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Das Mädchen Namenlos

Es war einmal ein armes Mädchen, das hieß bei allen Leuten Namenlos, denn es war eines Morgens am Ufer des Stromes gefunden worden, in einer aus Rohr geflochtenen Wiege, und es hatte nichts an als ein Hemd aus sehr feinem Linnen und eine dünne goldene Kette um den Hals, so dünn, als hätte eine Spinne sie über Nacht gewoben. Die Leute, die es fanden, sahen es mitleidig an, denn es war ein liebliches Kind, aber da es ganz arme Fischer waren, so trugen sie es zum Vogt des Königs, und dieser bestimmte, daß es zu einer Witwe gebracht wurde, die lebte allein in der Heide und hatte schon hie und da ein Findelkind aufgezogen.

Da bedauerten die Leute das Kind, denn die Frau war als böse und hartherzig bekannt, aber obwohl sie es dem Vogt vorstellten, blieb dieser bei seinem Befehl, denn es war ihm nichts daran gelegen, ob es Findelkindern gut oder böse erging.

So wurde denn Namenlos zu der Frau gebracht, und als diese das feingesponnene Hemd und die goldene Kette erblickte, war sie gleich bereit, das Kind zu nehmen, denn sie meinte, daß es von vornehmer Abkunft sei und daß sie vielleicht in der Zukunft reichen Lohn gewinnen könnte, wenn die Eltern oder Anverwandte sich einmal seiner erinnerten. Schickte also die Leute nach Hause, nahm dem Kind sogleich Kette und Hemd ab und hüllte es in ein paar Lumpen, die sie in der Kammer fand.

Da wuchs nun Namenlos auf und würde wohl frühzeitig verdorben und gestorben sein, wenn nicht der alte Knecht gewesen wäre, den die Frau für ihre Schafe und ihren kleinen Acker hielt und der auch einmal namenlos an ihre Tür geklopft hatte, nur um ein Obdach und etwas Nahrung zu finden. Der trug von Anbeginn an in seinem einfältigen Herzen eine große Liebe zu dem Kind, wachte darüber, daß es nicht zu Schaden kam, daß es nicht zu großen Hunger litt und daß ab und zu ein bißchen Freude in den blauen Augen aufleuchtete, wenn er ihm ein Spielzeug schnitzte oder eine Muschel vom Strom brachte. Und als es schon reden konnte und verständiger geworden war, nahm er es gern am Sonntag auf die Schulter, trug es in den Wald und wies ihm dort Tiere und Kräuter. Oder saß mit ihm am stillen Strom, lockte die Fische mit seinem sanften Pfeifen, schnitt ihm Flöten aus Weidenrinde und erzählte ihm alles, was in seinem einfältigen Herzen vor sich ging.

Er war klein, mit breiten Schultern und langen Armen, und sah eher wie ein Waldkobold aus als wie ein alter Mann. Aber für Namenlos war er das Schönste, was sie kannte, eine Zuflucht in aller Not, ein Licht im Dunklen, und sie liebte ihn zärtlicher als alles in der Welt. »Warte nur, Marti«, sagte sie, denn so nannte sie ihn, »bis meine Mutter mich holen kommt! Dann sollst du immer einen weißen Lammpelz tragen und rote Stiefel an den Füßen und sollst auf einer silbernen Flöte blasen und dicht an meinem Feuer sitzen. So gut bist du zu mir gewesen.«

Dann sah er sie bekümmert von der Seite an, lächelte ein bißchen und sagte wohl: »Ach, du armer Wurm, wer soll dich denn wohl holen in der Welt, wenn sie dich schon einmal ausgesetzt haben wie ein Kuckuckskind?«

Aber sie blickte mit ihren blauen Augen still in die Ferne und wiederholte nur: »Warte nur, Marti, warte nur!«

Da ließ er sie bei ihrem kindlichen Glauben und sah nur zu, daß ihr nicht zuviel Ungemach geschah. Und so still und bescheiden er sonst war, so konnte er zornig werden wie ein Wolf, wenn das böse Weib die Hand gegen das wehrlose Kind aufhob. Und als er einmal dazu kam, wie Namenlos in einem Winkel auf Erbsen knien mußte, weil sie einen irdenen Teller hatte fallen lassen, ergriff er mit seinen langen Armen das Weib um die Mitte und setzte es in einen Topf auf die heiße Herdplatte. »Da schmore nun, du Hexenbesen«, sagte er, »bis du Blasen bekommst! Und rührst du noch einmal das Kind an, so will ich dich dort halten, bis du gar geworden bist.«

Das Weib schrie, denn ihre Röcke begannen schon zu sengen, und Namenlos mußte ihn flehentlich bitten, bis er es wieder herunterhob.

Von da an geschah dem Kinde nichts, aber was die Frau an kleineren Quälereien sich ausdenken konnte, das bescherte sie ihm reichlich, und Namenlos fürchtete sich, es dem Knecht zu sagen, damit kein Unglück geschähe.

So trug sie ihr Päckchen Herzeleid, hütete die Schafe, jätete das Unkraut im Garten und sammelte die Beeren im Walde und auf dem Moor, die die Frau dann verkaufte. Das Leben war ihr trotz allem Ungemach nicht leid, solange der alte Knecht da war und solange sie auf der Heide sitzen und singen konnte. Denn als sie älter geworden war, zeigte sich, daß in ihrer jungen Stimme ein wunderbarer Zauber lag, so groß, daß die Menschen von ferne sich herbeischlichen und lauschten, daß die Schafe zu weiden aufhörten und die Vögel in ihren Liedern verstummten. Es klang so süß und traurig, als singe eine arme Seele vor der Himmelstür, und der alte Knecht, wenn er sie aus der Ferne hörte, ließ seinen Pflug stehen oder seine Holzaxt sinken, fiel auf seine alten Knie und meinte, daß ein Engel aus dem Paradiese über die arme Welt gehe, um die Erde wieder zu erlösen von Fluch und Sünde.

»Bin nicht klein und bin nicht groß,
ward gefunden nackt und bloß,
heiße nichts als Namenlos.«

So sang sie vor sich hin, und die Pechsammler in den Wäldern, die Kräuterfrauen und die armen sammelnden Kinder hielten den Atem an, falteten die Hände und flüsterten leise: »Das Findelkind singt.«

Das Weib in der Hütte aber warf die Herdringe durcheinander, daß sie klapperten, und fluchte vor sich hin. »Du Hexenbrut«, sagt sie, »wie man dich gefunden hat, so wird man dich auch begraben, nackt und bloß!«

So gingen die Jahre, mit Sommer und Winter, mit Blumen und Schnee, und Namenlos war eine Jungfrau geworden, schöner als alle, die die Leute je gesehen hatten. Und der Knecht hatte nun schon einen grauen Haarschopf über der Stirn und schien noch kleiner und breiter geworden, aber seine Liebe zu Namenlos war immer noch die gleiche. Nur die Frau war unverändert, außer daß sie noch böser geworden war, weil keine Königin oder Fee sich zeigen wollte, um das Kind zu holen und sie selbst mit Schätzen zu überhäufen.

Eines Morgens aber kam der alte Knecht ganz aufgeregt in den Schafstall. »Es hat mir etwas geträumt, Namenlos«, sagte er.

Das Mädchen lächelte. »Und was hat dir denn geträumt, Marti?« fragte es.

»Es hat mir geträumt: auf der Heide stand eine blaue Blume, die blühte allein auf der weiten Flur und blühte so herrlich, daß der ganze Himmel blau war von ihrem Widerschein. Und da kam eine Biene geflogen, quer über die Heide, und sie war aus reinem Gold, so daß die ganze Heide von ihr leuchtete. Und sie ließ sich auf der Blume nieder und trank ihren Honig, und als sie fortflog, tropfte ihr Honig über die ganze Heide, und es lag wie große Sonnenflecken auf dem Heidekraut.«

Da lächelte das Mädchen wieder und sagte: »Das war ein schöner Traum, Marti, aber nun muß ich die Schafe austreiben, sonst gibt es Schelte.«

Und weiter geschah nichts.

Am nächsten Morgen aber kam der Knecht noch aufgeregter in den Schafstall. »Es hat mir wieder etwas geträumt, Namenlos«, sagte er.

Das Mädchen lächelte. »Du wirst alt, Marti«, sagte es, »und so kommen die Träume zu dir.«

»Nein, nein«, sagte er, »nun höre mir nur zu.«

Das Mädchen setzte sich wieder auf den niedrigen Schemel, und der Knecht erzählte.

»Es hat mir geträumt: auf der Heide lag ein Edelstein, der leuchtete in allen Farben. Und er leuchtete so herrlich, daß die ganze Heide davon erfüllt war wie von Tau, auf den die Sonne scheint. Und da kam eine Schlange über die Heide, die war ganz aus Gold, und sie nahm den Edelstein in ihren Mund und glitt wieder durch das Kraut zurück in den Wald, und wo ihre Spur war, da lag es wie ein funkelndes Band über die ganze Heide.«

Da lächelte Namenlos und sagte: »Das war ein schöner Traum, Marti. Aber du träumst nun soviel von Gold und Edelsteinen, daß du wohl einen Schatz finden wirst, wenn du den Acker pflügst. Und nun öffne mir das Tor, daß ich die Schafe austreiben kann.«

Und weiter geschah nichts.

Wieder am nächsten Morgen aber kam der Knecht ganz verstört in den Stall und sagte: »Namenlos, es hat mir wieder etwas geträumt!«

Da streichelte das Mädchen ihn über die alten Wangen und sagte: »Ich weiß nun nicht, ob die guten oder die bösen Geister zu dir kommen in der Nacht, Marti. Aber sie sollen dich nicht plagen, sondern dir deinen Schlaf gönnen.«

»Nein, nein«, sagte der Knecht, »nun höre mir nur zu.«

Das Mädchen setzte sich wieder auf den Schemel, und der Knecht erzählte.

»Es hat mir geträumt: auf der Heide lag ein junges, weißes Lamm, das war so weiß wie Schnee, und ich mußte die Hand vor die Augen halten, so sehr blendete es mich. Und da kam ein Adler über die Heide geflogen, dessen Gefieder war wie reines Silber, und er trug eine kleine goldene Krone auf dem Haupt. Der nahm das Lamm in seine Fänge, aber ganz behutsam, und bevor er es nahm, setzte er ihm die Krone auf das Haupt. Und dann flog er mit dem Lamm davon, hoch in den blauen Himmel hinauf, und sie leuchteten beide, als ob eine zweite Sonne über den Himmel zog.«

Da lächelte Namenlos und sagte: »Das war der schönste Traum, Marti, und vielleicht warst du der Adler und ich das Lamm, und wir werden beide sterben und in den Himmel gehen.«

Aber der Knecht schüttelte den Kopf und sagte: »Nein, Namenlos, es bedeutet etwas anderes, du wirst es schon sehen.«

Und damit öffnete er das Tor, damit sie die Schafe austreiben konnte.

Und wieder geschah weiter nichts.

Am nächsten Tage aber ging ein kalter Wind über die Heide, und Namenlos hatte den groben Mantel über die Schultern gelegt, den der Knecht ihr von seinem kleinen Verdienst geschenkt hatte, denn es fror sie in ihrem dünnen Kleid.

Und wie sie so saß und den Regen von ferne über den Wald kommen sah, und leise vor sich hinsang, sah sie eine fremde Frau über die Heide kommen, die war alt, aber immer noch schön, und ihr Kleid war dünn und zerschlissen, und Namenlos sah, wie sie fror in dem kalten Wind.

Die Frau kam bis zu ihr heran, grüßte sie mit einem traurigen Lächeln und sagte: »Liebes Kind, es friert mich so sehr. Könntest du mir wohl deinen Mantel geben, damit ich es ein bißchen warm habe?«

Da nahm Namenlos den Mantel von ihren Schultern, reichte ihn der Frau und sagte: »So wie Marti sich meiner erbarmt hat, so muß ich mich wohl auch deiner erbarmen.«

Und die Frau nahm den Mantel, hing ihn um die Schultern, dankte dem Mädchen und ging davon.

Namenlos aber lockte die Schafe zu sich, schmiegte sich an ihre warmen Leiber und blieb so den Tag über in ihre Gedanken versunken.

Am Abend fragte der Knecht sie nach dem Mantel, und sie erzählte ihm, was ihr begegnet war. »Siehst du, Namenlos«, sagte er, »nun weiß ich, was mir geträumt hat.«

Aber sie lachte ihn aus und schürte das Torffeuer, denn die Frau war noch über Land, und sie waren allein in der Küche.

Am nächsten Tage aber ging der Wind noch kälter über die Heide, und es fror das Mädchen sehr in seinem dünnen Kleid. »Wenn nun heute jemand käme«, dachte es, »würde ich nichts mehr abzugeben haben und traurig sein.«

Aber nach einer Weile kam ein fremdes Mädchen über die Heide gegangen, das war noch jung und sehr schön, und es hatte nichts an als ein langes, weißes Hemd, das trieb der Wind um seine schmalen Glieder, und das Mädchen zitterte vor Frost.

Als die Jungfrau zu Namenlos herangekommen war, grüßte sie mit einem traurigen Lächeln und sagte: »Liebe Schwester, es friert mich so sehr. Könntest du mir wohl dein Kleid geben, damit ich es ein bißchen warm habe?«

Da zog Namenlos ihr altes Kleid aus, reichte es dem Mädchen und sagte: »So wie die Sonne sich meiner erbarmen wird, so muß ich mich wohl auch deiner erbarmen.«

Und die Jungfrau nahm das Kleid, zog es über ihr Hemd, dankte dem Mädchen und ging davon.

Namenlos aber verbarg sich unter ihren Schafen, kniete dort frierend bis zur Dunkelheit und ging dann heim. Sie nahm eine alte Decke des Knechtes um ihre Schultern und saß zitternd vor dem Herdfeuer, denn die Frau war wieder nicht daheim.

Als der Knecht eintrat und sich verwunderte, erzählte sie ihm, was ihr begegnet war. Er ließ das Feuer in seiner Pfeife ausgehen, schüttelte den Kopf und sagte: »Ach Namenlos, weißt du jetzt endlich, was mir geträumt hat?«

Aber sie lachte ihn wieder aus und schürte das Feuer. »Wenn nun morgen jemand kommt«, sagte sie scherzend, »dann ist der Traum zu Ende, denn ich habe nichts mehr, was ich verschenken könnte.«

Am nächsten Tage aber blies der Wind noch kälter als zuvor, und Namenlos fror und zitterte in ihrem dünnen Hemde und drückte sich an den Stamm der alten Birke, deren Blätter sich schon golden färbten, denn es war schon spät im Jahr. »Ach lieber Gott«, betete sie, »laß doch heute niemanden kommen, damit ich nicht ganz erstarre!«

Aber kaum daß sie es gesagt hatte, sah sie ein Kind über die Heide kommen, das war noch klein und ganz nackt, und sie schrie auf vor Erbarmen, als sie sah, wie der Wind es vor sich hertrieb. Und als das Kind vor ihr stand, grüßte es mit einem traurigen Lächeln und sagte: »Liebste Muhme, es friert mich so sehr. Könntest du mir wohl dein Hemd geben, daß ich es ein klein bißchen warm habe?«

Da riß sich Namenlos das Hemd von den Schultern, hüllte das Kind ein und wollte es an ihrem Herzen wärmen. »Und wenn sich niemand meiner erbarmt«, sagte sie, »so will ich mich doch deiner erbarmen.«

Das Kind aber entzog sich sanft ihren Händen, dankte ihr und ging davon.

Da stand Namenlos nun und schämte sich sehr, und als sie sich umsah, um etwas zu finden, womit sie ihre Blöße bedecken könnte, blieb ihr das Herz stehen, denn aus dem Walde kam langsam ein goldener Zug geritten, der leuchtete in allen Farben, und Schwerter schimmerten und Satteldecken leuchteten, und es war, als ginge unter Sturm und Regen eine neue Sonne auf.

Da fiel sie auf die Knie nieder, weinte herzzerbrechend und rief: »Habe ich das denn um euch verdient, daß ihr mir alles genommen habt, nur um mich hier in Schanden vergehen zu lassen?«

Und als sie es gesagt hatte, teilten sich plötzlich die dunklen Wolken, die Sonne brach heraus, und ein letzter Windstoß fuhr in die alte Birke und schüttelte die goldenen Blätter wie einen Regen herab. Und sie fielen so dicht über Namenlos, daß sie die Hände vor die Augen halten mußte, und als sie die Augen wieder aufschlug, sah sie, daß alle Birkenblätter sich in Gold verwandelt hatten und zu einem Kleid geworden waren, das hing ihr so dicht und leuchtend um die Schultern und war so weich wie die weichste Seide.

Da fiel sie auf die Knie, lehnte ihre Stirn an den Stamm der Birke und dankte dem alten Baum, daß er sie vor Schande bewahrt hatte.

Und wie sie so kniete, hörte sie die Hufe der Pferde immer näher kommen und endlich bei ihr anhalten, und sie hörte, daß jemand aus dem Sattel stieg, und fühlte, wie ihre Schulter ganz leise angerührt wurde.

»Zeige mir dein Angesicht«, sagte eine sanfte Stimme.

Da hob Namenlos den Kopf und sah einen schönen Jüngling vor sich stehen, der war so prächtig gekleidet, daß er wohl ein Königssohn sein mochte.

»Ich habe eine Frau getroffen«, sagte er und sah sie immerzu an, »die trug einen alten Mantel und hieß mich die Hirtin suchen, der der Mantel gehörte.

Da suchten wir einen Tag lang nach dir. Und dann traf ich eine Jungfrau, die trug ein altes Kleid und hieß mich die Barmherzige suchen, die lieber frieren wollte als andere in Not lassen.

Da suchten wir einen Tag lang nach dir. Und dann traf ich ein Kind, das trug ein grobes Hemd und hieß mich die Gnadenreiche suchen, die nackt und bloß zurückgeblieben sei, um ein Kind zu wärmen. Und so will ich niemanden anders über mein Volk setzen als eine arme Magd, die barmherzig und gnadenreich zu den Armen ist, und will dich fragen, ob ich dich auf mein Pferd heben und mit mir nehmen darf.«

»So weiß ich nun wohl«, sagte Namenlos, »was der Knecht geträumt hat. Und ich will dir folgen, wohin du willst, wenn du ihn mit dir nimmst und ihm einen Pelz aus weißen Lammfellen und ein Paar rote Stiefel schenkst. Denn das habe ich ihm versprochen, und er ist der einzige, der gut und liebreich zu mir gewesen ist.«

Da ließ der Königssohn sich alles erzählen, hob sie vor sich auf sein Pferd, und sie ritten alle zu der Hütte, wo der Knecht einen neuen Zaunpfahl in die Erde grub.

Zuerst ließ er die Axt fallen und rieb sich die alten Augen, und als Namenlos vom Pferde glitt und in ihrem goldenen Kleid zu ihm trat, fiel er auf die Knie nieder und sagte: »Du liebe Königin, wirst du nun noch einmal über meine Träume lachen?«

Da küßte sie ihn, und der Königssohn reichte ihm selbst den weißen Pelz und die roten Stiefel.

Die Frau aber stand voller Furcht hinter der Hüttentür, und wenn sie gekonnt hätte, würde sie alles mit Feuer verschlungen haben, den herrlichen Zug und den Königssohn, den alten Knecht und vor allen Dingen das Findelkind.

Der Königssohn aber ließ sie an den Steigbügel eines der Saumpferde binden und sagte: »Es ist besser, du ziehst keine Findelkinder mehr auf, und es wird dir gut tun, den Ofen zu heizen, an dem unser guter Knecht seinen Feierabend haben soll.«

Und dann hob er Namenlos wieder vor sich auf den Sattel, und die Sonne schien, und die Vögel sangen, und die Schafe drängten sich fröhlich zusammen und folgten ihrer Hirtin, die nun eine Königin werden sollte.

* * *


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