Sagen aus Westfalen
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Der Hase im Wege

In einer Gegend des Münsterlandes wohnte vor vielen Jahren ein Pfarrer, welcher von seinen Pfarrkindern seiner außerordentlichen Frömmigkeit wegen sehr geschätzt und verehrt ward. Dieser wurde einst zu einer entfernt vom Dorfe wohnenden todkranken Frau gerufen, um ihr die heiligen Sakramente zu erteilen; sie hatte gebeten, er möchte doch selbst kommen. Weil der Pfarrer aber gerade in diesem Augenblick verhindert war, so schickte er seinen Kaplan dahin, welcher dann auch die Kranke mit den heiligen Sakramenten der Sterbenden versah. Die Kranke aber bat nochmals dringend, der Herr Pastor möge doch noch einmal selbst zu ihr kommen, sie könne sonst nicht ruhig sterben, worauf sich der Pastor denn auch gleich dahin auf den Weg begab.

Unterwegs betete er im Gehen das Brevier, und als er aufsah, sah er vor sich im Wege einen Hasen sitzen, worauf er anfangs nicht weiter achtete. Als er noch einmal aufsah, hatte sich das Ding ordentlich vergrößert und nahm zusehends noch immer zu, so daß es zuletzt über Mannshöhe erreichte und den ganzen Weg sperrte. Der Pfarrer ließ sich hierdurch nicht irremachen, sondern setzte seinen Weg getrost fort, darauf vertrauend, daß er vor Gott wandele. Als er nun der Erscheinung näher kam, zog sie sich seitwärts in das nah gelegene Gebüsch zurück und ließ ihm den Weg offen. Als er zum Bette der Kranken kam, verlangte selbige nochmals zu beichten; während er ihr nun die Beichte hörte und einmal zufällig aufblickte, sah er am Fuße des Bettes die Gestalt eines scheußlichen Totengerippes stehen. Der Pastor sah wieder vor sich und hörte die Beichte der Kranken bis zu Ende. Kaum hatte er ihr die Lossprechung erteilt, so war das schreckliche Gesicht verschwunden, und die Kranke verschied bald darauf ruhig.

 


 


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