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XXI

Und wieder war Laue wie vom Erdboden verschwunden.

Da hielt sie es nicht aus, dachte daran, ob sie ihn nicht einfach anrufen sollte, wenn er den Weg zu ihr so gar nicht finden konnte, sann nach, was sie tun konnte, und dann nahm sie eine ihrer Karten, auf denen stand:

Frau Eveline Tismar ist für ihre Freunde jeden Donnerstag von 4-7 Uhr zum Tee daheim.

Die tat sie, wie damals den Handschuh in ein Kuvert und sandte sie ab.

Ob er darauf auch wieder nicht reagieren würde?

*

Als er damals den Brief mit dem Handschuh unter seiner Post gefunden, hatte er lange davor gesessen und mit sich gekämpft, was er tun sollte. – Und tat nichts. – Wozu auch? ...

Wie sie nun in der Ausstellung vor ihm gestanden hatte, las er in ihren Augen zu deutlich die Bitte, daß er ihr doch nichts mehr nachtragen solle; und er war nahe daran gewesen, alles zu vergessen, wie sie so dicht vor ihm stand und scheu zu ihm aufsah, – aber da hatte er in der Menschenmenge, die sich vor den Bildern drängte, plötzlich den Kopf des Justizrat Bröse erblickt, und da war es mit einem Schlage mit all seiner guten Absicht vorbei gewesen.

Er riß sich zusammen, verhärtete sein Herz, machte ihr nur eine kurze steife Verbeugung – und ging, ehe der andere zu ihnen kam.

Daheim hatte er den Handschuh aus der Brusttasche genommen, der ihn seither nicht mehr verlassen, den er wie einen Talisman bei sich getragen hatte, nahm das Kuvert aus dem Geheimfache, wo er ihr Bild verwahrte, und wollte den Handschuh dazutun. Das war nun endgiltig alles erledigt und vorbei.

Er wollte das Bild nicht ansehen, – aber er konnte es nicht lassen. Und es tat ihm weh, als er sah, was alles er sich verscherzt hatte. Der Abend in Wannsee stieg wieder vor ihm auf, als er sie im Arm gehalten, ein wildes, brennendes Begehren nach ihr, – aber nun war ein anderer eben glücklicher als er. Es half nichts mehr.

Einen Augenblick wollte er das Bild in eifersüchtigem Zorn zerreißen; aber dann legte er den langen Handschuh sorgsam darum und tat beides in das Fach zurück. Vielleicht forderte sie es doch noch eines Tages zurück. Dann mochte sie es haben.

So reizte es ihn doch nur, das Bild hervorzuholen, auf dem sie in ihrer unbekümmerten Schlankheit am Strande sich von dem hellen Himmel so lockend abhob. –

Und nun war diese Karte von ihr gekommen, auf der zu lesen stand: daß Frau Eveline jeden Donnerstag für ihre Freunde am Nachmittage zum Tee daheim war.

War er denn noch ihr Freund?

Hielt sie ihn noch oder nunmehr wieder für ihren Freund? ...

*

Am Donnerstag nachmittag hatte sie alles, wie zu einem ihrer großen Tees hergerichtet.

Die verschleierten Lampen warfen ihr gedämpftes Licht durch die behaglichen Räume, erfüllten alle Zimmer mit ihrem warmen Scheine, den die Frauen so liebten, weil das sanfte Halblicht sie jünger und schöner erscheinen ließ.

Auf den blumengeschmückten Tischen standen die feinen Porzellantassen, glitzerte das Silber der Löffel und der Konfektgabeln.

Sie ging an den kleinen Tischen vorbei, die in den Zimmern verteilt aufgestellt waren, deren Damast so hell leuchtete, ruckte die Teller, legte die Servietten zurecht.

Sie nahm Zigaretten aus den Schachteln und verteilte sie in die Dosen, und sie nahm schon selbst eine zwischen die Lippen – aber dann besann sie sich wieder, und ließ das brennende Hölzchen fallen, zerbiß die kleine Rolle und warf sie in das Aschenschälchen.

Es war besser, sie rauchte jetzt nicht, obwohl sie gern eine Ablenkung für ihre immer mehr wachsende Nervosität gefunden hätte.

Die Teller mit den süßen Kuchen waren verteilt, und neben den Flaschen mit den Likören, in denen das Licht sich so farbig brach, standen die kleinen Sandwiches mit Lachs, Zunge und Schinken, eine Symphonie von wechselndem Rot.

Sie rückte die Flaschen, nahm eine auf, und mußte an jenen Abend in Wannsee denken, wo sie ihm und sich eingegossen hatte, – wie sie die hochstieligen Gläser hochgehoben und die kleinen Finger aneinandergetippt hatten, und sich so tief in die Augen gesehn.

Das war der Anfang gewesen ... Ein innerer Übermut war an jenem Abend in ihr, nach allem, wie sie den ganzen Nachmittag mit ihm zusammengewesen war, daß sie fast versucht war, Sekt aus dem Keller holen zu lassen.

Aber dann wäre alles vielleicht noch ärger gekommen. Sie war auch so schon wie in einem leichten Rausche des Glücks gewesen.

Und sie lächelte vor sich hin. –

Nun blieb sie stehn und lauschte, ob draußen nicht eben die Klingel angeschlagen hatte. –

Aber alles blieb still.

Es kam niemand. – –

Und sie ging wieder auf und ab, – ließ sich einen Augenblick in einen Sessel fallen, um gleich wieder aufzustehn und ihre ruhelose Wanderung fortzusetzen.

Und es wurde fünf, – es wurde halb sechs und gleich sechs – es kam niemand.

Es konnte auch sonst niemand kommen, denn es war die einzige Karte, die sie abgeschickt hatte, weil sie in diesen Tagen noch gar keine Neigung hatte, ihre Freunde bei sich zum Tee zu sehn.

Schon hatte sie es aufgegeben, als das Mädchen die Tür öffnete, und er eintrat.

Mit einem raschen Blicke überflog er den Raum, wo alles zu einem größeren Empfang hergerichtet war, aber die Zimmer waren noch ganz leer, sodaß er einen Augenblick auf der Schwelle zauderte, als er fand, daß er der erste Gast war.

Sie hatte ihm die linke Hand gereicht, und hielt die rechte hinter dem Rücken. Sie wartete darauf, daß er nun fragen sollte, weshalb sie ihm nicht ihre Rechte gab. Dann wollte sie ihm antworten, daß ihre rechte Hand es nicht wert sei, weil sie die einmal gegen ihn erhoben hatte.

Aber er bemerkte es nicht weiter, sondern zog die Hand leicht an die Lippen, während seine Augen ein wenig verwundert über sie hinweg durch das leere Zimmer gingen.

– Verzeihung, sagte er, aber ich komme wohl zu früh.

Sie wollte ihm eigentlich erwidern:

– Beinah zu spät!

Dann sagte sie nur:

– Durchaus nicht, wenn Sie sich nicht mit mir allein fürchten.

– Fürchten? Ich weiß nicht ... aber ich glaube beinah ...

Sie stand dicht vor ihm.

Und plötzlich sagte sie, mit einem Schluchzen in der Stimme, das sie nicht unterdrücken konnte:

– Nein! Sie brauchen sich nicht zu fürchten. Ich meine fast, ich habe Ihnen einmal Unrecht getan. Ich ...

Aber die Stimme versagte ihr. Und dann stellte sie sich vor ihn hin und sagte, indem sie beide Hände wie bittend zu ihm aufhob:

– Ich habe einmal nach Ihnen geschlagen. Ich weiß nicht mehr warum. Ich weiß nichts mehr ... ich weiß nur das eine, daß ich Ihnen sagen möchte: Schlag mich! ... schlag mich wieder, damit das ausgelöscht ist.

Und er hob die Hand, während sie ihm die Wange hinhielt, – aber mit einem Lächeln legte er die Hand ganz sanft in ihren Nacken, wo sich die feinen goldenen Haare so verführerisch kräuselten, sah ihr in die Augen, die nicht abirrten, sondern fest auf ihn gerichtet blieben, – und er zog sie dicht an sich, während sie wiederholte:

– Schlag mich doch! mach mit mir, was du willst – nur sei wieder gut zu mir.

Er aber schüttelte den Kopf – und während er sie eng und immer enger an sich zog, sagte er leise, mit einem alles verzeihenden Lächeln, in ihre zuckenden Lippen hinein:

– Man soll eine Frau nicht schlagen – nicht einmal mit einer Blume.

*

 


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