was anbieten . . . Sie wolle mir den Einlauf holen . . . Sofort wäre alles vorbei . . . Der ganze Mensch, sage der Dr. Schaub, der Hamupath, sei nur ein Durchgang. Da müsse mit Kräutertee und natürlichen Mitteln für die richtige Vennilation gesorgt werden, und alles sei in Ordnung . . . Mit Schwitzen gehe alles fort! Sie wolle mich in Wolle wickeln und mir dann Schlauchs Ransbirationstee No. 3 geben . . . Morgen könne ich springen wie ein Reh . . . 303

Als ich nicht antwortete, sondern tat, als ob ich schliefe, ging sie kopfschüttelnd gegen die Tür. Ich konnte durch den winzigen Spalt der geschlossenen Lider sehen, daß sie sich bekreuzigte . . .

– Wenn das gut geht, seufzte sie, während sie das Hühnerfleisch wieder forttrug – –

Als ich um fünf aus einem ungewissen Schlummer erwachte, saß sie neben meinem Bett und strickte.

– Frau Mulch, sagte ich . . .

– Ach Herr Jeeses, was bin ich erschrocke! Drei Stund hat mein Bursch geschlafe . . . Un wie! Ganz ruhig, ohne sich zu muxe . . .

– Ich fühle mich etwas leichter, sagte ich. Könnten Sie mir jetzt eine Tasse Tee machen?

– Sofort . . . Wolle Sie das Huhn esse?

– Nein, danke. Nur etwas Tee. Ich habe Durst . . .

Als ich getrunken hatte, nahm sie ihre medizinisch-philosophischen Betrachtungen wieder auf: Wenn man sich das ganze Leben genau überlege, so sei es weiter gar nichts als eine ewige Angst vor den Krankheiten . . . Mit der Geburt fange es an – und mit dem Tode höre es auf . . . Und selbst dann wisse man noch nicht . . . Wenn man ins Fegfeuer komme . . . Sie sei zwar katholisch, aber an das Fegfeuer glaube sie nicht . . . So grausam könne der liebe Gott nicht sein! Das Leben hier unten, auf dieser Welt: das sei das Fegfeuer! Jeden Tag ein anderes Gebrest – von der Blas über den Darm in den Hals und bis hochobenhinauf ins 304 Hirn! Kopfweh hinten, Kopfweh vorn – und oh, die Augen, ach, die Augen! Das gute, schöne, hochliebwerte Augenlicht . . . Wenn das erst am Schwinden sei, dann sei man dem Tode näher und Gott. Denn wo weniger man den äußeren Schein sehe, umso heller strahle das innere Licht . . . Sie denke weit über ihr Leben hinaus. Sie habe keine Erdenwünsche mehr . . . Das mit dem Schneiden in der Klinik sei eine Affenschande, eine hochruchbare Sünde . . . Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen – der Name des Herrn sei gelobt! Das gelte für jeden Teil des Körpers – und an dem von Gott empfangenen Leib solle man nichts ändern und dahingehen lassen, was dahingehen will . . .

Dann klapperten die großen Holzstricknadeln eine Weile, und die nimmermüde Stimme schwieg . . .

– Ja, ja, hub sie wieder an, als es schon ganz dunkel geworden war, so sei nun das Leben . . . und ich solle ja nicht in die Klinik gehen . . . Dann läge ich da, bewußlos in der Klurofurm, und die dummen Studentenbuben, die lernten an mir. Und jeder könne austragen, wie ich inwendig aussähe . . . Sie wolle den Dr. Schaub kommen lassen, der solle mich untersuchen und mit Hamupathie heilen. Und wenn ich es wünsche, dann werde sie die alte Kinzelin kommen lassen, die könne »austreiben«. Aber das müsse hochheiliggeheim gemacht werden und der Besen vorher mit Weihwasser gesegnet, damit der Teufel aus mir 305 fahre. Denn ich sei krank, ja, das sehe sie, ich sei vom Kern aus leidenskrank, das stünde in meinen Augen geschrieben . . . Sie werde jetzt einmal den Einlauf holen . . . Schiewesschawesbumsdara – ich werde gar nicht mehr gefragt, den Einlauf, den hole sie – und den Kalender dazu . . . Da könne ich selbst lesen, was bei »Verdauungstörung und Appetitlosigkeit« stehe – – Ich sei doch ein ganz hartnäckiger Dickkopf! Also dann nicht! Dann nicht! Und die Folgen müsse ich tragen. Aber den Kalender, den müsse ich lesen, sie werde Licht machen. Genau so ein Dickkopf sei ihre Ria als Kind gewesen! Der habe sie auch immer die Sprüche gelesen – und wenn das noch nichts genutzt habe, dann habe sie ihr erst den Allerwertesten gehauen, und dann habe ihr Mann sie festgehalten über dem Küchenstuhl – und wenn sie auch gebrüllt habe, als ob sie im Messer stecke, so habe das nichts genutzt . . . und nach einer Stunde habe sie kein Leibweh mehr gehabt! – – Hier, hier sei der Kalender. Anhang, Seite 292, da stehe es . . . Es seien vom vielen Lesen ein paar Flecken auf den Seiten, aber das mache nichts. Man könne die Buchstaben doch noch sehen . . . Sie wolle mir selbst die Seite aufschlagen, wo ich doch liege – oh, meine Augen, ach meine Augen . . . da, da hawwe Sie's . . .

Sie prüfte nochmals nach, ob sie sich auch nicht getäuscht habe, und drängte mir das Buch in die Hände . . . 306

»Gar oftmals kann es uns geschehn,
Daß Speisen glatt nicht von uns gehn:
Dann müssen wir uns reinigen
Und ihren Gang beschleunigen!

In einem solchen Falle auch
Berät dich bestens Gottlieb Schlauch!
Denn Gottlieb Schlauch geht immer nur
Die graden Wege der Natur!

Verwende heftige Mittel nie,
Sie führen oft zu Dyssenterie . . .
Ein Seifeneinlauf, lau und mild,
Dein Unbehagen schnellstens stillt.

Er reizt nicht auf, er regt nur an
Des Darmes müdgewordne Bahn
Und führt, was dich als Blähung sticht,
Gefahrlos stets ans Tageslicht.

Der beste Einlaufapparat,
Den Gottlieb Schlauch erfunden hat,
Heißt »Ohne Qual – ist leicht und klein,
Packt sich in jeden Koffer ein!

Zu jeder Stunde lieferbar,
Ein wahrer Retter aus Gefahr!
Beim Fürsten und beim Bürgersmann
Triffst du ihn gleichermaßen an!« 307

– Henry! rief plötzlich die Stimme Kallenbachs, dessen Ankunft ich überhört hatte . . . Henry!

– Sind Sie jetzt schon zurück?

– Ja! Denken Sie: ich hatte keine Ruhe mehr zu Hause . . . Ich fühlte, daß mich etwas hierherrief . . . Was ist denn, was ist denn?

Kädda war leise hinausgegangen . . . Kallenbach setzte sich auf den Bettrand, hob mich an den Schultern hoch, sah mir ins Gesicht . . .

– War der Arzt da?

– Ja. Dr. Waldtner . . . Er kommt nach sieben wieder . . .

– Haben Sie Fieber?

– Es scheint mir. Fühlen Sie den Puls . . .

– Weiß denn niemand, was das ist?

– Noch nicht . . . Manuel, fragen Sie nicht mehr . . . Bleiben Sie bei mir . . . Ich spüre, daß ich sehr krank werde . . .

– Sie dürfen nicht krank werden – Sie dürfen nicht–

– Wir werden nicht gefragt . . .

Eine schwere, schwarze Welle lief plötzlich über meine Stirn – noch eine – eine dritte – eine vierte . . .

Ich fiel in das Kissen zurück . . .

– Waldtner muß sofort kommen, rief Kallenbach . . .

Ich hatte eine Stunde lang in einem bleiernen Schlaf gelegen . . . Als ich aufwachte, standen Waldtner und Kallenbach neben mir. Ich fühlte qualvolle Schmerzen von den Leisten gegen den Magen zu . . . 308

– Gott sei Dank! sagte Waldtner . . . Endlich ein Anzeichen . . . Rufen Sie bitte sofort Geheimrat Leippert an, Herr Dr. Kallenbach . . . Herr Benrath muß noch heute abend in die Chirurgische Klinik . . .

– Nichts nach Hause schreiben, sagte ich. Wie es geht, geht es – –

Noch in der gleichen Nacht nahm mich Leippert unter das Messer . . . 309

 


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