Sagen aus Westfalen
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Marienmünster

Der fromme Bischof Badurad von Paderborn hatte ein Gelübde getan, der Heiligen Jungfrau zu Ehren ein Kloster zu bauen; nur konnte er über den Ort, wo es stehen sollte, nicht einig mit sich werden. Zu derselben Zeit hatte ein alter Hirt, welcher über Nacht bei seinen Schafen im Felde war, ein Gesicht von einer großen Schar Hirsche mit leuchtenden Geweihen, welche sich erst, als wenn sie etwas suchten, im Tale herumtrieben; sich dann auf einem Flecke zusammenfanden und lagerten und zuletzt spurlos verschwanden. Der Hirt erzählte die Sache einem Geistlichen, und als sich die Erscheinung allnächtlich wiederholte, seinen Bekannten; das Gerücht davon trug sich hier und dorthin; endlich hörte auch Bischof Badurad davon. Im frommen Eifer, diesen höchst merkwürdigen Dingen auf die Spur zu kommen, reisete der heilige Mann selbst nach dem ihm beschriebenen Orte hin, und fand gleich in der ersten Nacht die Sache völlig so wie man ihm gesagt hatte. Wie er darüber ernsthaft nachdachte, fiel ihm ein, dies sei vielleicht der Ort, welchen sich die Heilige Jungfrau zum Tempelplatze ausersehen habe. Er flehete also in brünstigen Gebeten zu der Hochbegnadigten, sie möge, wenn hier ihr Haus stehen solle, ihren Willen in der nächsten Nacht deutlich kundgeben. In der kommenden Mitternacht ging alles wie früher; einer von den Hirschen aber erhob sich und trat in die Mitte der andern. Da sah der Bischof, daß dieser statt des Geweihes ein goldenes Kreuz auf dem Haupte trug. Der Hirsch blieb einige Zeit stehen; dann beugte er sich und legte das goldene Kreuz auf den Boden nieder. Darauf war die ganze Erscheinung verschwunden. Jetzt glaubte Badurad alles verstanden zu haben. Er ließ sogleich an dem Orte den Bau der Kirche und des Klosters beginnen. Der Altar kam genau an die Stelle, wo der Hirsch das Kreuz niedergelegt hatte. Das goldene Kreuz selbst zeigt man in dem Kloster bis auf den heutigen Tag. Dieses ist der Anfang des Klosters Marienmünster.

 


 


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