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Struth Winkelried

Es lebte ein Ritter am gräflichen Hof,
Geachtet von Großen und Kleinen:
Ein Blitz in den Schlachten, ein schützender Thurm,
Ein rettender Fels im verschlingenden Sturm,
Doch gern auch ein Bote des Friedens.

Und wenn in der Halle, beim festlichen Mahl,
Die rosigen Frauen kredenzten,
Und Becher erklangen die Tafel entlang,
Und Harfen ertönten, und Minnegesang,
Blieb immer sein Auge so düster.

Und sank an dem westlichen Himmel das Licht
Des Tages, bestieg er die Warte;
Und wenn dann des Hochgebirgs silberner Kranz
So golden verglimmte im scheidenden Glanz,
Dann netzten ihm Thränen die Wimper.

»Dort drüben, dort lieget mein heimatlich Land,
Dort drüben, da wohnen die Meinen!
Gerechtigkeit hat mich von ihnen gebannt,
Ich stieß, von der Hitze des Zorns übermannt,
Das Schwert in die Brust eines Freien.

Jetzt hab' ich so lange, so bitter gebüßt,
Und Kummer verzehrt meine Kräfte!
Ich spende an Kirchen und Arme mein Gut:
Erkauft mir denn nimmer die Reue, das Blut,
Ein Grab in dem Land meiner Väter?«

Und, horch! eine Märe durchkreiset das Land:
»Nidwalden verheeret ein Drache;
Es drohet dem Ländchen ein gräßliches Loos,
Schon decken das einsame, traurige Moos
Die Knochen von Menschen und Thieren!

Hoch über die Berge zieht Alles, und flieht
Im Thale verödete Weiler;
Es wallen die Büßer mit Kreuzen, es weh'n
Die Fahnen, es hallen die Glocken, es fleh'n
Die Priester: Herr, send' uns den Retter!«

Da griff zu der Rüstung der trauernde Held:
»Auf, Knappe! besteige den Renner!
Durchfliege das Land und durchstürme die Fluth,
Und sag meinen Herren, es wünsche der Struth
Dem Lande sein Leben zu weihen.«

Und eh' noch der Renner die Ebne erreicht,
So sattelt er selber den Rappen,
Enteilet voll Kampflust dem gräflichen Schloß,
Und spornet und treibet das schäumende Roß
Der jammernden Heimath entgegen.

Es flog durch das Land, es durchstürmte die Fluth
Der Knapp' und verkündet die Märe.
Und Alles ruft freudig: »den binde kein Bann,
Der zürnend erschlug einen einzelnen Mann,
Und tausend vom Tode nun rettet!«

Schon harrte der Ritter am Seeesgestad',
Blickt' bänglich zur Heimath hinüber:
Und, siehe! – ein Nachen durcheilet die Fluth;
Er ist es, der Knappe! er schwenket den Hut!
O Wonne! er bringet die Sühne.

Der Ritter springt froh in den landenden Kahn,
Und drückt an die Brust den Getreuen;
Greift hastig zum Ruder und steu'rt wieder fort,
Und Thränen der Freude benetzen den Ort
Der Heimath, an dem er nun landet.

Und dankend umringt ihn die Menge, und führt
Nach Stans ihn, im Jubelgepränge;
Ihm jauchzet der Jugend beweglicher Schwarm,
Es weinen die Mütter, die Kinder im Arm,
Und zeigen den Kleinen den Retter.

Und eh' noch die Sonne zu sinken begann,
Enteilt er den Armen der Freunde;
Steigt muthig hinan zu dem moosigen Land,
In Eisen gepanzert, die Lanze umwand
Ein Büschel der scharfesten Dornen.

Er ruft zu der Höhle am Felsen empor,
Und grimmig erscheinet der Drache;
Stürzt wüthend herab auf die Beute, und bäumt
Sich hoch in die Höhe, und zischet und schäumt,
Wildrollend die sprühenden Augen.

Doch tapfer tritt Struth ihm entgegen, und stößt,
Da fletschend die Zähne er öffnet,
Den Speer in den Schlund ihm mit männlicher Kraft,
Und treibet den dornenumwundenen Schaft
Ihm tief in den rauchenden Rachen.

Es windet, es wälzt sich das grimmige Thier:
Vergebens! Gepfählt an der Lanze,
Zerfleischt es der Ritter mit Hieb und mit Stoß;
Den tiefen, weit gähnenden Wunden entfloß
Das schäumende Blut auf den Anger.

Und als es in krampfigen Ringen sich wand,
Verendend das fliehende Leben,
Da schwinget der Ritter sein Schwert durch die Luft,
Hochpreisend den Geber der Stärke, und ruft:
»Heil! Heil uns! Der Sieg ist errungen!«

Und Jubel erschallt von den Höhen, es strömt
Herbei die gerettete Menge,
Dem Ritter zu lohnen die männliche That,
Doch, Jammer! – Dem Ersten, der gegen ihn trat,
Sinkt sterbend der Held in die Arme!

Es war von dem Schwert ihm das schäumende Blut
Herunter geflossen zum Leibe;
Und schnell, wie das Feuer die Saaten verzehrt,
War jedes belebende Wirken zerstört,
Vom fressenden Gift des Gewürmes.

Laut scholl jetzt die Klage am traurigen Moos,
Doch freudig verathmet der Ritter,
Und ruft, da der Tod schon sein Auge verhüllt:
»Ich preise den Herren! Mein Wunsch ist erfüllt!
Ich finde ein Grab bei den Meinen!«

Und dankbar verkündet die Drachenkapell'
Die That noch den spätesten Zeiten.
Ein herrliches Loos hat der Ritter erreicht:
Wem dankend die Krone das Vaterland reicht,
Den zieret die schönste der Kronen!

Usteri


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