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XVIII

Nun wußte sie alles von Magda Hellesen.

Paul Bröse war von Anfang an bei dem Sektgelage mit dabei gewesen, Kurt Laue hatte sehr feierlich das Glas gehoben und auf das Wohl von Frau Eveline Tismar getrunken. Und kein Wort weiter gesagt, nur daß er bedauerte, daß er sich auf die ganze Geschichte überhaupt eingelassen zu einer Zeit, als er nicht gewußt, um wen es sich handelte.

– Also! sagte Magda, da siehst du nun. Ich finde das im höchsten Grade anständig. Such das zum zweiten Male, mein Herz.

– Ich verzichte! hatte sie nur erwidert. Jedenfalls aber hat Paul dabei eine sehr eigentümliche Rolle gespielt. Und ich bedauere nur, daß ich dir mein Wort zuvor gegeben habe, sonst würde ich ihm meine Meinung schon sagen. Aber der Tag wird einmal kommen, wo ich es ihm eintränken kann. Du kannst versichert sein. Und den Mann sollte ich heiraten? ... Nein, mein Lieb, das kann man mir doch nicht zumuten. Ich jedenfalls danke dafür.

– Du bist zu hart! Männer reden und tun manches, was wir nicht gleich verstehn. Da muß man vieles mit in den Kauf nehmen.

– Ich nicht! solange ich mich noch selbst achte, nicht! ...

Aber als sie allein war, fragte sie sich, ob sie denn so besonderen Anlaß hatte, sich noch so hoch zu achten, ob die Selbstachtung denn bei ihr so besonders angebracht war, die sich so wenig in der Gewalt hatte, daß sie sich ohne Bedenken wie die erstbeste haltlos weggeworfen hatte und sich dann so wenig beherrschen konnte, daß sie wie eine beleidigte Straßendirne sich mit der Hand wehrte und um sich schlug.

Darauf konnte sie nicht grade sehr stolz sein.

Sie war froh, als Paul Bröse schon am anderen Vormittag abfuhr, ohne daß sie Gelegenheit gehabt, ihn unter vier Augen zu sprechen. Sie hatte keinen Anlaß mehr gefunden, noch auch gesucht, ihn allein zu sprechen. Und im nüchternen Tageslichte hielt sie es auch nicht für den passenden Zeitpunkt, die Sache anzuschneiden. Sie fürchtete, daß es ohne heftige Auseinandersetzung nicht abging, und sie war von dieser schlaflosen Nacht so mürbe, daß sie lieber darauf verzichtete, war sehr spät zum Frühstück gekommen und schützte Migräne vor, so daß er nur beim Abschied ihre Hand länger hielt und noch einmal bat:

– Ich will Sie nicht drängen, Eveline, und wenn es nicht anders ist ... Aber, bitte! liebe Freundin, mein Wort bleibt bestehn, – und es liegt allein bei Ihnen, wie sich meine Zukunft weiter gestalten soll.

Sie hatte nichts darauf erwidert, sondern nur den Kopf geschüttelt. Sie war viel zu schwach, um noch Worte zu verlieren. Er wußte ja, was sie ihm gesagt hatte.

Und das mußte ihm genügen.

 

Nun waren die beiden Herren abgefahren.

Am liebsten wäre auch sie in ihr Heim zurückgekehrt; denn nun fürchtete sie sich nicht mehr vor Kurt Laue, mochte er gegen sie unternehmen, was er wollte.

Aber mit den beiden Herren wollte sie die drei Stunden nicht im Wagen allein sitzen, immer Bröse gegenüber. Und dann war es vielleicht auch das beste, sie blieb noch ein paar Tage hier draußen, wo sie niemand störte, und wo sie Gelegenheit hatte, wieder ganz mit sich ins Reine zu kommen.

Sie machte weite Spaziergänge durch den Wald, einsame stille Wege, wo sie niemandem begegnete. Sie saß an der Rehwiese, wo sie am Abend die Hirsche schreien hörte. Diese Brunftschreie gingen ihr durch den ganzen Körper, jagten ihr Blut auf.

Und plötzlich bekam sie einen sinnlosen Schreck, als sie daran dachte. Wenn nun? ... Aber nein! Wie sollte denn das werden. Das war nicht auszudenken! ...

Nur das nicht.

Aber dann wieder kam ihr ein anderer Gedanke. Wenn es nun doch der Fall war?

Sie war doch nicht die Frau, die dann etwa in aller Eile den Antrag Paul Bröses annahm. – Das war ja Unsinn. Dem konnte sie doch nicht etwa einreden ... Unsinn war das alles. Aber es ängstete sie.

Ein Kind von ihm! ...

War es so aus aller Welt? Durchaus nicht, auch wenn ihre Ehe kinderlos geblieben war.

Und sie hatte sich anfangs so brennend ein Kind gewünscht.

Aber jetzt?

Und schon hatte sie auch ihren Entschluß gefaßt. Dann ging sie ins Ausland. Hier blieb sie auf keinen Fall. Dort würde nie ein Mensch davon erfahren, aber sie wollte da draußen, wo niemand sie kannte, wo sie keinem Menschen Rechenschaft schuldig war, da wollte sie das Kind erziehen, und plötzlich sagte sie sich: sein Kind! sein Kind! –

Sie mußte dieses Kind doch eigentlich hassen, – aber es gelang ihr nicht. Es ging nicht.

Und eines Abends war sie so weit, daß sie brennend wünschte, es möge so sein, wie sie anfangs befürchtet hatte.

Allein bald wußte sie, daß sie ganz ohne Sorge sein konnte.

Es war nichts. Alles war in schönster Ordnung.

Voller Hohn sagte sie sich: In schönster Ordnung! Ohne alle Sorge.

Und war fast voller Trauer, daß es nicht war.

Sie wurde den Gedanken an den Mann nicht mehr los, der ihr Blut aufgepeitscht hatte. Das hatte er getan, und wie.

Sie lief ruhelos umher. Wußte nicht, was sie mit sich anfangen sollte, hatte zu nichts Geduld, begann alles mögliche, suchte sich ein Buch nach dem anderen heraus, ohne daß sie über die ersten zehn Seiten hinaus kam.

Sie hatte auch keine Lust mehr an den Wanderungen durch die Felder und den Wald, – und da das Wetter umschlug und regnerisch und kalt wurde, entschloß sie sich von einer Stunde zur anderen wieder in die Stadt zurückzukehren.

Und Magda Hellesen war gleich bereit, denn sie hatte allerlei Besorgungen. Und so fuhren sie an einem nassen, trüben Nebeltag ab.

Der Abschied wurde ihr nicht weiter schwer, denn selbst bei den besten Freunden war man nie so gut aufgehoben und wußte seine Zeit recht zu verwenden, wie daheim in den eigenen vier Wänden.


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