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Des Pfarrers Tochter von Taubenhayn

Im Garten des Pfarrers von Taubenhayn
Gehts irre bei Nacht in der Laube.
Da flüstert und stöhnt's so ängstiglich;
Da rasselt, da flattert und sträubet es sich,
Wie gegen den Falken die Taube.

Es schleicht ein Flämmchen am Unkenteich,
Das flimmert und flammert so traurig.
Da ist ein Plätzchen, da wächst kein Gras;
Das wird vom Thau und vom Regen nicht naß;
Da wehen die Lüftchen so schaurig. –

Des Pfarrers Tochter von Taubenhayn
War schuldlos wie ein Täubchen.
Das Mädel war jung, war lieblich und fein,
Viel ritten der Freier nach Taubenhayn,
Und wünschten Rosetten zum Weibchen.

Von drüben herüber, von drüben herab,
Dort jenseit des Baches vom Hügel,
Blinkt stattlich ein Schloß auf das Dörfchen im Thal,
Die Mauern wie Silber, die Dächer wie Stahl,
Die Fenster wie brennende Spiegel.

Da trieb es der Junker von Falkenstein
In Hüll' und in Füll' und in Freude.
Dem Jüngferchen lacht in die Augen das Schloß,
Ihr lacht in das Herzchen der Junker zu Roß,
Im funkelnden Jägergeschmeide. –

Er schrieb ihr ein Briefchen auf Seidenpapier,
Umrändelt mit goldenen Kanten.
Er schickt' ihr sein Bildniß, so lachend und hold,
Versteckt in ein Herzchen von Perlen und Gold;
Dabei war ein Ring mit Demanten.

»Laß du sie nur reiten, und fahren und gehn,
Laß du sie sich werben zu schanden!
Rosettchen, dir ist wohl was Bessers bescheert.
Ich achte des stattlichsten Ritters dich werth,
Beliehen mit Leuten und Landen.

Ich hab' ein gut Wörtchen zu kosen mit dir;
Das muß ich dir heimlich vertrauen,
Drauf hätt' ich gern heimlich erwünschten Bescheid,
Lieb Mädel, um Mitternacht bin ich nicht weit;
Sei wacker und laß dir nicht grauen!

Heut Mitternacht horch auf den Wachtelgesang,
Im Weizenfeld hinter dem Garten.
Ein Nachtigallmännchen wird locken die Braut,
Mit lieblichem tief aufflötendem Laut;
Sei wacker und laß mich nicht warten!«

Er kam in Mantel und Kappe vermummt,
Er kam um die Mitternachtsstunde.
Er schlich, umgürtet mit Waffen und Wehr,
So leise, so lose, wie Nebel, einher,
Und stillte mit Brocken die Hunde.

Er schlug der Wachtel hell gellenden Schlag,
Im Weizenfeld hinter dem Garten.
Dann lockte das Nachtigallmännchen die Braut,
Mit lieblichem tief aufflötendem Laut,
Und Röschen, ach! – ließ ihn nicht warten. –

Er wußte sein Wörtchen so traulich und süß
In Ohr und in Herz ihr zu girren;
Ach, liebender Glaube ist willig und zahm!
Er sparte kein Locken, die schüchterne Schaam
Zu seinem Gelüste zu kirren.

Er schwur sich bei Allem, was heilig und hehr,
Auf ewig zu ihrem Getreuen.
Und als sie sich sträubte, und als er sie zog,
Vermaß er sich theuer, vermaß er sich hoch:
»Lieb Mädel, es soll dich nicht reuen!«

Er zog sie zur Laube, so düster und still,
Von blühenden Bohnen umdüftet.
Da pocht' ihr das Herzchen, da schwoll ihr die Brust;
Da wurde vom glühenden Hauche der Lust
Die Unschuld zu Tode vergiftet. – –

Bald, als auf duftendem Bohnenbeet
Die röthlichen Blumen verblühten,
Da wurde dem Mädel so übel und weh;
Da bleichten die rosigten Wangen zu Schnee;
Die funkelnden Augen verglühten.

Und als die Schote nun allgemach
Sich dehnt' in die Breit' und die Länge;
Als Erdbeer' und Kirsche sich röthet' und schwoll;
Da wurde dem Mädel das Brüstchen zu voll,
Das seidene Röckchen zu enge.

Und als die Sichel zu Felde ging,
Hub's an sich zu regen und strecken.
Und als der Herbstwind über die Flur,
Und über die Stoppel des Hafers fuhr,
Da konnte sie's nicht mehr verstecken.

Der Vater, ein harter und zorniger Mann,
Schalt laut die arme Rosette:
»Hast du dir erbuhlt für die Wiege das Kind,
So hebe dich mir aus den Augen geschwind
Und schaff' auch den Mann dir ins Bette.«

Er schlang ihr fliegendes Haar um die Faust;
Er hieb sie mit knotigen Riemen.
Er hieb, das schallte so schrecklich und laut!
Er hieb ihr die sammtene Lilienhaut
Voll schwellender blutiger Striemen.

Er stieß sie hinaus in der finstern Nacht
Bei eisigem Regen und Winden.
Sie klimmt' an dornigen Felsen empor,
Und tappte sich fort bis an Falkensteins Thor,
Dem Liebsten ihr Leid zu verkünden. –

»O weh mir, daß du mich zur Mutter gemacht,
Bevor du mich machtest zum Weibe!
Sieh her! Sieh her! Mit Jammer und Hohn
Trag' ich dafür nun den schmerzlichen Lohn,
An meinem zerschlagenen Leibe!«

Sie warf sich ihm bitterlich schluchzend ans Herz;
Sie bat, sie beschwur ihn mit Zähren:
»O mach' es nun gut, was du übel gemacht,
Bist du es, der so mich in Schande gebracht,
So bring' auch mich wieder zu Ehren!« –

»Arm Närrchen, versetzt' er, das thut mir ja leid!
Wir wollen's am Alten schon rächen.
Erst gieb dich zufrieden und harre bei mir!
Ich will dich schon hegen und pflegen allhier.
Dann wollen wir's ferner besprechen.« –

»Ach, hier ist kein Säumen, kein Pflegen, noch Ruh'n!
Das bringt mich nicht wieder zu Ehren.
Hast du einst treulich geschworen der Braut,
So laß auch an Gottes Altare nun laut
Vor Priester und Zeugen es hören!« –

»Ho! Närrin so hab' ich es nimmer gemeint!
Wie kann ich zum Weibe dich nehmen?
Ich bin ja entsprossen aus adligem Blut.
Nur Gleiches zu Gleichem gesellet sich gut;
Sonst müßte mein Stamm sich ja schämen.

Lieb Närrchen, ich halte dir's, wie ich's gemeint:
Mein Liebchen sollst immerdar bleiben.
Und wenn dir mein wackerer Jäger gefällt,
So lass' ich's mir kosten ein gutes Stück Geld.
Dann können wir's ferner noch treiben.« –

»Daß Gott dich! du schändlicher, bübischer Mann! –
Daß Gott dich zur Hölle verdamme! –
Entehr' ich als Gattin dein adliges Blut,
Warum denn, o Bösewicht, war ich einst gut
Für deine unehrliche Flamme? –

So geh' denn und nimm dir ein adliges Weib! –
Das Blättchen soll schrecklich sich wenden!
Gott siehet und höret und richtet uns recht.
So müsse dereinst dein niedrigster Knecht
Das adlige Bette dir schänden!

Dann fühle, Verräther, dann fühle wie's thut,
An Ehr' und an Glück zu verzweifeln!
Dann stoß an die Mauer die schändliche Stirn,
Und jag' eine Kugel dir fluchend durch's Hirn,
Dann, Teufel, dann fahre zu Teufeln!« –

Sie riß sich zusammen, sie raffte sich auf,
Sie rannte verzweifelnd von hinnen,
Mit blutigen Füßen, durch Distel und Dorn,
Durch Moor und Geröhricht, vor Jammer und Zorn
Zerrüttet an allen fünf Sinnen.

»Wohin nun, wohin, o barmherziger Gott,
Wohin nun auf Erden mich wenden?« –
Sie rannte, verzweifelnd an Ehr' und an Glück,
Und kam in den Garten der Heimath zurück,
Ihr klägliches Leben zu enden.

Sie taumelt', an Händen und Füßen verklomt,
Sie kroch zur unseligen Laube;
Und jach durchzuckte sie Weh auf Weh,
Auf ärmlichem Lager, bestreuet mit Schnee,
Von Reißig und rasselndem Laube.

Es wand ihr ein Knäbchen sich weinend vom Schooß,
Bei wildem unsäglichen Schmerze.
Und als das Knäblein geboren war,
Da riß sie die silberne Nadel vom Haar,
Und stieß sie dem Knaben ins Herze.

Erst, als sie vollendet die blutige That,
Mußt' ach! ihr Wahnsinn sich enden.
Kalt wehten Entsetzen und Grausen sie an. –
»O Jesu, mein Heiland, was hab' ich gethan?«
Sie wand sich den Bast von den Händen.

Sie kratzte mit blutigen Nägeln ein Grab
Am schilfigen Unkengestade.
»Da ruh' du, mein Armes, da ruh' nun in Gott,
Geborgen auf immer vor Elend und Spott! –
Mich hacken die Raben vom Rade.« – –

Das ist das Flämmchen am Unkenteich;
Das flimmert und flammert so traurig.
Das ist das Plätzchen, da wächst kein Gras;
Das wird vom Thau und vom Regen nicht naß!
Da wehen die Lüftchen so schaurig!

Hoch hinter dem Garten vom Rabenstein,
Hoch über dem Steine vom Rade
Blickt, hohl und düster, ein Schädel herab,
Das ist ihr Schädel, der blicket auf's Grab,
Drei Spannen lang an dem Gestade.

Allnächtlich herunter vom Rabenstein,
Allnächtlich herunter vom Rade
Huscht bleich und molkicht ein Schattengesicht,
Will löschen das Flämmchen, und kann es doch nicht,
Und wimmert am Unkengestade.

Bürger


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