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Die Eroberung von Norwegen

I.
Des Königs Begehr.

Harald, der junge Königssohn,
Hochschlank beim Fürstenmahle
Saß freudig auf ererbtem Thron,
Und trank aus goldner Schale.
Und nach allguter Nordlandsart
Stand rings mit Harfen dichtgeschaart
Ein Heer von Sangeshelden,
Viel reicher Weisen kund;
Die thäten Sagen melden
Aus mannichfachem Mund.

Und Einer sang ein Liedlein gut,
Ein Lied von solchen Dingen,
Wie Jugendherz und Jugendmuth
Am liebsten hört erklingen.
Er sang wohl von der schönsten Maid
In allen Marken nah und weit:
»Ein König ist ihr Vater,
Hält Hof, Gericht und Bann,
Ihr Pfleger und Berather
Ein schlichter Bauersmann.

Da wohnt sie auf der gras'gen Flur,
Und liebt's, wie andre Hirten
Zu gehn auf Morgens thau'ger Spur,
Mit Blumen sich zu gürten;
Doch wenn zuletzt die ernste Nacht
Mit tausend Augen ist erwacht,
Hört Gyda Worte sprühen
Aus ihres Pflegers Mund,
Drin tiefe Kräfte glühen,
Und manch ein Zauberbund.

Dann brennt in Furcht und doch in Lust
Der süßen Augen Bläue,
Dann schmiegt sich um die zarte Brust
Das Goldhaar, wie voll Scheue;
Halb Anmuth ist sie und halb Graus« –
Da bricht entflammt der König aus:
»Du sollst nicht länger weilen
Im dunkeln Zauberreich!
Du sollst mein Bette theilen,
O schöner Lilienzweig!

Fort Boten, über's Salzmeer hin,
Mir Gyda zu erwerben.«
»Herr, künd' uns deutlich deinen Sinn,
Wie soll'n um sie wir werben?«
»Was werben! Bin ich König nicht?
Der König will's, der König spricht,
Und aller Mädchen bestes
Als Buhlin kommt ins Haus.« –
Das war der Schluß des Festes;
Die Boten zogen aus.

II.
Der Jungfrau Antwort.

»Oede Haide! finstre Nacht!
Fremde Küste! –
Niemand hier der gastlich wacht,
Der uns treu zu sagen wüßte,
Wo des Heerdes Flamme lacht?« –

»Fremde Boten, nächt'ge Schaar,
Ihr Verirrten!
Tretet ein, des Zagens bar.
Moos'ges Hüttendach des Hirten
Nahmt ihr nicht im Dunkel wahr.« –

Und die an der Pforte stand
In der Hütte,
Gold von Haar, und Schnee von Hand,
Schlank an Leib und hold an Sitte,
Strahlte Licht durchs nächt'ge Land.

»Wohnt so heller Kerze Schein
Bei den Hirten?
Unterm Moos der Edelstein?
Du, die mild uns will bewirthen,
Wahrlich, du mußt Gyda sein.«

»Gyda bin ich, Gyda heißt
Euch willkommen.
Ruht euch! Ihr seid weit gereist.
Morgen sei von mir vernommen,
Wer euch her an Gyda weist.« –

»Königsminne zögert nicht,
Froh erbangend
Hör' uns gleich, du schönes Licht.
Juble, weil zu dir verlangend
König Harald's Minne spricht.«

»König Harald? König der?
Kleiner Marken
Wen'ge Bauern, schwach an Wehr,
Enger Ströme schmaler Barken
Sind ihm Hofhalt, Flott' und Heer.

König? Nein! Ein König heißt,
Wem ergeben
Sich ein ganzes Land erweist,
Und vor dem die Völker beben,
Wenn er grimm die Lippe beißt.

Norweg's weitgestreckten Gau'n
Muß befehl'gen
Ganz allein durch Berg und Au'n,
Wer sich will als übersel'gen
Herrn von Gyda's Reizen schaun;

Dann erst schließen Gleich und Gleich
Eh'verbindung.« –
Und die Boten, zornesbleich,
Schauten nach des Köchers Mündung,
Faßten nach den Schwertern gleich;

Wollten dies zu stolze Reis
Keck entführen.
Da begann ein zorn'ger Greis
Hoch am Moosdach sich zu rühren,
Schwang 'nen Feuerbrand im Kreis.

Und alsbald der ganze Strand
Lebt von Flammen,
Hirten kommen rings gerannt,
Strömen zahllos wild zusammen,
Hallebart' und Speer zur Hand.

Spöttisch warnend spricht die Maid:
»Auf, ihr schnellen
Boten! Hier gilts Hurtigkeit!«
Dunkel fort auf dunkeln Wellen
Schiffen die in Zorn und Leid.

III.
Das Gelübde.

»Und hat die Maid also gesprochen,
Wie jetzt euch's von den Lippen tönt?«
»Ja, Herr, mit übermüth'gem Pochen
Hat sie dich und dein Reich verhöhnt.
O send' uns wieder an den Strand
Mit einer Schaar von muth'gen Recken,
So thun in ihrer Schmach der Kecken
Wir strafend deine Macht bekannt.«

»Was Schmach? Was Strafe? Ruhmeskronen,
Und jede Zier, und Fest und Schmaus,
Das soll den Spruch der Maid belohnen.«
So rief der junge König aus.
»O du Walkyre mir gesandt,
Mich winkend zu der Ehre Pforten,
Du sprachst es aus mit wenig Worten,
Was längst mir hat im Sinn gebrannt.

So lodr' es dann mit Glutenwogen
Ein weitbestaunter Hekla vor;
Frisch auf, ins Kampfesfeld gezogen,
Und werft mein Banner frisch empor!
Mein Banner, daß mein eignes Blut
Ihm purpurroth die Farbe gebe,
Wenn ich's nicht bald so hoch erhebe,
Daß Norweg dient dem Haraldsmuth.

Und du, mein krauses Haar, sollst wallen
In wilder Freiheit stürm'gem Spiel,
Und sollst vor keiner Scheere fallen,
Bis ich erreicht das stolze Ziel.
In deinem furchtbar finstern Dunkel
Schreit' ich, ein Wolkengeist, durchs Feld;
Man schaut nicht ihn, nur das Gefunkel
Vom Schwerterblitz, der Heere fällt.«

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IV.
Die Schlachten.

Das Lied rollt 'nen blutigen Teppich auf;
Sind Haralds Siege gewoben drauf.
Zuerst war die Schlacht in Orkadal,
Da hielten die Geier ein reiches Mahl,
Und weil der Harald den Sieg gewann,
Ward König Gryting ein Haraldsmann. –
Dann ward in Trondheim rüstig gestritten,
Achtmal ist Harald ins Feld geritten,
Und streckte der Könige acht' in den Sand;
Da ward ihm Trondheim sein eigenes Land. –
Es herrschten zwei Brüder in Naumadal,
Die hielten allzwei verschiedne Wahl,
Denn als der Harald anzog mit Macht,
Und ihn die Beiden zu stark geacht't,
Da ging der Ein' in des Hügels Grund,
Ließ hinter sich schließen ihn zur Stund';
Als König schritt er ins erdige Haus,
Und kam fortan da nimmer heraus.
Der Andre hat sich dem Harald ergeben,
Dafür ließ der Harald ihm Gut und Leben.
So wählten die Brüder in Naumadal;
Verschiedener Sinn, verschiedene Wahl. –
Bei Solfkel dann ward gefochten frei,
Da fielen der wackern Könige zwei;
Des einen Sohn war Sölfi genannt,
Der ist aus der blutigen Schlacht gerannt,
Nicht um des ärmlichen Lebens Lust,
Nein, Rache tragend in heißer Brust.
Wohl rief er zum neuen fährlichen Lauf
Die Fürsten Audbiörn und Arnvid auf;
Was half's? Es stand zu des Haralds Seiten
Fest einmal der Sieg in allem Streiten,
Die Götter hatten geworfen das Loos;
Da sanken vor seinem gewaltigen Stoß
Die Tapfern blutig in Well' und Sand,
Die Blöden unmuthig ins ehrne Band. –
Der König Wemund saß Nachts beim Feste,
Um ihn wohl neunzig der tapfern Gäste;
Da traten die Haraldskämpfer ans Thor,
Und lockten die zehrende Flamme hervor,
Und zwischen der Flamme feindlicher Pracht
Verging der König in blut'ger Nacht. –
Was half's euch Gothen, daß Pfahlesreihn
Ihr dicht gerammt in das Flußbett ein?
Der Harald stieg von den Schiffen aus,
Trug über das Feld hin Mord und Graus;
Da mußtet ihr doch mit den Klingen kommen,
Ward Sieg und Freiheit von euch genommen,
Denn Rani fiel, euer bester Degen;
Wo die Wurzel kracht, ist der Stamm erlegen.
O Gyda, Gyda, du schönes Weib,
Vor deinen Worten fällt mancher Leib! –
Zuletzt in Hafurs salziger Bucht
Ha'n sie's noch 'mal zu Schiffe versucht,
Ha'n muthig gestritten viel Herren und Knechte,
Mit Schwertern gefragt nach dem alten Rechte.
Doch es blieb der Sieg seinem Schooßkind treu;
Ueber Norweg schritt der Herrscher neu,
Saß hoch und fest auf dem ehrnen Throne,
Ob wolkigen Locken die güldne Krone,
Doch stets im Herzen das süße Leid
Um die stolze, schlachtenheischende Maid.

V.
Der Verein.

Die Schöne pflückt sich Blüthen
Am Meeresstrand,
Flicht sie zu Schattenhüten
Mit zarter Hand.
Da kommt auf grünen Wogen,
Vom Wind geschwellt
Die Segel, hergezogen
Harald der Held.

An Hüttendaches Spitzen
Erscheint ein Greis,
Läßt keine Brände blitzen,
Doch Flaggen weiß.
Und Hirten ziehn in Heeren
Entlängst die Flur,
Doch diesmal nicht mit Speeren,
Mit Blumen nur.

Sie singen: »Sei willkommen
Du Kronenhaupt!
Hast dir den Preis genommen
Wo's blutig staubt,
Hast dir den Sieg errungen,
Wo schäumt die Flut;
Nun weile, liebumschlungen,
Da weilt sich's gut.«

Süß Reden statt des herben
Tönt Gyda's Mund:
»Dir ist das Minnewerben,
Das rechte, kund.
Es sind die tapfern Waffen,
Es ist der Streit,
So Rittern Gunst verschaffen
Von zarter Maid.«

Tief neigt der stolze Freier
Sich ihrem Wort,
Da wünscht den Lockenschleier
Von ihm sie fort,
Und bringt die scharfe Scheere,
Und faßt sein Haar;
Doch spricht der Fürst der Heere:
»'S geht nicht, fürwahr!

Das muß ein Held entscheiden,
Und keine Maid,
Ob es, mein Haar zu schneiden,
Ist an der Zeit.
Mir allen Kummer wenden,
Kannst du, mein Licht;
Doch mein Gelübd' beenden,
Das kannst du nicht.

'Nen Thron thät ich erbauen
Um deine Huld;
Schafft dir mein Anblick Grauen,
Hab' nun Geduld.
Mußt frein mich hinterm Schilde
Von diesem Haar.«
Treu bot dem finstern Bilde
Die Hand sie dar.

VI.
Des Gelübdes Lösung.

»Reginwald, du alter Held,
Sieh, vor deiner hohen Veste
Haben Zwei sich hingestellt,
Zwei verwunderliche Gäste.
Ein' ist himmlisch zartes Weib,
Und ein Ritter ihr Geselle;
Doch der Locken wild Gefälle
Birgt sein Haupt und schier den Leib.«

»Auf! ihr Pforten allzumal!
Becher her vom reinsten Golde!
Heut in meinem alten Saal
Führt der Harald seine Holde!« –
Und der Wirth geht hocherfreut
Seinem Königsgast entgegen:
»Hier ist dein, du edler Degen,
Was dein hoher Mund gebeut.«

»Held, du weißt wohl, jungen Frau'n
Ist man gerne zu Gefallen;
Meiner hier erweckt ein Grau'n
Der Gelübdeslocken Wallen.
Denkst du nun, daß meine Hand
That nach meines Mundes Eiden,
Gut, so wollst die Locken schneiden,
Drum ich Grimmhaar bin genannt.«

»Grimmhaar? Nein, da sprach man schlecht.
Schönhaar sollst du künftig heißen,
Das ist wohl des Haares Recht,
Drob so viel der Kronen gleißen.
König Schönhaar, neige dich,
Daß ich dir die siegbelaubte
Bürde löse von dem Haupte,
Dir gehorchend, ehrend mich.«

Und wie Lock' auf Locke fällt,
Strahlt der König, wie aus Fluten
Eine junge Frühlingswelt;
Sternenfunkeln, Rosengluten,
Hulden blühn den Hulden zu,
Bis vor süßer Lieb' Erbarmen
Gyda ruft in seinen Armen:
»O mein Held, wie schön bist du!«

Reginwald, der Alte, lacht:
»Ja, die Frauen mögen's ahnen,
Daß die Schönheit in der Schlacht
Blüht, und unter blut'gen Fahnen.
Männer, Weiber, schließt den Bund,
Und die Welt gedeiht zum Rechten:
Kühner Degen soll erfechten,
Was gesprochen holder Mund.«

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Fouqué


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