Berthold Auerbach
Landolin von Reutershöfen
Berthold Auerbach

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Sechsundsechzigstes Kapitel.

Der Tag erwachte, aber es schien kein Tag, der Regen hatte aufgehört, aber dichte Wolken hüllten noch Berg und Thal in tiefe Schatten.

Als Landolin mit Thoma wieder allein war, sagte er:

»Ich bleib' nicht auf dem Hof, ich zieh' zu Dir auf die Sägmühle und Du wirst mich gut halten, und ich bin jetzt so, daß der Holländer der richtige Kamerad für mich ist, und unnütz oder gar überlästig werde ich Euch nicht sein. Der Peter kann den Hof übernehmen und Dir herauszahlen. Ich glaub', er hat's auf eine Tochter vom Titus abgesehen. Meinetwegen! Ich will nichts dagegen haben, aber ich will die paar Jahre noch bei Dir bleiben; und wenn ich sterb', begrabet mich neben der Mutter.«

Thoma nickte still, dann sagte sie: »Ich möcht' der Frau Kreisräthin Bescheid sagen lassen, wie es jetzt bei uns ist; sie hat Gutes an uns Beiden gethan.«

»Rechtschaffen, und zur Hochzeit laden wir sie und sie muß Brautführerin sein an der Mutter Stelle. Die Mutter in der Ewigkeit wird sich mit Eurem Glück freuen; sie hat's voraus gesagt, sie hat nur gemeint, Du bringst den Anton gleich mit.«

Es läutete und Thoma sagte, es sei Zeit zur Kirche zu gehen, wo die Seelenmesse für die Mutter gelesen wird. Landolin und seine beiden Kinder gingen zur Kirche. Die Schweigsamkeit Peters konnte nicht auffallen, denn Niemand sprach ein Wort.

Als man die Kirche wieder verließ, waren die Wolken verflogen, nur noch da und dort kroch eine Flocke, immer mehr zerfetzt, die Waldberge hinan. Gottlob! Die Sonne ist wieder da, empfand Jegliches, und die gramvollen Gesichter erhellten sich.

Peter trennte sich sofort im Hofe von Vater und Schwester und befahl mit kurzen Worten, daß Alles sich aufs Feld mache, wo man geschnittenen Hafer liegen hatte, um ihn zu binden und in Garben zum Austrocknen aufzustellen; dann ging er nach dem Stall, und bald kam Landolin und sagte, man solle ihm ein Pferd satteln, er wolle in die Sägmühle zu Anton und seinem Vater reiten.

»Ja, Vater, die Fuchsstute könnt Ihr nicht nehmen, die hat erst vor ein paar Tagen gefohlt.«

»So laß mir den Rapp-Hengst satteln.«

»Ja, Vater, ich brauch' ihn eigentlich ins Feld und –«

»Was und?«

Ein erschreckter, vielleicht aber auch ein böser Blick Peters traf den Vater, da er diese Worte so scharf aussprach, er wiederholte sie aber noch schärfer:

»Was und? So red' doch! Du hast doch sonst reden können und wie!«

Peter rang offenbar mit seinem Zorn, da er mit gehaltenem Tone erwiderte:

»Der Rapp-Hengst ist nicht mehr gut zum Reiten, ich weiß nicht, wie es kommt; Ihr könnet ihn nicht reiten.«

»Ich kann nicht? Ich kann den bösesten Gaul reiten,« rief Landolin, die Faust erhebend, indem er nach dem Stall ging und den Rappen loskettete.

Landolin hatte diese Worte ganz einfach gesagt, da sein Stolz beleidigt war, daß es ein Pferd geben solle, das er nicht reiten könne. Peter aber deutete diese Worte ganz anders, der Vater hatte offenbar sagen wollen, daß er auch ihn wieder unterkriegen könne.

Der Rappe war gesattelt, Landolin nestelte den Hund los, dann stieg er auf.

Thoma war in den Hof herabgekommen, der Vater reichte ihr die Hand und sagte: »Wenn wir nicht in Trauer wären, müßtest Du mir einen Rosmarinzweig mit rothem Band an den Rock stecken.« Die Kühe wurden eben zur Tränke herausgelassen, und Landolin rief: »Thoma! Die Preiskuh, die kriegst Du im Voraus. Nun behüt' Euch Gott. Peter, gieb mir auch eine Hand. Ich komm' noch manchmal zu Dir von der Sägmühle herauf.«

Er trieb das Pferd an, daß es sich hoch aufbäumte und Funken aus dem Pflaster aufsprühten, just dort an der Stelle, wo damals Vetturi niedergestürzt war.

Landolin bemeisterte das Pferd mit starker Kraft. Die Tochter und der Sohn schauten unter dem Hofthore ihm nach, wie er auf der Straße dahin den Rappen tänzeln ließ; der Vater erschien wieder in seiner ganzen Stattlichkeit, und dort, wo der Weg thalwärts in den Wald einbiegt, grüßte Landolin, nach rückwärts gewendet, den Hut lüpfend.

Als Thoma sich wieder nach dem Hause wendete, kam von der andern Seite eine offene Kutsche angefahren, und drin saß die Kreisräthin mit ihrem Bruder, dem Staatsanwalt. Sie hielt vor dem Hause an, der Staatsanwalt fuhr weiter ins Land hinein, die Kreisräthin stieg ab; sie war gekommen, um die Trauernden zu trösten, und hörte zu ihrer großen Freude, auf welchem Wege jetzt Landolin war.


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