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XIX

Im ersten Augenblicke war Laue erstaunt, als ihm Justizrat Bröse gemeldet wurde.

Was wollte er von ihm? – Glaubte er ihm nicht? – wollte er ein Wort von ihm, oder ihn irgendwie zur Rede stellen? Hatte Frau Eveline etwas verlauten lassen von dem Zusammentreffen am Morgen des Tages, wo er abends vor ihnen seine Wette für verloren erklärte?

Einen Augenblick zauderte er, dann lachte er sich aus.

Er hatte doch nicht etwa Furcht? Wollte wohl gar eine Waffe nehmen gegen den Mann, dem er dreimal gewachsen war. Und so ließ er bitten, weil er das alles einfach lächerlich fand.

Und nun saß er ihm gegenüber, und lächelnd sagte der Justizrat:

– Sagen Sie, lieber Kollege, hätten Sie Lust eine größere Sache zu übernehmen, die mir in meiner augenblicklichen Lage ein wenig über den Kopf wächst, der ich mich nicht voll widmen kann, von der ich mir aber sehr viel verspreche?

– Ich verstehe nicht recht.

– Also dann lassen Sie mich Ihnen erklären. – Erst wenn Sie im Bilde sind, können Sie ein Wort sagen. Zuvor aber muß ich noch eine persönliche Sache mit Ihnen regeln. Ich fand das neulich abends, wo ich gar nicht an die dumme Geschichte dachte, die wir, glaube ich, beide nicht ernst genommen haben, so nett, wie Sie die Angelegenheit damit aus der Welt geschafft haben, ohne viel Aufsehens. Der anderen bin ich ganz sicher, und ich weiß ja, daß nie ein Wort darüber von Ihren Lippen kommen wird. Unsere Freundin würde uns das nie verzeihen. Aber wie die Sache von Ihnen ausgetragen ist, das hat mir eine solche Genugtuung ... na kurz und gut, ich bin heilfroh, kann ich Ihnen nur sagen. Denn ehrlich, ich habe für Frau Eveline ... also ich kenne sie so lange, und ich denke immer ... Nun, Sie werden ja eines Tages noch davon hören.

Einen Augenblick schwebte es Laue auf der Zunge zu sagen: Na, da kann man wohl gratulieren. Dann schien ihm das denn doch der ärgste Hohn, und so nickte er nur stumm und sagte:

– Ich glaube zu verstehen!

– Und da werden Sie begreifen. Nicht wahr?

– Verehrter Herr Justizrat, wenn Sie nun Ihrerseits glauben, daß ... kurz wenn Sie zu mir gekommen sind, um sich gewissermaßen einer Dankespflicht zu entledigen, so liegt dazu auch nicht die allergeringste Veranlassung vor. Und ich glaube, wir lassen damit auch Ihre gewiß gutgemeinte Absicht fallen. Nein! bitte, das wollen wir nicht in Konnex mit einander bringen. Ich glaube auch schwerlich, daß meine Zeit mir erlaubt, mich irgend weiter zu belasten. Ich bin kein solches Arbeitstier, sondern will auch noch was von meinem Leben haben. Es ist überaus nett von Ihnen, aber ich glaube, es gibt andere Kollegen, die mit Wonne zugreifen werden. Ich danke Ihnen schön für Ihre gute Absicht, aber lassen Sie mich erst gar nicht wissen, um was es sich handelt, um mich nicht erst in Versuchung zu bringen. Seien Sie mir nicht böse! Sie machen ein ärgerliches Gesicht, aber wir sind doch zwei verständige Männer. Wenn Sie mir vor vier Wochen gekommen wären, ich hätte vielleicht zugegriffen. Heute kann ich das nicht mehr. Ich habe Verpflichtungen, die mich binden und habe einfach überhaupt nicht mehr die freie Hand, um sie Ihnen entgegenzustrecken. Es geht nicht ... Glauben Sie mir, mit bestem Willen, es ist völlig ausgeschlossen.

– Sie geben mir also einfach einen Korb!

– Ich muß! Wenn Sie alles wüßten, würden Sie mir ohne weiteres rechtgeben. Vielleicht werden Sie mich später besser verstehen.

– Ohne daß Sie wissen, um was es sich handelt?

– Und wenn es sich um die Schätze Indiens handelte, es geht nicht, mit bestem Willen nicht.

– Schade, lieber Freund! sehr schade. Ihre Zukunft wäre damit gesichert gewesen.

– Ach, sagte er schmerzlich. Sorgen Sie sich nicht um meine Zukunft. Das ist ein weites Feld, würde unser alter Freund sagen.

– Na, da hilft das dann nichts. Und ich hatte mir das so schön gedacht. Und Sie haben recht, ich wollte ein Stück Dankesschuld an Sie abtragen.

– Der Dank käme dabei gewiß an eine falsche Adresse.

– Sie meinen, er gebühre einer anderen?

– Wie Sie das auffassen wollen: Mir jedenfalls nicht. Aber wollen wir dies heikle Thema nicht lieber verlassen? Es führt doch nur dazu, daß Sie es mir verübeln, weil ich Ihnen die Hand nicht entgegenstrecken kann, so wie Sie sich das gedacht haben.

– Schade, sehr schade! ... Und Sie wollen nicht erst mal hören? nicht doch noch überlegen?

– Es wäre zwecklos. Glauben Sie mir. Und darum will ich auch gar nicht erst wissen, um was es sich handelt. Glauben Sie mir, es ist mir selbst peinlich, mehr als ich Ihnen sagen kann.

– Ja, dann hilft das nichts. Und ich hatte mir das so nett gedacht. Sehr, sehr schade! ...

Damit ging er endlich, – aber er zauderte noch immer, und schien es gar nicht recht zu fassen, daß er so glatt bei ihm abfallen sollte. Und er hatte es sich so nett gedacht. Auch um Evelines willen, der er gern davon gesprochen hätte.

*

Die Tür hatte sich hinter ihm geschlossen.

Und Kurt Laue stand da und starrte auf die Klinke. Also das auch noch! ...

Und er konnte dem Manne doch die Gründe nicht erklären, die ihn zwangen, sein Anerbieten mit aller Energie abzuweisen.

Das war ja einfach grotesk, wie der kam, sich bei ihm auch noch zu bedanken!

Er hätte ihm am liebsten ins Gesicht gelacht.

War der denn ganz vertrottelt und verblödet, daß er sich zu solch einem Schritte entschloß?

Da war es ja wahrhaftig besser, Frau Eveline sagte ihm offen, daß sie ihn voller Verachtung von sich gestoßen, wie er sich benommen, und daß er die Schwelle ihres Hauses nie wieder betreten würde. Das hätte er ihm am besten selbst zu verstehen geben sollen. Aber es war ihm nicht eingefallen. Doch das ließ sich nachholen. Und er würde es ja auch bei der ersten Gelegenheit erfahren, wenn die Freunde sich wieder im Hause Tismar einfanden und er dann fehlte.

Das würde ihm ja wohl die Augen öffnen, wenn es Frau Eveline nicht schon vorher tat.

Und der wollte nun Eveline heimführen? Denn darauf lief ja alles hinaus, was er andeutete, und was ihm eine solche Zuversicht verlieh.

Dieser Mensch! Ach, er wußte nicht, was er ihm jetzt antworten würde, wenn er ihn noch einmal vor sich hatte. Dieser – ja war es denn vielleicht kein Idiot? daß er nicht erkannte, um was es sich handelte, wie alles lag?

Nein! für den war die Eveline doch zu schade, – dem gönnte er sie wahrhaftig nicht, – der verdiente nichts besseres, als daß man ihn betrog. Nur daß er selber nicht zum zweiten Male mehr dazu kommen würde, denn es war ausgeschlossen, daß er mit dem künftigen Ehepaare verkehrte. Aber ein anderer würde sich ja wohl schon finden. Nein, nein! Der Gedanke war ihm unerträglich, daß je ein anderer ...

Er stampfte mit dem Fuß auf. Wohin verirrte er sich in seinen Gedanken. Das war ja abscheulich, sich so etwas auch nur im entferntesten vorzustellen.

Wahrhaftig, er war ganz auseinander durch diese Frau, an die er nicht denken wollte, die ja bald die Frau eines anderen werden sollte, dieses Bröse, aber die er nicht vergessen konnte.

Die Episode Eveline Tismar sollte und mußte erledigt sein. Das war er seiner Ehre schuldig, und nach diesem Besuche des Justizrates Bröse war ganz gewiß für immer Schluß.

Und damit begab er sich wieder an seine Arbeit.

Der Mensch sollte sich in Weibergeschichten nur einlassen, wenn er das sichere Gefühl hatte, sie jeden Augenblick wieder abzuschütteln, sagte er sich. Von Frauen sollte man sich nicht unterkriegen lassen, niemals.

Aber mit gewissen Frauen war das sehr schwer.

Darum: nur keine Frau aus der Gesellschaft! sondern irgend eine, mit der man umspringen konnte, wie man wollte. Damit man sich keine Gewissensbisse zu machen brauchte oder irgend sonst Rücksichten zu nehmen hatte auf andere Männer, die so dumm waren, die Frauen toternst zu nehmen, wie das dieser Justizrat tat.

Frauen durfte man einfach nicht ernst nehmen. Nur die Arbeit war ernst, alles andere Unsinn.


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