Sagen aus Westfalen
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Die geheime Richtstätte zu Horst

Auf einem schroffen rechten Ruhrberge erhebt sich das stattliche Haus Horst und schaut von dort aus weit ins Land hinaus. Es ist gar fest und stark gefügt und prächtig anzusehen, und doch bedeutet es nur einen Schatten untergegangener Herrlichkeit.

Als die Burg Horst schon längst zu Trümmern lag, trieben dort Knaben einst ihr munteres Spiel. Sie bröckelten an dem morschen Gemäuer, kletterten an den alten Türmen empor und tummelten sich in den Gewölben. Plötzlich stieß einer von ihnen auf eine geheime Tür. Sie war im Keller angebracht und dem Auge ganz verborgen. Und die Knaben zogen und zerrten daran, bis sie sich vor ihnen auftat. Siehe da! Ein dunkler Gang gähnte ihnen entgegen, und schmale Stiegen führten in die Tiefe. Da waren sie alle recht neugierig und wollten ergründen, was das bedeute.

Sie zündeten sich Lichter an und stiegen hinab, einer nach dem andern. Der Weg war mühsam und eng. Lange waren sie in gebückter Haltung schon gewandert, als sie ein starkes dumpfes Rauschen hörten. Das mochte der Ruhrstrom sein, dem sie nun näher kamen. Ihnen allen ward geheimnisvoll zumute. Im flackernden Scheine ihrer Lichter sahen sie vor sich einen gewaltigen runden Haublock, und darauf lag das große verrostete Beil des Henkers. Als sie hintraten, um zu sehen, huschten schwarze, flatternde Gestalten durch die Nacht des Berges hin, und ringsum klang es wie Wimmern und Jammern, Seufzen und Stöhnen.

Die Knaben schauderten. Sie wurden von einer unheimlichen Angst ergriffen. Nur der kühnste unter ihnen hatte noch Mut genug, das Beil an sich zu nehmen. Dann traten sie alle eilig den Rückweg an und erreichten glücklich wieder das Tageslicht. Bald darauf stürzte das Gewölbe ein, und seither hat niemand wieder die Stätte des Grauens betreten können.

 


 


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