Berthold Auerbach
Landolin von Reutershöfen
Berthold Auerbach

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Achtundfunfzigstes Kapitel.

»Landolin!« begann die Kreisräthin aufs Neue. »Wenn man sich drauf verlassen könnte, daß die Menschen sich selbst Buße auferlegen und Gutes thun, wo sie Böses gethan oder auch, wo ihnen ein böses Ungeschick geschehen; wenn man das sicher wüßte, brauchte man auf der Welt keine Gerichte und keine Strafen. Landolin, es giebt ein Mittel, womit Ihr Euch und Euer ganzes Haus vom Unglück befreien könnt.«

»Sieht denn das Haus wie ein Haus voll Unglück aus?«

»Es sieht nicht so aus und ist doch so. Landolin! Da draußen sitzt eine arme Frau, deren einziger Sohn verunglückt ist. Von Feld und Wald weitum hat die Frau nur den kleinen Fleck Erde, darin ihr Sohn ruht und da wächst –«

»Die Frau geht mich nichts an.«

»Das sagt nur Euer Mund, Ihr denkt doch ganz anders. Landolin! Wenn Ihr verurtheilt worden wäret, hättet Ihr der verlassenen Wittwe den Ernährer ersetzen müssen.«

Sie erschrak, da sie plötzlich durch ein Lachen Landolins unterbrochen wurde; es war freilich ein gezwungenes Lachen, aber doch eben Lachen. Sie sah ihn fragend an, und er rief:

»Hui! Sie verstehen ja die Rechtssachen ganz genau.«

»Es ist jetzt von Recht keine Rede. Die arme Frau hat kein Recht. Was Ihr thut, thut Ihr freiwillig, und das ist eben das Schöne. Landolin! Ihr werdet das Geld geben, das ich verlange, aber das ist mir nicht genug, Ihr müßt auch noch die rechten Gedanken dazu geben.«

»Ich hab' kein Geld und keine rechten Gedanken.«

»Doch, Ihr habt beides, Ihr wollt es haben, und je mehr Ihr hergebt, um so mehr werdet Ihr haben. Ich bürge für Euch, Ihr macht der armen Frau ihre Tage noch gut und friedlich.«

»Hoho!« rief Landolin, »damit dann die Welt sagt, er giebt zu, daß er schuldig ist, er will's zuschmieren mit Wohlthätigkeit!«

»Was liegt Euch am Gerede der Welt?«

In der Seele Landolins mußte ein heftiger Kampf vorgehen und es zeigte sich in seinen Mienen, in seinem ganzen Wesen, er ging unruhig in der Stube umher, ballte die Fäuste, er löste sie auf; endlich blieb er vor der Kreisräthin stehen und sagte:

»Frau Kreisräthin, und wenn Sie's auch mit mir fertig brächten, eine böse Frau bringen sieben Engel nicht aus der Bosheit heraus, eher fängt man mit der bloßen Hand einen Fuchs aus seinem Bau und Sie wissen's vielleicht noch nicht, Frau Kreisräthin, die Schaubkäther hat von je eigentlich ein verhärtetes Gemüth gehabt. Mag sein, daß sie nichts dafür kann; ihre Mutter ist mit dem Strohkranz auf dem Kopf vor der Kirchenthür gestanden, eh' die Schaubkäther geboren worden ist. Nein, Frau Kreisräthin, mit mir . . . Sie haben's ja gesehen . . . ich lass' mir zureden . . . wer weiß aber –«

»Da vertrauen Sie mir. O lieber Landolin! Wenn Ihr mir folgt, wird Euch jeder Bissen und jeder Schlaf doppelt gesegnet sein. Kommet nur jetzt gleich mit zur Schaubkäther.«

»Ich zur Schaubkäther? Wenn sie etwas von mir will, soll sie zu mir kommen; ich mag Ihnen gar nicht sagen, was sie mir auf Weg und Steg anthut.«

»Drum geht jetzt mit mir zu ihr. Ich weiß recht wohl, was das ist: der Landolin zur Schaubkäther – aber fragt Euch jetzt nicht, ob Ihr nicht zu viel thut, ob Ihr Euch nicht herunter gebt. Kommet mit! Gebt mir die Hand. Kommet!«

»Es sei! Ich geh' mit Ihnen!«

Auf der Straße war es still, kein Mensch war sichtbar, als Landolin mit der Kreisräthin dahin ging; sie schaute mehrmals nach ihrem Begleiter, ob er nicht plötzlich davon laufe, aber er ging im gleichen Schritt; nur da, wo die Straße von dem Wiesenweg berührt wird, stand er noch einmal still und sagte:

»Ich hätt's nie geglaubt, wenn mir Eins gesagt hätte, daß ich das thue; aber Ihnen zu lieb thu' ich's und die Schaubkäther mag schimpfen und fluchen, wie sie will, ich thue nichts dagegen.«

»Sie wird sich bekehren lassen,« schloß die Kreisräthin zuversichtlich.


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