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XVII

Also Paul Bröse hatte damit zu tun?

Er war gestern abend mit bei Kurt Laue gewesen. Er hatte ja selbst heute morgen davon gesprochen, daß Laue sicher einen Gruß mitgeschickt hätte, wenn er gewußt hätte, daß er zu ihr hier auf das Land kam.

Heute früh hatte sie dabei noch gedacht: Nur gut, daß er das nicht erfahren, daß er keine Gelegenheit dazu gefunden hatte. Wahrscheinlich irrte sich der gute Freund Paul, und dieser Doktor Laue würde sich gehütet haben, eine Frau noch grüßen zu lassen, die nach ihm geschlagen hatte.

So hatte sie gemeint. Nun schien alles ganz anders.

Das heißt, wissen konnte man das nicht. Er war zu allem imstande.

Er war zu allem imstande. Ja, das war er. Er war sogar imstande, öffentlich eine Wette verloren zu geben, die er glatt und gut gewonnen hatte.

Denn nur darum konnte sich diese Wette gedreht haben, – die Wette, sie zu erringen. Das war ihm gelungen. Er hatte sie gehabt, hatte sie besessen, ohne sonderliche Verführungskünste. Nein! eine besondere Kunst der Verführung hatte er nicht angewandt, keinen Kniff, keinen Trick. – Er hatte sie einfach genommen, ohne alle Gewalt, in einem Augenblicke, wo sie ihm gut gewesen war, wo sie gar nicht daran gedacht hatte, sich im mindesten zu wehren.

Und trotzdem hatte er keinen Gebrauch von seinem Siege gemacht – sondern hatte im Gegenteil seine Niederlage proklamiert.

Was war das für ein Mensch, der das tat? ... der sich von ihr am Vormittage züchtigen ließ, und am Abend sich hinstellte, und auf ihr Wohl trank.

Denn das hatte ihr Bröse erklärt, daß Laue das getan.

Ein Wunder, daß sie ihr alle zusammen nicht ein Telegramm darüber gesandt oder ihr eine gemeinschaftliche Karte geschickt hatten, deren Adresse ja Paul Bröse schreiben konnte. Das wäre freilich der Gipfel gewesen. Das hätte nur noch dabei gefehlt, um das Pünktchen auf das i zu setzen.

Und dieser Paul, ihr vermeintlicher Freund, war bei alldem mit dabei. Er hatte an dem Gelage mit Teil genommen und fand das nach Männerart gewiß durchaus in der Ordnung.

Nein! da tat sie ihm Unrecht. Im Gegenteil hatte er ja heute darauf angespielt, welchen Dingen selbst die anständigste Frau ausgesetzt war. Jetzt verstand sie, was er damit hatte sagen wollen, was seine Redewendung bedeutete.

Ob er seine Ansicht auch so gestern abend ausgesprochen hatte? ...

Sicher nicht! – Sonst wäre er wohl nicht bis zum Schlusse geblieben, denn davon hatte Fritz Hellesen ja ausdrücklich gesprochen, wie sie bis zum Schluß gemeinsam geblieben waren.

Sie war also der Gegenstand dieser Wette gewesen. Aber da hätte sie ja mit weit größerer Berechtigung ihren Handschuh Paul Bröse in das Gesicht werfen können, der höchstwahrscheinlich die Gegenwette gehalten hatte.

Das sagte ihr ihr Fraueninstinkt, weil kein anderer sonst Interesse an ihrer Person hatte als in erster Linie dieser alte Freund, der wahrlich ihr Freund nicht war, wenn er sich zu solch einem Handel hergab. – –

Sie hatte sich den Schlafrock umgeworfen, und sie spürte große Lust jetzt gleich, noch in der Nacht zu ihm zu gehn. Was kam es darauf an? – Was hatten Anstand und Schicklichkeit zu bedeuten, wenn das auf dem Spiele stand, wenn es galt, ihn zu fragen, wie er dazu stand.

Er war der bei weitem Schuldigere. –

Sie trat auf den Altan hinaus; und sie sah, wie er noch Licht in seinem Zimmer hatte. Die Fenster standen weit auf, und das Licht fiel heraus, daß die Bäume im Park davon ganz phantastisch beleuchtet wurden. Sie ging auf dem festen Steinfußboden des Altans auf und ab, und dachte, daß er vielleicht ihre Schritte hören werde. Dann wollte sie ihn anrufen. Sie brauchte nur ihre Stimme zu erheben, dann hörte er sie, aber zwischen ihnen lagen die Zimmer von Magda und Fritz Hellesen, und die würden bei der Nachtstille diesen Ruf sicher auch hören. Das ging doch nicht gut.

Morgen war auch noch ein Tag. Aber sie mußte Gewißheit haben, unter allen Umständen.

Nur die eine Gewißheit hatte sie, daß Kurt Laue nicht der am meisten Schuldige war. Bisher noch nicht. Aber wer konnte wissen, was ein Mann noch alles tat, der von einer Frau beleidigt und geohrfeigt worden war.

Das vermochte sie sich nicht vorzustellen.

Eine Frau würde gewiß die erstbeste Gelegenheit benutzen, um sich auf ihre Art zu rächen.

Ob das auch ein Mann tat, wußte sie nicht.

Aber sie mußte damit rechnen, daß es noch geschah.

Der Kopf schmerzte sie, und sie wollte ein Schlafmittel nehmen, aber sie fand es nicht. Sollte sie sich noch an Magda wenden? aber da sah sie, daß das Licht grade im Zimmer gelöscht wurde und so ließ sie es.

Es war ja gleich, ob sie in dieser Nacht schlief oder nicht.

Es war ja alles gleich, – was auch kommen sollte.

Sie war auf alles gefaßt.


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