Sagen aus Westfalen
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Das Gelübde der Geister

Ein gewisser Scheffer aus Haltern, der mit irdenen Töpfen handelte, ging seines Geschäftes wegen sehr früh am Morgen auf das Land. Wie er ungefähr eine Stunde von der Stadt entfernt war, erschienen ihm plötzlich drei große beflügelte Tiere, die seinen Pfad sperrten und um Hilfe flehten. Fast zum Hinfallen erschreckt über diese Erscheinung, rief er aus, sie möchten ihr Verlangen nun äußern, und er würde es gewiß, wenn es in seiner Macht stände, gerne erfüllen, nur sollten sie sein Leben verschonen. Die Tiere sagten also, sie seien Geister und hätten während ihres Lebens ein Gelübde getan, in der Anna-Kapelle unweit Haltern einige Pfund Flachs und Wachs zu opfern, selbiges aber nicht erfüllt und könnten nicht eher zur Anschauung Gottes gelangen, bis sie einen guten Menschen fänden, der das Gelübde für sie erfüllte.

Da er nun dieses versprach, verlangten sie zum Beweise seines Versprechens ein Zeugnis. Er hielt ihnen zu diesem Zwecke sein Taschentuch vor, sie bissen darin, und blitzschnell waren die Stellen, welche sie berührten, ,vom Feuer verzehrt. Auch in demselben Augenblicke fühlte er eine schwere Last, indem sich diese Geister Platz auf seinen Rücken genommen hatten. Nun erinnerte er sich, daß er jene Vorschriftsregel, die bei solchen Geistererscheinungen zu beobachten ist, nämlich zu sagen: »Bleibt drei Schritte von mir entfernt!«, vergessen habe. Er ward gezwungen, diese fast zum Erdrücken schwere Last bis zur Erfüllung seines Versprechens zu tragen. Er zögerte auch nicht und ging zu dem Küster der Kapelle, welcher auf demselben Berge, worauf diese erbaut ist, wohnt, kaufte von diesem die verlangten Sachen und brachte sie hinein, wo sich auch gleich die ihn drückende Schwere verlor. Im lichten Glanze statteten die Geister unter Jubeln dem Retter ihren Dank ab.

 


 


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