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Die drei Indianer

Mächtig zürnt der Himmel im Gewitter,
Schmettert manche Rieseneich' in Splitter,
Uebertönt des Niagara Stimme,
Und mit seiner Blitze Flammenruthen
Peitscht er schneller die beschäumten Fluthen,
Daß sie stürzen mit empörtem Grimme.

Indianer stehn am lauten Strande,
Lauschen nach dem wilden Wogenbrande,
Nach des Waldes bangem Sterbegestöhne;
Greis der eine, mit ergrautem Haare,
Aufrecht überragend seine Jahre,
Die zwei andern seine starken Söhne.

Seine Söhne jetzt der Greis betrachtet,
Und sein Blick sich dunkler jetzt umnachtet,
Als die Wolken, die den Himmel schwärzen,
Und sein Aug' versendet wild're Blitze,
Als das Wetter durch die Wolkenritze,
Und er spricht aus tief empörtem Herzen:

»Fluch den Weißen! ihren letzten Spuren!
Jeder Welle Fluch, worauf sie fuhren,
Die einst Bettler unsern Strand erklettert!
Fluch dem Windhauch, dienstbar ihrem Schiffe!
Hundert Flüche jedem Felsenriffe,
Der sie nicht hat in den Grund geschmettert!

Täglich über's Meer in wilder Eile
Fliegen ihre Schiffe, gift'ge Pfeile,
Treffen unsre Küste mit Verderben.
Nichts hat uns die Räuberbrut gelassen,
Als im Herzen tödtlich bittres Hassen:
Kommt, ihr Kinder, kommt, wir wollen sterben!«

Also sprach der Alte, und sie schneiden
Ihren Nachen von des Ufers Weiden,
D'rauf sie nach des Stromes Mitte ringen;
Und nun werfen sie weithin die Ruder,
Armverschlungen Vater, Sohn und Bruder
Stimmen an, ihr Sterbelied zu singen.

Laut ununterbroch'ne Donner krachen,
Blitze flattern um den Todesnachen,
Ihn umtaumeln Möven, sturmesmunter;
Und die Männer kommen festentschlossen
Singend schon dem Falle zugeschossen,
Stürzen jetzt den Katarakt hinunter.

Lenau


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