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Die Nonne

Ich stand auf hohem Berge,
Sah in den tiefen Rhein,
Ein Schifflein sah ich schweben,
Drei Grafen tranken drein.

Der jüngste von den dreien,
Der in dem Schifflein saß,
Bot mir einmal zu trinken
Kühlen Wein aus seinem Glas.

Was bietst du mir zu trinken,
Was schenkst du mir den Wein?
Ich bin ein armes Mädchen
Und du ein reicher Graf.

Und wenn ich schon nicht reiche bin
Aller Ehren bin ich voll.
Ins Kloster will ich gehen,
Will werden eine Nonn.

Was zog er von seinem Finger?
Einen Ring von Gold so roth.
Nimm hin, du Hübsche, du Feine,
Trag ihn nach meinem Tod.

Was soll ich mit dem Ringlein thun,
Wenn ich's nicht tragen darf!
Ei sag, du habst's gefunden
Draußen im grünen Gras.

Ei warum sollt ich lügen?
Stünd mir gar übel an.
Viel lieber wollt ich sagen,
Der jung Graf wär mein Mann.

Es stund wohl an ein Vierteljahr,
Dem Grafen träumt's gar schwer
Als ob sein herzallerliebster Schatz
Ins Kloster gangen wär.

Steh auf, steh auf, lieber Reitknecht mein,
Sattel mir und dir ein Pferd,
Wir wollen reiten Berg und Thal,
Der Weg ist reitenswerth.

Und als er vor das Kloster kam,
Gar leise klopft er an:
Wo ist die jüngste Nonne
Die zuletzt ist kommen an?

Es ist ja keine gekommen,
Es kommt auch keine heraus.
So will ich das Kloster anzünden,
Das schöne Gotteshaus.

Das Nönnchen kam geschritten,
Schneeweiß war sie gekleid't:
Ihr Haar war abgeschnitten,
Zur Nonne war sie bereit.

Sie bot ihm noch zu trinken,
Zu trinken aus dem Glas;
Das Glas thät ihm zerspringen,
Zerspringen auch sein Herz.

Mit ihren weißen Händen
Grub sie dem Herrn ein Grab;
Aus ihren schwarzbraunen Augen
Sie ihm das Weihwasser gab.

Mit ihrer schönen Stimme
Sang sie den Grabgesang,
Mit ihrer hellen Zunge
Schlug sie den Glockenklang.

Volksthümlich


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