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IX

Kurt Laue stand in Wannsee auf der Landungsbrücke der Sterndampfer und sah auf das Wasser hinaus, das in hellem Sonnenschein sich vor seinen Augen breitete, übersät mit Booten – kleine rasche Ruderboote und große Yachten, mit ihren wie Schnee schimmernden Segeln. Zwischen ihnen glitten die weißen breitbauchigen Sterndampfer hin, die ihren schwarzen Rauch auf die ruhige blaue Wasserfläche legten.

Er sah nach der Uhr. Es war erst fünf Minuten über die verabredete Zeit, und wahrscheinlich war das Segelboot noch gar nicht gekommen. Auch sah er nichts von Seveke oder Wiluda, wie er sich jetzt umkehrte und die Treppe hinaufblickte, die oben vom Bahnhof her den steilen Hang zum Wasser herabführte.

Die Menschen zogen an ihm vorüber, drängten sich an dem kleinen Kassenhäuschen, um sich eine Fahrkarte nach der Pfaueninsel, nach Potsdam oder Sakrow zu lösen. Die Dampfer klingelten, ein kleiner Dampfer mit Musik an Bord zog mitten über das Wasser, der Einfahrt zum kleinen Wannsee zu, und die Klänge kamen vom Winde zerrissen herüber, der sich jetzt aufgetan und unter dem die Fläche sich fein zu kräuseln begann. Die Segel füllten sich mit Wind, und die Boote legten sich schräg und schossen zwischen all den anderen Fahrzeugen dahin, wie weiße Schwäne auf dunkler Flut.

Er drehte sich um, denn eine Hand hatte sich auf seine Schulter gelegt, und hinter ihm stand Peter Illgen, der Maler.

Auf den hatte er nicht gerechnet, sondern gemeint, daß sie nur zu dreien sein würden, wie das verabredet war – nur Seveke als Besitzer des Bootes und Wiluda. Den Illgen hätten sie sich schenken können.

Er mochte ihn nicht, mit seiner fatzkigen Art. Das war ja gar kein Mann. Sein geziertes Wesen, wie er die Lippen spitzte und manchmal so prätentiös redete, stieß ihn ab. Auch für seine weichliche Kunst hatte er nichts übrig.

Aber er gab ihm die Hand mit einer großen Ruhe, wie abwehrend, während der Maler sofort eifrig auf ihn einredete, mit den Händen malte und ihn auf die Verteilung von Licht und Schatten in dem Bilde aufmerksam machte, das sich vor ihnen zeigte. Und erläuterte ihm, wie schwer es sei, in diese Einförmigkeit des Wassers Leben hinein zu bringen.

Lauter stumpfe Farben, nur Grau und Weiß, denn das Grün der Ufer kam gar nicht zur Geltung bei der Entfernung bis zum anderen Ufer.

– Da kommt ja das Boot schon. Wir müssen bis hinunter auf das andere Bollwerk. Ach so! ... Sie waren noch nie mit.

– Nein, sagte Laue, es ist das erste Mal.

– Für mich sind diese Fahrten schon wahre Fundgruben gewesen. Man sieht doch so manches auf einem kleinen Fahrzeuge, bei der ruhigen Bewegung, wie nie auf einem großen Dampfer. – Der Wind frischt auf, da werden wir eine flotte Fahrt haben. Fein wird's sein! – Hier geht es hinüber.

Seitlich von dem großen Brückenkopfe zog sich eine Steinmauer hin, auf die sie jetzt traten, und von da kamen sie auf einen schmalen Steg, der für die Boote, die von hier abfuhren, errichtet war.

Der Matrose winkte ihnen zu, der den Kahn herübergerudert hatte, reichte ihnen die Hand, daß sie in das Boot steigen konnten, das nicht sehr stabil schien.

Dann legte der Matrose sich in die Riemen, und schon nach einer kleinen Strecke waren sie an der Boje, wo das große Segelboot noch vertäut lag. Seveke und Wiluda winkten ihnen schon von weitem.

Rasch waren sie übergestiegen, und die Leine wurde losgeworfen, nachdem mit ein paar Griffen die Segel gehißt waren. Wiluda saß am Steuer, und schon glitt das Boot zwischen zwei anderen, vertäut und abgetakelt liegenden Schiffen auf die freie Wasserfläche, wich einem Passagierdampfer aus, fuhr an den blumengeschmückten Hausbooten vorbei, wo in den Korbsesseln ein paar Damen saßen, wie in einem Salon so gelangweilt, und nahm die Richtung auf das Freibad und den Wasserturm von Schwanenwerder.

– Ach, das wußte ich gar nicht, daß Ihr Boot »Eveline« getauft ist.

– Erst seit dem Frühjahr, sagte Wiluda. Früher hat es »Else« geheißen, aber die Else hat sich das Prädikat: Ungenügend errungen, und so ist sie eben überpinselt, und ein würdigerer Name ist an deren Stelle getreten.

– Ja, sagte Seveke, die Else ist ein Kapitel für sich. Wenn Walter Mandy eine Ahnung hätte, wie das zusammenhängt, hätte er längst eine seiner frivolen Geschichten daraus gemacht. Zum Glück hat er keinen Schimmer davon, aber ebenso schade ist es, daß man die Sache nicht erzählen kann.

– Ach, sagte Wiluda, du hast das schon so oft unter dem tiefsten Siegel der Verschwiegenheit erzählt, daß er es eines Tages doch erfahren wird, und dann wird es schon herauskommen.

– Heute liegt mir nicht viel mehr daran. Nur im Anfange war es mir unangenehm.

– Ja, man ist immer unangenehm berührt, wenn man in der Liebe der Hineingefallene ist. Aber das hilft nun einmal nichts. Wir müssen alle den Tribut leisten.

– Weiß Frau Eveline Tismar davon?

– Gott bewahre! Sie weiß nur, daß Else der Name war, den der frühere Besitzer dem Boote gegeben hatte, aber mehr auch nicht. – Sie darf nie was erfahren, sonst wäre sie gewiß böse. Und das möchte ich nicht auf mich nehmen.

– Also solch eine Angst haben Sie vor ihr? fragte Laue.

– Erlauben Sie mal! Ich dächte, das wäre ganz berechtigt. Sie kennen sie nicht, – sie kann recht ungehalten sein.

– Wirklich? ... Vermag ich mir gar nicht vorzustellen.

– Jede Frau, auch die gutmütigste, kann einmal wild werden, – und da sind die Sanftmütigsten manchmal am gefährlichsten.

– Obacht, Ruderboot! rief Seveke. Natürlich solch ein dummes Frauenzimmer, das einem wie blöd gerade in den Kurs steuert. Haben Sie denn keine Augen, daß Sie ein Segelboot nicht erkennen können? Sie haben woll lange kein Havelwasser geschluckt?

Aber das Mädchen, das mit einer Freundin in dem Ruderboote saß und mit den Riemen wie mit Windmühlenflügeln schlug, lachte ihn nur aus, daß er so hinter ihr her schalt.

– Zu dämlich benehmen die Leute sich, die nichts vom Rudern verstehen. Ein Wunder, daß man nicht auf jeder Fahrt ein paar Boote in den Grund segelt. Sie denken: Weich' du mir nur aus, als ob das so einfach wäre, zumal wenn man gar nicht ahnt, wohin sie eigentlich steuern wollen, wenn sie da im Zickzack hin und her pendeln.

– Aber da kommt schon das Boot von Schwanenwerder.

– Was denn für ein Boot? fragte Laue. Erwarten Sie denn noch jemand?

– Freilich erwarten wir noch jemand. Das will ich meinen! Noch ein wenig mehr steuerbord! So! – Und nun beidrehn. Gut! ...

Das Boot machte eine rasche Wendung und lag dann im Winde, daß die großen Segel schivverten, als ob ein Frösteln über die schneeweiße Fläche huschte.

Ein Sportboot kam angeschossen und legte sich nach kurzem Manövrieren längsseits. Und ihm entstieg in weißem, wollenen Kostüm, mit einer feschen Sportmütze auf den schimmernden Haaren, Frau Eveline Tismar.

– Ich grüße den Schutzgeist unseres Bootes, sagte Wiluda feierlich, und half ihr an Bord, küßte ihr die Hand und half ihr zu einem Sitzplatze, während Illgen schon ihre andere Hand ergriffen hatte, daß sie ganz verlegen dastand, weil sie Seveke guten Tag sagen wollte, und nun keine Hand mehr frei hatte.

Erst als sie saß, konnte auch Kurt Laue sie begrüßen.

– Ich hatte ja keine Ahnung, daß wir so lieben Besuch erhalten würden, sagte er lachend.

– Hat Ihnen Wiluda oder Seveke nichts gesagt?

– Nein! Das haben wir nicht getan. Das sollte eine Überraschung sein. Und vor allem wollten wir um unser selbst willen geliebt werden. Denn daß der Doktor unserer Einladung gefolgt wäre, wenn er wußte, daß uns Frau Eveline Tismar die Ehre ihres hohen Besuches gönnen werde, war ja ausgemacht. Das wäre also kein rechter Beweis gewesen, daß Laue mit uns gern zusammenkommt.

– Nun also! Dann machen Sie von mir nur so wenig Gebrauch wie möglich. Ich bin als Frau ja doch nur geduldet an Bord.

– Bitte, nein: die Bootsherrin und Kommodorin ist an Bord, und wohin befehlen Euer Gnaden nun? Sollen wir erst mal nach Schildhorn zu fahren? Der Wind ist günstig. Oder wollen wir nach Potsdam und dem Jungfernsee?

– Erst mal auf Spandau zu. Ich liebe das große Fenster, in das müssen wir hinein, ja?

Sie hatten alle ihren Platz eingenommen, und das Segel legte sich wieder an den Wind, so daß sie in flotter Fahrt dahinschossen.

Kurt Laue saß neben ihr.

– Wie kommen denn die gnädige Frau hier in dem Kahn so an Bord? Woher eigentlich?

– Ach, Sie wissen nicht, daß ich eine Besitzung hier auf Schwanenwerder habe?

– Keine Ahnung.

– Sehen Sie, das helle Haus? Ja, das neben der protzigen Villa mit dem Turm ist mein Sommersitz, das heißt, ich bin nur immer auf Tage dort. Den Hauptteil habe ich jetzt vermietet, aber meine Einwohner sind auswärts, und zurzeit bin ich die einzige Bewohnerin dort.

– Das muß herrlich sein.

– Ganz recht, wenn es nur nicht so einsam wäre. Mit meinen Nachbarn habe ich keinen Verkehr. Mein Mann hatte mit ihnen einmal einen Prozeß, und da schneiden sie mich noch immer. Mir liegt auch nichts an ihnen, ich hätte sowieso nicht mit ihnen verkehrt, ebensowenig wie mit der anderen Seite. Üble Ausländer, wie man sie bei uns nicht dulden sollte. Das ist doch nicht die Gesellschaft, wie ich sie gewöhnt bin.

– Aber der Einsamkeit kann man doch abhelfen.

– Kann man denn seinen Freunden immer zumuten, die Fahrt hier heraus zu machen? Das überlegen sich die Menschen doch ein wenig.

– Bei mir gäbe es keine Überlegung, wenn ...

– Wir können es ja mal auf den Versuch ankommen lassen.

– Aber mit dem größten Vergnügen. Zudem muß ich ja auch wissen, wie Sie hier auf der Insel hausen.

– Müssen Sie das?

– Freilich! Von seinen Freunden muß man soviel wie nur irgend möglich wissen.

– Und was wissen wir Frauen von unseren Freunden? –

Einen Augenblick schwieg er, denn sie mußten den Platz wechseln, weil das Boot wendete.

Als sie wieder saßen – Peter Illgen hatte sich vorn hingesetzt, weil das Segel ihm sonst alle Aussicht nahm, – sagte Kurt leise:

– Da haben Sie recht. Wir Männer haben immer Geheimnisse, auch vor unseren besten Freunden. Aber Sie brauchen ja nur zu fragen.

– Ich frage keine fremden Leute.

– Nein, nicht die anderen, aber zum Beispiel mich können Sie ruhig fragen. Und ich werde Ihnen die ehrliche Antwort auf alles nicht schuldig bleiben.

– Ich möchte es lieber nicht darauf ankommen lassen.

– Versuchen Sie es doch, bat er.

Sie sah ihn an und dachte dabei, wenn ich ihn jetzt nach der Martell frage? Wird er mir antworten?

Eine Freundin! wird er sagen. Denn er müßte ja schon aus gesellschaftlichem Takte mir irgend eine ausweichende Phrase hinwerfen. Könnte mir nie zugeben, welche Beziehungen in Wahrheit zwischen ihm und der Sängerin bestehen.

Da würde Klara Bessin viel eher mir die Wahrheit sagen, wenigstens wie sie sich das denkt; denn sie weiß gewiß ebensowenig wie alle anderen, was tatsächlich daran ist.

Sie hatte noch immer die Augen auf ihn gerichtet, und er ließ sie nicht mit den Blicken, aber sie sah ihn gar nicht, sondern die andere, an die sie dachte.

– An was denken Sie denn? ... fragte er leise. Ich sehe, daß Sie mit Ihren Gedanken ganz wo anders sind als ...

Sie gab sich einen Ruck, schüttelte sich ein wenig und sagte endlich, während sie nach dem Ufer blickte, wo die Häuser sich aus den Wipfeln der Bäume hoben:

– Ja, Sie haben recht. Ich dachte an ganz was anderes. Aber das geht mich alles nichts an. Lassen wir das. Es hat doch keinen Zweck weiter.

– Warum nicht?

– Nein! Es scheint mir doch zu gefährlich.

Wiluda, der bisher am Steuer gesessen hatte, kam zu ihnen, und so konnten sie das Gespräch nicht fortsetzen.

Aus den Bäumen sah eine kokette kleine Villa hervor, mit den hohen Fenstern, die in zahllose kleine Scheiben abgeteilt waren, und den seltsam geformten Schornsteinen, wie ein altes französisches Lustschlößchen.

Das wirkte so anmutig, daß Laue ausrief:

– Aber das ist ja entzückend! Sehen Sie nur!

– Finden Sie? fragte Wiluda lachend, der den lauten Ausruf gehört hatte.

– Das will ich meinen.

– Wissen Sie auch, daß der Erbauer dieses Kleinodes gar nicht weit ab von Ihnen sitzt?

– Seveke?

– Freilich, er hat das Ding gebaut, wie so manche von den kleinen koketten Häuschen, ich hätte fast gesagt: Kokottenhäuschen; denn gar oft sind diese Villen und Schlößchen für solche Zwecke errichtet von Leuten, die es sich gestatten können, ihre Freundinnen so nett einzurichten. Wußten Sie nicht, daß Seveke gerade dafür bekannt und berühmt ist? Seine Spezialität, in der ihm keiner nachkommt, vor allem, was die Inneneinrichtung anlangt.

– Was Sie nicht sagen! erwiderte Laue, und sah nach dem Baumeister, dem man das gar nicht recht zutraute, mit seinen großen, fast ein wenig groben bäuerischen Händen.

Sie steuerten jetzt an Lindwerder vorüber, mußten manchmal einem langen Schleppzuge ausweichen, oder kreuzten hart an einer tiefbeladenen Zille vorüber, deren gewaltiges dunkles Segel voll gebaucht gegen die Sonne stand.

Frau Eveline war wie zu Hause auf dem Boote. Sie fuhr zum dritten Male mit, – sie war durchaus seefest, und die Fahrt prickelte in ihr, daß sie nun fast übermütig wurde. Der Wind trieb ihr das Blut in die Wangen, ihre Hände waren freilich eiskalt, daß sie die Finger zuweilen rieb, bis Kurt Laue sie in seine Hand nahm und sie anhauchte, während sie es versuchte, ihm die Finger zu entziehen.

– Mein Atem ist aber nicht giftig, sagte er vorwurfsvoll. Sie können ganz beruhigt sein, fügte er lachend hinzu.

– Ja, schon recht, deshalb fürchte ich mich auch nicht, aber es kitzelt einfach. Das ist es.

– Oh dann bitte ich um Verzeihung. Wenn ich noch einen Schnurrbart hätte, aber so? Sind Sie denn so sensitiv?

– Eigentlich nicht. Vielleicht nur heute. Aber nun kehren wir wohl lieber um. Ich möchte so gern noch an der Pfaueninsel vorüber. Schade, daß wir nicht ein paar Stunden Zeit haben, um dort ein wenig spazieren zu gehn.

– Das kann man ja ein andermal. Ich stelle mich als Führer gern zur Verfügung. Ich kenne mich dort aus. Ich liebe die Insel und bin oft dort. In jedem Jahre ein- oder zweimal.

– Heut wollen wir uns mit Sakrow begnügen. Das ist auch ganz schön. Mit Ausnahme des Kaffees, oder dessen, was sich so nennt.

– Sind Sie so anspruchsvoll?

– In der Hinsicht gewiß. Lieber nichts, als wie schlechten Kaffee. Und zu wünschen läßt er hier ringsum sehr.

– Ein andermal sorge ich auch dafür, sagte Seveke, daß der beste Kaffee da ist. Sonst habe ich alles vorgesehn, nur gerade daran habe ich nicht gedacht, weil ich annahm, wir legten irgendwo an, und setzten uns gemeinsam an einen Tisch. Zu dumm, daß ich das nicht anders bedacht habe.

Er ließ die beiden wieder allein, und setzte sich an das Steuer, das Wiluda inzwischen geführt hatte.

– Nein, bleiben Sie nur, bemühen Sie sich nicht! rief Eveline Peter Illgen zu, der Miene machte, zu ihnen zu kommen, weil er nun in die Sonne hineinsah, der sie entgegenfuhren.

Er winkte zum Danke mit der Hand und rief:

– Ich wollte nur um keinen Preis unhöflich scheinen, und mich Ihnen auch mal widmen. Sonst aber ist es zu schön hier vorn.

Und sie blieben wieder allein, dicht neben einander gelagert.

Er hatte den Arm so gelegt, daß er auf dem Bordrande lag, hinter ihrem Rücken, als ob er sie umfaßt hielt, und er fühlte den Reiz, wie er den Arm nur ein klein wenig zu krümmen brauchte, und er umschloß sie.

Sie blickte gerade aus, und er sah in ihrem Nacken die feinen Härchen im Winde wehen, die so tiefgolden schimmerten. Die feine Linie reizte einfach dazu, die Lippen auf diese Stelle zu drücken, und er hatte alle Mühe, daß er seinem Impulse nicht nachgab, so nah war er ihr mit dem Munde.

Sie wandte sich um, und damit war wenigstens diese Versuchung nicht mehr, aber er war ihr zu nah, als daß die Begier nicht wuchs, sie an sich zu ziehn.

Merkwürdig, wie die Frau, die so kühl und unbekümmert neben ihm saß, auf ihn erregend wirkte. Das war ihm so stark eigentlich noch nie geschehn. Dabei war sie wie eine schöne Statue, die man bewundernd anschaut, und die selbst ganz empfindungslos bleibt.

Aber empfindungsarm war sie nicht, nach allem, was er schon von ihr wußte. Nur jetzt ging sie einzig in dem Wohlbehagen der Fahrt auf und hatte für sonst nichts Interesse, nur zuweilen für die Landschaft, wenn sie sich ihm zukehrte, und ihn auf etwas aufmerksam machte.

– Sehen Sie! dort sieht wieder mein Haus aus den Bäumen heraus. Und ich habe den Blick immer auf die Pfaueninsel, die jetzt zu sehr schon im Dunst liegt, und auf die russische Kirche bei Nikolskoe. Sie sollten das nur einmal am Morgen ganz früh sehen, wenn der erste Nebel geschwunden ist, und man die Sonne im Rücken hat, es gibt kaum etwas Schöneres, als diesen Blick.

– Würde ich furchtbar gern mal sehn. Wenn sich das nur machen ließe.

Darauf aber schwieg sie und sah vor sich hin, wie sie jetzt zwischen der Pfaueninsel und dem rechten Ufer der Havel waren.

Plötzlich sagte Seveke:

– Nun habe ich für heute noch etwas ganz besonderes. Ich weiß nur nicht, ob wir Zeit genug haben. Der Wind ist zwar günstig, aber wir haben schon zuviel Zeit verloren, daß wir erst auf Spandau zu gefahren sind.

– Was ist es denn, fragte Eveline. Lohnt es sich?

– Ich glaube doch, sagte Seveke, denn ich will Ihnen ein Geheimnis preisgeben, das ich selbst vor meinen besten Freunden bisher geheim gehalten habe. Ich habe den märchenhaften Ort vor Jahren einmal bei meinen Entdeckungsfahrten aufgestöbert.

– Was ist denn das? fragte Illgen.

– Ein Schilfsee, der Ihr Malerherz erfreuen wird. Aber ich will ihn vor allem unserer lieben Freundin Frau Eveline verraten. Für die habe ich mir das seit langem schon aufgespart, den Evelinensee nenne ich ihn, weil er so friedlich still und schön, wie sie selbst ist.

Sie kreuzten zwischen der Pfaueninsel und den Fuchsbergen, und nun lenkte er das Boot auf das Schilf an der Pfaueninsel zu, über dessen Halmen sie das Kavalierhaus mitten auf der Insel aufragen sahen.

Sie wunderten sich, daß er so direkt in das Schilf hineinzufahren schien, aber nach einer leichten Wendung des Bootes sahen sie einen ganz schmalen Durchgang, daß die Halme zu beiden Seiten den Bootsrand berührten, – ein paar Meter glitt das Fahrzeug zwischen dem Schilf hin, dann sahen sie plötzlich einen See, kreisrund, vor sich, ganz von gelbem Schilfrohr umschlossen, von breitastigen hohen Laubbäumen rings umkränzt, durch deren Lücken nach der einen Seite das graue Kavalierhaus zu sehn war, während sich vor ihnen die braunroten Wände der Meierei erhoben.

Kein Mensch war zu erblicken, – es war wirklich wie in einem Märchen, gar nicht als ob es Wirklichkeit war, so geheimnisvoll still.

Ein kreisrunder See, mit tiefblauem Wasser, ganz umschlossen von dem schon gelblichen Schilfrohr, das leicht im Windhauche raschelte. Dann ward es ganz still, – und das Boot glitt überaus geschickt gelenkt rings um den kleinen runden Teich.

– Wollen wir landen? fragte Seveke in das tiefe Schweigen hinein.

– Bitte, nein! rief Eveline, das würde den Zauber zu sehr beeinträchtigen, wenn man festen Fuß an Land fassen würde. Es ist so märchenhaft schön, daß ich mir den Eindruck nicht verderben möchte.

– Zudem geht es auch nur schwer. Es ist zu sumpfig, und wir können durch das Schilf nicht durch. Fahren wir nur immer so weiter im Kreise.

Noch einmal machten sie die Runde, dann glitt das schlanke Boot, das wie ein Zirkuspferd in der Manege, in dem Schilfkreise fuhr, ebenso geschickt durch den schmalen Kanal, den man gar nicht sah, wieder hinaus, – aus diesem versteckten Kleinod auf die große Wasserfläche, – und gleich warf sich der Wind in die Segel, und das Boot lag schräg, das eben wie ein Schwan mit hochgerecktem Halse in der Abgeschiedenheit des verborgenen Schilfsees so vornehm sich bewegt hatte, und schoß durch das aufrauschende Wasser Sakrow zu.

Links oben auf dem hohen Ufer sah der Zwiebelturm der Peter-Pauls-Kirche hervor, und nicht weit davon sah man das schwarze Gebälk des Blockhauses von Nikolskoe, das sie alle kannten, von wo man den Blick weit über die breite Havel hatte.

Schon waren sie an der Spitze der Pfaueninsel vorbei, wo das silbergraue Gebilde des Schlosses mit seiner eisernen Brücke, die die Türme der Ruine künstlich verband, aus den alten Bäumen aufragte. Vor ihnen erweiterte sich die Havel wieder, und der Pfingstberg bei Potsdam tauchte in der Ferne auf.

Ein langes Floß, auf dem ein Hund hin und herjagte, stellte sich ihnen in den Weg, sie mußten von ihrem Kurse abfallen, und da der Wind hier nachließ, kamen sie nicht von der Stelle.

– Faul! rief Seveke ihnen zu. Hoffentlich kommen wir aus der Flaute bald wieder heraus. Wäre ja scheußlich, wenn der Wind nicht wieder auffrischen würde. Mir scheint aber, da kommt schon wieder eine neue Brise. Der Himmel sieht auch ganz gut aus. Jedenfalls wollen wir bei Sakrow an Land gehen, denn nach Moorlake kommen wir wohl hinein, aber wer weiß, ob auch wieder ohne Rudern heraus. Also kehren wir lieber bei Doktor Faust ein.

Die Sakrower Heilandskirche lag vor ihnen, hell in der Sonne mit ihrem rötlichen Farbentone und dem seitlich stehenden, viereckigen Glockenturme.

Auf der Fähre vor ihnen wurden eine Menge Menschen übergesetzt, die um einen leichten Jagdwagen, dessen Pferde unruhig sich gebärdeten, und einen leeren Ackerwagen herumstanden.

Drüben wartete der Sterndampfer, um in Sakrow am Restaurant anzulegen.

Nun war das Wasser wieder frei, und sie konnten hinter dem Dampfer vorbei und landen.

Der Garten war ziemlich leer, und so fanden sie am Ufer noch einen Tisch, von wo aus sie den Glienicker Park und die hohe Hängebrücke, die nach Potsdam hineinführte, vor sich sahen.

Der Kaffee entsprach der Weissagung von Frau Eveline. Aber es schmeckte ihnen. Besser noch das frische Gebäck, das sie aus dem Boote mitgebracht hatten.

Sie brachen bald wieder auf, gingen zur Kirche in den Schloßpark und dann zum Sakrower See.

Als sie durch das Tor schritten, trat Wiluda zurück und ließ eine Dame vorbei, der ein Herr folgte. Er grüßte das Paar hastig, der Herr hob den Hut nur sehr lässig, und die Dame warf ihm einen raschen, taxierenden, aber sehr hochmütigen Blick zu.

Frau Eveline war mit den beiden anderen vorgegangen.

Wiluda lachte ein wenig spöttisch auf.

– Wer war denn das? fragte Kurt Laue.

– Ach, die lebt auch noch? Und dabei hätte sie mir beinah das Leben gekostet.

– Wieso das?

– Ja, ich habe wegen dieser Dame einmal mein kostbares Leben aufs Spiel gesetzt, als junger Musikstudent.

– Ach nein.

– Doch! doch! Es ist so lange her, daß es schon nicht mehr wahr ist. Sehen Sie sich nicht um. Ich glaube, sie ist stehen geblieben. Hat mich wohl nicht gleich erkannt. Aber ich will ihr lieber nicht in den Weg kommen. Finden Sie nicht, daß sie fast komisch aussieht?

– Wieso gerade komisch? Nur ein bißchen grotesk angezogen, zu jugendlich lebhaft in den Farben.

– Nicht wahr? für ihr Alter nicht mehr so recht passend. Und dabei geht sie so schwer am Stock.

– Um diese Frau mit dem grotesken Anputz habe ich einmal alles aufs Spiel gesetzt. Man sollte alte Lieben nie wiedersehn.

– Damals sah sie anders aus, kann ich Ihnen sagen – als wie jetzt. Sie war achtzehn Jahre alt, aber sie hatte es bei all ihrer Jugend in sich. War eine Gesangsschülerin der Nicklaß-Kempner.

– Dazu sehr fesch, die es nicht nötig hatte, sich wie heute an einem Stocke durchs Leben zu schleppen, sondern die auf zwei schlanken Füßen – manchmal sehr eilfertig von einem zum anderen Vergnügen, überhaupt so von einem zum anderen eilte. Und dabei voller Talent.

– Ein guter Freund von mir hatte sich rettungslos in sie verschossen, und wir fürchteten sehr für ihn, daß er an ihr kleben bleiben würde.

– Das schien uns durchaus nicht erwünscht, und so wurde er eindringlich von den guten Freunden gewarnt, unter denen auch ich war.

– Und wie das so kommt: ich nahm den Mund wohl sehr voll, behauptete, daß er sich nur nichts einbilden sollte, erklärte, daß die Tugend seiner Freundin nicht grade auf allzu festen Füßen stehe, trotz seiner schon langen freundschaftlichen Beziehungen zu ihr, und seinen vergeblichen Bemühungen, ihre volle Gunst zu erringen.

– Sie spielte eben nur mit ihm, und machte sich wohl nicht viel aus ihm. Hielt ihn hin, weil sie aufs Ganze ging.

– Und wie das so kam! Er schwor auf ihre Unnahbarkeit, und da ritt mich der Teufel, und ich behauptete schlankweg das Gegenteil. Schließlich in der Hitze des Gesprächs erklärte ich mich bereit, meine Behauptungen ihm direkt zu beweisen, und zwar nicht nur mit Worten, sondern durch die Tat.

– Und da schwur er, daß er sie in dem Augenblicke aufgeben würde, daß alles zwischen ihm und ihr aus sein würde, wenn ich recht behielte.

– Er brauchte mir nur die Möglichkeit zu geben, an sie heran zu kommen, daß ich einmal mit ihr ausgehn konnte, und ohne jedes Hilfsmittel, ohne einen Tropfen Wein oder sonst, würde ich ihm den Beweis geben, daß ... und so weiter.

– Aber sie durfte natürlich nichts wissen. Das mußte er mir auf Ehrenwort versprechen.

– Einen Augenblick zauderte er. Er war doch unsicher, sah von einem zum andern, denn wir waren eine ganze Gesellschaft.

– Aber er war in seinen Worten und der Verteidigung ihrer Tugend schon zu weit gegangen, und ich hatte meine Behauptung so sicher aufgestellt, daß er nicht mehr zurückkonnte. Er mußte schon daran glauben.

– Man war ja damals noch jung, und so keck und übermütig, und spielte mit den Dingen des Lebens, als seien es Pfeffernüsse und nichts weiter wert.

– Und man hatte eine solche Zuversicht, daß ich nicht zweifelte, wie ich nur ein gutes Werk tat, wenn ich ihm den Beweis lieferte, daß sein Glaube an dieses leichtsinnige Mädchen ein irriger war, nach allem was wir von ihr wußten, und auch wie sie sich einmal zu mir gestellt hatte.

– Nur war ich damals auf ihr Entgegenkommen nicht eingegangen, weil ich einem Freunde nicht so ohne weiteres aus seinem Garten mir Blümchen zu pflücken pflegte. Das lag mir nicht. Dazu hatte ich eine zu hohe Meinung von der Freundschaft.

– Er reiste ab, – und ich ward von ihm zu ihrem Hüter und Beschützer bestellt, ganz offiziell – wie sich das gehörte, – so daß ich für meine Person über die ihre von ihm plein pouvoir erhielt – einfach Generalvollmacht.

– Nun, und ich nutzte die Gelegenheit. Und das mit größtem Vergnügen, denn sie war sehr fesch und reizvoll damals. Ein Stückchen Teufelskerl, dem die Augen nur so blitzten, und die den Satan im Leibe hatte, daß man schon verstand, wie ein Mann sich für sie ins Zeug legen und auch an ihr kleben bleiben konnte.

– Es waren drei sehr nette Tage, die ich mit ihr verbrachte, – Tage und wie ich ja ruhig sagen kann, auch Nächte. –

– Wie das alles kam, – es ging sehr rasch, – kann ich nicht mehr berichten. Es ist ja auch gleich, aber es war natürlich mehr als leicht, und recht erfreulich zugleich, den erforderten oder vielmehr von mir behaupteten Beweis nach jeder Richtung zu erbringen.

– Als wir uns wiedersahen, der gute Freund und ich, da sagte ich ihm nichts weiter als:

– Mein Lieber! Du mußt dich für geschlagen erklären. Der Beweis ist erbracht.

– Einen Augenblick sah er mich fassungslos an, dann dachte ich, er würde auf mich losstürzen, so starrten mich seine Augen wild an. Aber dann reckte er sich, und ohne sonst noch etwas zu fragen oder einen Beweis zu verlangen, sagte er nur das eine liebliche Wort:

– Schuft! ...

– Gott! Damals nahm man ja alles gleich so tragisch.

– Ich konnte ihm dafür in dem Momente nicht an den Kragen, das verbot mir der Komment.

– Aber es war ein Tusch ohnegleichen, eine Beleidigung, die Blut forderte, auch wenn sie nur unter vier Augen gefallen war.

– Das Wörtlein stand zwischen uns, und war nicht wieder aus der Welt zu schaffen. Aber auf die Art ging das nicht, das fühlten wir beide unausgesprochen, und als wir in die Gesellschaft der Freunde zurückkehrten, ein paar Minuten später schon war die Gelegenheit gefunden – eine Beleidigung coram publico war gefallen, und die war auch nicht von schlechten Eltern, und dann ging alles seinen Weg.

– Ich sah auch keine andere Möglichkeit, die Angelegenheit zwischen uns anders zu regeln.

– Er hatte ja recht, wenn er mich fortan haßte und mir an den Leib wollte.

– Und eines schönen Morgens, oder vielmehr schon am andern Tage, in aller Herrgottsfrühe, standen wir uns auf einer lieblichen Waldlichtung gegenüber.

– Er war kurzsichtig und kein großer Treffer, ich war ein so sicherer Schütze, wollte hart an ihm vorbeischießen, nur damit ich mich nicht zu sehr blamierte, aber ich traf ihn trotzdem in den Arm.

– Er hatte sich wohl doch ein wenig noch bewegt und einfach gemuckt.

– Es war nur eine harmlose Fleischwunde, aber damit war der vermeintlichen Ehre vollauf Genüge getan. – –

– Acht Tage später, als er noch in der Klinik lag, zeigte er feierlich seine Verlobung an mit ... mit ihr.

– Auch ich bekam eine solche Karte zugesandt.

– Und ich hörte, wie er doch darüber geredet haben mußte, daß ich seine Braut in unsagbarer Weise beleidigt hätte.

– So sagte er und schien sich seines ritterlichen Eintretens für sie recht zu rühmen.

– Natürlich blieb mir nichts, als hübsch still zu sein. Die anderen wußten ebensogut, wie die wahre Sachlage gewesen, aber auch die ließen nichts weiter verlauten.

– Es war ja schließlich auch das einzige, zu schweigen, wenn wir ihn nicht für alle Ewigkeit blamieren wollten.

– Und wozu das? ...

– Nach kaum zwei Monaten hat er sie dann auch regelrecht geheiratet. Er war sehr reich und konnte es sich leisten.

– Vor etwa vier Jahren erfuhr ich, daß er gestorben sei, und dann hat sie sich ein Jahr darauf sehr gut wieder verheiratet.

– Sie soll mit ihrem neuen Gemahl sehr zurückgezogen leben und sehr glücklich sein. Auch mit dem Freunde soll sie gut gelebt haben und ihm eine einwandfreie Hausfrau gewesen sein. Ihr Singen hatte sie aufgegeben.

– Da habe ich mir manchmal gedacht, daß sie mir doch eigentlich ihr ganzes Glück zu danken hatte, denn ohne mein Eintreten, und ohne die blöde Schießerei wäre mein guter Freund nie auf den Gedanken gekommen, sie ausgerechnet zu heiraten, – wäre sie auch nie darauf verfallen, in ihm den Helden zu sehen, der für ihre Ehre und ihre Tugend eingetreten, so daß er nun auch in ihren Augen ein Held und Beschützer der Unschuld war.

– Es wäre sonst gewiß ganz anders gekommen. –

– So hat sie gar nicht zuviel getan, wenn sie mir heute einen freundlichen Gruß gönnte. Und ich würde mich nicht wundern, wenn wir uns eines Tages einmal treffen, daß sie mir, als einem guten alten Bekannten, die wir in der Tat ja auch einmal waren, die Hand reichen würde. –

– Ich habe es verdient um sie.

– Aber nun kommen Sie, die anderen sind weit voraus, und es fällt auf, daß wir uns so abseits halten. –

 

Und rascher gingen sie den anderen nach, und Kurt Laue suchte Frau Eveline auf, aber die Geschichte Wiludas ging ihm beständig durch den Kopf, und er hörte nur zu, was sie mit den andern plauderte, ohne daß er sich an dem Gespräche beteiligte.

Auch als er mit ihr allein blieb, fand er nicht gleich wieder das Wort, sondern ging still neben ihr, bis sie stehen blieb und ihn ansah und fragte:

– Sie sind ja so schweigsam! Ist Ihnen etwas nicht recht?

– Ich denke nur ein wenig nach. Das Leben wiederholt sich doch immer. Es fällt ihm im allgemeinen nur herzlich wenig ein. Alles bleibt Schablone. Darüber habe ich mir eben Gedanken gemacht. Nur daß natürlich der Ausgang nicht immer derselbe zu sein braucht. Da helfen wir glücklicherweise ein wenig nach. Aber sonst ist das Leben nicht sehr erfindungsreich.

– Haben Sie die Erfahrung gerade heut gemacht?

– Nicht so ganz. Aber eine neue Bestätigung ist mir geworden.

– Und das alles hier in Sakrow?

– Alles hier in Sakrow eben.

– Da könnte man ja beinah neugierig werden.

– Würde in diesem besonderen Falle nicht viel helfen. Diskretion ist gar nichts gegen ...

– Gegen was?

– Schon das ist zuviel gefragt.

– Das muß dann freilich ein erschreckliches Geheimnis sein. Da will ich nur ja nicht weiter forschen, denn sonst geschieht noch ein Unglück.

– Ich glaube auch, es ist besser.

– Wir müssen aber an die Heimfahrt denken, der Wind läßt bedenklich nach, und wir müssen gegen den Wind aufkreuzen. Das kann eine Weile dauern, bis wir heimkommen. –

Der Wind hatte fast völlig nachgelassen, aber sie hofften, wenn sie erst bis über Moorlake hinaus waren, daß sie dann wieder freiere Fahrt hatten.

Unterhalb Nikolskoe frischte der Wind auf, aber an den Fuchsbergen trat eine völlige Flaute ein, und das Boot lag ganz still.

Allein es war noch Zeit, und man konnte damit rechnen, daß es gegen Abend noch einmal frischer wurde. Wenn es gar zu still wurde, fand sich immer noch ein Motorboot, das einen Segler für Geld und gute Worte ins Schlepptau nahm und in den Hafen bugsierte. –

Langsam glitt das Boot durch den stillen Abend, der sich über die bewaldeten Ufer senkte.

Auf einer Zille spielte ein Schiffer auf der Ziehharmonika, und die getragenen Töne schwammen über das ruhige Wasser mit einer einlullenden Einförmigkeit.

Der Abend senkte sich langsam herab, und der volle Mond stand schon durchsichtig bleich am Abendhimmel, der sich farblos über der Landschaft spannte.

Sie hatten zu tun, um jeden leisesten Windhauch auszunutzen, der zuweilen durch die Dämmerung wehte.


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