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VIII

Sie mußte doch lächeln, als nach den ersten Fragen ganz allgemeiner Natur, über seine Reise, über das gegenseitige Befinden und so, schon die Worte fielen:

– Und wie hat sich Doktor Laue gemacht?

– Lieber Freund! sagte sie und sah ihn dabei neckisch an, Sie scheinen ja ein ganz besonderes Interesse an diesem Doktor Laue zu nehmen. Scheint er Ihnen denn so interessant?

Er biß sich ein wenig auf die Lippen, wie das seine Gewohnheit war, ehe er antwortete:

– Durchaus nicht; aber da er doch zum ersten Male hier im Hause war, und im allgemeinen neue Gesichter hier nicht alle Tage auftauchen, so ist meine Frage scheint mir, wohl berechtigt.

– Gewiß! aber ich kann diese Frage nicht ebenso präzise beantworten, wie sie gestellt ist. Ich weiß nicht recht, was ich darauf antworten soll. Ich kenne den Herrn doch noch gar nicht näher.

– Aber doch haben Sie ihm gleich die Tür zu Ihrem Hause geöffnet.

– Soll das ein Vorwurf sein, lieber Freund? ... Liegt gegen diesen Herrn denn irgend etwas vor? ...

– Aber nicht das geringste! Durchaus nicht, sagte Bröse, viel lebhafter, als es sonst seine Gewohnheit war. Aber auch nicht das allermindeste, liebe Freundin.

– Nun also! ... Dann ist ja alles gut. Sonst, – wenn es Ihnen etwa unangenehm ist? ...

– Aber liebste Freundin, wie käme ich denn dazu? Ich schätze Doktor Laue ungemein, und ich bin überzeugt, daß er rasch seinen Weg gehen wird, was sage ich, er ist schon dabei. Er hat sich bereits eine Stellung errungen, die ihm jede Tür öffnen wird. Das unterliegt gar keinem Zweifel.

– Und als Mensch? Da wir doch nun einmal dabei sind, das Objekt unter das Mikroskop zu nehmen, als Mensch?

– Als Mensch habe ich nie auch nur etwas Nachteiliges über ihn gehört. Er hat gute Freunde, auch unsere Freunde sind ja mit ihm bekannt, also auch nach der Richtung besteht nichts. Daß er ein Lebemann ist, steht freilich fest.

– Daß er also weiter hier im Hause, auch zu Ihrer Beruhigung, verkehren kann, steht damit auch fest? Oder ...

Er verbeugte sich nur, aber sie hatte die Empfindung, daß eine versteckte Unruhe nicht von ihm wich.

Es schien, als wollte er noch einmal darauf zurückkommen, – aber sie ließ es nicht zu, sondern die Sache war für sie erledigt. Er mußte sich damit abfinden, daß er zu ihr kam.

Tyrannisieren ließ sie sich nicht von ihm. Dann hätte er früher mit seinen Bedenken kommen müssen. Jetzt ging es überhaupt nicht mehr. Es war selbstverständlich, daß sie jemand, der einmal in ihrem Hause gewesen war, nun nicht einfach wieder fallen lassen konnte.

Außerdem gefiel er ihr, und das genügte wohl.

Wenn auch Paul Bröse ein wenig verstimmt darüber war, dann mochte er sich eben damit abfinden, so gut er konnte.

Es kam ihr ein wenig komisch vor, wie er mehrmals noch einen Vorstoß machte, um dann wieder rasch zurückzuweichen. Sie sah nicht klar, was das zu bedeuten hatte; aber irgend etwas stimmte nicht. Er fürchtete wohl den jüngeren Mann in ihm. Aber wie er es heute anfing, schien es ihr das Törichteste, was er nur tun konnte.

Nun war sie erst recht auf der Seite von Kurt Laue.

Ach nein, wenn sie sich einmal für jemand interessierte, dann gab sie das ohne zwingende Gründe nicht wieder auf, nur deshalb, weil einem ihrer Freunde das Gesicht etwa nicht paßte.

Das gab es denn doch nicht. Dazu bedurfte es gewichtiger Gründe.

Eine ganz feine Verstimmung aber blieb auf beiden Seiten. Sie bedachte schon, daß sie es ihm wahrscheinlich lieber nicht so ohne weiteres auf die Nase binden würde, wenn sich Kurt Laue wieder einmal bei ihr einfinden sollte. Außer natürlich bei einer größeren Gesellschaft, wo sie ja dann vorher die Liste der Einzuladenden immer gemeinsam mit einander durchsprachen.

Das mußte sie dann freilich tun; aber irgend eine Möglichkeit sollte es für ihn nicht geben, sich gegen die Anwesenheit von Doktor Laue auszusprechen. –

Der Justizrat war gegangen, und sie saß allein.

Und dann sagte sie sich: Was ging sie denn der junge Mensch eigentlich an, daß sie die alte bewährte Freundschaft aufs Spiel setzen wollte. Das war ja Unsinn! Was fiel ihr denn nur ein?

Ausgeschlossen! ... Wenn ihm gar so viel daran liegen sollte, dann mochte er ihr seine Gründe vortragen, und sie ließ den anderen einfach fallen.

Aber einen Grund mußte er ihr dafür freilich erst bringen.

Vielleicht wußte er doch etwas, und nur Berufspflicht oder überhaupt die sogenannte Ehre gebot ihm, darüber zu schweigen? Aber das konnte doch nicht der Fall sein, wenn es sich um sie und ihr Haus handelte. Da gab es das nicht.

Beim nächsten Male wollte sie sich ihn vornehmen, und dann mußte er ihr reinen Wein einschenken, was er gegen den Herrn Laue einzuwenden hatte.

Bis jetzt freilich hatte er sich energisch dagegen gewehrt, als habe er etwas gegen ihn, hatte im Gegenteil sein Lob gesungen, und abgeleugnet, daß er irgendwie verstimmt war. Allein es war doch der Fall, dazu kannte sie den guten Paul viel zu genau, um nicht jedes Zucken seiner Wimper richtig zu deuten.

Aber Klarheit mußte sie zuvor haben. Dann würde sie sehen, was zu tun war. Auf eine eifersüchtige Laune allein gab sie nichts. Damit durfte er ihr nicht kommen.

Ob sie sich bei anderen erkundigen sollte? ... Aber sie hatte ja gesehen, wie herzlich und freundschaftlich alle mit ihm verkehrten. Da war jede Frage überflüssig und sie hätte sich damit höchstens bloßgestellt.

Wozu also? ...

Paul selber mußte es ihr sagen, was er gegen Laue hatte, oder aber Kurt Laue würde so oft in ihr Haus kommen, wie es ihr paßte, ohne daß sie sich von anderen Leuten Vorschriften machen ließ.

Und damit war die Sache für das erste erledigt.

Man würde später weiter sehn. –

Allein sie war ungehalten, daß Paul Bröse ihr die gute Stimmung, in der sie sich all die Tage befunden hatte, so verdorben hatte. Das war gar nicht nötig gewesen.

Er war doch wohl schon ein bißchen griesgrämig.

Wenn sie dagegen an die Frische von Kurt ... da war sie schon wieder bei dem fremden Herrn, der sie doch gar nichts anging. Ein bißchen viel, wie sie sich mit dem beschäftigte. Das mußte ein Ende nehmen, und sie beschloß, auch nicht den kleinsten Gedanken mehr an diesen Dr. jur. Kurt Laue zu verschwenden.

Wahrscheinlich verdiente er das auch gar nicht, wenn sie die Stimmung inbetracht zog, die Bröse offenbar gegen ihn hegte. –

Und damit nahm sie Hut und Handschuh, und beschloß, um auf andere Gedanken zu kommen, eine ihrer Freundinnen aufzusuchen. Rasch verwarf sie den Gedanken, zu Beate Mochow zu gehen.

Nein, wenn sie zu der hinkam, konnte sie gewiß sein, daß gleich von einem gewissen Herrn die Rede war, von dem sie ja augenblicklich nichts wissen wollte.

Deshalb ging sie lieber zu Klara Bessin. Aber als sie, ohne sich vorher angesagt zu haben, dort war, fand sie sie nicht zu Hause, und nun blieb ihr doch nichts anderes über, als daß sie zu Beate ging, weil sie die einzige war, die hier in der Nähe wohnte.

Beate Mochow kam ihr mit der Lebhaftigkeit entgegen, die sie immer zeigte, wenn es sich um ihre Freunde handelte. Und mit Eveline verband sie eine jahrelange Bekanntschaft.

Ihr blondes Haar leuchtete heute mehr als je. Sie zog Eveline auf den Divan und hielt ihre Hand fest, über die sie mit ihren Fingern mit einer hastigen Bewegung strich.

– Ach, das ist aber nett, daß du zu mir kommst. Ich wollte dich heute schon aufsuchen. Denn ich habe dich eine ganze Weile nicht gesehen. Wie geht es denn? Was macht denn Kurt Laue?

– Wie kommst du denn gleich auf den? Hat er einen so tiefen Eindruck auf dich gemacht? ... Mir scheint, du hast die ganze Zeit an ihn gedacht.

– Das nun doch nicht. Aber er interessiert mich sehr, das will ich gern gestehn. Dich etwa nicht? ...

– Nicht mehr wie jeder neue Mensch, der mir in den Weg kommt. Natürlich macht einem das Spaß.

– Mir schien sogar, als sei dieses Interesse gegenseitig. Jedenfalls hat er sich weit mehr um dich gekümmert – als wie um mich. Ich fürchte fast, ich bin nicht so ganz sein Typ. Obgleich ich gar nicht weiß, was so sein Geschmack ist. Man munkelt nur, daß er seit Monaten Beziehungen zu der Martell unterhält. Die fällt ja äußerlich nun weniger in Betracht, wenn man sie mit mir vergleicht. Aber schließlich lieben die Männer ja die Abwechslung, und man hat immerhin Chancen, daß sie der einen Art einmal überdrüssig werden, und sich auch anderen Göttern zuwenden.

– Du bist einmal wieder großartig, Beate. Wenn man dich so reden hört, sollte man denken, du habest ein Verhältnis nach dem anderen. Soweit ich weiß, spielt sich das bei dir lediglich in der Phantasie ab.

– Lediglich in der Phantasie? ... Erlaube mal ...

– Oh Gott! ich wollte dich nicht beleidigen! – Also entschuldige nur. Aber ich habe wirklich nicht nachgeforscht. Und wenn du mir sagst, du habest ...

– Das habe ich nun wieder auch nicht gesagt. Ich möchte mich nur nicht so festlegen. Also breiten wir den Schleier der Ungewißheit darüber, und lassen wir das lieber unerörtert, wie weit das bei mir geht. Allein du hast recht: In sehr vielen Fällen bleibt es bei mir bei dem Wunsche, dem Vater des Gedankens, und die Wirklichkeit spielt keine nennenswerte Rolle dabei.

– Na also!

– Ach Eveline, rede nicht so, es empört mich, daß du schließlich recht hast. Ich wollte, natürlich wieder nur in Gedanken, es wäre alles anders.

– Also Beate, du bist kostbar. Aber du darfst ruhig so bleiben, wie du bist.

– Will ich auch. Ich gefalle mir soweit ganz gut, wenn ich nur den anderen ein bißchen besser gefallen möchte.

– So zum Beispiel dem Doktor Laue.

– Augenblicklich natürlich dem. Das versteht sich doch von selbst. Er ist ja doch der nächste dazu.

– Also: meinen Segen hast du, wenn dir daran liegt.

– Oh ja, daran liegt mir natürlich sehr viel, weil ich in dir die schärfste Konkurrentin sehe, abgesehen natürlich von der Martell. Aber die zählt nicht so sehr mit, weil sie ja aus einer anderen Sphäre stammt, und diese Art mit uns nicht so ganz auf dem gleichen Niveau steht. Wenigstens habe ich immer gefunden, daß die Männer einen sehr erheblichen Unterschied machen zwischen einer Dame der Gesellschaft und Frauen, die sie mehr für den Privatgebrauch benötigen.

– Privatgebrauch ist gut gesagt. Glaubst du, daß es etwas Ernsthaftes ist mit ...

– Was soll ernsthaft sein? Ach so, die Beziehungen von Laue zu der Martell. – Na weißt du, so ohne ist die nicht. Und ich kann verstehen, daß sich ein Mann für sie interessiert. An Eleganz können wir nicht mit ihr in Konkurrenz treten.

– Meinst du?

– Ja! liebe Seele, das meine ich sehr! ... Nicht so die äußere Erscheinung, aber das Verstecktere denke ich mir. Da sind wir denn doch wohl Waisenkinder.

– Na, liebe Beate, ich glaube, wir können den Wettbewerb ganz gut aufnehmen. Ich wenigstens verpflichte mich ...

– Sieh da ... Eveline! ach, da muß ich mich doch aber mal überzeugen, ob das stimmt. Allein darauf kommt es weniger an. Die Raffiniertheit wollen wir gern der Konkurrenz überlassen, scheint mir. Ich wenigstens mache das Rennen da nicht so ohne weiteres mit. Ohne ein Aufgeben der eigenen Selbstachtung geht das schwerlich ab.

– Eigne Selbstachtung ist ein bißchen viel gesagt.

– Na, dann sagen wir, Reinlichkeitsgefühl.

– Das klingt schon präziser, obgleich ich mir habe sagen lassen, daß alle diese Vorurteile vor dem Sturmwind der Leidenschaft einfach weggeblasen werden.

– Ich weiß nicht, aber wir reden heute beide in einer so gehobenen Sprache, als ob wir dichten wollten. Und mir scheint, wir lassen unserer Phantasie ein wenig zu sehr Spielraum. Eigentlich geht uns das alles nichts an.

– Wir sind auch nur darauf gekommen, weil wir die Beziehungen dieses sehr netten jungen Juristen zu einer Bühnenkünstlerin in den Kreis unserer Betrachtungen gezogen haben.

– Und weil ein wenig wie Neid dabei mit im Spiel ist.

– Meinst du? ... Bei dir?

– Bei dir etwa nicht? Wir sind immer neidisch auf eine Frau, die uns den Rang abläuft, vor allem, wenn sie nicht auf demselben gesellschaftlichen Niveau steht, wie wir von uns glauben. Dann spricht ein Stück Verachtung mit, das aber im Grunde gar keine Berechtigung hat. Wir aber suchen uns das so heraus, um unsere Position scheinbar zu stärken, und dabei ist es nur ein Eingeständnis der Schwäche.

Und nach einer Pause fragte Eveline:

– Also mit der Martell?

– Ja, so weit ich gehört habe. Er soll sehr in sie verliebt sein, sagte mir Mandy.

– Ach, Mandy! der erzählt leicht mal etwas. Deshalb braucht es nicht gleich so zu sein.

– Möchtest du, es wäre nicht? ... Was geht es uns an? – Die Männer führen ja doch ihr eigenes Leben, wie sie wollen. Wir kommen nicht mit. Es geht uns auch nichts an.

Und wieder schwiegen sie, und jede spann ihre eigenen Gedanken weiter.

Aber in Eveline war doch ein Stachel geblieben.

Gerade die Martell, die war nicht die erste beste. Die warf sich auch nicht fort, sondern tat sehr reserviert, und rasch wechselnde Neigungen konnte man ihr nicht nachsagen.

Das war es wohl, was Paul Bröse gemeint hatte, als er gesagt: Daß er ein Lebemann ist, steht wohl fest.

Es ging sie nichts an. Aber man hatte doch immer dabei seine Gedanken, wenn man von einem seiner Bekannten, mochte es nun Mann oder Frau sein, hörte, zu wem er intimere Beziehungen hatte. Immer zog man Schlüsse daraus. Und es war ihr unangenehm, wenn sie sich die beiden nebeneinander vorstellte. –

Und sehr wenig befriedigt ging sie von Beate Mochow fort. Es tat ihr leid, daß sie diesen Besuch gemacht hatte. Lieber wäre es ihr gewesen, wenn sie diese Tatsache gar nicht erst erfahren hätte. Denn daß es richtig war, unterlag bei ihr keinerlei Zweifel.

Warum sollte ein junger Mann auch nicht sich zu einer so reizvollen Person hingezogen fühlen, wie das die Martell war.

Sie konnte es doch nicht ändern.


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