Berthold Auerbach
Landolin von Reutershöfen
Berthold Auerbach

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neuntes Kapitel.

Die Schwertwirthin – es ist einmal so, man redet nicht von ihm, sondern von ihr, und er läßt sich das auch ganz gern gefallen – die kluge Frau hat den guten Plan gehabt, das alte Wirthshaus zu einem fast neuen zu machen, ja eigentlich zu einem doppelten, denn sobald der Platz für den Bahnhof bestimmt war. wurde auf der flußwärts gekehrten Seite des Hauses ein neues Gebäude aufgeführt mit einer weiten Sommerhalle und bedeckten Söllern, so daß die Honoratioren des Städtchens ihr Kasino im Sommer ins Freie verlegen konnten. Daneben hatte sie das Erkerzimmer des Hauses nach der Stadtseite eigens für Feierlichkeiten hergerichtet. Da war ein großer Spiegel, in welchem man sich in Lebensgröße beschauen konnte, was freilich nicht immer vortheilhaft ist, da hingen Farbendruck-Bilder von jungen Liebespaaren, von Trauungen, Taufen und goldenen Hochzeiten.

Dort am Tische saß der Sägemüller und die Frau Landolins und warteten lange vergebens auf den Bauer. Der Sägemüller war ärgerlich, und die Frau wußte nicht, was sie sagen sollte, denn sie konnte doch nicht bekennen, daß ihr Mann gewiß absichtlich den Sägemüller warten lasse, um ihm zu zeigen, wer der Fürnehmere sei.

Der Sägemüller hatte ein ernsthaftes, gleichmütiges Gesicht und in Wort und Bewegung etwas Bedächtiges. Er hatte volle Achtung vor der Bäuerin und sprach diese auch aus, die Bäuerin schaute verschämt nieder, sie war's nicht gewohnt, daß man sie lobte. Sie schwieg, und auch der Müller schwieg und pfiff nur unhörbar vor sich hin.

Endlich hörte man den Schritt Landolins und hinter ihm drein kamen Thoma und Anton.

Landolin reichte dem Müller still die Hand.

»Ich hab' lang gewartet,« sagte der Müller, Landolin hielt es nicht für nöthig, hierauf ein Wort der Entschuldigung vorzubringen; die Menschen müssen zufrieden sein mit Allem, was er thut und wie er's thut.

Der Müller schenkte von dem Weine ein, der auf dem Tische stand, und Landolin stieß mit ihm an und sagte.

»Eigentlich auszumachen haben wir nichts mehr, Du weißt, was der Peter herausgeben muß, wenn er den Hof übernimmt. Das baare Geld, was sie von mir bekommt, leg' ich am Tage vor der Hochzeit auf den Tisch. Die fünf Morgen Wald in Eurer Gemarkung, die ich zugekauft habe und die nicht zu meinem Hof gehören, gebe ich jetzt schon der Thoma, und sie bleiben ihr eigen. Du hast nur noch den Sohn, und da ist nichts weiter zu reden. Heirathen wirst Du nicht mehr.«

Der Sägemüller lächelte schmerzlich und sagte endlich:

»So gebt Euch in Gottes Namen die Hand! Und Glück und Segen auf allen Seiten!«

Die Verlobten gaben sich mit einem festen Schlag die Hand und ebenso die Väter und die Mutter. Dann tranken die beiden Verlobten aus einem Glase, und es war ein gutes Zeichen, daß Thoma das dargereichte Glas Anton nicht aus der Hand nahm, sondern trank, während er das Glas hielt. Landolin hätte wol noch ein Wort sagen können, aber er schwieg, er hat nicht nöthig zu reden, er ist der Landolin; ja, er sah mißtrauisch auf den Müller, er hielt nicht viel von ihm, weil alle Welt sagte, wie gutmüthig er sei, und Landolin war geneigt, die Gutmüthigkeit für eine Art von Schelmerei zu halten.

»Schwiegervater,« sagte Anton, »Ihr sollet immer Freude haben, wenn Ihr zu uns kommt, und so wenig unser Bach den Berg aufwärts lauft, so wenig soll je ein Gedanke der Thoma aus Unzufriedenheit heimwärts gehen in ihr Elternhaus.«

Landolin machte große Augen, da Anton so sprach, er antwortete nichts, er klopfte ihm nur auf die Schulter, und der Müller nahm das Wort in bewegtem Ton:

»Ja ja, es wird schön sein, wenn wieder ein junges Weibsvolk in unserm Hause ist.«

»Und die Thoma,« setzte die Bäuerin hinzu, »wird Euch in Ehren halten; sie ist ehrbar gegen ihre Eltern das giebt brave Hausfrauen.«

Landolin zuckte die Achseln kaum merkbar, da der Müller hinzufügte: »Ich glaub's auch, Landolin, Deine Tochter ist nicht so gewaltthätig wie Du und Deine Sippe von jeher.«

Landolin lächelte, es erschien ihm als bestes Lob, daß man ihn für gewaltthätig ansah; das hält die Menschen in Furcht und Ehrerbietung.

Da Landolin noch immer schwieg, glaubte der Müller abermals das Wort nehmen zu müssen, und er sagte:

»Kann mir's denken, daß es Euch hart ankommen wird, die Tochter aus dem Haus zu geben. Wir haben's auch gespürt, wie wir unsere einzige Tochter verheirathet haben. Meine Frau selig – von ihr hat's der Anton, daß er so gut im Wort ist – hat gesagt, wenn die Tochter aus dem Haus ist, die Trepp' auf Trepp' ab gesungen hat, da ist's, als ob alle Lustbarkeit wie ein Vogel davongeflogen wäre.«

Landolin sah verächtlich bei Seite über solche alberne, weichmüthige Reden.

Der Müller aber, der nichts davon merkte, fuhr leise fort, so daß die Verlobten es nicht hörten:

»Ich brauch' den Anton vor Euch nicht mehr zu berühmen, er ist jetzt Euer so gut als mein. Er ist gar gut geschult, sie haben ihn beim Militär behalten wollen, sie sagen, er hätt' Offizier werden können, aber das ist nichts für unsereins, und es wird nicht lauge dauern, da wird Eure Tochter Frau Schultheiß heißen. Meine Frau hat's Gottlob noch erlebt, daß er heim kommen ist mit dem großen Ehrenzeichen; Ihr freut Euch gewiß auch damit. Ein Mann mit diesem Zeichen ist viel werth, das heißt, nicht im Geld, aber er ist werth und angesehen, wohin er kommt, und hat sich vor Niemand, wer er sei, zurück zu stellen.«

»Das brauchen wir auch für uns nicht,« sagte Landolin endlich mit hochmüthig mitleidiger Miene gegen den Müller, und er lachte laut, als der Müller hinzufügte:

»Die Frau Kreisgerichtsräthin hat das schön ausgelegt. Wohin der Anton kommt, hat er das Ehrengeleit von dem Obersten im ganzen Reich.«

»Hoho!« schrie Landolin so laut, daß selbst die Verlobten aufschraken. Es kam aber zu keiner weiteren Erklärung, denn da jetzt der Markt zu Ende war, traten die Verwandten des Müllers und auch der Bruder von Landolins Frau ein. Die Bäuerin begrüßte den Bruder herzlich, auch Landolin reichte ihm die Hand und hieß ihn willkommen. Er war sonst verfeindet mit seinem Schwager, der eigentlich zum Titus hielt, heute aber mochte er doch, wie sich's gebührt, bei dem Familienfeste sein.

Man trank, man schmauste, aber das Gesicht Landolins röthete sich bis in die Stirnhaare hinein, da der Müller sagte, er begleite nächsten Sonntag die Verlobten, die dem Wälderjörgli. dem Einungsmeister, droben im Walde sich als Verbundene vorstellen sollen.

»Mich geht der Einungsmeister nichts an,« rief Landolin, »ich frag' nichts nach den alten Bräuchen, und bei mir ist der Wälderjörgli mit seinem langen Bart kein Heiliger; in meinem Kalender steht er nicht.«

»Er ist ein Verwandter von meiner Frau selig,« schaltete der Müller ein, »und Du weißt ja, was er zu bedeuten hat.«

»Just soviel, als in meinem Glas ist,« entgegnete Landolin, nachdem er ausgetrunken hatte.

Die Frau, die einen Zank befürchtete, betheuerte ihre Ehrerbietung gegen den Wälderjörgli und bat ihren Mann, nichts weiter gegen ihn zu sagen; Thoma half ihr und legte ihre Hand auf die Schulter des Vaters mit der Bitte, sich nicht unnöthig in Jast zu bringen. Landolin lächelte seinem Kinde zu, schenkte frisch ein und trank auf das Wohl der Verlobten.

Diese wollten nun davon gehen, aber Landolin rief mit erregter Stimme. »Halt! Stillgestanden! Anton! Vor Lichtmeß darfst Du bei mir nicht um die Hochzeit anfragen. Gieb mir Dein Wort drauf!«

»Ich hab' heut keins mehr, ich hab' mein Wort heut schon hergegeben,« entgegnete Anton lachend und ging mit seiner Braut davon.


 << zurück weiter >>