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Des Norfalls Thurm

Was jagt euch, Wandrer, aus wirthlichem Dach?
War weich nicht Euer Bettlein, und warm das Gemach?
Zwölf Uhr hats geschlagen auf Norfalls Thurm.
Wie gießt's mit Regen! wie sauset der Sturm!

»Und graußt dich nicht, Wächter, die heulende Wuth?
Und hörst du des Regens unendliche Fluth?
Wohl ehe der Morgen die Nacht durchbricht
Stürzt über uns krachend Norfalls Gewicht!«

Des kehrt nur, Wandrer, geruhig nach Haus,
Wißt, das ist Wolkenkönigs Gebraus!
Wolkenkönigs, der nimmer der Rache vergißt,
Alljährlich kehrt er zur selbigen Frist.

Denn also begab sichs: als Abends er fuhr
Auf Sturmwindsflügeln um Thule's Flur,
Gewahrt' er, sausend um Norfalls Burg,
Ein Fräulein die hellen Fenster hindurch.

In Blick und Geberde thut Stolz sich kund,
Und zornige Rede schwellt höhnisch den Mund;
Doch ihr zu Füßen, bewegt und bemüht,
Ein Edelknabe süßblickend kniet.

»O neigst du mir nimmer dein Auge voll Huld?
Und fehlt' ich vermessen, wer strafte die Schuld?
Wer sieht dich, und fühlt nicht des Zaubers Gewicht?
Wer ist, der ein Herz hat, und giebt es dir nicht?

»Wohl bet ich dich an, ich bekenn es, und sags,
Dich, Traumbild der Nacht! dich, Gedanke des Tags!
Doch nimmer, o Hohe, mein frommer Sinn
Begehrt der irdischen Liebe Gewinn!

»Der Pilger, er wallt zur Marien-Kapell,
Und küßt voll Demuth die heilige Schwell';
Er rührt von fern an das himmlische Kleid;
So, Hohe, so hab ich mein Herz dir geweiht.«

Doch stolz und hoch sich die Schöne vermißt:
»Was wagst du, Knabe, mit keckem Gelüst?
Wohl mancher König aus nordischem Land
Hat sonder Erhörung mir Liebe bekannt.

»Verbirg dich, Verwegner! Der athme den Tod,
Deß Lippe die schöne Hand mir bedroht,
Die schöne, so nimmer den sterblichen Mann
Mit Wonnen des Staubes beseligen kann.

»Der Silfen der Luft, der Elfen im Thal
Ein mächtiger König sei mein Gemahl!
Und löst er nicht zween Gebote mir gleich,
Hält doch mich nimmer sein machtlos Reich!«

Und wie das Wort von der Lippe geflohn,
Bebt Norfalls Burg, und mit Scepter und Kron
Steht Wolkenkönig, von Brausen umwallt,
In Donner und Blitz vor der bleichen Gestalt.

»Du Hochgesinnt', es ist dir gewährt,
Was dir hochherrschend dein Herz begehrt.
Was bietet von Staub dir der zitternde Wurm?
Ich bringe zum Brautschatz Donner und Sturm!

»Und wie du kühnlich auf Hohes gebaut,
Führt Wolkenkönig dich heim als Braut,
Und löst er dir zween Gebote nicht gleich,
So halte dich nimmer sein machtlos Reich!«

Und sprichts, und packt sie im Wirbelwind
Und flieht mit der streubenden Beute geschwind,
Bis hoch in Lüften ihr bebendes Ohr
Des treuen Knaben Klage verlor.

Jetzt mit ihr ruhend in seinem Palast
Der Geist sie streichelt und lieblich faßt.
»Muß jetzt, Feinlieb, den Herren im Reich
Mein' Hochzeit melden, daß sie kommen zugleich!»

Flugs dreimal im Wirbel sich reißt er und rauft
Drei Haar' aus dem Barte von Nebel betrauft,
Und spützet hervor drei Tröpflein Blut
Und zündets zusammen bei Blitzes Glut.

Sieh! plötzlich daher auf feuchtem Roß
Ein weißer Reiter die Luft durchfloß;
Die Mutter hinten, die alte Fey,
Eine Perlenschale trägt sie herbei.

»Heil Wolkenkönig! ich bringe zum Mahl
(Spricht Wasserkönig) eine frische Schal',
Der schönen Müllerin purpurnes Blut;
Ich zerrt' sie herunter in meine Flut.«

Und wieder ein Wagen ansauset weich,
Erlkönig mit seinen Töchtern zugleich.
Thalelfen umreiten auf Heimchen, gebäumt,
Und geiseln den Alp, der huckend säumt.

»Heil, Wolkenkönig! ich bringe zum Mahl
(Spricht Erlkönig) eine frische Schal',
Ein's Knäblein Herz, noch zappelnd und warm;
Ich kneipt' und würgt' es in Vaters Arm.«

Und wieder saust es und prasselt heran,
Glutrother Drachen schnaubend Gespann,
Und Salamander, umschlängelnd im Reif
Der gelben Lohe Purpurschweif.

»Heil, Wolkenkönig! dein Tisch ist besetzt,
(Spricht Feuerkönig) so komm' ich zuletzt.
Drum frisch die Dirn, und lustig zum Mahl!
Es ist die Nahrung dem Feuer schmal.«

Laut auf Romhilde vor Schrecken schreit,
Allein in der gräßlichen Einsamkeit.
»Die hast du, so kühnlich den Geistern geglaubt,
Zum Mahl der Larven der Wüste geraubt?«

»Ringst, Lieb, umsonst die Händlein wund,
Es ist der Dämonen alter Bund,
Die willig in Geister-Umarmung geruht,
Man schmaust sie behaglich, und saugt ihr Blut.«

»Nie, Scheusal! erfüllst du den schrecklichen Bund,
Bis du mir den meinen erfüllet zur Stund.
Denn löst du nicht zween Gebote mir gleich,
So hält mich nimmer dein machtlos Reich!«

»Ei, Lieb, das mach' uns die Suppe nicht kalt;
Nur frisch gefordert, ich bring's alsbald!«
Sie sinnt und besinnt sich, das zitternde Kind,
Und prüft und wählt, und erwählet geschwind:

»Der Liebenden Treusten verlangt mich zu sehn!« –
Und vor ihr sieht sie den Knaben stehn,
Sein Herz voll Liebe, ihr Herz voll Lust,
Und drückt ihn innig an ihre Brust.

»Der Liebenden Treusten zeigt'st du mir; doch
Flugs einen Treuern zeige mir noch!« –
Ein heulend Kreischen zerreißt die Luft
Und Spuck und Zauber zerrinnt in Duft.

Die Morgensonne bricht hell hindurch;
Romhilde ruhet auf Norfalls Burg,
Und ihr im Arme der holde Knab,
Dem treu sie Hand und Leben ergab.

Doch wenn die Gleiche der Herbst' erscheint,
Spukt um die Fenster der alte Feind.
Drum laßt ihn sausen, so kraus er will;
Wenn Morgen anbricht, wird alles still.

Trinius


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