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Paul Gerhard

Zu Brandenburg einst waltet
Der Kurfürst weit und breit;
Doch neue Lehre spaltet
Des Glaubens Einigkeit.
Es steuern wol Gesetze
Verbotenem Geschwätze,
Wie das Edikt es nennt;
Doch wird es ihm gelingen,
Den freien Geist zu zwingen
Des Sängers, der die Furcht nicht kennt?

Er stand an heil'ger Stätte,
Der Kirche heller Stern,
Durch Lehren und Gebete
Verkündigend den Herrn:
»Und laß dir nimmer grauen,
Mußt droben dem vertrauen,
Deß Name Zebaoth,
Und ob des Himmels Schranken,
Und alle Vesten wanken,
Ein' feste Burg ist unser Gott!«

Der Kurfürst aber sandte,
Da kam der fromme Mann;
Des Fürsten Auge brannte
Und zürnend hub er an:
»Wer nur den eignen Grillen,
Nicht des Gesetzes Willen
Zu folgen, weise fand,
Der hat – es sei gesprochen! –
Hat Ehr' und Amt verbrochen,
Und meidet fortan Stadt und Land.«

Der Greis versetzt bescheiden:
»Mir ziemt's, das strenge Recht,
Gebieter, zu erleiden,
Mir, dem geringen Knecht!
Wie mag ich anders lehren,
Das Reich des Herrn zu mehren,
Als wie geschrieben steht?
Es bleibt gerecht sein Wille,
Ich will ihm halten stille.« –
Und drauf verneigt er sich und geht.

Und wehrt daheim dem Jammer,
Und alles legt er ab,
Und nimmt aus seiner Kammer
Die Bibel und den Stab.
Die Mutter, blaß vor Harme,
Das jüngste Kind im Arme,
Das zweite bei der Hand –
So tritt er an die Schwelle,
Und blickt hinauf ins Helle,
Und meidet fröhlich Stadt und Land.

Wer geht im fernen Thale
Den müden Pilgergang
Im heißen Sonnenstrahle
Die flache Haid' entlang? –
Sie wallen froh im Glauben,
Als blühten ihnen Lauben
Der fremden Erde zu:
Und als der Tag verflossen,
So beut, im Wald verschlossen,
Ein gastlich Dach dem Häuflein Ruh.

O schau den süßen Schlummer
Der Kleinen auf der Bank!
Ins Mutterherz der Kummer,
So viel es kämpfte, sank:
»Wer wird sich doch der Armen
Im fremden Land' erbarmen
Und ihr Vorbitter sein?
Wer wird das Herz erweichen?
Die harten Menschen reichen
Den Hungrigen für Brod den Stein.«

Der fromme Dichter lächelt:
»Sie stehn in Gottes Hut!«
Des Glaubens Palme fächelt
Ihm Freudigkeit und Muth;
Und wo sich solche Blüthe
Entfaltet im Gemüthe,
Ist nimmer fern das Glück.
Er geht hinaus in Eile,
Und bringt nach kleiner Weile
Des Trostes goldnes Lied zurück.

»Befiehl du deine Wege,
Und was das Herze kränkt,
Der allertreusten Pflege
Deß, der den Himmel lenkt.«
Da deucht es ihren Sinnen,
Als ob die Furcht von hinnen,
Und alle Sorge flöh;
Denn kaum das Lied vernommen,
Ist über sie gekommen
Der Friede Gottes aus der Höh.

Sie schwören still, und schauen
Hinaus in Wald und Nacht,
Und über dunkeln Auen
Der Sterne goldne Pracht;
Sie schwören, ob die Wellen
Bis an die Seele schwellen,
Zu trauen für und für;
Und als der Schwur vollzogen,
Und himmelan geflogen,
Da steht die Hülfe vor der Thür.

Denn draußen scharrt im Sande
Bereits des Rosses Fuß;
Es bringt aus Sachsenlande
Der Bote diesen Gruß:
»Dem Sänger Heil und Frieden!
Ich bin hieher beschieden
Durch Kurfürst Friederich;
Er will den Dulder ehren,
Der, treu im Thun und Lehren,
Von Gottes Wegen nimmer wich.

»Er hat dich auserkoren
Zu weiden eine Heerd',
Und was du dort verloren,
Sei dreifach dir gewährt!
Wohlauf! es graut der Morgen,
Dahinten laß die Sorgen,
Und reiche mir die Hand!
Es winken uns die Gränzen;
Eh wieder Sterne glänzen,
Umfängt dich Freund und Vaterland.

Schmidt v. Lübeck


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