Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neunzehntes Kapitel.
Am Grabe der Geliebten

Es war zwei Tage vor den eben erzählten Ereignissen. Mr. Breckenridge also hatte noch keine Ahnung, daß seine Pläne in Bezug auf die Verheirathung seiner Mündel durch die Schlauheit der Mrs. Slater eine so günstige Aussicht erhalten würden, vielmehr machten diese Pläne einen großen Theil der Sorgen aus, die ihn im Augenblick beschäftigten und seine Stirn umdüsterten, während er in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch saß und einige Papiere durchlas, die ihm ein Secretair überreicht hatte.

Er durchlas eins nach dem andern und warf sie dann unmuthig bei Seite.

»Ueberall Furcht vor Sklavenaufständen,« murmelte er »und das Verlangen, Militair zur Verfügung zu stellen. – Wir brauchen unser Militair nöthigen Haltet nur Eure Sklaven in gehöriger Zucht, wie ich es thue, so werdet Ihr keine Aufstände zu befürchten haben. Sollte die Sache wirklich Ernst werden, so ist noch immer Zeit, die Hunde mit dem Bajonet zur Ordnung zurückzubringen. – Und hier? ... Ein Schreiben vom Major Wirtz; es fehlt ihm an Niggern zur Fortschaffung der Todten, da von den Seuchen im Gefängnisse die meisten von denen, die ihm zur Verfügung gestellt waren, angesteckt und gestorben sind. – Ich werde sehen, ob ich welche auftreiben kann.«

Ein Diener unterbrach sein Selbstgespräch, welcher den Verwalter, Mr. O'Laughlin, meldete.

»Kann eintreten,« sagte Mr. Breckenridge kurz.

O'Langhlin blieb respectvoll an der Thür stehen.

»Was giebts?« fragte ihn der Kriegsminister ohne aufzublicken.

»Sir, es scheint mir, daß die Verschwörung der Nigger –«

»Ach, schweigen Sie mir von der Verschwörung der Nigger. Ich habe genug davon gehört. Ich hoffe, daß Sie meiner Weisung nachgekommen sind und in meinen Besitzungen die Strenge verdoppelt haben. Ist dies geschehen, so ist nichts zu befürchten.«

»Das ist geschehen, Sir. Wir haben bereits 10 Nigger, die verdächtig waren, sich an dem Complot betheiligt zu haben, auf die Folter gebracht und in Ketten gelegt, aber es scheint, daß die Andern sich dadurch nicht abschrecken lassen. Einer hat auf der Folter das Geständniß abgelegt, daß die Verschwörung der Nigger geleitet und organisirt werde von dem Quadroonen Edward– Sie wissen, dem Bruder der –«

»Ich weiß – Also dieser Bube, der dem Tode auf eine mir bis heute noch unerklärliche Weise entgangen ist, wagt es noch, sich hier blicken zu lassen? Jedenfalls sind nur ungenügende Anstalten, ihn einzufangen, gemacht worden.«

»Es war bisher unmöglich, ihn irgendwo zu ergreifen, Mr. Breckenridge, wir verloren in der Nähe von Richmond jedesmal seine Spur, es muß ihn dort Jemand verborgen haben.«

Der Kriegsminister schwieg, wenigstens hörte O'Laughlin nicht, daß seine Lippen mit einer Art boshaftem Triumph den Namen »Emmy Brown« murmelten. Laut versetzte er dann:

»Sie sagen, es war bisher unmöglich, ihn zu ergreifen, – ist es denn jetzt leichter?«

»Wenn die Nachricht, die ich heute früh erhielt, sich bestätigt, so ist nichts leichter, als ihn einzufangen.«

»So soll man sofort die Anstalten dazu treffen, und ist er ergriffen, so wird er zu Tode gefoltert. Hören Sie? Entweder mit den glühenden Zangen oder auf der Lattenpritsche. Wo hält sich der Bursche auf?«

»Mr. Sanders schickte heut früh einen seiner Vögte und ließ mir sagen, daß er dort im Walde nächtliche Versammlungen der Nigger veranstalte und jeden Abend auf dem Niggerkirchhof am Saume des Waldes zu treffen sei· – Ich kann mir das Letztere wohl denken, denn dort ist kürzlich die schöne Kreolin begraben, die seine Geliebte war, und die er zu heirathen beabsichtigte, dieselbe, die Sie an Mr. Sanders verkauft haben.«

»Ich erinnere mich,« entgegnete Breckenridge. »Schon von dem Tage, als ich sie verkaufte, hat der Bursche auf Meuterei gesonnen, so daß ich gezwungen war, ihn unter's Militair zu stecken. – Also die Kreolin ist todt? Ein Schaden von 1000 Dollars für Sanders,« fügte er nicht ohne einen Zug von Schadenfreude hinzu. »Sie starb wohl vor Liebesgram?«

»Das eben nicht,« antwortete O'Laughlin, »sie starb, weil sie einige Stunden vor ihrer Entbindung an den Baum gebunden und durchgepeitscht wurde.«

»Eine von den energischen Maßregeln, die er immer im Munde führt,« murmelte Breckenridge für sich. »Diesmal kostet ihm seine energische Maßregel 1000 Dollars. – Wenn es zuverlässig ist,« fügte er dann, zu seinem Verwalter gewendet, laut hinzu, »daß der Deserteur auf dem Kirchhof zu finden ist, so treffen Sie Ihre Anordnungen, um ihn dort einzufangen. Nehmen Sie eine Anzahl zuverlässiger Nigger, einen der Vögte – die übrigen müssen zur Aufsicht hier bleiben – und einige Schweißhunde, und begeben Sie sich unverzüglich nach dem Walde von Sandersford.«

Mr. O'Laughlin that, wie ihm befohlen war. Unter den Negern, die er zu seiner Begleitung wählte, befanden sich auch Jim, der wegen seiner mehrfach bewiesenen Zuverlässigkeit zu einer Art Aufseher avancirt war, und Pet, der sich zu dieser Expedition freiwillig gemeldet hatte.

*

Schon am Abend des nächsten Tages lagerte der Trupp im Dickicht des Waldes von Sandersford, dem Sitz von Mr. Sanders; Jim hatte es übernommen, mit einem der Schweißhunde an der Lisière des Waldes im Strauchwerk versteckt zu spähen, bis der Gesuchte auf dem Kirchhofe, den er von hier aus ganz wohl zu überschauen vermochte, erscheinen würde. Das Anschlagen des Hundes sollte für die Andern das Signal sein, die Verfolgung zu beginnen.

Die Sonne war längst untergegangen und die Dämmerung bereits so weit vorgeschritten, daß Jim nur mit der äußersten Anstrengung seiner Augen die grotesken Grabdenkmäler auf dem Kirchhofe von menschlichen Gestalten zu unterscheiden vermochte· Der Hund lag, die Vorderfüße vorausgestreckt und die Schnauze auf denselben ruhend, an seiner Seite. – Plötzlich erhob das Thier den Kopf; seine großen Augen weit aufreißend, den Schweif gerade von sich streckend und zum Sprunge bereit einen Schritt vortretend, deutete er seinem Herrn an, daß seine schärferen Sinne etwas Verdächtiges bemerkt hatten.

Jim winkte dem klugen Thier, sich ruhig zu verhalten und strengte seine Sehkraft doppelt an. Allein die grotesken Gestalten aus dem Kirchhofe veränderten ihre Stellung nicht, es konnte also keine von ihnen ein Mensch sein, und in der Nähe des Kirchhofes? – – Richtig! An der Lisière des Waldes her schleicht eine menschliche Gestalt ...

»Ruhig, Nero! Aber das ist doch nicht der Quadroone mit seinem elastischen Gange, seiner hohen, schlanken Figur? Auch die Gesichtsfarbe ist zu dunkel – Ah, jetzt sehe ich es genau – es ist eine Niggerin – Was schleicht die hier? – Sie trägt einen Korb und wie es scheint, einen sehr schweren.«

Er unterbrach sein Selbstgespräch, um dem Beginnen des Weibes zuzusehen. Vorsichtig und geräuschlos schlich sie bis an den Fußsteig, der zum Walde hinaus nach dem Kirchhof führte, dort in der Ecke des Zaunes setzte sie ihren Korb nieder. Da stand bereits ein ganz ähnlicher Korb, den sie aber so leicht emporhob, daß man sehen konnte, er sei leer. Mit diesem entfernte sich das Weib ebenso vorsichtig, wie sie gekommen.

»Sie hat ihm Lebensmittel gebracht,« setzte er darauf sein Selbstgespräch fort. »Das machen die Nigger immer so, wenn Einer entlaufen ist und sich im Walde versteckt hält. Ich hab's kennen gelernt, denn auch mich haben sie ein halbes Jahr erhalten mit dem, was sie sich abgedarbt, als ich meinem Herrn entlaufen war. Wie dumm war ich, als ich mich widersetzte. Thun wir nicht besser daran, eben so grausam und gefühllos zu sein, wie die Weißen? Ich bin jetzt Aufseher und schwinge die Peitsche und fange die Nigger, brauche kein Klotz zu schleppen, mich nicht mit der Knute zerfleischen zu lassen und achtzehn Stunden in der Sonnenhitze zu braten, und das Alles nur, weil ich nicht besser sein will als die Weißen. Ich verdiene aber auch diesen Vorzug, denn sie finden keinen bessern Vogt als ich bin. – Was hast Du denn nur, Nero?« Nero hatte sich plötzlich wieder erhoben, seine Augen funkelten durch die Dunkelheit, seine Nasenlöcher bewegten sich, wie immer, wenn er sein Geruchsorgan besonders anstrengte. Er verrieth die lebhafteste Ungeduld, die nur ein leiser Fußtritt Jim's zu zügeln vermochte.

»Beim Teufel, die Bestie irritirt mich,« murmelte er, als er sich eine Weile vergebens angestrengt hatte, etwas Auffallendes zu erblicken.

Weder aus dem Fußsteige noch in der Umgebung des Kirchhofes regte sich etwas. Trotzdem ward der Hund mit jeder Sekunde unruhiger. Er stand zum Sprunge bereit und mehr als einmal erfaßte er den Rockzipfel Jim's mit den Zähnen, gleichsam, als wollte er ihn mit fortziehen.

Jim legte sich auf den Bauch und lugte unter dem Gebüsch hervor. Kein Fleck, kein Pünktchen blieb von seinen Blicken undurchsucht, ohne den vortrefflichen Schweißhund würde er vollständig überzeugt gewesen fein, daß nichts Verdächtiges in der Nähe sei, allein Nero's Ungeduld, die sich jetzt sogar in leisem Winseln kundgab, bewies ihm, daß er sich müsse getäuscht haben. Noch einmal durchsuchte er mit peinlichster Genauigkeit die Stelle in dem hohen Haidekraut, auf welche die funkelnden Augen des Thieres unverwandt gerichtet waren. –

Da erblickte er, wie sich hart am Boden kriechend, schnell, aber ganz geräuschlos, ein dunkler Gegenstand durch das Haidekraut vorwärts arbeitete. Das Herz des Niggeraufsehers schlug vor Freude. Das war der Gesuchte. Der dunkle Gegenstand hatte den Zaun, der aus hohem Buschwerk bestand, erreicht, und war hier gänzlich unsichtbar.

»Noch nicht, Nero,« flüsterte Jim. »Er wird entweder durch die Pforte auf den Kirchhof kriechen, oder er wird sich den an der Pforte stehenden Korb abholen; jedenfalls muß er uns an der Pforte wieder zu Gesichte kommen.«

Jim hatte recht vermuthet, es währte gar nicht lange, so sah er den dunklen Gegenstand leise die Pforte öffnen und hinter derselben verschwinden.

Jetzt hatte er gewonnenes Spiel. Es brauchte nur die Pforte besetzt zu werden, so war der Vogel gefangen, denn das Buschwerk, was die Umzäunung bildete, war zu hoch, um übersprungen werden zu können. Leise trat er aus seinem Versteck hervor, der Hundt die Schnauze an der Erde, sprang einige Schritte voran. Gebückt näherte Jim sich dem Zaun, und richtete sich dort empor, um ihn überzuschauen Siehe da! – ganz in der Nähe des Zaunes, neben einem noch frischen Grabhügel, der mit Feldblumen bedeckt war, kniete ein schöner Jüngling; einen frischen Strauß legte er auf das Grab und trocknete dann eine Thräne aus dem Auge.

»Du sollst gerächt werden, Theure!« murmelte er. »Die Barbaren, deren Unmenschlichkeit Dich hingeopfert hat, sollen fürchterlich büßen, was sie ·gegen Dich, gegen uns Alle verbrochen haben. Schon glimmt der Funke; bald wird er zur hellen Flamme auflodern, und die Tyrannen werden in ihrer Angst vergebens um Hülfe und Rettung schreien. Ich entfloh, um Dich frei zu machen, Geliebte; ich konnte es nicht: ich kann jetzt nichts weiter, als – Dich rächen.«

»Und auch das noch nicht einmal!« hohnlachte eine Stimme am Zaun. – »Vorwärts, Nero!«

Der Hund schlug ein lautes Gebell auf und stürzte sich auf den Jüngling. Dieser aber war bei dem ersten Laut von Jim's Stimme aufgesprungen. Ein schneller Blick belehrte ihn, daß er durch die Pforte nicht entfliehen könne. Die Angst gab ihm übermenschliche Kräfte – mit einem fürchterlichen Satz hatte er die mannshohe Umzaunung übersprungen und eilte dem Walde zu.

Von dort her aber stürzten, durch das verabredete Zeichen aufgefordert, die übrigen Verfolger hervor, ihm entgegen. Edward stand einen Moment unschlüssig still. Dann aber, das Gefährliche seiner Lage überschauend, stürzte er sich blindlings vorwärts. – Der zweite Schweißhund, der bereits nach seiner Kehle emporsprang, stürzte, von einer Kugel seines Revolvers durchbohrt, zurück – ein zweiter Schuß krachte, der Vogt lag verwundet am Boden, und – Edward hatte die Colonne, die sich ihm entgegenwarf, durchbrochen; das Dunkel des Waldes schützte ihn, aber die Tritte seiner Verfolger dröhnten hinter ihm. Es war keine Möglichkeit, sich vor ihnen im Dickicht zu verbergen, denn Nero's vorzügliches Geruchsorgan witterte jeden Schlupfwinkel aus, in den er sich hätte verstecken können. Es blieb ihm nichts übrig, als seine Verfolger im Laufen zu ermüden.

Die Zweige des dichten Gesträuchs, die er durchbrach und die ihm in's Gesicht peitschten, daß dasselbe von Blut bedeckt war, die Dornen, die seine Kleider zerrissen, die Schlinggewächse, die zwischen den Stämmen der Bäume Barrièren bildeten, das Alles war ihm kein Hinderniß, vorwärts rannte er, die Todesangst gab ihm Kraft, die Hindernisse zu überwinden und beflügelte seinen Fuß. Aber stets, wenn er glaubte, daß er jetzt einen Vorsprung haben müsse, und wenn die Erschöpfung ihn niederzuwerfen drohte, hörte er die Tritte der Verfolger hinter sich. – Die Nigger haben große Ausdauer und die Schnelligkeit eines Vogels, es ist vergebens, ihnen zu entfliehen!

»So sollen Sie mich nicht lebendig haben!« keuchte er, als ihm jene Ueberzeugung vor die Seele trat. »Laufen will ich, laufen, bis ich todt niederstürze.«

Und von Neuem raffte er seine Kraft auf – ein Vogel kann nicht schneller durch die Luft dahinschießen, als Edward sich Bahn brach durch die Dunkelheit des Waldes. – Sollten sie noch hinter ihm sein? – Er hörte nichts; nur des Hundes keuchenden Athem vernahm er in weiterer Entfernung. Schon fing neue Hoffnung an, in seiner Seele zu dämmern, da – o Entsetzen! wieder die Tritte eines der Verfolger hinter ihm.

Mit letzter Kraft setzte er an, um auch diesen los zu werden, da hörte er leise eine Stimme ihm zurufen:

»Stehen Sie doch stille, Massah; es thut Ihnen nicht helfen, – Nigger halten länger aus wie Massah Edward!«

Er erkannte die Stimme, und sie klang wie der Zuspruch eines Freundes an sein Ohr.

»Ah, Du bist es, guter Pet? Du meinst, es ist Rettung unmöglich?«

»Zurück, Nero – Du Teufel, nicht anfassen!«

Dieser Zuruf galt dem Hunde, der jetzt hervorgekommen war und dem Flüchtling nach der Gurgel sprang – und sehr unwillig schien, daß ihm durch Pet's Befehl das Vergnügen, den Ergriffenen niederzuwerfen, verwehrt wurde.

»Keine Rettung, Massah,« wandte sich dann Pet an Edward. »Im Laufen nicht Rettung – Massah sich todtlaufen, aber Nigger nicht – Jim nicht. Ich am schnellsten gelaufen, um Massah zu binden; aber ich werde Knoten binden, der sich bei ganz leichtem Druck schon lös't. In der Nacht wenn Massah eingesperrt ist, muß Knoten geöffnet werden und kann Massah Edward fliehen.«

»Dank, tausend Dank, Pet!« rief Edward, die Hand des Schwarzen drückend.

»Nicht Dank!« erwiderte der Neger gutmüthig, »ich mein Leben lassen, wenn Miß Esther eine Thräne ersparen kann«. – Plötzlich unterbrach er sich: »Sie kommen! – Jetzt schnell hinlegen.«

Edward warf sich auf den Boden. Pet knieete auf ihn, aber mehr scheinbar als wirklich, und begann laut zu jubeln:

»Ich ihn haben! – Ich Entlaufenen ergriffen! Hurrah!«

Zugleich band er mit den Bastschnüren, die er bei sich trug, ihm anscheinend mit aller Kraft die Hände auf den Rücken zusammen und machte dann einen Knoten, der in der That die Eigenschaft hatte, der geringsten Anstrengung nachzugeben. Als inzwischen die Andern sich keuchend näherten, begann er laut den Gefangenen zu verhöhnen:

»Warte nur, Du nicht wieder entlaufen! – Wir Dich schon festhalten wollen, wenn Pet bindet, ist nicht zu denken an loskommen. Warte, morgen wirft Du kosten, wie glühende Zangen thun – oder wirst die Rippen zerbrechen auf Lattenpritsche. Pet Dich schon festhalten will.«

»Na, das war brav von Dir, Pet,« sagte O'Laughlin, der nach langer Zeit endlich hinzugekommen war. – »Man sieht doch, daß die Prügel, die Du an dem Tage, da Esther entlief, erhieltest, Dich gebessert haben. – Hast Du ihn auch gut gebunden?«

»O, Massah O'Laughlin, wenn Pet bindet, wird Knoten schon festhalten,« erwiderte der Angeredete fröhlich grinsend.

Man legte dem Flüchtling jetzt, wie es stets bei entlaufenen Sklaven zu geschehen pflegt, einen Strick um den Hals, dessen beide Enden von zwei ihm zur Seite gehenden Negern gehalten wurden, als ob sie ein unbändiges Thier führten. Die Dunkelheit des Waldes, dessen Laub das Mondlicht nur sehr unvollkommen durchdringen ließ, verhinderte, daß O'Laughlin die Zornesblicke bemerkte, die der Gefangene auf ihn warf, und die in Wuth zusammengebissenen Lippen, welche den Schwur fürchterlicher Rache nur mit aller Gewalt in sich zu verschließen schienen.

Als sie den Saum des Waldes erreichten, meldete der Neger, der bei dem verwundeten Sklavenvogt zurückgeblieben war, daß demselben die Schulter zerschmettert und er unfähig sei auch nur aufzustehen.

Man führte den Gefangenen zunächst nach Sandersford, dem Wohnsitz des Mr. Sanders, welcher einen Wagen nach dem Negerkirchhof schickte, um den Verwundeten abzuholen. Da man den Weg nach White-House erst am nächsten Morgen anzutreten gedachte, so wurde Edward, ohne von seinen Fesseln befreit zu sein, in einen Schuppen gesperrt, dessen Thür von Pet und zwei andern Negern, unterstützt von Nero, bewacht wurde.

Es war nicht nöthig, daß die Wächter sich nach den ermüdenden Anstrengungen des Abends in der Nacht den Schlaf versagten, konnten sie sich doch aus Nero vollständig verlassen, dem gewiß nicht der allermindeste Versuch einer Flucht entgehen würde. Und wie sollte auch nur eine Flucht denkbar sein, da sich ja der Gefangene nicht seiner Hände bedienen konnte, um die Thür zu öffnen, und sonstige Ausgänge hatte der Schuppen nicht.

Die drei Wächter überließen sich also ohne Sorge dem wohlthätigen Schlafe, aus welchem sie erst erwachten, als am andern Morgen Jim sie mit der zarten Anrede aufrüttelte:

»Auf, Ihr faulen Hunde! Heißt das Wachen? – Hättest Du uns gestern nicht so gute Dienste geleistet, Pet, Du solltest wahrlich noch heute die Peitsche fühlen.«

Er begleitete diese Worte mit einem Hiebe des Instrumentes, das er Kraft seines Amtes stets bei sich führte. Es war ein Hieb, der eben nur dienen sollte, die Schläfer zu wecken und sonst nicht böse gemeint war; er sollte nur die drei Neger treffen, traf aber auch Nero mit, der in Folge desselben heulend aufsprang und mit eingeklemmten Schwanz das Weite suchte.

»Bringt den Gefangenen heraus!« befahl Jim »Wir wollen aufbrechen. Da, – hier ist der Schlüssel.«

Pet nahm den Schlüssel und drehte ihn im Schlosse um. Die Thür öffnete sich und Pet trat ein. Er blieb jedoch verwundert auf der Schwelle stehen und stierte verblüfft die Wände des Schuppens an. Die beiden andern Neger, welche ihm folgten, thaten desgleichen.

»Was gieb's denn da zu gaffen?« fragte Jim, indem er zugleich die Neger aus dem Wege stieß und selber in den Schuppen hineinging.

Aber auch ihm erging es nicht besser, auch er sperrte betroffen Mund und Augen auf. – Der Gefangene war verschwunden. Am Boden lagen die Stricke, mit welchen er gebunden war. Er war offenbar bis unters Dach des Schuppens hinaufgeklettert, hatte das Rohr mit dem derselbe gedeckt war, durchbrochen und war dann von dem nicht allzuhohen Dache heruntergesprungen. – – –

Mr. Breckenridge saß an demselben Tage wieder in seinem Cabinet und durchblätterte die ihm vorgelegten Papiere – wieder wurden Soldaten verlangt gegen Negeraufstände, und Neger verlangt zur Fortschaffung der Todten aus dem Gefängniß bei Millen, und wieder schob er diese Gesuche unmuthig bei Seite – als O'Laughlin eintrat, um ihm kleinlaut das Resultat der Expedition mitzutheilen.

Der Kriegsminister stampfte wüthend mit dem Fuß auf den Boden.

»Der Schuldige soll aufgehängt werden!« rief er. »Wer ist der Schuldige?«

»Man kann eigentlich Keinen direct beschuldigen,« antwortete der Verwalter. Die Nigger, weiche die Wache hatten, wollen nichts gehört haben, und wenn man auch annimmt, daß sie geschlafen haben, so war doch Nero dabei.«

»Es muß Einer die Schuld haben,« entgegnete Mr. Breckenridge in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.

»So muß es Pet sein,« antwortete O'Laughlin. »Die Beiden, die mit ihm die Wache hatten, wollen gehört haben, daß er einmal dem Hunde Ruhe geboten hat.«

»So wird Pet aufgehängt und die beiden Andern auch – und das sofort.«

Zufällig fiel hier sein zornig umherrollendes Auge auf die bei Seite geschobenen Papiere.

»Halt!« rief er dem sich bereits entfernenden Verwalter nach. »Ich werde sie andere bestrafen. Pet soll mit den beiden Andern zum Transport der Todten in das Gefängniß bei Millen, da wird sie der Typhus eben so sicher umbringen wie hier der Strick. – Und ich habe noch den Vortheil,« fügte er für sich hinzu, als O'Laughlin hinaus war – »für einen uneigennützigen Patrioten zu gelten. – Wieder ein Vorsprung, den ich diesem Sanders abgewinne.« –

Noch an demselben Tage erhielten die drei Neger ihre Zwangspässe nach Millen.


 << zurück weiter >>