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IV

Ein strahlend heller Sonntagmorgen. Blauer Himmel, und um die Mittagszeit eine Flut von Menschen, die ins Freie strebten oder in den Straßen und im Tiergarten ihren Spaziergang machten.

Drei Tage war es her, daß er Eveline Tismar kennen gelernt hatte, aber schon war Laue auf dem Wege zu ihr, um den beabsichtigten Besuch zu machen.

Weshalb sollte er eine ganze Woche darüber hingehn lassen, die ihm ja unwiederbringlich verloren war. Er hatte gehört, daß sie Ende der Woche Geburtstag hatte, so fand er gleich zweimal in kürzester Frist Gelegenheit, sich ihr in Erinnerung zu rufen.

Er hatte gleich an die Schwester einen langen Brief losgelassen, worin er seine Begegnung mit ihrer Nordsee-Freundin ausführlich schilderte. Das würde ihm gleichfalls Gelegenheit geben, sie anzurufen, um ihr Grüße zu bestellen, oder sonst einen Auftrag der Schwester auszurichten.

Also die Chancen waren denkbar günstig für ihn.

Und sehr vergnügt ging er durch die hellen Straßen, hatte lange vor dem Spiegel gestanden, bis er zum Cut die richtige Krawatte gefunden, und alles tadellos saß. Trotz der Wärme natürlich Sommerpaletot, den er offen ließ, während er mit dem Stock auf die Steine des Trottoirs stieß. Ihm war jugendlich unternehmungslustig zumute, wie seit langem nicht.

Er schritt die Tiergartenstraße hin, auf der Parkseite, wohin der Staub der Autos und der Gestank des Benzins nicht so drang. Dann mußte er eine ganze Weile warten, bis er durch die Kette der Wagen hindurchkonnte, die hier wie rasend aneinander vorbeijagten.

Er bog in die nächste stillere Querstraße ein, und stand bald vor dem Hause, das ihn schon früher einmal interessiert hatte, als er noch nicht ahnte, daß er einmal durch das Tor schreiten würde, das auf einen Druck vor ihm aufsprang.

Die gnädige Frau war zu Hause, sagte ihm das Mädchen, das ihm zulächelte, als ob sie ihn wiedererkannte, als er neulich Nacht mit dem Justizrat zum ersten Male vor dem Hause gestanden hatte. Aber wahrscheinlich zeigte sie dieses Lächeln allen Besuchern, und er brauchte nicht zu denken, daß sie ihm mit besonderer Freundlichkeit begegnete.

Immerhin nahm er es als ein gutes Omen hin.

Er legte Mantel und Stock ab, überlegte, ob er den Hut nicht mit hineinnehmen solle, aber dann gab er auch den in ihre Hände. Auf so altmodische Sachen wollte er sich nicht einlassen.

Das Mädchen führte ihn aus der sehr geräumigen Diele, von der eine breite geschwungene Treppe nach dem oberen Stockwerke ging, in ein saalartiges Zimmer, dessen Türen weit geöffnet waren. Vor den Fenstern zog sich eine breite Terrasse hin, die von einer blau und weiß gestreiften Markise gegen die Sonne geschützt war.

Er trat nach einer Weile – als er sich an das Halbdunkel gewöhnt hatte, das im Zimmer herrschte, – in die Tür, und dann an den Tisch draußen, der vor ein paar Korbsesseln und einem Strandkorbe sich befand. Ein Buch lag aufgeschlagen, und da er sich was darauf einbildete, die Menschen vor allem danach einzuschätzen, was sie für sich lasen, griff er danach. Die bekannten Modebücher, von denen man sprach und die man gelesen haben mußte, besagten nichts, aber was der einzelne so für sich bevorzugte, wenn er seiner Neigung ungehindert folgte.

Er sah in den Garten, der still im Sonnenscheine lag, der Rasen ganz kurz geschnitten, sehr gepflegt, die Blumen tadellos, auch die Töpfe auf der Balustrade in ihrer farbigen Pracht ausgesucht schöne Exemplare.

Im Garten war niemand, und so trat er rasch an das Tischchen, um das Buch aufzunehmen, das dort als Sonntagvormittagslektüre aufgeschlagen lag.

Komisch, sagte er sich. Ein so ernsthaftes Buch las sie? Die Erinnerungen eines Staatsmannes, der immer im Hintergrunde geblieben war, aber von dem die Eingeweihten wußten, welche Bedeutung er in der ganzen Zeit gehabt, wie er in der Tat die Geschicke gelenkt hatte, während ganz andere im Vordergrunde der Bühne standen.

Nach seinem Tode hatte eine fremde Hand jetzt den Schleier von dem Geheimnis gezogen, aber nur der Wissende konnte sich in diesen Aufzeichnungen zurechtfinden und sie verstehen.

An den Rändern waren hie und da mit ganz feiner, zierlicher Schrift Bemerkungen geschrieben, so weit, wie das Buch aufgeschlagen war. Viele Fragezeichen, und es frappierte ihn, wie der Leser dieses Werk offenbar mit eingehender Aufmerksamkeit bis in seine verstecktesten Einzelheiten zu erfassen versuchte.

Er blätterte ein wenig darin. Es war eine Damenhandschrift. Befaßte Frau Eveline sich viel mit so ernsthaften Dingen? – Das hatte er nicht erwartet. Es gab ihm mit einem Male ein ganz anderes Bild von ihr, als er es bisher gehabt.

Er legte das Buch rasch wieder hin, wie er es gefunden hatte, und trat in das Zimmer zurück, weil er ein Geräusch zu hören glaubte. Aber noch blieb es still, und er konnte sich weiter mit Muße umsehn.

Sehr ernst und gediegen war dieser Empfangsraum, mit dunklen Bücherschränken, ein paar alte Landschaften an den Wänden, und über dem Schreibtische hing ein lebensgroßes Bild der Herrin des Hauses.

Das Gesicht etwas flach und ausdruckslos. In der Kleidung sehr einfach und von der Mode überholt. Es mußte schon einige Jahre alt sein.

Er trat näher heran, um nach dem Maler zu sehen. Von Peter Illgen war es nicht, obwohl dessen erste Bilder auch nicht viel besser gewesen waren. Aber die Auffassung war zu philiströs. Schrecklich steif in der Haltung. Es war gar nicht zu glauben, daß sie je so ausgesehn hatte.

Plötzlich fühlte er, daß sie hinter ihm stand. Sie war auf den schweren Teppichen lautlos in das Zimmer gekommen. Rasch drehte er sich um und streckte ihr die Hand entgegen.

Sie stand lächelnd vor ihm, und sein Blick ging rasch zu dem Bilde zurück und er sagte:

– Geschmeichelt ist das Porträt aber nicht.

– Finden Sie?

– Freilich! Da hätte Sie unser Peter Illgen wohl doch besser getroffen, denke ich mir.

– Das kann schon sein. Er hat mich vor drei Jahren auch gemalt. Das Bild hängt in unserem Landhause. Er hat mich aber zu sehr als Mondaine gebracht, was ich ebensowenig bin, wie so hausmütterlich brav auf diesem Bilde.

– Möchten Sie das nicht sein?

– Ich meine, ich bin es von Natur nicht. Oder finden Sie?

– Aber durchaus nicht! Außerdem würde ich die Weltdame, meiner Neigung nach, immer vorziehn. Eine nette Vereinigung von beiden wäre dabei mein Ideal.

– Ob ich Ihnen damit dienen kann, weiß ich nicht.

– Ich meine, in jeder Frau von Welt steckt von beiden etwas, nur daß die Mischung eben verschieden ist, sagte er.

– Vor allem ist es lieb von Ihnen, daß Sie gekommen sind. Ich hatte heute vormittag das Gefühl der Langenweile, das Sie mir nun ein wenig vertreiben können.

– Wenn ich dazu imstande bin, und Sie mir die Ehre zubilligen wollen, mich darin zu versuchen, mit dem größten Vergnügen. Vor allem aber soll ich Ihnen von meiner Schwester die besten Grüße bestellen.

– Und mir hat sie wiederum aufgetragen, Sie zu grüßen, da sie mit Recht angenommen hat, daß ich Sie bald wiedersehn werde. Also tauschen wir unsere Grüße aus. Übrigens werde ich Ihnen nachher ein paar Bilder zeigen, auf denen wir mit den Kindern in Norderney aufgenommen sind.

– Auch davon hat mir Else geschrieben, daß ich ja nicht vergessen solle, Sie daran zu erinnern.

– Vorerst aber kommen Sie ein wenig mit auf die Terrasse. Oder haben Sie es eilig? und wollten eigentlich nur Ihre Karte offiziell abwerfen, und sind nicht darauf eingerichtet, etwas länger zu bleiben?

– Im Gegenteil, ich stehe Ihnen ganz zur Verfügung. Ich vermische bedeutsame Dinge nicht gern miteinander.

– Das soll heißen, daß dieser Besuch bei mir Ihnen bedeutsam scheint?

– Ich hoffe stark, daß er es ist oder werden wird.

– Das klingt ja beinah bedrohlich, so schwer gewichtig. Allein so viel Wert werden Sie mir doch wohl nicht beimessen. Sie sehen sich ja so suchend um? Sitzen Sie nicht bequem?

– Oh gewiß, aber ich sah mich nur nach dem Hunde um, der doch in diesen Rahmen mit hineingehört.

– Tut er das? Nun, so muß ich Sie enttäuschen. Es gibt hier keinen Hund, nicht einmal einen Polizeihund für den Garten, obwohl ich mir das sehr ernsthaft überlege. Für Schoßhunde habe ich nie etwas über gehabt.

– Sie mögen wohl Tiere nicht sonderlich?

– Nein! sobald sie einem allzu nahe kommen. Auf die Entfernung ganz gern. Aber ich kann es nicht leiden, wenn Hunde einen anspringen, oder wenn sie immer angefaßt und gestreichelt sein wollen, oder gar auf dem Arm getragen. Das liegt mir nicht.

– Kann ich voll verstehen.

– Beate Mochow behauptet, es sei ein Defekt meines Empfindungslebens. Aber das glaube ich nun doch nicht. Das hat wohl nichts mit einander zu tun. Übrigens, wenn Sie ein wenig Geduld haben, treffen Sie sie hier noch an. Sie ißt bei mir zu Mittag, obgleich man bei ihr nie sagen kann, wann sie erscheint. Jedenfalls ist der Zeitsinn bei ihr höchst mangelhaft entwickelt. Sie ist mit das Unpünktlichste, was Sie sich vorstellen können.

– Ich mag unpünktliche Frauen nicht, – aber schon gar nicht, sagte Laue.

– Die arme Beate! Sollte sie so rasch schon bei Ihnen verspielt haben? Aber Sie werden sich bei ihr ebenso daran gewöhnen, wie all ihre Freunde das getan.

– Nehmen Sie denn an, daß ich nun gleich zu Frau Beates Freunden mich rechnen dürfte, oder auch nur gezählt werden könnte?

– Das nehme ich beinah an.

– Sehr schmeichelhaft für mich, aber die Ehre müßte ich mir doch erst noch verdienen.

– Dazu gehört nicht viel.

– Oh, ich danke sehr, sagte er lachend und um sie ein wenig in Verlegenheit zu bringen. Gnädige Frau schätzen mich gleich so eigenartig ein?

– Sie wissen genau, daß ich das nicht auf Sie habe sagen wollen, nur die gute Beate hat ein wenig weites Herz. Da ist es leicht, Zulaß zu finden.

– Und das ist hier im Hause anders.

– Ich denke wohl, daß es etwas anders ist.

– Um so größer also die Ehre und das Vergnügen, daß ich hier schon nach den wenigen Tagen der Bekanntschaft sitzen darf.

– Eigentlich ja! ... und das haben Sie auch nur Ihrer Eigenschaft als Bruder meiner lieben Else zu danken. Dabei will ich Ihnen rasch die Bilder holen, ehe noch anderer Besuch kommt.

– Das wird doch nicht der Fall sein?

– Legen Sie solch einen Wert darauf, mit mir allein zu sein?

Sie war aufgestanden und stand dicht vor ihm.

Er sah sie an, und hatte das Gefühl, er müsse sie einfach an sich ziehen und diese lächelnden Lippen küssen, die sich ein wenig zu ihm aufhoben. Er sah sehr wohl, daß sie das nicht aus Koketterie tat, sondern in einem Gefühle voller Sicherheit, ganz ungeniert, als Dame, der noch nie ein Mann wirklich etwas getan hatte.

Und diese Sicherheit entwaffnete ihn im Augenblicke, und so sagte und tat er nichts, sondern faßte nur nach ihrer Hand und führte sie zeremoniell an die Lippen. Das war seine Antwort. Erst die eine Hand, und da sie ihn erstaunt ansah, auch die andere.

Und ohne aufzusehn führte er eine Hand um die andere an die Lippen. Er fühlte ein leises Widerstreben, aber sie hatte doch nicht Energie genug, ihm die Finger zu entziehn, sondern sagte nur:

– Nun ist es aber genug, und ich will die Bilder holen.

Da ließ er ihre Hände los, und als ob nichts gewesen, so ruhig ging sie aus dem Zimmer, ganz Dame. Als gehöre sich das nicht anders, als daß ihr ein Besuch so inbrünstig alle Finger küßte, wie er das getan hatte. Er hatte das mit voller Absicht getan, aber irgendeine besondere Wirkung hatte es nicht auf sie gehabt, konstatierte er mit Bedauern.

– Nehmen Sie sich inzwischen eine Zigarette. Sie finden alles drüben auf dem Schränkchen am Fenster, sagte sie noch im Fortgehn.

Damit ließ sie ihn allein, und er holte sich eine Zigarette, die er mit Behagen rauchte, während er, ein wenig erregt auf der Terrasse auf und ab ging.

Er war noch ganz im unklaren, was er von ihr halten sollte. Ob sie so sicher und gewandt war, oder ob sie sein Verhalten gar nicht verstanden hatte? –

Es war so still hier nach der Gartenseite. Kein Laut drang von draußen herein. Nur in der Ferne pfiff zuweilen leise ein Papagei, aber nicht schrill und unangenehm, sondern es klang so geheimnisvoll und unterstrich erst die tiefe Stille des sonnigen Vormittags, dessen Wärme ihm ins Blut drang.

Er legte rasch die Zigarette fort, denn er hörte, wie Frau Eveline dem Mädchen einen Auftrag gab, – und dann kam sie ihm mit aller Unbefangenheit entgegen, und hatte ein Kuvert in der Hand, das sie ihm entgegenhielt.

– Kommen Sie – setzen Sie sich hierher, nehmen Sie sich den kleinen Hocker dort.

Damit wies sie auf den rohrgeflochtenen, kleinen lehnenlosen Stuhl, der etwas abseits stand, und nahm selbst in dem Strandkorbe Platz.

– Hier sitze ich am liebsten, weil man am geschütztesten ist, gegen Luftzug und Sicht.

Bedeutete das etwas? dieser Hinweis der Sicht, oder vielmehr, daß man hier nicht ohne weiteres zu sehen war? Aber sie hatte das so schlicht gesagt, daß er sich gewiß täuschte, wenn er mehr dachte, als sie beabsichtigt hatte.

Und so zog er den Hocker näher heran, und sie nahm die Bilder aus dem Kuvert, um sie ihm einzeln zu reichen, indem sie ihm die Erklärung dazu gab. –

Hier saßen sie vor ihrer Strandburg, und der kleine Kurt stand mit erhobener Schippe vor ihnen, um den Wall gegen die andringende Flut zu verteidigen.

Hier lagerten sie in den Dünen.

Ein anders Bild zeigte sie alle am Fuße des Leuchtturms, wohin sie einen Ausflug unternommen hatten.

Ein Bild wollte sie ihm rasch unterschlagen, nachdem sie ihm die Kinder beim Baden gezeigt hatte.

– Ach, sagte sie, das ist nichts für Sie.

– Warum denn nicht?

– Am Strande ist es was anderes, aber so paßt es sich nicht.

– Also doch prüde? ...

– Das nicht gerade, aber wenn man so angezogen einander gegenüber sitzt, scheint es mir ein bißchen komisch, so im Badeanzuge.

– Sie brauchen sich doch gewiß nicht zu genieren, sagte er keck. Und im übrigen kann ich ja nur meiner Schwester ein Wort schreiben, und sie schickt mir das Bild sofort.

– Das werden Sie gefälligst sein lassen.

– Nun also! – dann bitte zeigen Sie doch jetzt.

Einen Augenblick zauderte sie, dann reichte sie ihm rasch die Momentphotographie hin, auf der sie ganz allein am Strande stand, gegen den Himmel sich abhebend, wie sie grade im Begriff war, ins Wasser zu gehn.

Als er aufblickte, sah er, wie eine rasche Röte ihr in die Wangen stieg ...

Herrgott! war sie gut gewachsen. – Alle Achtung!

Sie schien so etwas in seinen Mienen zu lesen, denn sie griff hastig nach dem Bilde, aber er war geschickter, und hielt es hoch, daß sie es nicht erreichen konnte.

Sie hatte seinen Arm gefaßt, und versuchte ihn herabzuziehn, aber er erhob sich, daß er vor ihr stand. Sie hatte sich auch erhoben, während er das Bild ganz hoch über seinem Kopfe hielt, so daß sie sich auf die Fußspitzen stellte, um das Blatt zu erreichen.

Ganz dicht kam sie an ihn heran, daß ihre Brust seinen Arm berührte, und da zog sie sich rasch zurück, ohne es erfaßt zu haben.

Sie stampfte ein wenig mit dem Fuße auf, und er sagte leise bittend, mit ganz weicher Stimme, während er ihr dabei fest in die Augen sah:

– Nur noch einen letzten Blick, bitte! ... Darf ich? ...

– Nein! sagte sie, geben Sie her, rasch!

– Bitte, bitte! ... sagte er schmeichelnd, und hielt ihr dabei das Blatt hin, aber ehe sie danach greifen konnte, hatte er es genommen, und rasch an die Lippen geführt.

Ehe sie noch ein Wort weiter sagen konnte, kam durch die Tür rasch, mit ihren lebhaften Bewegungen Beate Mochow, eilte auf die Freundin zu, küßte sie auf beide Wangen, und dann kehrte sie sich Kurt Laue zu und sagte:

– Das ist aber nett, daß man sich so bald wiedertrifft. Ein vernünftiger Gedanke von Ihnen, sich mit mir hier bei Eveline ein Rendezvous zu geben. Diese Geschicklichkeit rechne ich Ihnen hoch an. Wie geht es denn?

Sie schüttelte ihm mit festem Druck die Hand und lachte ihm zu, der ein wenig verlegen noch das Bild in der Hand hielt.

Ehe Frau Tismar daran denken und es zurück verlangen konnte, hatte er es versteckt gehalten und barg es nun rasch in der Brusttasche.

Eveline hatte das Kuvert aus der Hand auf einen Nebentisch gelegt, damit Beate erst gar nicht etwas merken konnte und fragen, um was sich es handelte.

Die Freundin hatte ein paar Neuigkeiten, die sie eben gehört, zu berichten, die sie so voll in Anspruch nahmen, daß Eveline erleichtert aufatmete, daß sie von der Szene eben nichts gemerkt hatte.

Und das Gespräch ging weiter, – Gesellschaftstratsch, wie Beate das liebte, von einem zum anderen springend.

Laue saß still dabei und kam sich höchst überflüssig vor. Er wollte sich den Eindruck nicht verderben, den Evelines stilles Wesen auf ihn gemacht hatte, und so nahm er bald Abschied.

Beate fragte, als er schon an der Tür war:

– Sieht man Sie am Donnerstag hier? –

Eveline sagte lachend und ein wenig verlegen:

– Aber Doktor Laue ist ja noch gar nicht eingeladen.

– Er wird es doch aber gewiß! ... Ich möchte ihn nämlich sehr gern als Tischherrn haben.

– Du bist aber lieb, Beate. Lädst mir einfach selber für dich meine Gäste ein, die du gern willst.

– Ich dachte dabei auch ein wenig in deinem Sinne zu handeln, sagte sie lachend. Oder nicht? ...

– Also lieber Herr Doktor Laue, da Beate in Wirklichkeit mir nur vorgegriffen hat, – denn ich hatte tatsächlich die Absicht, Sie zu bitten, – und es geschieht nicht nur wegen Beate etwa, daß ich Sie auffordere, – so würde es mich freuen.

– Aber gnädige Frau, mit Vergnügen. Und zu welcher Zeit befehlen Sie?

– Um acht Uhr, aber bitte ganz zwanglos. Nur ein paar Freunde, von denen Sie die meisten kennen.

Er küßte ihr dankbar die Hand.

Das war ein solcher Glücksfall, wie er ihn sich besser gar nicht denken konnte. Und er wurde fast übermütig, und fing an, mit Beate Mochow sich zu necken, daß Eveline still dabei stand, und die Blicke von einem zum anderen gehen ließ.

Frau Beate war nicht eben prüde und ließ sich rasch gehen, die Augen leuchteten ihr so lebhaft in dem vollen Gesichte, – alles war Beweglichkeit an ihr, obgleich sie ihrer Gestalt nach phlegmatisch zu sein schien, aber kaum begann sie zu sprechen, so war alles an ihr voller Leben.

Kurt Laue machte es Spaß, sie ein wenig zu necken, so daß sie ganz erregt wurde, während Eveline immer stiller wurde. Kaum spürte er das, als er das Gespräch rasch abbrach und sich nun endgültig verabschiedete.

Er war für einen ersten Besuch schon viel zu lange geblieben.

– Also dann auf Wiedersehn am Donnerstag, sagten sie beide beim Abschied fast gleichzeitig. –

Draußen faßte er nach der Brusttasche, wo er das Bild aus Norderney hatte. Er wollte es noch einmal betrachten; aber hier auf der Straße war doch nicht der geeignete Platz, und er verschob es, bis er daheim war.

Aber sehr vergnügt war er, daß sie vergessen hatte, ihn daran zu mahnen. Sie konnte es nicht gut tun, da ja die Freundin die ganze Zeit dabei geblieben war.

Und dann hatte sie es zum Glück vergessen.


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